Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 6 - Über Schicksal und persönliche Anstrengung

Yudhishthira sprach:
Belehre mich, oh erfahrener Herr, in allen Schriften, über persönliche Anstrengung und das Schicksal, das so übermächtig ist.

Bhishma sprach:
Folgende alte Geschichte über ein Gespräch zwischen Vasishta und Brahma dient diesbezüglich zur Veranschaulichung, oh Yudhishthira. In alten Zeiten fragte der verehrenswerte Vasishta den Gott Brahma, was das Leben kraftvoller formt, das Karma, das man in diesem Leben ansammelt, oder das Karma aus vergangenem Leben. Darauf antwortete der große Gott Brahma, der aus dem Urlotus geboren worden war, mit folgenden, vorzüglichen und wohlbegründeten Worten voll tiefster Bedeutung.

Brahma sprach:
Nichts entsteht ohne einen Samen. Ohne Samen wachsen keine Früchte, und aus dem Samen entstehen weitere Samen. Folglich kennt man die Früchte als Produkt des Samens. Wie der Bauer guten oder schlechten Samen auf seinem Feld sät, so erntet er gute oder schlechte Früchte. Ohne Samen bleibt der beste Boden unfruchtbar. So bleibt auch das Schicksal ohne persönliche Anstrengung nutzlos. Die eigenen Taten sind damit der Samen, und das Schicksal ist der fruchtbare Boden (der praktisch durch Kompostierung von ehemaligen Lebewesen entsteht). Aus der Verbindung von Boden und Samen wächst die Ernte. So sieht man jeden Tag in der Welt, wie der Handelnde die Früchte seiner guten und schlechten Taten erntet, wie das Glück aus guten Taten entsteht und das Leiden aus den schlechten, und wie aus dem Handeln Früchte und aus dem Nichthandeln keine Früchte erwachsen. Ein fleißiger Mensch erwirbt Verdienste für ein gutes Schicksal, während ein fauler Mensch immer tiefer sinkt und Übel erntet, wie eine ungereinigte Wunde immer größer und schmerzvoller wird. Durch hingebungsvolles Handeln erwirbt man Schönheit, Glück und verschiedensten Wohlstand. Alles kann durch Anstrengung erreicht werden, denn nichts gewinnt man durch das Schicksal allein ohne persönliche Anstrengung. Auf den Wegen der wohlgeführten Anstrengung erreicht man alle Gegenstände des Vergnügens, die Erfüllung aller Wünsche im Herzen und sogar den Himmel. Selbst die Sterne am Firmament, all die Götter, Nagas und Rakshasas, sowie Sonne, Mond und die Winde haben ihren hohen Status durch Entwicklung in der Welt kraft ihrer eigenen Handlungen erreicht. Wie sonst könnte man Reichtümer, Freunde, den von Generation zu Generation vererbten Wohlstand und sogar die Gnade des Lebens ohne besondere Anstrengung erreichen? Der Brahmane gelangt zu Wohlstand durch das heilsame Leben, der Kshatriya durch die Heldenkraft, der Vaisya durch die Arbeit und der Shudra durch das Dienen. Wohlstand und anderes Glück folgen weder dem Geizigen noch dem Unfruchtbaren oder Faulen. Niemand erreicht Glück, der nicht aktiv und fleißig ist, oder hingebungsvoll Entsagung übt. Sogar der verehrenswerte Vishnu, der die drei Welten mit all den Dämonen und Göttern erschuf, übt strenge Entsagung auf dem Grund aller Tiefen. Wenn das Karma keine Früchte trüge, dann wären alle Handlungen unfruchtbar, und allein auf das Schicksal gestützt, wären die Menschen alle zu Faulpelzen geworden. Wer nur dem Schicksal folgt, ohne die menschliche Art des Handelns zu üben, der lebt vergebens, wie eine Frau mit einem impotenten Gatten. Auch wenn in dieser Welt aufgrund eines ungünstigen Schicksals die eigenen Taten nicht besonders erfolgreich erscheinen, so sollte man die eigene Bemühung doch nie vernachlässigen, welche für die kommende Welt entscheidend ist.

Wird die Kraft des Menschen auf rechte Weise ausgeübt, so folgt sie stets seinem Schicksal. Aber das Schicksal allein ist unfähig, dem Wesen irgendwelchen Nutzen zu bringen, wenn die persönliche Anstrengung fehlt. In Anbetracht, daß sogar in den himmlischen Bereichen der Status der Götter vergänglich ist, wie sollten die Götter ihren Status erreichen und bewahren, außer durch entsprechendes Handeln? So unterstützen die Götter nicht jede Tat der Wesen in dieser Welt, sondern durchkreuzen sie, um ihre Herrschaft (bzw. die Weltordnung) zu bewahren. So gibt es auch eine stetige Spannung zwischen den Göttern und den entsagenden Rishis.

