Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 351 - Über die Einheit und Vielfalt der Wesen

Janamejaya sprach:
Oh Zweifachgeborener, gibt es viele Wesen oder nur eines? Wer ist im Weltall das Erste aller Wesen? Was gilt als Ursache aller Dinge?

Vaisampayana sprach:
In den Lehren von Sankhya und Yoga wird von vielen Wesen gesprochen, oh Juwel des Kuru Stammes. In solchen Lehrsystemen wäre es nicht gut, wenn nur ein Wesen im Weltall betrachtet würde. Doch bei all diesen vielen Wesen spricht man von einem Ursprung im Höchsten Wesen, dem Purusha, der dieses ganze Universum ist. Ich werde es dir erklären mit Verneigung vor meinem Lehrer Vyasa, diesem Ersten der Rishis, der das Selbst erkannt hat und voller Entsagung und Selbstzügelung der ehrfürchtigsten Verehrung würdig ist. Diese Lehre über den Purusha, oh König, findet man in allen Veden. Sie ist wohlbekannt und gilt als das Rechte und Wahre. Der Erste der Rishis, Vyasa, hat sie tiefgründig durchdacht, nachdem sich viele große Rishis mit Kapila an der Spitze in das sogenannte Höchste Selbst (Adhyatma) vertieft hatten und ihre Erfahrungen zu diesem Thema sowohl im allgemeinen als auch im besonderen erklärt haben. Durch die Gnade des unermeßlich energievollen Vyasa werde ich dir nun verkünden, was Vyasa kurzgefaßt zu dieser Frage nach der Einheit und Vielfalt aller Wesen gesprochen hat.

Diesbezüglich wurde die alte Geschichte über ein Gespräch zwischen Brahma und dem dreiäugigen Mahadeva erzählt, oh König. In der Mitte des Milchozeans gibt es einen sehr hohen Berg mit großem Glanz wie Gold, oh Monarch, den man unter dem Namen Vaijayanta kennt. Dorthin begab sich oft der berühmte Gott Brahma von seiner herrlichen Wohnstätte der Glückseligkeit, um in der Einsamkeit seine Zeit der Meditation über das Wesen des Höchsten Selbst zu widmen. Während der viergesichtige Brahma mit der großen Intelligenz dort saß, begegnete ihm eines Tages sein durch die Welten wandernder Sohn Mahadeva, der einst von seiner Stirn geboren worden war. Und als damals der dreiäugige Shiva mit seiner Yogamacht durch die Himmel reiste und Brahma auf diesem Berg sitzen sah, da stieg er schnell hinab zum Gipfel. Mit heiterem Herzen zeigte er sich seinem Ahnherrn und verehrte seine Füße. Als Brahma ihn zu seinen Füßen niedergeworfen sah, hob er ihn mit der linken Hand auf. Und nachdem Brahma, der mächtige und alleinige Herr aller Wesen, Mahadeva aufgerichtet hatte, sprach er zu seinem Sohn, den er nach langer Zeit wiedergetroffen hatte:
Willkommen, oh Starkarmiger! Ein gutes Schicksal führt dich heute nach langer Zeit zu mir. Ich hoffe, oh Sohn, daß mit deiner Askese, dem Vedenstudium und der Rezitation alles in Ordnung ist. Du bist stets der strengsten Entsagung gewidmet. Deshalb frage ich dich nach dem Gedeihen deiner Askese.

Und Rudra antwortete:
Oh Ruhmreicher, durch deine Gnade ist mit meiner Askese und dem Vedenstudium alles gut. Doch wie geht es dem Weltall? Früher sah ich dich in deiner Region der Glückseligkeit und des Glanzes. Heute komme ich zu diesem Berg, der wohl jetzt deine Wohnstätte ist. Höchst verwundert bin ich, warum du dich an einen so einsamen Ort aus deinem gewöhnlichen Bereich der Glückseligkeit zurückgezogen hast. Gewichtig muß der Grund sein, der dich, oh Großer Vater, dazu veranlaßt hat. Deine eigene höchste Wohnstätte ist frei von allen Leiden des Hungers und des Durstes und wird von Göttern und Dämonen bewohnt sowie von Rishis mit unermeßlicher Herrlichkeit, Gandharvas und Apsaras. So einen Ort der Glückseligkeit hast du aufgegeben und wohnst jetzt hier allein auf diesem Ersten der Berge. Dafür gibt es bestimmt einen ernsten Grund.

Darauf sprach Brahma:
Dieser Erste der Berge namens Vaijayanta ist schon immer mein Wohnsitz. Hier meditiere ich mit konzentriertem Geist über den einen, universalen Purusha von unendlicher Ausdehnung.

Rudra sprach:
Du bist doch der Selbstseiende! Unzählige Wesen wurden durch dich geschaffen und werden auch in Zukunft noch geschaffen werden, oh Brahma. Doch nun sprichst du von einem anderen Wesen, das einzig und allein besteht. Wer ist dieser höchste Purusha, oh Brahma, über den du meditierst? Groß ist meine Neugier diesbezüglich. Sei so freundlich und zerstreue die Zweifel, die meinen Geist in Besitz genommen haben.

Brahma sprach:
Oh Sohn, du sprichst von der Vielfalt der Wesen. Das eine Wesen jedoch, über das ich meditiere, steht hinter all diesen Wesen und ist unsichtbar. All die vielen Wesen, die im Weltall existieren, haben in diesem einen Purusha ihre Grundlage. Und weil dieser Eine als die Quelle bezeichnet wird, woraus all die unzähligen Wesen entstehen, so sind sie fähig, in diesen Purusha einzugehen, wenn sie alles Eigene ablegen. Denn dieser Purusha ist das ganze Universum, das Höchste, das Erste, das Ewige, die Summe aller möglichen Eigenschaften und damit ohne spezielle Eigenschaften.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter