Vaisampayana fuhr fort:
Auf ihre Reinheit achtend lebten so die Pandavas für sechs Tage und warteten darauf, Arjuna zu schauen. Doch plötzlich blies ein Wind aus Nordost und brachte tausende himmlisch strahlende Lotusblüten. Panchali beobachtete die reinen und zauberhaften Lotusblüten, bemerkte ihren überirdischen Duft und sah zu, wie einige von ihnen zu Boden sanken. Dies erfüllte sie mit außerordentlichem Glück, und sie sprach zu Bhima:
Schau, Bhima, diese wunderschönen Blüten. Ihnen entströmt ein wahrlich außergewöhnlicher Duft. Mein Herz ist so leicht und froh. Diese hier werde ich gleich zu Yudhishthira bringen. Oh sammle mir mehr von ihnen, damit ich sie anderen in der Einsiedelei schenken kann. Wenn du mich wirklich liebst, dann bringe mir große Mengen davon.
Nach diesen Worten ging die tadellose und schöne Dame mit der Blume zu Yudhishthira. Und Bhima eilte schnell in die Richtung, aus welcher der Wind die Blumen hergeweht hatte, um den Wunsch seiner geliebten Königin zu erfüllen. Mit dem Gesicht gegen den Wind nahm er seinen auf der Rückseite mit Gold verzierten Bogen und Pfeile wie zischende Schlangen und rannte entschlossen los wie ein zorniger Löwe oder ein brünstiger Elefant. Alle starrten ihn, seinen mächtigen Bogen und die Pfeile verwundert an. Doch der Sohn des Windes rannte immer fort und kannte weder Erschöpfung, Mattigkeit, Verwirrung noch Furcht. So stürmte er auf den Gipfel und verließ sich ganz auf die Kraft seiner Arme. Dort durchsuchte er Bäume, Büsche und schwarze Felsen, die von Kinnaras oft besucht wurden und voller Mineralien und Tiere waren. Die Gegend glich dabei einem aufgerichteten Arm der Erde, welche im vollen Ornat ihres Schmucks erschien. Seinen Blick fest auf den Hang des Gandhamadana und seine Schönheiten gerichtet, kreisten viele Gedanken in Bhimas Kopf herum. Die süßen Gesänge des Kokila und das sanfte Summen der schwarzen Bienen betörten sein Ohr. Und wie ein erregter Elefant in der Brunft saugte er den Duft der Blumen gierig ein. Die frische Brise fächelte ihm Kühlung zu, als ob sein Vater ihn sanft berührte. Weit von jeder Müdigkeit entfernt standen ihm die Haare am ganzen Körper zu Berge. Auf seiner Suche strichen ihm die Blätter des Saptachchhada Baumes über die Seiten, und von diversen Mineralien schwarz, rot und weiß eingefärbt sah er aus, als ob ihm sanfte Finger mit heiligen Pasten viele Linien auf den Körper gemalt hätten. Die Wolken strichen an den Flanken des Berges vorbei, und Bhima meinte, der Berg würde mit ausgebreiteten Schwingen tanzen. Die an ihm herabrinnenden Bächlein waren wie Perlenketten, und auch seine Höhlen, Haine und Kaskaden waren romantisch anzusehen. Bunte Pfauen tanzten zum Klang der Fußschellen schöner Apsaras. Felsige Oberflächen waren glatt abgetragen von den Stoßzähnen der Elefanten, die über die Himmelsrichtungen wachen. Und die herabstürzenden Wasserfälle gaukelten Bhima vor, der Berg würde seine Kleider abstreifen. Spielerisch und euphorisch wanderte der anmutige Sohn des Windgottes immer weiter, und riß alle verschlungenen Kletterpflanzen kraftvoll aus, die ihm im Wege waren. Die Hirsche rannten nicht vor ihm davon, sondern starrten ihm mit Gras im Maul neugierig hinterher, denn sie hatten niemals zuvor Furcht erfahren. Die Ehefrauen von Yakshas und Gandharvas saßen ihren Gatten unsichtbar zur Seite und konnten ihren Blick kaum von Bhima wenden, wobei ihre Gesichter nicht unbewegt blieben. Doch dieser goldig schimmernde Jüngling mit dem starken, löwenhaften Körper und dem Gang eines brünstigen Elefanten saugte mit seinen kupferfarbenen Augen gierig alles Schöne und Romantische in dieser Natur auf, und war ganz und gar mit dem Gedanken erfüllt, den Wunsch seiner Geliebten zu erfüllen, welche in die Wälder verbannt war. Dabei erinnerte er sich an all die vielen Demütigungen von Duryodhana.
Und er dachte:
Nun, da Arjuna in den Himmel reiste, und auch ich weit entfernt bin, was wird unser Bruder Yudhishthira im Augenblick denken? Er wird hoffentlich nicht an meiner Heldenkraft zweifeln und Nakula und Sahadeva, die er so sehr liebt, auf die Suche nach mir schicken. Ich sollte besser schnell die Blumen für Draupadi finden.
So schritt er noch eiliger aus. Die Erde bebte unter seinen kraftvollen Schritten, die schönen Szenen, die sich seinen Blicken boten, flogen nur so vorbei und mit den Worten Draupadis im Sinn war er wie ein Orkan im Herbst. So erschreckte er die Elefantenherden, und Löwen, Tiger und Hirsche sprangen durch seinen Tritt verletzt beiseite. Große Bäume sanken entwurzelt zu Boden und Blumen und Büsche flogen gewaltsam durch die Luft. Wie ein Elefant brüllend kletterte er höher und höher zum Gipfel des Berges, eine Spur der Vernichtung hinter sich lassend. Sein berauschtes Brüllen trieb die ruhenden Raubtiere aus ihren Höhlen, und alle Bewohner des Waldes versteckten sich zitternd vor ihm. Die Vögel flatterten in dichten Scharen entsetzt davon, Herden von Rehen hetzten durch das Dickicht und Bären verließen ihre Ruhebäume und rannten davon. Büffel starrten; Hyänen, Schakale und Gavayas begannen, laut und angstvoll zu schreien. Rote Gänse, Teichhühner, Enten (Karandavas und Plavas), Papageien, Kokilas und Reiher flatterten verwirrt durcheinander. Manche der großen Elefanten und wütenden Löwen wollten stolz ihre Gefährten beschützen und näherten sich Bhima. Doch bald verließ sie der Mut, und Urin und Dung ablassend zogen sie kreischend und mit weit geöffneten Mäulern wieder ab. Da begann der mächtige Sohn des Windgottes, der ruhmreiche und anmutige Pandava, mit großer Überzeugung in die Kraft seiner Arme einen Elefanten nach dem anderen zu schlachten, einen Löwen mit einem anderen Löwen zu töten, und manch anderem Tier mit Schlägen das Leben zu nehmen. Unter seinen Hieben sonderten Leoparden und Tiger angstvoll brüllend Urin und Dung ab, bis er von ihnen abließ. Dann betrat der schöne Sohn des Pandu einen Wald und ließ die Bäume von seinem Gebrüll erbeben. Schon bald erblickte er dort einen schönen Bananenbaum, der seine Krone über mehrere Yojanas weit erstreckte. Und wie ein berauschter Löwe rannte der Starke schnell zu ihm und trampelte alle Pflanzen auf seinem Wege nieder. Er entwurzelte Bananenbäume so groß wie Palmen und warf sie nach allen Seiten herum. Trunken vor Hochmut erscholl sein Gebrüll und zahllos waren die wilden Tiere, mit denen er rang. Nichts war vor ihm sicher: Affen, Hirsche, Löwen, Büffel und sogar große Tiere im Wasser. Deren Todesschreie mischten sich mit Bhimas Kampfgebrüll, und so wurden selbst weit entfernte Tiere scheu und furchtsam. In der Ferne erhob sich wegen des Lärms mit einem Mal ein Schwarm von Wasservögeln und lenkte Bhimas Aufmerksamkeit auf einen großen und malerischen See. Still war sein Wasser, ganz ohne Schaum. Die goldenen Bäume an seinem Ufer wiegten sich sanft in der Brise. Sogleich stürzte sich Bhima in den mit Lotus und Lilien bewachsenen See und tobte wie ein wilder Elefant ausgelassen im Wasser. Lange blieb er im Wasser, doch seine unermeßliche Energie war immer noch nicht erschöpft. So begab er sich wieder in den Wald und blies mit voller Kraft in sein laut tönendes Muschelhorn. Er klatschte in die Hände, und alle Himmelsrichtungen schienen widerzuhallen. Der Klang des Muschelhorns, das Händeklatschen und sein Gebrüll ließen sogar die Höhlen der Berge erbeben. Immer wieder erschreckte er die Tiere damit, und sie antworteten ihm mit lautem Geheul.