Auch wenn alle Wesen durch ihr Karma gehen müssen, kann man nicht abstreiten, daß es so etwas wie Schicksal gibt, weil dieses Schicksal all das Karma anregt. Doch wie entsteht das Karma, wenn das Schicksal die Hauptquelle der menschlichen Taten ist? Das Karma entsteht durch persönliche Ansammlung von Handlungen sogar in den himmlischen Bereichen. So kann man sich selbst zum Freund oder auch zum Feind werden, denn das Selbst ist der Zeuge aller guten und schlechten Taten. Glück und Leid äußern sich allein durch das Karma. Deshalb ist die Gerechtigkeit die Zuflucht der Götter, denn durch Gerechtigkeit (dem Dharma) ist alles erreichbar. Wer die Wege der Tugend und Gerechtigkeit geht, wird vom Schicksal nicht mehr behindert.

So sank Yayati vor langer Zeit von seinem hohen Status im Himmel hinab zur Erde, aber wurde durch die guten Taten seiner tugendhaften Enkel wieder zu den himmlischen Bereichen erhoben. Der königliche Weise Pururavas, der als Nachkomme von Ila gefeiert wird, gelangte zum Himmel durch die Bemühung der Brahmanen. Saudasa, der König von Kosala, sank trotz seiner Verdienste durch ein Pferdeopfer und andere Opfer in den Status eines menschenfressenden Rakshasas wegen des Fluchs eines großen Rishis. Aswatthaman und Parasurama (Rama mit der Axt) konnten, obwohl sie große Krieger und auch Söhne von Munis waren, nicht zum Himmel aufsteigen aufgrund ihrer Taten in dieser Welt. Auch Vasu fiel, obwohl er hundert Opfer wie ein zweiter Indra durchführte, in die untersten Bereiche aufgrund einer einzigen unwahrhaften Tat. Vali, der Sohn von Virochana, der gerechterweise an sein Versprechen gebunden war, wurde in die niederen Bereiche geworfen durch eine mächtige Tat von Vishnu (der sich als Zwerg inkarnierte). Wurde nicht auch Janamejaya, der den Fußspuren Indras folgte, von den Göttern abgewehrt und geschlagen, weil er eine Brahmanen-Frau getötet hatte? Wurde nicht auch der zweifachgeborene Rishi Vaisampayana, der ungewollt ein Brahmanen-Kind tötete, von der Sünde eingeholt (siehe Vishnu Purana 3.5)? In alten Zeiten wurde auch der königliche Weise Nriga in eine Eidechse verwandelt, weil er den Brahmanen auf seiner großen Pilgerreise viele Kühe geschenkt hatte (siehe Ramayana 7.63). Der königliche Weise Dhundhumara wurde von Altersschwäche überwältigt, sogar während er sein Opfer durchführte, und ohne dessen Verdienste zu erreichen, schlief er in Girivraja ein. Auch die Pandavas gewannen ihr verlorenes Königreich, das ihnen von den mächtigen Söhnen des Dhritarashtra geraubt worden war, nicht durch das Eingreifen des Schicksals zurück, sondern durch ihre eigene Tapferkeit. Und wenn die Munis beständige Gelübde und strenge Entsagung üben, verkünden sie dann einen Fluch mithilfe des Schicksals oder durch ihre Anstrengung? Wer sich in dieser Welt bemüht, alles Übelgesinnte zu überwinden, kann das Höchste erreichen, was so schwer erreichbar ist. Wer dagegen von Unwissenheit und Habgier überwältigt wird, den kann auch das Schicksal nicht retten.

Wie ein kleines Feuer, das vom Wind angefacht wird, kraftvoll auflodert, so entfaltet auch das Schicksal sein mächtiges Potential, wenn es auf persönliche Anstrengung trifft. Und wie mit dem Schwinden des Öls in einer Lampe das Licht vergeht, so schwindet auch die Macht des Schicksals, wenn die eigenen Taten fehlen. Wenn er auch großen Reichtum, Frauen und alle Vergnügungen dieser Welt erhalten hat, ein Mann ohne Taten kann sie nicht lange genießen, während der Hochbeseelte, der sich fleißig bemüht, sogar die Schätze heben kann, die tief in der Erde verborgen sind und vom Schicksal bewacht werden. Der gute Mensch, der freigebig ist (in Wohltätigkeit und Opfern), wird von den Göttern für sein gutes Verhalten besucht, denn die himmlische Welt wirkt zum Wohlergehen der Menschenwelt. Aber das Haus eines Geizkragens, auch wenn es voller Reichtum ist, wird von den Göttern wie das Haus des Todes gemieden. Der Mensch, der sich nicht bemüht, kann das Nützliche dieser Welt nicht empfangen, weil das Schicksal allein einer Person auf Abwegen nicht helfen kann. Denn das Schicksal hat keine eigene Kraft zur Entfaltung. Wie der Schüler dem Lehrer, so folgt das Schicksal der individuellen Anstrengung. Wo sich die eigene Anstrengung entfaltet, dort entfaltet das Schicksal sein Potential. Oh Bester der Munis, so habe ich dir alle Verdienste der persönlichen Anstrengung beschrieben, wie man sie in ihrer wahren Bedeutung erkennen kann. Unter den Bedingungen des Schicksals kann der Mensch durch eigene Anstrengung sogar den Himmel erreichen. Denn erst die fruchtbare Kombination von Schicksal und Anstrengung ist wirksam.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter