Pushpak Prem SagarZurück WeiterNews

30 – Die Kuhhirtinnen treffen Sri Krishna

Als er soweit mit seiner Erzählung gekommen war, sagte Sri Shukadeva Ji: − Raja! Ich werde dir jetzt in fünf Abschnitten berichten, so, wie ich es verstanden habe, auf welche Art und Weise Hari die jungen Kuhhirtinnen mit Vergnügungen, festlichen Liedern und Tänzen erfreute.

Nachdem Sri Krishna ihnen damals am Ufer der Yamuna die Kleider stibitzt hatte, gab er den Kuhhirtinnen das Versprechen, für sie im Monat Kartika ein Fest zu geben, auf dem sie tanzen und festliche Lieder singen würden. Von dem Augenblick an, als Krishna ihnen das versprochen hatte, fieberten die jungen Kuhhirtinnen der Einlösung dieses Versprechens entgegen. Sie sehnten ständig den Monat Kartika herbei, das lange Warten entmutigte sie, und während sie damit beschäftigt waren, kam die vielversprechende Jahreszeit irgendwann.

Als der Monat Kartika begann, verschwanden augenblicklich Hitze, Regen und Kälte. Teiche und Bäche füllten sich mit reinem Wasser, und die Lotusse standen in voller Blüte. Die weißen Lotosblumen, die Rebhühner und die Liebespaare himmelten mit großem Vergnügen den nächtlichen Mond an. Aber die roten Stachelbeeren und die Lotusse vertrockneten tagsüber wieder, weil sie glaubten, die Sonne wäre freundlich.

Sri Shukadeva, der Weise, sagte: − Oh Herr der Erde! Sri Krishna Chandra ging eines Nachts bei Vollmond hinaus, als der Monat Kartika angefangen hatte, und betrachtete die über den Himmel verstreuten Sterne. Das Licht des Mondes breitete sich über der Landschaft aus, und eine kühle, sanfte, duftende Brise wehte. Auf einer Seite breitete ein dichter dunkelgrüner Wald von großer Schönheit seinen Schmuck aus. Als Krishna diesen Anblick sah, erinnerte er sich an sein Versprechen, das er den jungen Kuhhirtinnen geben hatte, und er dachte daran, sein Versprechen nun zu erfüllen. Krishna dachte an die Kuhhirtinnen, als er in dieser Nacht in den Dschungel ging und auf seiner Flöte spielte.

Als sie die Töne der Flöte hörten, fürchteten sich die jungen Frauen von Vraja sehr. Sie liebten Krishna, waren aber lange von ihm getrennt gewesen. Die verheirateten Frauen legten all ihre verwandtschaftlichen Gefühle ab, ließen ihre Haushaltspflichten und Familienbande im Stich, legten ihren Schmuck an und gingen in großer Verlegenheit in den Dschungel, um Krishna dort zu sehen. Eine der Kuhhirtinnen wurde von ihrem Ehemann festgehalten, als sie schon mit den anderen auf dem Wege war. Er brachte sie zurück nach Hause und erlaubte ihr nicht zu gehen. Deswegen begann sie, über Krishna zu meditieren, dabei verließ sie ihren Körper und kam vor allen anderen Frauen bei ihm an. Als Sri Krishna Chandra ihre große Zuneigung sah, gewährte er ihr sofort die Befreiung von ihrem Körper und die Erlösung aus dem Rad der Wiedergeburten.

An dieser Stelle der Geschichte sagte Raja Parikshit zu Sri Shukadeva Ji: „Oh Herr der Güte! Die Kuhhirtin betrachtete und wertschätze Sri Krishna nicht als Gottheit, sondern nur als Objekt der Sinne, für das sie Zuneigung empfand. Wie war es also möglich, dass sie den Zustand der Erlösung und Befreiung erreichte? Bitte erklär’ mir das, damit ich das richtig verstehe.“

Der Weise antwortete: − Oh Herr der Gerechtigkeit! Auch Sterbliche, die ohne Wissen die Größe Sri Krishnas erkennen, erlangen diese religiöse Erlösung und Befreiung. Ein Mensch, der das Wasser des Lebens trinkt, ohne es zu wissen, wird unsterblich; genauso wird derjenige, der es wissentlich trinkt, den vollen Nutzen der ausgezeichneten Eigenschaften erlangen. Alle Menschen wissen, dass Tugenden und Segnungen Ergebnisse haben, die in Erscheinung treten müssen. Und dasselbe gilt auch im Hin­blick auf die Verehrung von Krishna. Ganz gleich, auf welche Art und Weise jemand Krishna verehrt, er wird Erlösung erlangen.

