Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 241 - Über Karma und Selbsterkenntnis

Suka sprach:
Die Veden verkünden zwei Wege. Sie sagen „Du sollst handeln!“, und sie sagen „Du sollst alle Handlungen aufgeben!“. So frage ich dich: Wohin führt der Weg der Erkenntnis, und wohin führt der Weg der Taten? Belehre mich darüber. Denn wahrlich, die Erklärungen bezüglich dieser beiden Wege erscheinen mir unterschiedlich und sogar widersprüchlich.

So angesprochen, antwortete Vyasa, der Sohn von Parasara, seinem Sohn die folgenden Worte:
Ich werde dir diese beiden Pfade der Erkenntnis und des karmischen Handelns erklären, nämlich den unvergänglichen und vergänglichen Pfad. Höre mit konzentrierter Aufmerksamkeit, oh Kind, wie ich dir das beschreibe, was man auf dem Wege der Erkenntnis und auf dem Wege des karmischen Handelns erreicht. Der Unterschied ist so groß wie der grenzenlose Himmel. Deine Frage betrifft das Dharma (bzw. die Weltordnung) und inwieweit der Mensch seine Aufgaben zu erfüllen hat. Die Veden stützen sich diesbezüglich auf zwei Pfade, den Weg der karmischen Handlungen (Väterweg) und den Weg des Nichthandelns oder der Erkenntnis (Götterweg), die beide vorzüglich beschrieben werden. Durch karmisches Handeln wird ein Lebewesen gebunden, durch Selbsterkenntnis wird es befreit. Deshalb handeln Yogis, die das jenseitige Ufer schauen, nicht mehr als ichhafte Person. Denn durch karmisches Handeln unterliegt man der Wiedergeburt nach dem Tode in einem aus den sechzehn Komponenten (der Sinnesorgane, Sinnesobjekte usw.) zusammengesetzten Körper. Durch Selbsterkenntnis wird man zu dem, was das Ungestaltete, Ewige und Unvergängliche ist. Die Unwissenden lieben und rühmen ihre Handlungen und Werke. Dadurch müssen sie immer wieder neue Körper annehmen. Die Weisen jedoch, die ihre Sicht bezüglich der Lebensaufgaben (dem Dharma) geschärft und jene hohe Einsicht erlangt haben (die zur Selbsterkenntnis führt), loben niemals ihre Taten, wie man einen Brunnen in einem Land nicht lobt, wo überall Quellen sprudeln.

Die Frucht, die man aus karmischen Taten gewinnt, besteht in Freude und Leid im Taumel zwischen Sein und Nichtsein. Durch Selbsterkenntnis erreicht man das, wo es kein Entstehen von Leiden mehr geben kann, wo man sowohl von der Geburt als auch vom Tod befreit wird, wo man dem Alter und Verfall nicht unterworfen ist, wo man den Zustand der Unwissenheit überwindet, wo das Brahman ist, das Höchste, Ungestaltete, Unveränderliche, Ewigseiende, Unbegreifbare und Unsterbliche jenseits aller Leiden und Vergänglichkeit, wo alles vom Einfluß der Gegensätze frei ist, wo kein Begehren und kein Zweck regiert. Haben sie dieses unvergleichliche Sein erreicht, sehen sie alles mit dem Auge der Einheit, werden universale Freunde und sind dem Wohl aller Wesen gewidmet. So gibt es einen großen Unterschied, oh Sohn, zwischen dem Weg der Selbsterkenntnis und dem Weg der karmischen Handlungen. Erkenne, daß der Mensch mit Selbsterkenntnis nicht auf den Untergang trifft und zeitlos besteht wie der Neumond, wenn er auch nicht sichtbar ist, trotzdem unzerstört bleibt. Diese Weisheit, welche die großen Rishis verkündet haben, kann jeder selbst erfahren, wenn man den Mond betrachtet, der nach dem Neumond wieder als schmale Sichel geboren wird und am Firmament erscheint.

So erkenne, oh Sohn, wie eine Person der Taten durch Wandlung in einem Körper wiedergeboren wird, der aus vielen Komponenten zusammengesetzt ist, und mit den vergangenen Taten und den natürlichen Qualitäten (von Güte, Leidenschaft und Unwissenheit) behaftet ist. Das ewige Selbst, das in dieser (materiellen) Form wohnt wie ein Wassertropfen auf einer Lotusblüte, sollte als Kshetrajna (Feldkenner bzw. Erkenntnisfähigkeit) erkannt werden. Dieses Ewige erreicht man durch Yoga in der Stille der Gedanken jenseits von allem Wissen. Denn Wissen ist durch die drei natürlichen Qualitäten von Tamas, Rajas und Sattwa geprägt. Dieses Wissen ist das Merkmal der ichbezogenen Seele, die im Körper wohnt. Jenseits dieser Seele ist das Höchste Selbst, das von den natürlichen Qualitäten frei ist. So bezeichnet man den Körper mit der ichhaften Seele als Person (Jiva). Doch allein durch ihre wesenhafte Verbindung mit dem Höchsten Selbst handelt die Person und kann den Körper bewegen. Jenseits von ihr ist das, was die Weisen als Kshetrajna (oder reines Bewußtsein) verkünden, woraus alle sieben Welten geschaffen wurden und bestehen.


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