Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 133 – Ashtavakra vor Janak und dem Wächter

Ashtavakra sagte:
Wenn kein Brahmane zugegen ist, gehört der Weg den Blinden und Tauben, den Frauen und Lastenträgern und natürlich dem König. Doch wenn ein Brahmane auf dem Wege angetroffen wird, gehört der Weg ihm allein.

Da sprach der König:
Ich gewähre dir den Vorzug einzutreten. Tritt ein, auf welchem Wege es dir beliebt. Man darf kein Feuer kränken, sei es noch so winzig. Sogar Indra verbeugt sich vor den Brahmanen.

Ihm antwortete Ashtavakra:
Wir sind gekommen, oh Herrscher der Menschen, deine Opferzeremonie zu sehen. Unsere Neugier ist groß, oh König. Wir kamen als deine Gäste, um dich zu sehen und mit dir zu sprechen. So bitten wir auch um die Erlaubnis deines Wächters, hier einzutreten, oh Sohn des Indradyumna. Denn dein Wächter verwehrte uns den Eintritt, und so brennt der Ärger wie Fieber in uns.

Der Wächter verteidigte sich:
Wir führen nur die Anweisungen von Vandin aus. Höre auf seine Worte: Knaben wird kein Einlaß gewährt, nur gelehrte und alte Brahmanen haben Zutritt.

Da sprach Ashtavakra:
Nun Wächter, wenn die Bedingung für eine offene Tür nur das Alter ist, dann dürfen wir herein. Denn wir sind alt, haben heilige Gelübde genommen und besitzen die Energie aus vedischer Tradition. Wir haben den Höheren gedient und unsere Leidenschaften beherrscht. Außerdem haben wir Wissen gewonnen. Es wird auch gesagt, daß selbst Knaben nicht beleidigt werden sollten, denn auch ein kleines Feuer brennt, wenn man es berührt.

Der Wächter erwiderte:
Oh junger Brahmane, bedenke deine Jugend! Rezitiere doch die Verse, welche die Existenz des Höchsten Wesens begründen und von den himmlischen Weisen verehrt werden. Und die, auch wenn sie nur aus einem Buchstaben zusammengesetzt, doch mannigfaltig sind. Prahle hier nicht vergebens, denn gelehrte Menschen sind wahrlich selten.

Ashtavakra sprach:
Wahres Wachstum kann nicht von der bloßen Entwicklung des Körpers geschlußfolgert werden, so wie die Größe der Knoten des Salmali Baumes nicht sein Alter verraten. Es wird der Baum als voll ausgewachsen erachtet, der Früchte trägt, sei er auch schlank und klein. Wer keine Früchte trägt, ist nicht erwachsen.

Der Wächter sprach:
Die Jungen erhalten Belehrung von den Alten und werden mit der Zeit reifer. Wissen kann ganz sicher nicht in kurzer Zeit erlangt werden. Wie kann es sein, daß du Jüngling wie ein Alter sprichst?

Ashtavakra antwortete:
Man ist nicht alt, wenn man graues Haar hat. Nur wer Wissen besitzt, den halten die Götter für alt, auch wenn er jung an Jahren ist. Kein Weiser hat je gesagt, daß Verdienst aus Jahren besteht, grauen Haaren, Reichtum oder Freunden. Für uns ist der groß, welcher in den Veden bewandert ist. Ich kam, oh Wächter, um Vandin am Hofe zu sehen. Bitte geh, und informiere den lotusbekränzten Vandin, daß ich hier bin. Dann wirst du noch heute Zeuge davon werden, wie ich mit dem gelehrten Mann einen Disput beginne und Vandin im Wortstreit besiege. Mögen andere schweigen, doch die reifen Brahmanen nebst dem König mit seinen obersten Priestern sollen erfahren, ob meine Kenntnisse über- oder unterlegen sind.

Der Wächter meinte dazu:
Wie kannst du in deinem zarten Alter von zehn Jahren hoffen, das Opfer zu betreten, wo doch nur erfahrene und gelehrte Männer zugelassen sind? Doch ich werde mein Bestes versuchen. Gib auch du dein Bestes!

Da sprach Ashtavakra:
Oh König, du Bester aus dem Geschlecht des Janak, du bist der oberste Herrscher und alle Macht ruht in dir. Vor langer Zeit war es an König Yayati, große Opfer zu begehen. Heute ist es an dir. Wir haben vernommen, daß der gelehrte Vandin die von ihm im Wortstreit besiegten Brahmanen von deinen getreuen Dienern im Wasser ertränken läßt. So kam ich her, um vor allen Brahmanen das Wesen der höchsten Einheit zu erläutern. Wo ist dieser Vandin? Sag es mir, damit ich vor ihn hintreten mag und ihn besiegen, wie die Sonne die Sterne überstrahlt.

Der König gab zur Antwort:
Du hoffst, oh Brahmane, den großen Vandin zu besiegen? Du kennst wohl nicht die Macht seiner Rede? Keiner, der ihn kennt, spricht so wie du. Viele vedenkundige Brahmanen verblichen vor ihm wie die Sterne vor der Sonne. Viele kamen und wollten ihn im Stolz auf ihr Wissen besiegen. Doch sie verloren allen Glanz vor ihm und zogen sich zurück, ohne überhaupt ein Wort zur Versammlung zu wagen.

Ashtavakra erwiderte:
Vandin begann noch nie eine Diskussion mit einem wie mir. Deswegen sieht er sich als Löwe und brüllt laut. Doch wenn er mir begegnet, wird er besiegt niedersinken wie ein Wagen auf der Straße mit zerbrochenen Rädern.

Der König sprach:
Nur, wer die Bedeutung dessen versteht, was dreißig Abteilungen, zwölf Teile, vierundzwanzig Gelenke und dreihundert und sechzig Speichen hat, ist wahrhaft gelehrt.

Ashtavakra antwortete:
Möge das immerwährend sich drehende Rad (der Zeit) mit seinen vierundzwanzig Gelenken, sechs Naben, zwölf Rändern und dreihundert und sechzig Speichen dich allseits beschützen.

Der König fragte:
Wer unter den Himmlischen gebiert diese beiden, die zusammen gehen wie zwei Stuten (die an einen Wagen angespannt sind) und hinabjagen wie zwei Falken? Und was gebären sie wiederum?

Ashtavakras Antwort war:
Möge Gott dein Haus vor diesen Beiden behüten, ja sogar das Haus deines Feindes (vor Donner und Blitz, bzw. Begierde und Haß). Der mit dem Wind als Wagenlenker erscheint (Agni, der als Banner den Rauch trägt, bzw. die Gedanken), gebiert sie, und sie gebären ihn.

Der König fragte weiter:
Was schließt niemals seine Augen, auch wenn es schläft? Was bewegt sich nicht, auch wenn es geboren wurde? Was hat kein Herz? Und was vergrößert sich im eigenen Fließen?

Ashtavakra antwortete:
Ein Fisch schließt niemals seine Augenlider, wenn er schläft (das immer bewußte, männliche Wesen). Ein Ei bewegt sich nicht nach der Geburt (das Weltenei). Ein Stein hat kein Herz (die Seele, welche überaus fest am Körper anhaftet), und ein Fluß vergrößert sich im eigenen Fließen (das Herz eines Yogis).

Da meinte der König:
Es scheint, oh Besitzer von göttlicher Energie, daß du kein menschliches Wesen bist. Ich sehe in dir nicht den Jungen, sondern einen reifen Mann, mit dem sich kein anderer in der Kunst der Rede messen kann. Ich erlaube dir einzutreten, wo Vandin ist.


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