Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 288 - Über das Heilsame und Nützliche im Leben

Yudhishthira sprach:
Sage mir, oh Großvater, was heilsam und nützlich für jemanden ist, der die Wahrheit der heiligen Schriften nicht erkannt hat, der ohne Vertrauen, voller Zweifel ist und die Selbstzügelung fürchtet, wie auch alle anderen Mittel, die zur Selbsterkenntnis führen.

Bhishma sprach:
Den Lehrer verehren, den Altehrwürdigen stets ehrfürchtig dienen und den Rezitationen der heiligen Schriften (durch fähige Brahmanen) lauschen - diese Wege gelten als höchst verdienstvoll und heilsam. Diesbezüglich wird auch eine alte Geschichte über ein Gespräch zwischen Galava und dem himmlischen Rishi Narada erzählt:

Eines Tages sprach Galava auf der Suche nach seinem Heil zu Narada, der von Verblendung und Trägheit frei, in den heiligen Schriften höchst erfahren und durch Erkenntnis zufrieden war, diesem tiefgründigen Meister seiner Sinne und hingebungsvollen Yogi:
Ich sehe, oh Muni, daß jene hohen Tugenden, wodurch man in dieser Welt wahrhaften Ruhm gewinnt, beständig in dir wohnen. Du bist von Unvollkommenheit frei, und als solcher kannst du die Zweifel lösen, welche den Geist von Menschen erfüllen, die wie unsereiner der Illusion unterworfen sind und die Wahrheit der Welt nicht kennen. Wir wissen nicht, was wir richtigerweise tun sollen, weil die heiligen Schriften diesbezüglich nicht eindeutig sind, sondern gleichzeitig die Entsagung und das Handeln für den Weg der Erkenntnis gebieten. Mögest du uns belehren. Oh Ruhmreicher, die verschiedenen Lebensweisen verlangen auch verschiedenes Verhalten. „Das ist heilsam!“, und „Das ist auch heilsam!“ - so ermahnen uns die heiligen Schriften in vielfältiger Weise. In Anbetracht der Anhänger der vier Lebensweisen, die entsprechend verschiedene Wege gehen und dem folgen, was ihnen die heiligen Schriften gebieten, wie auch wir unseren Geboten entsprechen, wissen wir doch nicht, was wirklich heilsam und nützlich ist. Wenn alle heiligen Schriften gleich und eindeutig wären, dann würde es vielleicht klarer sein. Weil die heiligen Schriften jedoch so vielgestaltig sind, bleibt das wirklich Heilsame ein großes Mysterium. Aus diesen Gründen bin ich höchst verwirrt. So belehre mich darüber, oh Ruhmreicher, denn als Schüler komme ich zu dir.

Und Narada sprach:
Es gibt nun einmal vier Lebensweisen, oh Kind. Sie alle dienen den Zwecken, zu denen sie erschaffen wurden, und ihre Aufgaben unterscheiden sich voneinander. Nachdem du sie von wohlerfahrenen Lehrern gehört hast, bedenke sie gut, oh Galava! Betrachte genau die Verdienste dieser Lebensweisen, die vielfältig in ihrer Erscheinung sind, unterschiedlich in ihrer Bedeutung und widersprüchlich in ihren jeweiligen Aufgaben. Wahrlich, oberflächlich betrachtet, weigern sich alle Lebensweisen, ihre eigentliche Absicht klar zu offenbaren. Wer jedoch tiefere Einsicht hat, erkennt ihr höchstes Ziel. Was wirklich heilsam und nützlich ist, und worüber es kaum Zweifel gibt, nämlich den Freunden zu helfen und die Feinde zu besiegen sowie die drei Anhäufungen zu erwerben (von Dharma, Artha und Kama bzw. Tugend, Verdienst und Liebe), erklären die Weisen stets als etwas höchst Vorzügliches. Die Enthaltung von sündigen Taten, Beständigkeit in einer rechtschaffenen Gesinnung und Verehrung für die Guten und Frommen sind zweifellos vorzüglich. Mitgefühl zu allen Wesen, Wahrhaftigkeit und freundliche Rede sind zweifellos vorzüglich. Eine gerechte Verteilung der Gaben unter Göttern, Ahnen und Gästen sowie eine gute Versorgung der Dienerschaft sind zweifellos vorzüglich. Die Ehrlichkeit der Rede ist ausgezeichnet. Dagegen ist die Erkenntnis der (absoluten) Wahrheit schwer zu erreichen. Deswegen bezeichne ich das als Wahrheit, was für die Wesen heilsam und nützlich ist.

