Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 284 - Shiva und das Opfer des Daksha

Janamejaya sprach:
Wie, oh Brahmane, wurde das Pferdeopfer des Prajapati Daksha, der ein Sohn der Prachetas war, während des Zeitalters des Vaivaswata Manu zerstört? In Anbetracht der Unzufriedenheit und des Leidens der Göttin Uma gab der mächtige Mahadeva, der die Seele aller Geschöpfe ist, dem Zorn nach. Doch wie geschah es, daß Daksha durch dessen Gnade die zerteilten Glieder dieses Opfers wieder vereinigen konnte? Das wünsche ich alles zu erfahren. Belehre mich, oh Brahmane, wie es geschah.

Vaisampayana sprach:
Vor langer Zeit traf Daksha einst die Vorbereitungen für ein Opfer auf dem Rücken des Himavat, in jenem heiligen Bereich, der durch die Rishis und Siddhas bewohnt ist und an dem die Ganga aus den Bergen kommt. Dort wachsen Bäume und Kletterpflanzen verschiedenster Art und überall vergnügen sich die Gandharvas und Apsaras. Von vielen Rishis umgeben wurde Daksha, dieser Erste der Tugendhaften und Ahnherr der Wesen, von den Bewohnern der Erde, des Firmaments und des Himmels mit gefalteten Händen verehrt. Und die Götter, Danavas, Gandharvas, Pisachas, Nagas, Rakshasas, die Gandharvas Haha und Huhu, Tumburu, Narada, Viswavasu, Viswasena, die Apsaras, Adityas, Vasus, Rudras, Sadhyas und Maruts - sie alle kamen zusammen mit Indra, um am Opfer teilzuhaben. Auch die Somatrinker, Rauchtrinker, Buttertrinker, Rishis und Pitris kamen mit den Brahmanen dorthin. Diese und viele andere Lebewesen der vier Arten, Lebendgeborene, Eigeborene, Feuchtigkeitsgeborene und Sproßgeborene, wurden zu diesem Opfer geladen. Die Götter kamen mit ihren Gattinnen nach respektvoller Einladung auf ihren himmlischen Wagen und erschienen wie flammende Feuer. Doch angesichts dieser Strahlenden wurde der Rishi Dadhichi mit Kummer und Zorn erfüllt und sprach:
Das ist weder ein Opfer noch eine fromme Tat, wenn nicht auch Rudra (Shiva) darin verehrt wird. Verfallen sind sie dem Tode und der Anhaftung. Ach, welch unheilsames Schicksal! Ihr seid durch Verblendung betäubt und seht den Untergang nicht, der euch erwartet. Eine schreckliche Katastrophe droht euch im Laufe dieses großen Opfers. Seid ihr blind dafür?

So sprach der große Yogi und schaute mit dem Auge der Meditation in die Zukunft. Da sah er Mahadeva und seine göttliche Gattin, wie dieser Verleiher von ausgezeichneten Segen (auf dem Gipfel des Kailash saß) mit dem hochbeseelten Narada neben der Göttin. Bei diesem Anblick war Dadhichi, der große Yogi, im Innersten wieder versöhnt. Doch alle Götter und die anderen, die zum Opfer kamen, waren sich diesbezüglich einig, den Herrn aller Wesen nicht mit einzuladen. Allein Dadhichi schickte sich an, diesen Ort wieder zu verlassen, und sprach:
Wer jene verehrt, die nicht verehrt werden sollten, und jene mißachtet, die der Verehrung würdig sind, sammelt sich für ewig die Sünde des Tötens an. Noch nie habe ich gelogen und werde es auch in Zukunft nicht tun. So spreche ich auch hier inmitten der Götter und Rishis wahrhaft. Der Beschützer aller Wesen, der Schöpfer des Weltalls, der Herr von allem, der mächtige Herrscher, der Empfänger alle Opfergaben, wird bald in diesem Opfer erscheinen, und ihr alle sollt ihn sehen.

Darauf sprach Daksha:
Wir haben viele Rudras, die mit Lanzen bewaffnet sind und verfilzte Locken auf ihren Köpfen tragen. Es sind elf an der Zahl. Ich kenne sie alle, aber deinen Rudra, den Maheshvara, kenne ich nicht.

Dadhichi antwortete:
Es scheint wohl der Beschluß von allen Anwesenden zu sein, Maheshvara nicht einzuladen. Ich sehe jedoch keinen Gott, der als höher gelten kann. So bin ich sicher, daß dieses beabsichtigte Opfer des Daksha zum Untergang verurteilt ist.

Und Daksha sprach:
Hier, in diesem goldenen Behälter sind die Opfergaben für den Empfänger aller Opfer, welche durch Mantras entsprechend den Geboten geheiligt wurden. Diese Darbringung beabsichtige ich für Vishnu, der sich mit niemandem vergleichen läßt. Er ist der Mächtige und der Herr von allem. Für Ihn sollten die Opfer dargebracht werden.

Inzwischen, so fuhr Vaisampayana fort, sprach die Göttin Uma, die an der Seite ihres Herrn saß:
Welche Gaben, welche Gelübde oder welche Buße sollte ich vollbringen, wodurch mein ruhmreicher Gatte, der Heilige und Unergründbare, die Hälfte oder ein Drittel am Anteil der Opfergaben erhalten möge?

Da sprach der ruhmreiche Mahadeva mit heiterem Gesicht zu seiner Gattin, die vom Kummer verwirrt war und mehrfach ihre Worte wiederholte:
Du kennst mich nicht, oh Göttin! Du weißt auch nicht, oh Wohlgestaltete, welche Worte für den Herrn der Opfer angemessen sind. Oh lotusäugige Dame, nur die Unwissenden, die ohne Meditation und Yoga sind, erkennen mich nicht. Es geschieht durch deine Macht der Illusion, daß die Götter mit Indra an ihrer Spitze und die drei Welten so verwirrt sind. Denn immer bin ich es allein, den die Sänger mit ihren Lobeshymnen in den Opfern besingen. Allein für mich singen die Saman-Sänger ihr Rathantaras. Allein für mich vollbringen die vedengelehrten Brahmanen ihre Opfer. Und allein für mich widmen die Opferpriester die Anteile der Opfergaben.

Doch die Göttin antwortete:
Nur Personen mit gewöhnlichem Geist loben sich selbst und prahlen in Gegenwart ihrer Gattinnen. Daran ist nichts Besonderes.

Darauf sprach der Heilige:
Oh Königin aller Götter, ich lobe wahrlich nicht mich selbst. So schau, oh schlanke Dame, was ich jetzt vollbringe. Schaue dieses Wesen, oh Schöngesichtige, welches ich erschaffe, um dieses Opfer zu zerstören, das dir mißfällt, oh liebliche Gattin.

