Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 116 - Über die Verdienste des Nichtverletzens

Yudhishthira sprach:
Ach, jene grausamen Menschen, die eine vielfältige Ernährung mißachten und nur den Fleischgenuß begehren, leben wie große Rakshasas! Ach, sie genießen nicht die verschiedenen Arten von Kuchen und saftigen Kräutern, Zwiebeln und anderen Pflanzen so sehr wie das Fleisch. Mein Verstand ist deshalb ganz verwirrt. Ich denke, wenn die Menschen so leben, dann gibt es wohl nichts, was im Geschmack dem Fleisch vergleichbar ist. Deshalb wünsche ich, oh Mächtiger, noch einmal über die Schulden des Fleischgenusses und die Verdienste der Entsagung davon zu hören. Oh Führer der Bharatas, du kennst alle Aufgaben im Leben. So sprich zu mir ausführlich über die Gebote diesbezüglich. Sage mir was eßbar und nicht eßbar ist. Erkläre mir, oh Großvater, was Fleisch ist, woraus es entsteht und welche Verdienste und Sünden damit verbunden sind.

Bhishma sprach:
Es ist, wie du sagst, oh Starkarmiger. Es gibt auf Erden nichts, was das Fleisch im Geschmack übertrifft, und nichts, was für Menschen förderlicher wäre, die mager, schwach, von Krankheit gequält, an sexuelle Leidenschaft gewöhnt oder vom Hin- und Herreisen erschöpft sind. Denn das Fleisch vergrößert schnell die Kraft und regt zur Tätigkeit an. So gibt es keine Speise, oh Feindevernichter, die diesbezüglich besser wäre als Fleisch. Aber dennoch, oh Freude der Kurus, sind die Verdienste groß, die mit der Entsagung vom Fleischgenuß verbunden sind. Höre achtsam, wie ich darüber spreche!

Es gibt wohl keinen Grausameren als den, der sein eigenes Fleisch durch das Fleisch eines anderen Lebewesens vermehren will. Denn nichts ist den Wesen in dieser Welt so lieb, als das eigene Leben. Deshalb sollte man Mitgefühl für das Leben anderer zeigen, genauso wie für das eigene Leben. Zweifellos, oh Sohn, hat das Fleisch seinen Ursprung im Lebenssamen. Deshalb gibt es eine gewisse Schuld im Verzehren von Fleisch und ein gewisses Verdienst in der Entsagung davon. Nur wenn das Fleisch gemäß den vedischen Geboten rein ist und als Opfer gewidmet wurde, bleibt man von Schuld frei, denn wir haben ja gehört, daß die Tiere für das Opfer geschaffen wurden. Wer mit anderer Motivation Fleisch verzehrt, der folgt den Gewohnheiten der Rakshasas. Höre mir zu, wie ich dir die Gebote nenne, die diesbezüglich für Kshatriyas aufgestellt wurden. Sie sammeln keine Sünde an, wenn sie das (Hirsch-)Fleisch essen, das sie durch die Kraft ihrer eigenen Arme gejagt haben. Denn alle Hirsche der Wildnis wurden einst durch Agastya den Göttern und Ahnen gewidmet. Deshalb wird die Jagd von Hirschen nicht getadelt. Auch gibt es keine Jagd ohne Risiko für das eigene Leben. Die Gefahr für Jäger und Wild sind gleich. Entweder wird das Tier getötet oder der Jäger. Deshalb, oh Bharata, pflegen sogar königliche Weise die Jagd. Durch solches Verhalten werden sie nicht mit Sünde befleckt. Wahrlich, diese Praxis gilt nicht als sündhaft. Und doch, oh Freude der Kurus, gibt es keinen höheren Verdienst für diese und die kommende Welt, als die Übung des Mitgefühls für alle lebenden Wesen. Ein Mensch voller Mitgefühl braucht keine Angst mehr zu haben. Solchen harmlosen Menschen, die vom Mitgefühl erfüllt sind, gehört sowohl diese als auch die jenseitige Welt. Die Kenner der Lebensaufgaben sagen, daß eine Tugend würdig ist, Tugend genannt zu werden, wenn sie das Nichtverletzen zum Wesen hat. Mit diesem Mitgefühl sollte ein Mensch mit gereinigter Seele stets handeln. Deshalb sollte jegliches Fleisch in Opfern zu Ehren der Götter und Ahnen gewidmet werden, so daß es zum Havi („reine Opferspeise“) wird. Ein Mensch, der dem großen Mitgefühl gewidmet ist und sich stets heilsam zu anderen verhält, hat keine Angst mehr vor jeglichen Wesen. Denn man sagt, daß alle Wesen davon ablassen, ihm irgendwelche Angst zu machen. Ob er verwundet, gefallen, niedergeworfen, geschwächt oder anderweitig bedrängt wird, alle Wesen beschützen ihn. Wahrlich, das tun sie unter allen Umständen und an allen Orten. Weder Schlangen noch wilde Tiere, Gespenster oder Rakshasas können ihn jemals schlagen. Er wird unter allen bedrohlichen Verhältnisse von jeder Angst befreit sein, weil sich kein Wesen mehr vor ihm fürchten muß. Denn es gab, gibt und wird auch niemals ein Geschenk geben, das höher als das Leben selbst wäre. Jedes lebende Wesen liebt vor allem sein Leben. Der Tod, oh Bharata, ist für sie eine üble Katastrophe. Wenn der Tod kommt, sieht man die Körper aller Wesen erzittern. Überall beobachtet man, wie sie Geburt, Krankheit, Alter und Tod in diesem Ozean der Welt ertragen und immer wieder gehen und zurückkehren. Jedes Lebewesen wird durch den Tod gequält. Schon die Geburt ist schmerzhaft und schwer erträglich. Während sie im Mutterleib wachsen, werden alle Geschöpfe in den scharfen, sauren und bitteren Körpersäften gekocht, umgeben von Urin, Schleim und Kot. Dort müssen sie innerhalb der Gebärmutter in einem hilflosen Zustand wohnen und werden immer wieder gestoßen und gequetscht. So sieht man, wie jene Wesen, die Fleisch begehren, bereits im Mutterleib völlig hilflos gekocht werden. Und nachdem sie verschiedenste Geburten erlangt haben, werden sie noch in der Hölle namens Kumbhipaka (in großen Kesseln) gekocht. Sie werden angegriffen und getötet und müssen auf diese Weise im Rad der Geburten kreisen. Wer in diese Welt kommt, der liebt am meisten sein Leben. Deshalb sollten alle Personen mit gereinigter Seele umfassendes Mitgefühl zu allen fühlenden Wesen pflegen. Ein Mensch, oh König, der sich von jeder Art des Fleischgenusses von seiner Geburt an enthält, erwirbt zweifellos einen großen Raum im Himmel.

