Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 29 - Die Rede von Krishna über das Handeln

Krishna sprach:
Oh Sanjaya, ich wünsche, daß die Söhne des Pandu leben, daß sie gedeihen und ihre Wünsche erreichen können. In gleicher Weise bete ich um das Wohl von König Dhritarashtra mit seinen vielen Söhnen. Für ewig, oh Sanjaya, besteht mein Wunsch darin, daß ich zu allen sagen möchte: „Seid friedlich miteinander!“ Der Sohn des Pandu hat in dieser Beziehung eine besonders friedliche Einstellung gezeigt, welche unter den Menschen höchst selten ist. Doch wenn Dhritarashtra und seine Söhne so übermäßig gierig sind, dann sehe ich keinen Grund, warum auf diesem Boden keine Feindschaft wachsen sollte.

Hast du, oh Sanjaya, eine tiefere Sicht auf das Wesen der Gerechtigkeit (des Dharmas), als ich oder Yudhishthira? Warum sprichst du so vorwurfsvolle Worte bezüglich des Verhaltens von Yudhishthira, der pflichtbewußt und mächtig ist, der von Anfang an das Wohlergehen seiner Familie sucht und stets die Gebote der Tugend beachtet?

Hinsichtlich dieses Themas haben die Brahmanen verschiedene Meinungen. Einige sagen, daß der Erfolg in der Welt vom Tätigsein abhängt. Andere erklären, daß man Handlungen vermeiden sollte, und daß Erlösung durch Erkenntnis erreichbar sei. Die Gelehrten sagen allerdings, daß das Wissen über eßbare Dinge den Hunger nicht stillt. Es sei denn, daß man handelt und wirklich ißt. Nur jene Zweige des Wissens, welche dem Werk dienlich sind, tragen auch Früchte. Auf diese Weise wird die Frucht der Handlung sichtbar. Eine durstige Person trinkt Wasser, und durch diese Tat wird ihr Durst gestillt. Dieses Ergebnis entsteht zweifellos durch eine Handlung. Darin liegt die Wirkung der Handlung. Wenn irgend jemand meint, daß etwas anderes nützlicher (wirkungsvoller) als das Handeln wäre, dann würde ich seine Worte als sinnlos und absurd bezeichnen.

Nur aufgrund von Handlungen gedeihen in der anderen Welt die Götter. Nur durch Handeln weht der Wind Vayu. Nur durch Handeln erhebt sich täglich die unermüdliche Sonne Surya und bringt uns Tag und Nacht. Nur durch Handeln läuft der Mond Soma durch die Monate und die Konstellationen der Sterne. Nur durch Handeln entzündet sich das Feuer Agni und brennt zum Nutzen der Menschheit. Unermüdlich stützt die Göttin Erde mit großer Mühe ihre enorme Last. Unermüdlich tragen die Flüsse ihr Wasser zum Wohle aller Lebewesen schnell dahin. Unermüdlich sorgt der mächtige Indra für Regen auf Erden und regiert den Himmel und die Himmelsrichtungen. Bestrebt, unter den Göttern ihr Herrscher zu sein, führte er ein Leben der Entsagung wie ein heiliger Brahmane. So gab Indra alle Vergnügungen und begehrlichen Dinge auf. Er übt beständig Tugend, Wahrhaftigkeit, Selbstdisziplin, Entsagung, Unparteilichkeit und wirkt zum Wohle aller Wesen. Durch Handeln hat er seine hohe Würde erlangt. Auf diesem Weg des Lebens erreichte Indra die hohe Herrschaft über die Götter. Auch Vrihaspati führte auf rechte Weise, mit Achtsamkeit und Selbstdisziplin, das asketische Leben eines Zweifachgeborenen. Er gab die Begierden auf, kontrollierte seine Sinne und erreichte dadurch die Würde des Lehrers der Himmlischen. So entstanden auch die Konstellationen der Sterne und Planten am Himmel aufgrund von Handlungen. Auch die Rudras, Adityas, Vasus, König Yama, Kuvera, die Gandharvas, Yakshas und die himmlischen Nymphen erreichten alle ihre gegenwärtige Form durch Handlungen. So erscheinen auch die strahlenden Heiligen im Himmel nach einem Leben des Studiums, der Askese und der Tätigkeit.

Oh Sanjaya, du weißt, daß diesem Pfad die Besten der Brahmanen, Kshatriyas und Vaisyas folgen. Denn du selbst bist einer der Weisen. Warum unternimmst du diesen Versuch im Auftrag jener Söhne der Kurus? Du solltest wissen, daß Yudhishthira beständig dem Studium der Veden hingegeben ist. Er ist mit dem Pferdeopfer und dem Rajasuya verbunden. Darüber hinaus reitet er allerdings auch Pferde und Elefanten, trägt eine Rüstung, besteigt den Kampfwagen und nimmt den Bogen und alle anderen Arten von Waffen auf. Wenn die Söhne der Pritha einen Weg der Handlung sehen könnten, der nicht mit dem Töten der Kuru Söhne verbunden wäre, dann würden sie ihn sicherlich annehmen. Damit wäre ihre Tugend gerettet und eine Tat mit hohem Verdienst vollbracht, selbst wenn sie dann Bhima zwingen müßten, ein vergebungsvolles und friedliches Verhalten anzunehmen. Doch wenn sie andererseits so handeln, wie es ihre Vorfahren taten, und dabei durch das unvermeidliche Schicksal auf den Tod treffen würden, dann hätten sie auch ihr Bestes getan, um ihre Aufgabe zu erfüllen, und ein solcher Tod wäre sogar lobenswert.

O Sanjaya, wenn du nur den Frieden allein akzeptierst, dann würde ich gern hören, was du auf diese Frage antworten würdest: „Welchen Weg weisen die religiösen Gebote bezüglich der Aufgaben eines Königs? Soll er kämpfen oder sich ergeben?“ Oh Sanjaya, bedenke die Aufteilung der vier Kasten und die ihnen zugeteilten Aufgaben, sowie den bisherigen Weg der Handlungen der Pandavas. Dann mögest du nach Belieben Lob oder Tadel verteilen.

Ein Brahmane sollte Studieren, Opfer darbringen, Wohltätigkeit üben, an heiligen Orten auf der Erde verweilen, unterrichten, als Opferpriester dienen und von dem leben, was ihm gegeben wird. Ein Kshatriya sollte die Menschen entsprechend der gültigen Gesetze beschützen, beständig die Tugend der Wohltätigkeit üben, Opfer darbringen, die Veden vollständig studieren, heiraten und das Leben eines tugendhaften Hausvaters führen. Wenn er eine wohltätige Seele bewahrt und die heiligen Tugenden übt, kann er sogar die Region von Brahma erreichen. Ein Vaisya sollte studieren, fleißig arbeiten, durch Handel Reichtum gewinnen sowie Landwirtschaft und Viehzucht betreiben. Er sollte so handeln, daß er die Brahmanen und Kshatriyas erfreut, sollte tugendhaft sein, nützliche Arbeiten tun und seine Aufgaben als Hausvater erfüllen. Für einen Shudra wurden die folgenden Aufgaben seit alters her beschrieben. Er sollte den Brahmanen hingebungsvoll dienen, sollte nicht studieren oder opfern, sondern fleißig und tugendhaft handeln und immer mit Freude die Aufgaben erfüllen, die zum Nutzen aller sind.

Der König beschützt sie alle mit Umsicht und sorgt dafür, daß alle Kasten ihre jeweiligen Aufgaben erfüllen. Der König sollte nie den Vergnügungen der Sinne verfallen sein. Er sollte Gerechtigkeit üben und alle seine Untertanen mit gleicher Achtung behandeln. Der König sollte nie dem Diktat der Begierden folgen und dadurch die Gerechtigkeit verletzen. Und schließlich sollte er den suchen (als seinen Nachfolger), der als König würdiger ist als er, ruhmreich und mit allen Tugenden begabt, und sollte seine Untertanen auf ihn aufmerksam machen. Ein schlechter König jedoch würde das nicht verstehen. Mit Gewalt gewachsen und selbstsüchtig, wird er sein begehrliches Auge auf die Reichtümer von anderen richten und erntet damit schicksalhaften Zorn. So kommt es zum Krieg, und für diesen Zweck wurden Waffen, Rüstungen, Bögen und anderes Kriegsgerät geschaffen. Indra erfand diese Mittel, um den Räubern ihren Tod zu bringen. Damit entstanden die Rüstungen, Waffen und Bögen. Und es ist nützlich und verdienstvoll in dieser Welt, die Räuber zu bekämpfen.

Viele schreckliche Übel haben sich durch die Kurus gebildet, weil sie ungerecht handelten, sowie die Gesetze und die Religion mißachten. Das ist, oh Sanjaya, nicht richtig. König Dhritarashtra hat mit seinen Söhnen unvernünftigerweise das ergriffen, was entsprechend den Gesetzen dem Sohn des Pandu gehört. Er würdigt nicht das uralte Gesetz, das die Könige beachten sollten. Alle Kurus folgten diesem Pfad. Der Dieb, der den Reichtum heimlich stiehlt, und der, welcher ihn gewaltsam am hellerlichten Tage raubt, sollten beide, oh Sanjaya, verurteilt werden. Was ist der Unterschied zwischen ihnen und den Söhnen von Dhritarashtra? Aus Habgier betrachtet er sein Handeln als rechtschaffen und folgt dem Diktat seines Zorns. Die Anteile der Pandavas sind zweifellos gerecht. Warum sollte ihr Anteil von diesem Unwissenden ergriffen werden? Unter solchen Bedingungen wäre es für uns besser, im Kampf getötet zu werden. Ein väterliches Königreich ist jeder Herrschaft, die man von anderen empfängt, vorzuziehen. Diese althergebrachten Regeln solltest du, oh Sanjaya, den Kurus in der Mitte der versammelten Könige vortragen. Damit meine ich jene hoffnungsvollen Narren, die sich um den Sohn von Dhritarashtra versammelt haben, und bereits von den Armen des Todes umklammert werden.

Erinnere dich noch einmal an ihre abscheulichen Taten und das Verhalten der Kurus in der Versammlungshalle. Genau diese Kurus, mit Bhishma an ihrer Spitze, mischten sich damals nicht ein, als die geliebte Frau der Söhne des Pandu, die berühmte Tochter von Drupada mit dem reinen Lebenswandel und dem tugendhaften Verhalten, von diesem Sklaven der Begierde ergriffen wurde und jämmerlich weinte. Die Kurus, ob alt oder jung, waren alle anwesend. Wenn sie damals diese Entwürdigung von Draupadi verhindert hätten, dann hätte ich mit dem Verhalten von Dhritarashtra noch zufrieden sein können. Das wäre zum zukünftigen Wohlergehen seiner Söhne gewesen. Doch Dushasana zog Draupadi gewaltsam in die Mitte des öffentlichen Saals, wo ihre Schwiegerväter saßen. Vor die Versammlung gezerrt, erwartete sie Mitgefühl. Aber außer bei Vidura fand sie es nirgendwo unter den Kurus. Die Könige sprachen nicht ein Wort des Protestes, weil sie ihre Tugend bereits verloren hatten. Vidura allein übte aus Pflichtgefühl heraus Kritik, mit Worten der Gerechtigkeit an diesen Menschen mit den verdunkelten Sinnen. Auch du, oh Sanjaya, sprachst damals nicht von Gesetz und Moral. Aber jetzt kommst du, und forderst dasselbe vom Sohn des Pandu! Nur Draupadi handelte damals richtig. Wie ein Boot auf dem Meer rettete sie die Pandavas und sich selbst aus diesem versammelten Ozean des Unheils!

Damals, als Draupadi vor der Versammlung stand, sprach der Sohn des Wagenlenkers in Gegenwart von ihren Schwiegervätern zu ihr: „Oh Tochter von Drupada, du hast keine Zuflucht mehr. Begib dich besser als eine Sklavin ins Haus vom Sohn des Dhritarashtra. Deine Ehemänner sind besiegt und existieren nicht mehr. Du hast eine liebliche Seele. Wähle dir einen anderen zu deinem Herrn.“ Diese Rede von Karna flog wie ein scharfer Pfeil aus Worten, alle Hoffnungen zerschneidend, die zartesten Gefühle treffend und voller Unheil. Sie brannte sich tief in das Herz von Arjuna. Und als die Söhne des Pandu die aus schwarzen Hirschfellen gemachten Kleider anziehen wollten, da sprach Dushasana die folgenden scharfen Worte: „Dies sind niedere Eunuchen, besiegt und verdammt für lange Zeit.“ Und Shakuni, der König des Gandhara Landes, sprach zu Yudhishthira während des betrügerischen Würfelspiels: „Ich habe Nakula von dir gewonnen. Was hast du noch zu bieten? Jetzt solltest du deine Frau Draupadi setzen.“

Du kennst, oh Sanjaya, alle diese schändlichen Worte, die während des Spiels gesprochen wurden. Ich wünsche, persönlich zu den Kurus zu gehen, um diese schwierige Situation zu begleichen. Wenn ohne Ungerechtigkeit dieser Frieden zwischen den Pandava und den Kurus geschaffen werden könnte, dann wäre dies ein hoher Verdienst und ein sehr großer Segen, den ich damit vollbringen würde. Und auch die Kurus könnten dem drohenden Griff des Todes noch entkommen. Ich hoffe, wenn ich mit Worten der Weisheit, die auf Gerechtigkeit beruhen, voller Sinn und zum Wohle aller Beteiligten sind, zu den Kurus spreche, daß der Sohn von Dhritarashtra in meiner Anwesenheit diesen Worten Beachtung schenken wird. Ich hoffe, daß mir die Kurus bei meiner Ankunft den gebührenden Respekt erweisen. Ansonsten mögest du dir sicher sein, oh Sanjaya, daß diese übelgesinnten Söhne von Dhritarashtra, die bereits durch ihre eigenen bösartigen Taten versengt sind, durch Arjuna und Bhima im Kampf noch völlig verbrannt werden. Als die Söhne des Pandu im Spiel besiegt wurden, sprachen die Söhne des Dhritarashtra zu ihnen harte und grobe Worte. Aber wenn die Zeit reif ist, wird Bhima zweifellos dafür sorgen, daß sich Duryodhana an jene Worte erinnern wird.

Duryodhana ist ein großer Baum von üblen Leidenschaften. Karna ist sein Stamm. Shakuni steht für seine Zweige. Dushasana bildet die reichlichen Blüten und Früchte. Doch der kluge König Dhritarashtra ist die Wurzel dieses Baumes. Yudhishthira ist ein großer Baum der Gerechtigkeit. Arjuna ist sein Stamm. Bhima steht für seine Zweige. Die Söhne der Madri sind die reichlichen Blüten und Früchte. Doch seine Wurzel ist mein Selbst, das Dharma und die Wahrhaftigkeit der Menschen.

Oh Sanjaya, König Dhritarashtra und seine Söhne sind wie ein Wald, während die Söhne des Pandu dessen Tiger sind. Schlage niemals den Wald gemeinsam mit seinen Tigern nieder, und laß die Tiger nicht aus dem Wald vertrieben sein. Der Tiger, der aus dem Wald hervorkommt, ist leicht zu töten. Ebenso kann der Wald ohne die Tiger leicht gefällt werden. Deshalb ist es der Tiger, der den Wald schützt, und der Wald schützt den Tiger.

Oh Sanjaya, die Söhne Dhritarashtras können auch wie Kletterpflanzen betrachtet werden, während die Pandavas wie Sala Bäume sind. Doch eine Kletterpflanze kann nie gedeihen, wenn sie keinen großen Baum umschlingen kann.

Die Söhne der Pritha sind geneigt, auf die Entscheidung von Dhritarashtra zu warten. Doch bis dahin, sind diese Feindevernichter zum Krieg bereit. Laß König Dhritarashtra bestimmen, welche Handlung er jetzt für richtig erachtet. Die tugendhaften und hochbeseelten Söhne des Pandu halten immer noch Frieden mit ihren Vettern, aber sie sind jederzeit für den Kampf gewappnet. Oh gelehrter Mensch, berichte dies alles aufrichtig vor Dhritarashtra.


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