Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 32 – Draupadis Antwort

Draupadi sprach:
Ich mißachte oder verleumde die Religion nicht, oh Sohn der Pritha. Warum sollte ich Gott nicht respektieren, den Herrn aller Wesen? Wisse, oh Bharata, daß ich außer mir bin vor Kummer und nicht aufhören kann zu klagen. Höre mir nur aufmerksam zu, oh Bezwinger aller Feinde. Jedes bewußte Wesen in dieser Welt sollte handeln. Nur die Unbewußten leben, ohne zu handeln. Sofort nach seiner Geburt saugt das Kalb an den Zitzen der Mutter. Menschen fühlen Schmerzen, wenn über ihren Abbildern Zauberformeln ausgesprochen werden. Ja es scheint so, Yudhishthira, daß sich die Lebensweise der Kreaturen aus den Taten ihrer früheren Leben herleitet. Menschen unterscheiden sich von anderen Wesen dahingehend, daß sie danach trachten, ihren Lebenswandel mittels ihrer Taten in dieser und der kommenden Welt zu beeinflussen. Tatsächlich leben alle Wesen gemäß dem Einfluß ihrer ehemaligen Leben, selbst der Schöpfer und Lenker des Weltalls, wie ein Kranich immer wieder am Wasser lebt (obwohl es ihm niemand gelehrt hat). Ohne Taten ist der Lebensweg für eine Kreatur unmöglich. Für eine Kreatur muß es Taten geben, ohne geht es nicht. Deswegen solltest du handeln, oh König, und keinen Tadel auf dich laden, indem du das Handeln ablehnst. Hülle dich in Taten wie in Waffen und Rüstung. Es mag vielleicht nur einen unter Tausenden geben, der den Nutzen von Taten oder Arbeit wahrhaft erkennt. Und doch muß man handeln, um sich zu schützen und seinen Wohlstand zu mehren. Denn wenn man nicht nach Gewinn strebt, und seinen Reichtum nur verteilt, dann ist er bald erschöpft, und sei es auch ein so riesiger Berg wie der Himavat. Ohne Handlungen wären alle Wesen der Welt bald verschwunden. Und wenn Taten keine Früchte trügen, hätten sich die Wesen nie vermehrt. Manchmal sieht es so aus, als würden einige Wesen Taten vollbringen, die keine Früchte haben, aber ohne Taten (und Früchte) gäbe es gar keinen Lebensweg. Die Menschen, welche nur an vorbestimmtes Schicksal glauben sind genauso tadelnswert wie jene, die nur unbestimmten Zufall sehen. Nur die sind zu loben, welche an die Wirksamkeit von Taten glauben. Wer schlaff und tatenlos liegen bleibt, weil er sich einzig und allein dem Schicksal ergibt, wird bald auf Vernichtung treffen wie ein ungebrannter, irdischer Krug im Regen. Und auch, wer nur an Zufall glaubt, und deshalb inaktiv bleibt, obwohl er handeln könnte, lebt nicht lang, denn sein Leben vergeht in Schwäche und Hilflosigkeit. Gelangt ein Mensch unverhofft zu Reichtum, sagt man, es war der Zufall, der ihn reicht machte, denn niemand schien sich darum bemüht zu haben. Und, oh Pritha Sohn, alles Glück, was jemand durch religiöse Riten gewinnt, wird Schicksal genannt. Doch wenn jemand etwas erlangt, was als die direkte Konsequenz seiner Taten zu erkennen ist, dann nennt man dies persönliche Fähigkeit. Oh Bester der Menschen, wisse auch, daß der spontan und ohne erkennbare Ursache erhaltene Reichtum 'spontaner Erwerb' genannt wird (wenn man zum Beispiel auf der Suche nach einer verlorenen Münze ein kostbares Juwel findet). Doch wie auch immer man es nennt: Zufall, persönliche Fähigkeit, spontaner Erwerb oder Schicksal - es ist immer das Resultat von Taten aus einem früheren Leben. Und Gott, der Lenker dieses Universums, richtet und verteilt die Anteile an die Menschen dieser Welt gemäß ihrer früheren Taten. So sind auch die heilsamen oder unheilsamen Taten eines Menschen die Ergebnisse von früheren Taten gemäß der göttlichen Gesetze. Dieser Körper ist nur ein Instrument in der Hand Gottes und handelt, wie es die Taten erfordern. Er ist eigentlich inaktiv, und handelt nur, wie Gott es wünscht. Oh Sohn der Kunti, es ist der Höchste Herr, welcher alle Kreaturen handeln läßt, wie sie handeln. Denn die Kreaturen selbst sind träge.

Oh Held, die Menschen fühlen zuerst ein Ziel in ihrem Geist, dann vollbringen sie die Tat und handeln dabei gemäß ihrer Intelligenz. Deshalb sagt man gewöhnlich, der Mensch ist die Ursache seiner Taten. Oh Bulle der Bharatas, es ist unmöglich, all die Handlungen aufzuzählen, die Menschen vollbringen können. Schau nur all die Häuser und Städte, welche die Resultate von menschlicher Arbeit sind. Kluge Menschen wissen, daß Öl von Sesam gewonnnen wird, Quark aus Milch, und daß man Essen über brennendem Öl kochen kann. Sie kennen auch die Mittel und Werkzeuge dafür. Und mit angemessener Handhabung von Wissen und Mitteln vollbringen sie ihre Taten. Die Kreaturen erhalten ihr Leben durch Taten. Übt ein geschickter Arbeiter sein Handwerk aus, dann ist es gut getan. Ungeschickte Hände vollbringen dagegen schlechtere Arbeit. Denn wenn der Mensch nicht die Ursache seiner Taten wäre, dann würden Opfer keine Früchte bringen und niemand wäre Schüler oder Meister. Nur weil er der Grund für seine Taten ist, wird der Mensch gelobt oder getadelt, je nach Erfolg oder Mißerfolg seiner Handlung. Ja, wenn der Mensch nicht die Ursache für seine Taten wäre, wie könnte man all dies rechtfertigen?