Der Verzicht auf Stolz, das Überwinden der Unachtsamkeit, Zufriedenheit und Zurückgezogenheit gelten als höchst heilsam. Das Studium der Veden und ihrer Zweige gemäß den wohlbekannten Regeln und alles Fragen und Suchen auf dem Weg zur Selbsterkenntnis sind zweifellos höchst heilsam. Wer sein Heil wünscht, sollte dem übermäßigen Genuß der Klänge, Formen, Gerüchte, Geschmäcker und Gefühle entsagen und sich nie allein um ihretwillen daran erfreuen. In der Nacht umherziehen, während des Tages schlafen, Faulheit, Gaunerei, Arroganz, übermäßiger Genuß und völlige Ignoranz der Sinneserfahrungen sollten aufgeben werden, wenn das Heilsame gesucht wird. Man sollte sich nicht selbst erheben, indem man andere herabwürdigt. Wahrlich, durch seine Verdienste allein, sollte man den Tugendhaften nachstreben und sich nicht mit anderen vergleichen. Denn oft sind es gerade die Verdienstlosen, die aus verblendeter Überheblichkeit die Verdienstvollen herabwürdigen, um sich selbst zu erhöhen. Aufgeblasen von der Illusion ihrer eigenen Wichtigkeit, sind sie von ihrer Größe völlig überzeugt, bis ihre Seifenblase irgendwann platzt. Wer mit echter Weisheit und echten Verdiensten gesegnet ist, erwirbt großen Ruhm, indem er nie von anderen schlecht spricht oder sich selbst lobt. Auch die Blumen verströmen ihren reinen und süßen Duft, ohne ihre eigene Vorzüglichkeit auszutrompeten. Selbst die mächtige Sonne strahlt ihre Herrlichkeit am Himmel in vollkommenem Schweigen aus. So erstrahlt auch der Mensch in der Welt voller Ruhm, der mithilfe seiner Vernunft diese und andere Untugenden abwirft und mit seinen Tugenden nicht prahlt. Der Dummkopf, der sich selber lobt, wird nie wahrhaften Ruhm gewinnen, während der Weise mit echtem Verdienst und Wissen ruhmreich erstrahlen wird, selbst wenn er in einer Höhle verborgen lebt. Schlechte Worte, auch wenn sie mit großer Kraft gesprochen werden, sind tot und leer. Gute Worte, auch wenn sie ganz leise gesprochen werden, erstrahlen lebendig in der Welt. Wie die Sonne ihre Glut ausstrahlt, so offenbart auch das leere Geschwätz der Hochmütigen, was in ihrem Inneren ist.

