Pushpak Ramayana Buch 1Zurück WeiterNews

Canto 15 - Der Nektar

Nachdem der weise Vishnu den Göttern im Himmel sein Versprechen gegeben hatte, besann er sich nochmals im Stillen und überlegte sich, den passenden Ort seiner Menschwerdung zu finden. Dann entschied der Lotusäugige, sich vierfach zu teilen und im ehrenvollen König Dasaratha seinen Herrn und Vater zu nehmen. Dieser kinderlose Adlige von hohem Ruhm hatte in der Schlacht seine Feinde mutig bezwungen und mit großer Sorgfalt ein Opfer durchgeführt, um Nachkommen zu erflehen. So bat Vishnu, der gern auf der Erde leben wollte, beim Allmächtigen Vater um seinen Abschied und verschwand, während die anderen Götter und Heiligen sich in Verehrung vor ihm verneigten.

Als König Dasaratha die Opferriten beobachtete, manifestierte sich auf einmal eine riesige Gestalt von schrecklicher Macht vor seinen Augen, ganz unvergleichlich prächtig, stark und groß. Das Wesen kam aus der Opferflamme, war dunkel und trug eine rote Robe. Seine Stimme war laut und tief, wie eine Trommel und das Gesicht durchdrungen von rötlichem Glanz. Wie die riesige Mähne eines Löwen sahen die langen Locken und der Bart des Wesens aus. Es trug viele glücksverheißende Zeichen und göttliche Ornamente an seinem Leib und konnte in Größe mit einem turmhohen Berg verglichen werden und mit einem Tiger in Gang und Kraft. Keine kostbare Mine konnte reicher sein und keine brennende Flamme heller als er. Wie ein teures Weib hielten seine Hände mit liebevollem Griff ein Gefäß aus Gold, dessen silbernes Inneres einen Schluck von dem Nektar enthielt, wie er im Himmel getrunken wird. Das Gefäß war so strahlend und blendend hell für die Augen, daß man die Vision kaum glauben mochte.

Das Wesen heftete seinen Blick auf den König und sprach: "Der Gott des Lebens hat seinen Diener heruntergeschickt, oh Prinz, um dir ein Bote des Himmels zu sein." Der König mit all seinen Edlen an der Seite hob und faltete seine Hände in Verehrung und antwortete: "Willkommen, du Strahlender, sag mir, wie kann mein Bemühen deine Gnade erwidern?" Und der Bote des Herrn, welcher von allen verehrt wird, sprach noch einmal zum König: "Die Götter akzeptieren deine Verehrung. Sie übergeben dir heute die gesegnete Frucht. Tritt näher, du glorreicher König, und nimm den himmlischen Nektar in Empfang, den ich dir bringe. Er wird dir Söhne schenken und Reichtum und dich mit großer Fülle an Gesundheit versehen. Gib ihn deinen schönen Königinnen und bitte sie, den Nektar zu trinken. Dann werden sie die prinzlichen Söhne empfangen, nach denen ihr so lang durch Opfer und Gebet gesucht habt."

"Ja, mein Herr" erwiderte der Monarch und nahm das Gefäß in Empfang, dieses Geschenk der Götter, diese feine goldene Arbeit mit dem Schatz des himmlischen Getränks gefüllt. In erneuter, heftiger Erregung bezeugte er dem wunderbaren und herrlich anzuschauenden Wesen seinen Respekt und seine Verehrung, und umrundete den Boten Gottes mit ehrfurchtsvollen Schritten. Nachdem der seine Pflicht getan, erhob sich die Lichtgestalt und verschwand vor aller Augen.

Große Verzückung erfüllte des Monarchen Seele, nachdem er die göttliche Schale besaß; wie ein von Armut gebeugter Mann, der mit unerwartetem Reichtum gesegnet wird. Plötzlich schienen Freudenstrahlen die Halle zu erleuchten, als ob der herbstliche Mond aufginge und den Himmel mit lieblichem Licht überflutete. Schnell eilte der König in die Gemächer der Frauen und sprach zu Königin Kausalya: "Nimm diesen anregenden Nektar und trinke ihn in vollen Zügen." Dabei gab er ihr die Hälfte. Einen Teil des Rests erhielt Sumitra von seiner Hand und dann, um auch Kaikeyi Erfolg zu bescheren, erhielt sie die Hälfte von dem, was noch da war. Ein wenig war schließlich noch übrig. Der König überlegte eine Weile und gab Sumitra den Rest. So verlieh der König seinen drei schönen Königinnen ihren Anteil am Getränk. Und die Brust einer jeden Dame war mit süßer Hoffnung ganz und gar erfüllt, bald Kinder um sich zu sehen. Die himmlische Schale, die der König ihnen dargereicht hatte, erleichterte ihre sehnsuchtsvollen Seelen und bald schon, mit Entzücken und mit Stolz, empfing jede königliche Dame. Der König blickte in ihre Gesichter, und triumphierte wie Indra, der in seinem königlichen Palaste von Göttern und Geistern gepriesen wird.



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