Nachdem er diese Worte zu seiner Gattin Uma gesprochen hatte, die er wie das Leben liebte, erschuf der mächtige Mahadeva aus seinem Mund ein schreckliches Wesen, dessen Anblick jedem die Haare zu Berge stehen ließ. Die lodernden Flammen, die aus seinem Körper drangen, gaben ihm den fürchterlichsten Anblick. In unzähligen Armen hielt es unzählige Waffen, die jeden Betrachter mit Angst schlugen. Im Nu erschaffen stand das Wesen vor dem großen Gott mit gefalteten Händen und sprach: „Welchen Dienst soll ich vollbringen?“ Und Maheshvara antwortete ihm: „Gehe hin und zerstöre das Opfer von Daksha!“ Nach diesem Auftrag war das Wesen mit der Löwenkraft, welches eben dem Mund von Mahadeva entsprungen war, ohne jegliche andere Hilfe und ohne all seine Energie aufzubringen willens, Umas Zorn zu beschwichtigen und das Opfer von Daksha zu vernichten. Und von ihrem Zorn gedrängt, nahm die Gattin von Maheshvara selbst eine schreckliche Form an, die unter dem Namen Mahakali bekannt ist, und ging hinter diesem Wesen her, das aus dem Mund von Mahadeva kam, um mit ihren Augen die Tat der Zerstörung zu bezeugen, welche ihre eigene war. So brach das mächtige Wesen mit Erlaubnis von Mahadeva auf, nachdem es sich vor ihm verneigt hatte. An Energie, Kraft und Gestalt ähnelte es dem Maheshvara selbst, der es geschaffen hatte. Wahrlich, es war die lebende Verkörperung seines Zorns. Mit unermeßlicher Macht und Energie und unbesiegbarem Mut bekam es den Namen Virabhadra, der Rächer des Zorns der Göttin. Sogleich erschuf er aus den Poren seines Körpers unzählige kämpferische Geisterwesen, die als Raumyas (Haarentsprossene) bekannt wurden. Und diese wilde Geisterschar, die mit schrecklicher Energie und Kraft begabt war und diesbezüglich dem Rudra selbst glich, stürmte mit der Kraft des Donners zu jenem Ort, wo Daksha die Vorbereitungen für sein Opfer traf. Mit furchterregenden und riesigen Gestalten kamen sie zu Hunderten und Tausenden. Sie erfüllten den ganzen Himmel mit ihren verwirrendem Geschrei und Geheul. Bereits dieser Lärm schlug die Bewohner des Himmels mit Angst. Die großen Berge brachen, und die Erde bebte. Mächtige Stürme brausten, und der Ozean erhob seine Wogen. Die Feuer, die entzündet wurden, weigerten sich zu brennen, und die Sonne verdunkelte sich. Die Planeten, Sterne, Konstellationen und der Mond erloschen in ihrem Glanz. Die Rishis, Götter und Menschen wurden ganz blaß. Eine allesverhüllende Dunkelheit breitete sich über Erde und Himmel aus. Und die zornvollen Raumyas begannen, alles in Schutt und Asche zu legen. Manche schlugen in schrecklicher Gestalt alles nieder, und andere rissen die Opferpfähle aus, zerbrachen und zertrampelten sie. Schnell wie der Wind oder der Gedanke stürmten sie überall hin und her. Manche begannen, die Opferbehälter und himmlischen Ornamente zu zerbrechen, und die verstreuten Bruchstücke erschienen auf dem Boden wie die Sterne, die das Firmament schmücken. Überall türmten sich Haufen von besten Nahrungsmitteln, Behältern voller Getränke und Eßbarem, die wie Berge erschienen. Ganze Flüsse aus Milch liefen nach allen Seiten davon mit geklärter Butter und Milchbrei als ihrem Sumpf, sahnigem Quark als ihr Wasser und kristallisiertem Zucker als Sand. Diese Flüsse enthielten alle sechs Geschmäcker. Es sammelten sich auch ganze Seen aus glänzendem Sirup an. Und so begannen diese Scharen der Geister das verschiedene Fleisch bester Qualität und andere Lebensmittel mit vielfältigen Getränken und Essen, das geleckt und gesaugt werden kann, mit ihren unzähligen Mündern zu verschlingen, während sie die Reste in alle Winde verstreuten. Aufgrund des Zornes von Rudra erschien jedes dieser riesigen Wesen wie das alleszerstörende Yuga-Feuer. Sie zerrütteten die himmlischen Truppen und ließen sie vor Angst erzittern und in alle Richtungen fliehen. So vergnügten sich diese wilden Geister, ergriffen die himmlischen Damen und wirbelten sie durcheinander. Mit grimmigen Taten verbrannten diese Wesen, vom Zorn des Rudra getrieben, in kürzester Zeit dieses Opfer, obwohl es mit großer Sorge durch alle Götter beschützt wurde. Laut war ihr Gebrüll, das jedes lebende Geschöpf mit Todesangst schlug. Nachdem sie das Opfer gleichsam enthauptet hatten, schrien und jubelten sie voller Freude. Daraufhin sprachen die Götter, von Brahma angeführt, und Daksha, diesem Ahnherrn aller Wesen, mit gefalteten Händen voller Verehrung zu diesem mächtigen Wesen: „Sage uns, wer du bist!“

