Pushpak Mahabharata Buch 14Zurück WeiterNews

Anugita Parva

Kapitel 16 – Arjunas Bitte an Krishna um erneute Belehrung

Janamejaya fragte:
Worüber sprachen der hochbeseelte Krishna und Arjuna miteinander, als sie im Palast verweilten und nachdem alle Feinde geschlagen waren, oh Zweifachgeborener?

Vaisampayana antwortete:
Im wiedergewonnenen Königreich verbrachte Arjuna voller Freude seine Zeit mit Krishna in diesem Palast von himmlischer Schönheit. Und eines Tages, oh König, begaben sich die beiden in aller Muße in einen besonders malerischen Teil des Palastes und waren von ihren Angehörigen und Dienern umgeben.

Arjunas Herz war voller Glück in der Nähe von Krishna, und während er seine Blicke in der entzückenden Halle schweifen ließ, sprach er zu Krishna:
Oh Starkarmiger, zu Beginn der Schlacht hast du mir deine Größe kundgetan, und auch deine Gestalt als Herr des Universums. Doch was du Heiliger mir damals aus Zuneigung gesagt hast, oh Sohn der Devaki, hat mein unsteter Geist schon wieder vergessen. Doch ich sehne mich ohn Unterlaß nach Wahrheit, und du wirst bald nach Dwaraka heimkehren.

Da umarmte der energiereiche und redegewandte Krishna seinen lieben Freund und antwortete ihm:
Ich habe dich Wahrheiten hören lassen, die als geheimnisvoll gelten. Ich habe dir ewige Wahrheit kundgetan. Wahrlich, ich habe zu dir über das wahre Wesen des ewigen Dharma und über alle ewigen Bereiche gesprochen. Ich bin sehr traurig, daß du in deiner Unwissenheit nichts von dem bewahrt hast, was ich dir übergeben habe. Und so kommt die Erinnerung an meine damaligen Worte heute nicht zu mir. Es mangelt dir wohl an Vertrauen, oh Sohn des Pandu, und an Verständnis auch. Nun, es ist unmöglich für mich, oh Arjuna, in allen Details zu wiederholen, was ich damals sprach, und was mehr als ausreichend war, um zum Brahman zu gelangen. Ich war im Yoga konzentriert, als ich zu dir vom Höchsten sprach. Doch ich werde dir heute eine alte Geschichte erzählen, die vom selben Thema handelt. Höre sie aufmerksam, du Pflichtbewußter. Ist dein Verständnis mit meinen Lehren verbunden, dann kannst du zum höchsten Ziel gelangen.

Eines Tages kam ein Brahmane aus den himmlischen Regionen des Großen Vaters zu uns. Wir ehrten den gewaltig Energievollen, und er beantwortete unsere Fragen nach den himmlischen Weisen. Lausche achtsam, oh Sohn der Pritha, und ohne jegliche Bedenken zu hegen.

Der Brahmane sprach:
Aus Mitgefühl für alle Wesen befragtest du mich nach dem Weg zur Erlösung, oh Krishna, diesem Weg, der allen Wahn zerstreut. Du bist wahrhaft und fromm, und so werde ich dir antworten, oh Madhu Vernichter. Höre mir mit konzentrierter Aufmerksamkeit zu. Einmal traf ein asketischer und pflichtbewußter Brahmane namens Kasyapa auf einen anderen Brahmanen, der mit allen Geheimnissen des ewigen Dharma vertraut war. Dieser hatte wahrlich alles Wissen gemeistert, welches die Schriften über das Verschwinden und Zurückkehren der Wesen lehren, und besaß darüber hinaus das direkte Wissen aller Dinge, was Yoga nur geben kann. Auch in den weltlichen Dingen war er wohlerfahren, und wußte um die Wahrheit von Schmerz und Vergnügen, Geburt und Tod, Verdienst und Sünde. Er war ein Zeuge, welches Ende die verkörperten Wesen aufgrund ihrer Taten nahmen. So lebte er wie einer, der von der Welt befreit ist. Mit asketischem Erfolg und vollkommen friedlicher Seele gekrönt hatte er alle Sinne unter kompletter Kontrolle. Er schien vom Glanze Brahmas durchdrungen und konnte überall hingehen, wie es ihm beliebte. Er beherrschte die Kunst, sich allen Blicken zu entziehen, und wanderte gern in Gesellschaft von ebenso unsichtbaren Siddhas und himmlischen Musikern. Mit ihnen ruhte und disputierte er an einem Ort, der vom geschäftigen Treiben der Menschen unberührt war. Kasyapa hatte von ihm gehört und wollte ihn sehen. Voller Klugheit und Buße trat Kasyapa vor den Brahmanen hin, weil er sich Verdienst gewinnen wollte, und fiel mit verzücktem Herzen zu dessen Füßen nieder, nachdem er all seine wundervollen und außergewöhnlichen Eigenschaften erkannt hatte. Großes Staunen erfüllte Kasyapa, und er begann, diesem Besten der Brahmanen mit der pflichtbewußten Verehrung eines Schülers aufzuwarten, der seinen Lehrer gnädig stimmen möchte. Seine Hingabe und Folgsamkeit erfüllten den wissenden Brahmanen mit Freude, der auch noch mit ausgezeichnetem Betragen gesegnet war. Zufrieden und freudig sprach also der Brahmane eines Tages zu Kasyapa mit der Absicht auf höchsten Erfolg. Höre seine Worte, oh Krishna, wie ich sie dir wiederhole.