Manche sagen, daß alles das Resultat von Zufall ist. Andere meinen, es ist alles glückliche Fügung. Doch alles, was wir Schicksal oder Zufall nennen, ist das Ergebnis unserer guten oder schlechten Taten in früheren Leben. Es ist offensichtlich, daß Besitztümer sowohl in Schicksal als auch in Zufall wurzeln, und manchmal auch mittels Anstrengung errungen werden. Es gibt keine vierte Ursache für Menschen, die Ziele verfolgen. Da sind sich die Menschen einig, die Weisheit und Wissen besitzen. Wenn es nicht Gott selbst wäre, der heilsame und unheilsame Früchte verteilt, dann gäbe es kein Elend unter den Geschöpfen. Wären die Wirkungen früherer Taten nur ein Mythos, dann wären alle Menschen im Verfolgen ihrer Zwecke immer erfolgreich. Deshalb sind jene, die nur Schicksal, Zufall und eigene Mühe als die alleinigen Türen zu Erfolg und Mißerfolg in der Welt betrachten (ohne die früheren Taten zu bedenken) ebenso träge und dumpf (in ihrem Denken) wie ein toter Körper.

Wegen all dieser Umstände, sollte der Mensch handeln. Das ist die Erkenntnis von Manu selbst. Wer nicht handelt, unterliegt. Oh Yudhishthira, der Mann der Tat trifft gewöhnlich in dieser Welt auf Erfolg. Nur die Müßigen sind niemals erfolgreich. Falls Erfolg unmöglich erscheint, sollte der Mensch die Hindernisse beseitigen, die seinem Erfolg im Wege stehen. Wenn ein Mensch hart arbeitet, oh König, dann ist seine Schuld (den Göttern gegenüber) abgegolten. Wer faul und müßig herumlungert, wird vom Elend heimgesucht. Nur der Aktive und Geschickte wird sicher Erfolg ernten und sich am Wohlstand erfreuen. Kluge Menschen handeln mit Vertrauen in sich selbst, und betrachten die Schüchternen als erfolgslose Zweifler. Und umgekehrt betrachten die Zweifler die Selbstsicheren mit Vertrauen als erfolgreich. Wir leben im Augenblick im Elend. Doch wenn du dich zum Handeln entschlössest, wird das Elend uns ganz sicher verlassen. Und selbst wenn du nicht erfolgreich wärest, bekämen du und deine Brüder doch immerhin einen sicheren Beweis. Doch überall sieht man, daß die Taten anderer von Erfolg gekrönt sind. Es ist wahrscheinlich, daß es uns auch so geht. Wie kann man vorher wissen, was die Ergebnisse sein werden? Wenn du dich bemüht hast, wirst du sehen, welche Früchte auf deine Anstrengung folgen. Der Bauer durchpflügt mit dem Pflug die Erde und sät den Samen. Dann sitzt er still, und wartet auf den Regen, welcher den Samen wachsen läßt. Falls die Wolken ihn verschmähen, ist der Bauer aber nicht schuld. Er kann zu sich selbst sagen: Ich habe getan, was alle tun. Trifft mich dennoch Mißerfolg, kann mir niemand die Schuld geben. – So bewahrt er sich und versinkt nicht in Selbstvorwürfen.

Oh Bharata, niemand sollte verzweifeln und sagen: Ich handle, doch Erfolg ist mir nicht beschieden. – Ob nun Erfolg oder Mißerfolg, Verzweiflung ist niemals am Platze, denn der Erfolg von Taten hängt von vielen zusammenwirkenden Umständen ab. Fehlt ein wichtiges Element, ist der Erfolg nicht ausreichend oder stellt sich gar nicht ein. Doch wenn erst gar keine Anstrengung unternommen wird, kann es überhaupt keinen Erfolg geben. Nichts ist da zu loben, wenn niemand sich bemüht. Die Klugen bringen Ort, Zeit, Mittel und glücksverheißende Riten mit aller Kraft zusammen, um Wohlstand zu erlangen. Mit Eifer und Sorgfalt sollte man sich zur Arbeit entschließen, und sich zum Anführer die eigene Entschlossenheit erwählen. Denn in der Verbindung aller nötigen Qualitäten sollte Entschlossenheit die erste sein. Erkennt der kluge Mann einen ihm in vielen Eigenschaften überlegenen Feind, sollte er alle Arten von angemessenen Mitteln erproben. Er sollte seinem Feind sogar Böses wünschen nebst seiner Verbannung. Auch wenn sein Feind der Ozean oder die Berge wären, sollte er diesen Motiven folgen, nicht zu reden von sterblichen Menschen. Wer die Angriffspunkte bei seinem Feind sucht, entledigt sich der eigenen Schuld und der vor seinen Freunden. Kein Mensch sollte sich jemals herabsetzen, denn das vertreibt den Wohlstand. Oh Bharata, man kann in dieser Welt Erfolg gewinnen. Er hängt vom Handeln zur rechten Zeit und unter den rechten Umständen ab. Mein Vater hatte einen gelehrten Brahmanen in seinem Haus, welcher ihm all dies lehrte. Und diese Instruktionen nebst ihren Pflichten wurden meinen Brüdern als erstes gelehrt, oh Bulle unter den Bharatas. Damals vernahm ich sie in meinem Vaterhaus. Ich saß auf meines Vaters Schoß und hörte dem gelehrten Brahmanen zu, als er diese Wahrheiten aussprach und mich damit lieblich berührte.


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