Das Aufsagen von Gebeten oder Rosenkränzen, das Tragen von Zeichen an Körper oder Stirn, das alles ist ausgesprochen zwecklos, wenn der Geist schwankend und unstet ist. Aber wenn der Geist wahrhaftig ist, dann ist Rama – Krishna – über ihn erfreut. Und ich erkläre dir die verschiedenen Wege, auf denen verschiedene Menschen Krishna anerkannten und so Erlösung erreichten.

Nanda und Yashoda sahen ihn als ihren Sohn an, die Kuhhirtinnen sahen ihn als ihren Kavalier, Kansa verehrte ihn durch dauernde Furcht, die Kinder der Kuhhirten sahen in ihm ihren Freund, und die Pandu-Familie betrachtete ihn mit höchster Liebe. Shishupala erkannte ihn als Feind, und die Yadu-Familie machte Krishna zu einem Familienmitglied. Yogis und Weise und viele andere Anhänger mit langen Haaren meditierten über ihn als die Gottheit. Aber zum Schluss erlangten sie alle die Segnung der Erlösung und Befreiung. – Aus welchem Grunde also sollte es erstaunlich sein, dass eine der Kuhhirtinnen diese Segnung erlangte, indem sie über Krishna meditierte?

Nachdem er diese Erklärung gehört hatte, sagte Raja Parikshit zu Sri Shukadeva, dem Weisen: „Oh Herr der Güte! Meine Zweifel sind verschwunden; bitte sei so gut und fahre mit der Geschichte fort.“

Sri Shukadeva Ji sagte: − Raja! Um ihn zu treffen kamen sie in Scharen herbei, und so kann das Treffen der Kuhhirtinnen mit Krishna, dem Licht der Welt und dem Meer der Schönheit, im Wald von Vraja verglichen werden mit dem gewaltigen Einströmen der von Regen überfluteten Flüsse in den Ozean.

Die wunderbare Art und Weise, wie Sri Krishna geschmückt war, kann nur in Andeutungen beschrieben werden. Geschmückt von Kopf bis Fuß, und in der Gestalt eines Zauberers, erschien er so faszinierend, schön und elegant, dass die jungen Frauen von Vraja sich im Anblick seiner wunderbaren glänzenden Erscheinung verloren. − Nachdem er sich nach ihrem Befinden erkundigt hatte, fragte Krishna sie in einer eher trockenen und rauhen Art, ob sie sich sehr gefürchtet hätten, in der Nacht zu wandern, wenn überall auf den Wegen Kobolde und Geister herumirren, sodass die Wege gefährlich würden, und zudem auch noch ihre schöne Kleidung und ihr Schmuck durcheinander gerieten.

„Warum seid ihr in diesen tiefen Wald gekommen, wobei ihr all eure Zuneigung zu euren Verwandten und Familien aufgegeben habt? Solche heftigen und widerspenstigen Verhaltensweisen sind für Frauen sehr unvorteilhaft. Es wird gesagt, dass eine Frau ihre Pflichten in strengem Gehorsam gegenüber ihrem Ehemann verrichten soll, ganz gleich, mit wem sie verheiratet ist; ob derjenige nun feige, böse, dumm, hinterlistig, hässlich, krank, einäugig, altersschwach, lahm oder arm ist. Von ihrem Verhalten hängen ihr Wohlergehen und ihr Ansehen ab. Eine Frau aus gutem Hause erreicht die höchste Auszeichnung, wenn sie ihren Ehemann niemals wegen eines anderen verlässt. Und die Frau, die ihren Ehemann wegen eines anderen verlassen hat, erlangt mit jeder neuen Geburt ein Leben in niedrigeren Gegenden.“ − Krishna fügte hinzu: „Ihr seid hierher gekommen, und habt nun den dichten Wald, das volle Mondlicht und die schönen Ufer der Yamuna gesehen, jetzt geht ihr besser nach Hause und bedient mit größter Zuneigung eure Ehemänner.“

Als sie diese Worte aus dem Munde Sri Krishnas hörten, zweifelten die Kuhhirtinnen an ihrem Verstand und versanken im See einer tiefen Nachdenklichkeit. Sie schauten zu Boden und begannen, schwer zu atmen und mit ihren Zehen auf der Erde herumzugraben. Die Tränen, die dabei aus ihren Augen zu strömen begannen, sahen aus wie die Perlen gerissener Halsketten.