Und noch jemand hörte den Tumult, einer, der sich als Bruder von Bhima betrachtete. Der große Affe Hanuman, dieser Anführer aller mächtiger Affen, kam und versperrte Bhima den Weg in den Himmel, denn er meinte es gut mit ihm. Hanuman wußte, daß Bhima diesen Weg nicht weitergehen sollte, und legte sich mit seinem riesigen Körper dem Jüngling in den Weg inmitten eines Hains von Bananenbäumen. Hanuman wollte nicht, daß Bhima einen Fluch oder Schaden abbekam, und gab vor, schläfrig und verträumt herumzuliegen. Er gähnte, peitschte mit seinem langen Schwanz erst den Boden, streckte ihn dann langsam in die Luft wie einen Opferpfahl für Indra, und machte sich laut wie der Donner bemerkbar. Die Öffnungen der Höhlen rings um ihn gaben sein lautes Gähnen wieder, als ob eine Kuh muhen würde. Das Peitschen seines Schwanzes ließ den Berg schwanken und kleine Felsen rieselten herab. So übertönte er das wehe Brüllen der Elefanten und erfüllte die Bergesflanke mit seiner Ankündigung.
Auch Bhima vernahm die Töne und bekam Gänsehaut am ganzen Körper. Sofort suchte er nach der Ursache dieser Geräusche und erblickte schon bald den Anführer der Affen, wie er auf einem erhöhten Felsen lag. Es war schwer, ihn anzublicken, als ob man in einen Blitz schaute. Alles war grell an ihm: seine kupferfarbene Tönung, die durchdringende Stimme, die schnellen Bewegungen. Sein Hals war kurz und fleischig auf den Schultern, die so breit waren, daß die Hüfte schmal wirkte. Sein Schwanz war mit langem Fell bedeckt, am Ende ein wenig geschweift und hoch aufgereckt wie ein Banner. Er hatte schmale Lippen, Gesicht und Zunge waren kupferrot, die Ohren hellrot und die Augen lebhaft. Seine Schneidezähne waren rein weiß und messerscharf. Sein Kopf war wie der leuchtende Mond und mit einer zotteligen Mähne, die einem Strauß Asoka Blumen glich. Unter den goldenen Bäumen lag der Strahlende mit seinem leuchtenden Körper wie ein loderndes Feuer. Bhima, der Vernichter aller Feinde, warf ihm aus roten, trunkenen Augen starre Blicke zu und erkannte sofort, daß jener ihm wie der Himalaya den Weg in den Himmel versperrte. Unerschrocken näherte sich Bhima mit entschlossenem Schritt und lautem Schrei dem einsam Liegenden. Alle Tiere ringsum waren von diesem Schrei höchst gewarnt. Doch der mächtige Hanuman öffnete nur langsam ein Auge und blickte Bhima gelangweilt an.
Dann sprach Hanuman lächelnd zu Bhima:
Krank wie ich bin, habe ich tief geschlafen. Warum weckst du mich auf? Du hast Verstand und solltest daher allen Kreaturen Freundlichkeit zeigen. Wir sind nur Tiere und kennen keine Tugend. Doch Menschen sind den Wesen freundlich gesinnt, denn sie haben Vernunft. Warum nur gibt es vernunftbegabte Menschen wie dich, die mit ihren Taten sowohl Körper, als auch Rede, Herz und Tugend gleichermaßen vergiften? Du weißt wohl nicht, was Tugend ist, und hast auch keinen Rat bei Weisen geholt? Und so vernichtest du aus närrischem Übermut und Ignoranz schwächere Tiere. Sag, wer bist du? Und warum kamst du in diesen menschenleeren Wald ohne Menschlichkeit? Und erklär mir auch, du vorzüglicher Mensch, wohin wirst du heute noch gehen? Von hier aus ist es nicht möglich, weiter zu gehen. Die Berge dort sind unbezwingbar. Außer der Passage, oh Held, die der Praxis von Askese vorbehalten ist, gibt es keinen Weg zu diesem Ort. Sterbliche können hier nicht passieren, dies ist der Weg der Götter. Aus Freundlichkeit rate ich dir ab, mein Held, höre auf meine Worte. Du kannst hier nicht weitergehen. Laß ab, oh Herr. Heute bist du an diesem Ort auf jede Art willkommen. Und wenn du es für angemessen findest, meinen Worten Achtung zu schenken, oh bester Mann, dann ruh dich eine Weile hier aus und iß von den Früchten, die so süß wie Ambrosia sind. Und höre endlich auf, dich selbst so sinnlos zu zerstören.