Der Werdegang des Brahmanen

Der erfolgsgekrönte Brahmane sprach zu Kasyapa:
Durch Verdienst und Taten erreichen die sterblichen Geschöpfe ihre Ziele in der Welt und eine Wohnstätte im Himmel, mein Sohn. Doch nirgends gibt es vollkommene Glückseligkeit und nirgends eine ewige Wohnstätte. Regelmäßig fällt man aus schwer errungenen und höchsten Bereichen. Da ich oft in Sünde verstrickt war, erlitt ich einige miserable und unheilsame Tode, denn mich erfüllten Wollust und Zorn, die von Habgier angeführt wurden. Immer und immer wieder unterlag ich Geburt und Tod. Ich habe dies und das gegessen, und an vielen Brüsten gesaugt. Ich hatte alle Arten von Müttern und Vätern, die recht unterschiedlich waren. Mal war ich traurig und elend, mal glücklich und froh, oh Sündenloser. Es gab Situationen, in denen ich von den Geliebten getrennt und mit Ungeliebten verbunden wurde. Hatte ich mit großer Mühe Reichtum angehäuft, mußte ich auch dessen Verlust ertragen. König und Familie peinigten mich zutiefst und trieben mich in Not und Gefahr. Auch geistige und körperliche Qualen höchsten Maßes waren mir bestimmt. Es gab Erniedrigungen ebenso wie Mord und Kerker. Auch fiel ich oft in die Hölle und erlitt die quälenden Schmerzen im Reich Yamas. Altersschwäche und Krankheiten wohnten in mir, Katastrophen und Elend kamen in Massen über mich. Ja, in dieser Welt hatte ich all die Leiden zu ertragen, die aus der Wahrnehmung von Gegensätzen entstehen. Doch eines Tages, ich war vom Kummer völlig überwältigt, überkam mich blankes Entsetzen. Und ich nahm Zuflucht im Formlosen. Ich war zu gequält von leidvollen Schmerzen, und so gab ich die Welt mit ihren Freuden und Leiden auf. Da verstand ich den Weg, und übte mich darin, obwohl ich noch in der Welt war. Schließlich gelangte ich durch Frieden und Stille in der Seele zu diesem Erfolg, den du nun siehst. Ich werde nicht wieder in die Welt zurückmüssen (nach meinem Tod). Und bis ich mit dem ewigen Brahman verschmelze, also bis zur Auflösung des Universums, werde ich auf mein glückliches Ende ebenso schauen, wie auf all die Wesen, die dieses Universum ausmachen. Nachdem ich diese Welt so erfolgreich verlassen habe, werde ich höher steigen (zum Satyaloka) und immer höher (zum Verschmelzen im Brahman). Wahrlich, ich gelange zum Brahman, dem Unmanifesten. Möge dich dazu kein Zweifel heimsuchen. Oh Feindebezwinger, ich werde nicht zur Welt der sterblichen Geschöpfe zurückkehren. Und mit dir, du Weisheitsvoller, bin ich sehr zufrieden. Sag mir, was ich für dich tun kann. Es ist die Zeit gekommen, in welcher der Zweck deines Kommens erfüllt werden soll. Wahrlich, ich weiß, warum du mich aufgesucht hast. Schon bald werde ich diese Welt verlassen. Darum gab ich dir diese Hinweise. Oh du Weiser und Erfahrener, ich bin höchst zufrieden mit deinem Betragen. So frage mich. Ich werde erzählen, was dir nützlich ist und was du dir wünschst. Ich denke, deine Einsicht ist groß, denn mit ihr warst du in der Lage, mich zu erkennen. Ja, ich lobe deine Klugheit, oh Kasyapa.


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