Nachdem sie lange kummervoll geschwiegen hatten, sagten sie weinend zu Krishna: „Du bist ja wohl der größte Betrüger! Zuerst stielst Du mit Deiner Flöte unsere Herzen und Gedanken, und jetzt spielst Du den Mitleidlosen! Du führst uns in die Irre und schlägst uns mit Deinen harten Worten kaputt.“ – Dann fügten sie hinzu: „Wir haben unsere Familien, unsere Verwandten, unser Heim und unsere Ehemänner verlassen und haben aus unseren Gedanken alles verbannt, was die Vergeltung unserer Verwandten als Folge unseres Verhaltens sein könnte. Wir haben keine Ehemänner mehr, es gibt niemanden, der uns beschützt. Gewähre Du uns Deinen Schutz, oh Herr von Vraja! Menschen, die unter Deinem Schutz leben, wünschen sich weder Reichtum noch Ansehen oder Größe, sondern bleiben bescheiden. Du bist ihr Gott in jedem nachfolgenden Leben. − Oh Gott! Zu welchem Heim sollten wir gehen; unsere Seelen sind in der Zuneigung zu Dir gefangen.“

Sri Krishna lächelte den Kuhhirtinnen zu. Er rief sie zu sich und sagte zu ihnen: „Wenn ihr tatsächlich solch eine große Zuneigung zu mir habt, dann wollen wir jetzt ein Fest feiern, Lieder singen und tanzen.“ Als die Kuhhirtinnen das hörten, vergaßen sie ihren Kummer. Erfreut versammelten sie sich um ihn und ließen von allen Seiten ihre Blicke auf ihm ruhen.

Der dunkelhäutige Krishna stand in ihrer Mitte, und die Frauen, die unterhalten werden wollten, erschienen wie goldene Kletterpflanzen, die unter einem dunklen Hügel hervorwachsen. Vorher hatte Sri Krishna seine Mayadevi, die Illusion, darüber informiert, dass er ein großes Fest geben wollte und hatte ihr den Auftrag gegeben, ein schönes Bauwerk zu erschaffen, darin zu bleiben und alle Wünsche zu erfüllen, die die Kuhhirtinnen äußern könnten. – Oh großer König! Die Illusion war zu den Ufern der Yamuna gegangen, nachdem sie ihre Aufgabe bekommen hatte, und erzeugte dort eine große, runde Terrasse mit goldenen Fliesen, die mit Perlen und Diamanten geschmückt war. Sie war von allen Seiten mit prächtigen, säulenartig sprießenden grünen Pflanzen und schönen Palmen umgeben; dazwischen hingen Kränze und Girlanden aus Blumen aller möglichen Farben. – Danach ging Mayadevi zu Sri Krishna Chandra und beschrieb ihm, was sie geschaffen hatte. Er war sehr erfreut über das, was er hörte; er bedankte sich bei Mayadevi und versammelte all die Frauen aus Vraja um sich und ging mit ihnen zu den Ufern der Yamuna.

Als sie ankamen sahen sie, dass die goldene Terrasse, die Mayadevi für dieses Fest geschaffen hatte, viele Male prächtiger war als der Glanz des runden Mondes. Der Sand des Ufers, der sie von allen Seiten umgab, glitzerte in seinem Licht wie der Staub von Diamanten. Vom Fluss her wehte eine duftende, kühle und süße Brise. Und auf der anderen Seite entfalteten die dunklen, grünen und tiefen Wälder ihre Schönheiten – in dieser hellen Vollmondnacht.

Durch diesen Anblick gerieten die Kuhhirtinnen in höchste Freude und sie begaben sich an das Ufer eines kleinen Binnensees genannt Manasruvara, der in der Nähe der Terrasse lag. Dort hatte Mayadevi neue und elegante Kleider und Schmuck für die Kuhhirtinnen hinterlegt. Sie nahmen diese und auch den neuen Schmuck, den sie dort fanden. Sie fanden auch Musikinstrumente, süß tönende Lauten und Zimbeln, die sie mitnahmen. Weil sie auf diese Weise in eine Ekstase liebevoller Gefühle geraten waren, vergaßen sie ihre Bescheidenheit. Sie hörten auf zu überlegen und begannen zu singen, zu spielen und mit Krishna zu tanzen. In diesen Stunden erschien Krishna in der Gemeinschaft der Kuhhirtinnen so schön wie der Mond zwischen den Sternen.

Nachdem er die Geschichte soweit erzählt hatte, sagte Sri Shukadeva Ji: − Oh großer König! Die Kuhhirtinnen wurden während dieser Festlichkeit ganz ausgelassen und unbefangen. Sie dachten, Krishna wäre ihr natürlicher Ehemann und betrachteten ihn als ihren Diener. Sri Krishna bemerkte das und überlegte: „Die Kuhhirtinnen glauben, sie hätten mich in ihrer Gewalt und halten mich für ihren Gemahl. Sie werden gewöhnlich und haben ihre Bescheidenheit aufgegeben. Sie winden sich um meinen Hals und umarmen mich mit großer Zuneigung. Offensichtlich haben sie ihr Wissen und ihre Konzentration verloren. Sie sind mir zu stolz, ich werde sie jetzt verlassen, mal sehen, was sie dann tun werden, und wie sie ohne mich im Dschungel zurecht kommen.“

Krishna blickte umher und suchte nach Sri Radhika. Als er sie gefunden hatte, trat er auf sie zu und ergriff ihre Hand, dann zog er sie mit sich und verschwand mit ihr im Wald.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter