Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 274 – Ravanas Segen

Markandeya fuhr fort:
Der Muni Vishrava, der aus der halben Seele von Pulastya entstand, blickte immer mit großem Zorn auf Vaishravana. Doch dieser wußte, daß sein Vater sich über ihn ärgerte, und versuchte stets, ihn zu besänftigen. So schickte dieser König der Yakshas, der auf den Schultern der Menschen reitet, seinem Vater (Vishrava) drei Rakshasa Frauen als Dienerinnen. Ihre Namen waren Pashpotkata, Raka und Malini. Sie konnten singen und tanzen und waren immer sehr eifrig bemüht, dem hochbeseelten Rishi aufmerksam zu dienen. Ja, die schlankhüftigen Damen wetteiferten miteinander, dem Rishi aufs Beste zu erfreuen, so daß jener hochzufrieden den drei Damen Segen gewährte. Ihrem Wunsch gemäß gab er den Damen jeweils stattliche Söhne. Pashpotkata gebar zwei unvergleichlich mächtige Rakshasa Söhne, nämlich Kumbhakarna und den zehnköpfigen Ravana. Malini hatte einen Sohn namens Vibhishan, und Raka hatte Zwillinge mit Namen Khara und Shurpanakha. Vibhishana war der Schönste von ihnen. Außerdem war er fromm und eifrig bestrebt, alle religiösen Riten ordentlich auszuführen. Ravana mit den zehn Häuptern war der Älteste. Auch er war religiös, voller Energie, großer Stärke und Heldenmut. Kumbhakarna war der Mächtigste in der Schlacht, denn er war wild entschlossen, schrecklich und ein Meister der illusorischen Künste. Khara war ein hervorragender Bogenschütze, Brahmanen feindlich gesinnt und lebte von Fleisch. Und die gräßliche Shurpanakha war eine beständige Quelle von Qual für alle Asketen. Die Kinder waren in den Veden gelehrt, gewissenhaft im Ausführen der Riten und lebten mit ihrem Vater (Vishrava) in Gandhamadana. Eines Tages sahen sie ihren mit Schätzen überhäuften und von Menschen getragenen Halbbruder Vaishravana (Kuvera), wie er mit ihrem Vater dort beisammen saß. Und es packte sie der Neid so sehr, daß sie beschlossen, harte Buße zu üben, um mit schärfster, asketischer Enthaltsamkeit Brahma zufrieden zu stellen. Der zehnköpfige Ravana lebte nur von Luft, war von den fünf Opferfeuern umgeben, in Meditation versunken und stand für tausend Jahre auf nur einem Bein. Kumbhakarna war enthaltsam mit strengster Diät und trug das Haupt nach unten gerichtet. Der weise und großmütige Vibhishana fastete, lebte nur von trockenen Blättern, übte Meditation und lebte für lange Zeit äußerst gezügelt. Und Khara und Shurpanakha beschützten ihre Geschwister mit frohen Herzen und dienten ihnen, während der Bußezeit. Nach zehntausend Jahren schnitt sich Ravana nach und nach seine Häupter ab und opferte sie dem heiligen Feuer. Dies stellte Brahma sehr zufrieden. Er erschien persönlich vor den Brüdern, bat sie, ihre Buße zu beenden, und gewährte ihnen Segen.

Der ehrenwerte Brahma sprach:
Ich freue mich über euch, meine Söhne. Stellt nun eure Buße ein, und bittet mich um Segen. Außer Unsterblichkeit werde ich euch alle eure Wünsche erfüllen. Weil du, oh Ravana, deine Köpfe mit großem Ehrgeiz dem Feuer darbrachtest, sollen sie dich wieder wie zuvor schmücken. Möge dein Körper nicht verunstaltet sein, und mögest du die Fähigkeit erhalten, jede Gestalt anzunehmen, die du begehrst. Und ohne Zweifel wirst du stets der Bezwinger deiner Feinde in der Schlacht sein.

Ravana sagte dazu:
Möge ich niemals von Gandharvas, Göttern, Kinnaras,  Dämonen, Yakshas, Rakshasas und Schlangen besiegt werden.

Brahma stimmte zu:
Von den Genannten brauchst du nichts zu befürchten. Nur von Menschen. Möge dir Gutes widerfahren. So habe ich es bestimmt.

Dies gefiel Ravana sehr, denn der unverständige Menschenfresser achtete die Menschen gering. Dann sprach der Große Vater zu Kumbhakarna. Doch sein Verstand wurde von Dunkelheit umwölkt und er bat um langwährenden Schlaf. Brahma stimmte zu und wandte sich an Vibhishan:
Nun mein Sohn, bitte mich um einen Segen, denn du hast mich sehr erfreut.

Vibhishana bat:
Möge ich niemals, auch nicht in großer Gefahr, vom Pfad der Gerechtigkeit abweichen. Und möge ich Unwissender vom Licht des göttlichen Wissens erleuchtet sein, oh ehrenwerter Herr.

Und Brahma sprach zu ihm:
Oh du Bezwinger deiner Feinde, da deine Seele sich nicht zur Ungerechtigkeit neigt, obwohl du im Geschlecht der Rakshasas geboren wurdest, gewähre ich dir darüber hinaus noch Unsterblichkeit.

Nachdem er von Brahma gesegnet wurde, besiegte Ravana seinen Halbbruder Kuvera in der Schlacht und übernahm die Herrschaft über Lanka, während der verehrte Kuvera mit seinem Gefolge an Gandharvas, Yakshas, Rakshas und Kinnaras auf den Berg Gandhamadan zog. Doch als ihm Ravana auch den himmlischen Wagen Pushpak raubte, wurde er von Kuvera verflucht:
Dieser Wagen soll nicht dich, sondern jenen tragen, der dich in der Schlacht besiegt. Und weil du mich, deinen älteren Bruder, beleidigt hast, wirst du bald sterben.

Der fromme Vibhishana folgte dem Pfad der Tugendhaften, verfügte über große Herrlichkeit und folgte Kuvera, welcher ihm voller Freude das Kommando über die Heerscharen der Yakshas und Rakshas übergab. Doch die mächtigen und menschfressenden Rakshasas und Pisachas erkoren sich den zehnköpfigen Ravana zum Herrscher. Dieser konnte jede Gestalt annehmen, durch die Lüfte eilen und kämpfte entschlossen mit den Göttern und Dämonen, von denen er alle wertvollen Schätze erzwang. Er schien unbesiegbar, und die Wesen nebst den Göttern litten wegen ihm Angst und Schrecken. Daher wird er Ravana genannt („der die Welt aufschreien läßt“).


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