Wer das Fleisch von Tieren ißt, die leben wollen, der wird selbst von den Tieren gegessen. Daran habe ich keine Zweifel. Daher kommt auch das Wort Fleisch (Sanskrit „Mansa“) mit dem Sinn: Er („sa“) wird mich („mam“) essen, wie ich ihn gegessen habe. Das, oh Bharata, ist der tiefere Sinn des Fleischessens. Wer tötet, wird selbst getötet. Das ist das Schicksal, daß sich im Kreislauf der Geburten wiederholt. Wer sich feindlich zu anderen verhält, wird in ähnlicher Situation selbst zum Opfer von anderen. Was auch immer man für Handlungen in beliebigen Körpern ansammelt, die Folgen davon muß man in ähnlichen Körpern erfahren. Nichtverletzen ist die höchste Tugend. Nichtverletzen ist die höchste Selbstdisziplin. Nichtverletzen ist das höchste Geschenk. Nichtverletzen ist die höchste Entsagung. Nichtverletzen ist das höchste Opfer. Nichtverletzen ist die höchste Kraft. Nichtverletzen ist der höchste Freund. Nichtverletzen ist das höchste Glück. Nichtverletzen ist die höchste Wahrheit. Und Nichtverletzen ist die höchste, heilige Lehre. Die Darbringungen in allen Opfern, die Waschungen in allen heiligen Gewässern und alle Geschenke gemäß den heiligen Schriften sind nicht verdienstvoller als die Entsagung von jeder Gewalt. Diese Entsagung eines Menschen, der sich allen Verletzungen enthält, ist wahrlich unerschöpflich. Solch ein Mensch voller Mitgefühl gilt als einer, der beständig ein Opfer durchführt. Der Mensch voller Mitgefühl ist Vater und Mutter aller Wesen. Das, oh Führer der Kurus, sind nur einige der Verdienste des Nichtverletzens. Denn insgesamt sind die damit verbundenen Verdienste unermeßlich, selbst wenn man hundert Jahre darüber sprechen wöllte.


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