Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 32 - Die Vorwürfe von Sanjaya an König Dhritarashtra

Vaisampayana sprach:
So wurde Sanjaya mit den Grüßen der Pandavas verabschiedet, nachdem er die Botschaft des berühmten Dhritarashtra übermittelt hatte. Als er Hastinapura in Eile erreichte, begab er sich sofort zum Tor der inneren Gemächer des Palastes. Und zum Torhüter sprach er:

Oh Pförtner, berichte Dhritarashtra, daß ich, Sanjaya, gerade von den Söhnen des Pandu zurückgekehrt bin. Säume nicht! Wenn der König wach ist, dann sprich unverzüglich zu ihm, und melde ihm vor meinem Eintreten meine Ankunft. Bezüglich der aktuellen Lage gibt es sehr Wichtiges zu berichten.

Nach diesen Worten ging der Pförtner zum König und sprach:
Oh Herr der Erde, ich verbeuge mich vor dir. Sanjaya steht an deinem Tor und möchte dich sehen. Er kommt mit einer Nachricht von den Pandavas. Gib deine Befehle, oh König, was er tun sollte.

Der König sprach:
Sage Sanjaya, daß ich mich freue und ihn hereinbitte. Sanjaya sei willkommen! Ich bin immer bereit, ihn zu empfangen. Warum sollte er draußen bleiben, dem der Zutritt nie verwehrt wurde?

Vaisampayana fuhr fort:
Mit Erlaubnis des Königs betrat der Sohn des Suta mit gefalteten Händen das geräumige Gemach und näherte sich dem königlichen Sohn von Vichitravirya, der auf seinem Thron saß und von vielen klugen, tapferen und rechtschaffenen Männern beschützt wurde.

Und Sanjaya sprach zu ihm:
Ich bin Sanjaya, oh König, und verbeuge mich vor dir. Oh König der Menschen, ich ging und fand die Söhne des Pandu. Der weise Yudhishthira läßt seine Grüße an dich ausrichten und fragt nach deinem Wohlergehen. Und freundlich erkundigt er sich auch nach deinen Söhnen, und fragt, ob du glücklich bist mit deinen Söhnen, Enkeln, Freunden, Beratern, und allen, die von dir, oh König, abhängig sind.

Dhritarashtra sprach:
Oh Sohn, gesegnet sei Yudhishthira. Ich frage dich, oh Sanjaya, ob dieser König der Kauravas, der Sohn der Pritha, mit seinen Söhnen, Brüdern und Beratern wohlauf ist.

Und Sanjaya sprach:
Der Sohn des Pandu ist mit seinen Beratern wohlauf. Doch er wünscht die Besitztümer zurück, die ihm früher gehörten. Er sucht Tugend und Reichtum, ohne etwas zu tun, was tadelnswert wäre. Er ist voller Intelligenz und höchst gelehrt. Er ist offen und weitsichtig, und außerdem bei bester Gesundheit. Für diesen Sohn des Pandu ist Friedfertigkeit die höchste Tugend und in dieser Hinsicht viel höher als das Ansammeln von Reichtum. Sein Geist, oh Bharata, neigt stets zum Glück, zur Heiterkeit und zu solchen Handlungen, die tugendhaft sind und schließlich das Leben erheben.

Wie eine Holzpuppe an Fäden auf ihrem Weg geführt wird, so bewegt sich auch der Mensch in dieser Welt aufgrund einer Kraft, die nicht seine eigene ist. Wenn ich das Leiden von Yudhishthira betrachte, dann sehe ich, daß die Kraft des Schicksals viel mächtiger ist, als die Wirkung der menschlichen Anstrengung. Doch wenn ich deine unwürdigen Taten betrachte, die außerdem noch voller Sünde sind, unbeschreiblich und sicher im Elend enden müssen, dann scheint es mir, daß jemand mit so einer Natur nur solange gewinnt, solange der fähige Gegner auf die rechte Zeit wartet. Indem er alle Sünden von sich löst, wie eine Schlange ihre verbrauchte Haut abstreift, welche sie nicht länger ertragen kann, so strahlt der heroische Yudhishthira in seiner natürlichen Vollkommenheit und hat seine Sündenlast abgelegt, die durch dich geboren wurde.

Betrachte, oh König, deine eigenen Taten, die sowohl gegen die Tugend (Dharma) als auch gegen den Gewinn (Artha) sind, und nicht dem Verhalten der Rechtschaffenen entsprechen. Du hast dir, oh König, keinen guten Ruf in dieser Welt verdient, und wirst in der folgenden das Leiden dafür ernten. Den Launen deines Sohnes folgend, hoffst du, dieses zweifelhafte Eigentum zu genießen, welches du ihnen vorenthältst. Diese ungerechte Tat wird lautstark in der Welt verbreitet. Sie ist, oh Erster der Bharatas, völlig unwürdig für dich. Doch wisse, daß jeder vom Unheil eingeholt wird, dem es an Weisheit mangelt, der gemein oder grausam ist, der für lange Zeit die Gefühle von Feindschaft hegt, der die Tugenden seiner Kaste nicht beständig übt, oder der unbeherrscht oder selbstsüchtig ist. Wahrlich, das sind die Zeichen dafür. Nur aufgrund von Verdienst geschieht es, daß man seine Geburt in einer guten Familie nimmt, daß man stark und berühmt wird, daß man mit den überlieferten Weisheiten in Berührung kommt und daß man die Vorzüge des Lebens nutzen kann, um seine Sinne zu zügeln und zwischen Tugend und Laster zu unterscheiden, die immer eng miteinander verbunden sind.

Doch welcher Mensch würde unheilsame Taten begehen, wenn er gute Berater um sich versammelt hat, mit Intelligenz begabt ist, zwischen Tugend und Laster in Zeiten der Not unterscheiden kann, mit dem Dharma verbunden ist und alle seine Fähigkeiten gebrauchen kann? Aber die Berater, welche du gewählt hast, wollen nur deinem Werk dienen. Dies ist ihr fester Entschluß. So scheint der Untergang der Kurus durch die Macht der Umstände sicher zu sein. Wenn Yudhishthira, provoziert durch diese ungerechte Behandlung, deinen Untergang sucht, dann werden die Kurus bald vernichtet werden. Und diese Sünde wird dich treffen, und die Schuld dieser Tat wird dir gehören in dieser Welt. Wahrlich, dies ist der Wille der Götter. Warum sonst konnte Arjuna, der Sohn der Pritha, diese Welt verlassen und in den Himmel aufsteigen, um dort ganz besondere Ehren zu empfangen? Das beweist, daß selbstsüchtige Anstrengung vergeblich ist. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Schon König Vali sah, daß die Ausbildung von Eigenschaften, wie die edle Geburt, Heldenmut, usw., von vorhergehenden Taten abhängen, und daß somit Wohlstand und Armut immer wieder vergänglich sind. Und als dieser König nach den Ursachen dafür suchte, da konnte er keinen Anfang von dieser Kette der Taten im Laufe der vielen Leben finden. So erkannte er, daß die ewige Essenz die Ursache von allem ist.

Das Auge, das Ohr, die Nase, der Tastsinn und die Zunge sind unsere Tore, um in dieser Welt Erfahrungen zu sammeln. Wenn die Begierde gezügelt wird, dann könnten diese Sinne in sich selbst zufrieden sein. Deshalb sollte man heiter und ohne Groll die Sinne bewachen. Doch manche denken anders darüber. Sie meinen, wenn die Taten einer Person klug genug plaziert werden, dann können sie das gewünschte Ergebnis erzwingen. So wird das Kind durch die Tat von Vater und Mutter gezeugt, und es wächst, solange es entsprechend mit Essen und Trinken versorgt wird. Aber die Menschen dieser Welt, oh König, bleiben immer abhängig. Sie sind der Liebe und dem Haß, der Freude und dem Leiden, dem Lob und dem Tadel unterworfen. So wird ein Mensch gelobt, wenn er sich ehrlich und gerecht benimmt.

Doch dich tadle ich, weil diese Uneinigkeit der Bharatas (deren Wurzel du bist) sicherlich den Untergang von unzähligen Leben verursachen wird. Wenn kein Frieden geschlossen wird, dann verbrennt Arjuna durch deine Schuld die Kurus, wie ein aufflammendes Feuer einen Haufen Stroh. Oh Herrscher der Menschen, du allein auf der ganzen Welt hast deinem Sohn nachgegeben, den keine Selbstbeherrschung binden kann. Und du hattest dich damit als von Erfolg gekrönt betrachtet und hast jegliche Konfrontation zur Zeit des Würfelspiels vermieden. Schaue jetzt die Frucht deiner Schwäche an! Oh Monarch, indem du die treuen Berater zurückgewiesen hast, und diejenigen akzeptiertest, die des Vertrauens unwürdig sind, wirst du, oh Sohn des Kuru, wegen deiner eigennützigen Schwäche dieses umfassende und wohlhabende Reich verlieren.

Doch ermüdet durch meine schnelle Reise, bitte ich jetzt um deine Erlaubnis, mich zur Ruhe zu legen. Oh Löwe der Menschen, morgen früh werden die versammelten Kurus im Ratssaal von mir die Worte des Yudhishthira hören.

Hier endet mit dem 32. Kapitel das Sanjayayana Parva im Udyoga Parva im gesegneten Mahabharata.


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