Und Virabhadra antwortete:
Ich bin weder Rudra noch seine Gattin, die Göttin Uma. Noch bin ich hierhergekommen, um an diesem Opfer teilzunehmen. Als der mächtige Herr, der die Seele aller Wesen ist, die Unzufriedenheit der Göttin erkannte, wurde er zornig. So wisset, daß ich hier weder erschienen bin, um die Besten der Brahmanen zu sehen, noch aus Neugier, sondern um dieses Opfer von euch zu zerstören. Ich bin unter dem Namen Virabhadra bekannt und dem Zorn von Rudra entsprungen. Diese Dame in meiner Begleitung wird Bhadrakali genannt und ist aus dem Zorn der Göttin entstanden. Wir sind von diesem Gott der Götter geschickt worden und entsprechend hier erschienen. Oh ihr Ersten der Brahmanen, sucht den Schutz dieses Herrn der Götter, des Gatten der Uma. Es ist wohl besser, selbst den Zorn von diesem Ersten der Götter zu ertragen, als den Segen von anderen Göttern zu suchen.

Als Daksha, dieser Beste aller Rechtschaffenen, diese Worte von Virabhadra hörte, verneigte er sich vor Maheshvara und bemühte sich, ihn mit folgendem Loblied zu befriedigen:
Ich werfe mich nieder zu den Füßen des strahlenden Ishana, dem Ewigen, Unveränderlichen und Unzerstörbaren. Er ist Mahadeva, der Erste aller Götter, die höchste Seele von allem und der Herr des ganzen Universums.

Als sein Lob erklang, zügelte der große Gott Mahadeva seinen Atem, den Aushauch und den Einhauch, indem er seinen Mund verschloß. Dann erstrahlte er nach allen Seiten und zeigte sich damit selbst. Mit unendlich vielen Augen erschien dieser Vernichter seiner Feinde, dieser höchste Herr und Gott aller Götter, plötzlich aus der Grube, in der das Opferfeuer brannte. Mit dem strahlenden Glanz von tausend Sonnen und einem zweiten Yuga-Feuer gleich, lächelte der große Gott freundlich (zu Daksha) und sprach zu ihm: „Was, oh Brahmane, kann ich für dich tun?“ Daraufhin verehrte Vrihaspati, der Lehrer aller Götter, Mahadeva mit den vedischen Versen über die Befreiung. Und danach sprach Daksha, der Ahnherr aller Wesen, mit gefalteten Händen, von Todesangst und Furcht erfüllt und mit tränengebadeten Augen zum großen Gott die folgenden Worte.

Daksha sprach:
Wenn der große Gott mit mir zufrieden ist, wenn ich wirklich seine Gunst und Gnade verdiene, wenn der große Herr aller Wesen geneigt ist, mir einen Segen zu gewähren, dann mögen alle diese Opferdinge, welche ich viele Jahre mit großer Sorge gesammelt habe und nun verbrannt, gegessen, getrunken, verschluckt, zerstört, zerbrochen und beschmutzt worden sind, für mich nicht umsonst gewesen sein. Möge diese Mühe mir zum Wohle gereichen. Wahrlich, das ist der Segen, den ich erflehe.

Da sprach der ruhmreiche Hara, der die Augen des Bhaga geblendet hatte, zu ihm: „Es sei, wie du sagst!“ Eben dies waren die Worte des ruhmreichen Herrn aller Wesen, dem Gott mit den drei Augen, dem Beschützer der Gerechtigkeit. Als Daksha diesen Segen von Shiva erhalten hatte, kniete er sich vor ihm nieder und verehrte diesen Gott, der den Stier als Zeichen hat, indem er seine tausendundacht Namen rezitierte.

Shiva und Uma


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