So suchen die Menschen den Erwerb von Weisheit auf verschiedenen Wegen. Es scheint mir, daß von allen Errungenschaften die Weisheit am wertvollsten ist. Deshalb sollte man nicht sprechen, bevor man gefragt wird, noch sollte man sprechen, wenn man auf unangemessene Weise gefragt wird. Selbst wenn man voller Intelligenz und Wissen ist, sollte man doch schweigend sitzen wie ein Dummer. Man sollte sich bemühen, unter ehrlichen Menschen zu wohnen, die der Gerechtigkeit und Großzügigkeit gewidmet sind und die Aufgaben ihrer Kaste bewahren. Wer nach Hohem strebt, sollte nie an einem Ort wohnen, wo eine Verwirrung der Kastenordnung herrscht. Man kann Menschen beobachten, die sich allen Arbeiten (zum Lebenserwerb) enthalten und damit zufrieden sind, was ihnen ohne besondere Anstrengung gegeben wird. Indem man unter Rechtschaffenen lebt, kann man wahrhafte Gerechtigkeit erwerben. Entsprechend befleckt man sich mit Sünde, wenn man unter Sündhaften lebt. Wie die Berührung von Wasser oder Feuer ein Gefühl von Kälte oder Hitze verursacht, so fördern auch die Eindrücke der Tugend und des Lasters Glück oder Elend. Der Weise verzehre, was ihm als Nahrung gegeben wird, ohne am Geschmack zu hängen. Wer jedoch nur ißt, was ihm schmeckt, der gilt als eine Person, die durch ihre Handlungen gebunden ist. Der Rechtschaffene sollte jenen Ort verlassen, wo ein Brahmane seinen Schülern das Selbst verstandesmäßig erklärt, ohne daß sie ihn in würdiger Form danach gefragt hätten. Wer würde jedoch den Ort verlassen, wo das würdige Verhalten zwischen Schülern und Lehrern im Einklang mit den heiligen Schriften besteht? Welcher gelehrte Mensch, der etwas auf sich hält, möchte an einem Ort wohnen, wo ihn die Leute mit erfundenen Anschuldigungen bedrängen? Wer würde jenen Ort nicht verlassen, wie man ein brennendes Kleidungsstück abwirft, wo sich begehrliche Menschen bemühen, die Grenzen der Tugend zu brechen? Man sollte an jenem Ort unter Guten und Rechtschaffenen wohnen und leben, wo demütige Menschen ohne Murren ihre jeweiligen Aufgaben vollbringen. Wo die Menschen jedoch ihre Aufgaben allein für das Anhäufen von Reichtum und anderen kurzsichtigen Vorteilen verfolgen, sollte man nicht wohnen, weil die Leute an diesen Orten zur Sünde neigen. Wo man versucht, mit sündhaften Mitteln voller Begierde das Leben zu fristen, von dort möge man schnell fliehen, wie aus einem Gemach, wo eine giftige Schlange zischelt.

Wer sein Heil sucht, sollte grundlegend alle Taten aufgeben, die unheilsames Karma ansammeln, und alles, was er auf dem Sterbelager bereuen muß. Der Rechtschaffene sollte ein Königreich verlassen, wo der König und die Beamten gleiche Macht haben und gierig selber essen, ohne an ihre Mitmenschen zu denken. Man sollte in einem Land wohnen, wo vedenkundige Brahmanen zuerst versorgt werden, die ihre frommen Pflichten erfüllen, ihre Schüler belehren und in Opfern amtieren. Man kann unbedenklich in einem Land wohnen, wo die Opfersprüche Swaha, Swadha und Vashat der Tradition gemäß unermüdlich erklingen. Man sollte jedoch ein Königreich wie vergammeltes Fleisch meiden, in dem man sieht, wie Brahmanen unheilsame Praktiken üben, sich foltern oder zu Tode hungern. Wer dagegen als rechtschaffener Mensch in einem Land wohnt, wo die Bewohner fröhlich geben, noch bevor sie gebeten wurden, der kann mit zufriedenem Herzen alle seine Wünsche als bereits erfüllt betrachten. Man sollte unter guten Menschen wandeln und leben, die den Taten der Gerechtigkeit gewidmet sind, in einem Land, in dem die Übeltäter bestraft werden und selbstgezügelte und im Inneren gereinigte Menschen gewürdigt und mit hohen Ämtern betraut werden. Man sollte in jenem Land unbedenklich wohnen, dessen König der Tugend (dem Dharma) gewidmet ist, gerecht und ohne eigene Begierden zu verfolgen herrscht, so daß der Wohlstand gedeiht und strenge Strafe jeden trifft, der seine tugendhaften Mitmenschen mit eigensüchtigem Zorn tyrannisiert, der die Gerechtigkeit mißachtet und gewaltsam und gierig handelt. Könige mit solch heilsamer Gesinnung fördern und sichern damit das Wohlergehen ihrer Untertanen.

So habe ich dir, oh Sohn, deine Frage nach dem Heil und Nutzen beantwortet. Was jedoch im Einzelnen für ein Wesen heilsam und nützlich ist, kann aufgrund seines äußerst subtilen und vielschichtigen Charakters niemand pauschal sagen. Vielfältig und hoch werden jedoch die Verdienste für einen Menschen sein, der seine Lebensaufgaben erfüllt und während seines Aufenthalts in dieser Welt seinen Lebensunterhalt so verdient, wie es oben beschrieben wurde, indem er sich dem Wohle aller Wesen widmet.


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