Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 222 - Prahlada belehrt Indra über die Erlösung

Yudhishthira sprach:
In dieser Welt, oh Bharata, haften die guten und schlechten Taten am Menschen, um die Früchte als Glück oder Leiden zu erfahren. Sollte man deshalb den Menschen als Handelnden betrachten oder nicht? Zweifel füllen meinen Geist bezüglich dieser Frage. Oh Großvater, belehre mich ausführlich.

Bhishma sprach:
Dazu, oh Yudhishthira, wird ein Gespräch zwischen Prahlada und Indra erzählt. Prahlada, der Führer der Daityas, war den weltlichen Dingen nicht verhaftet. Er war von Sünde rein, von edler Herkunft, höchst gelehrt, frei von Verblendung und Stolz, achtete stets die Wahrheit, war verschiedenen Gelübden gewidmet und gelassen in Lob und Tadel. Voller Selbstzügelung verbrachte er seine Zeit in der Einsamkeit. Er hatte das Werden und Vergehen aller belebten und unbelebten Geschöpfe erkannt, war nie ärgerlich mit dem, was ihn bedrängte, und nie sonderlich erfreut über das Angenehme. Er schaute mit gleichem Auge auf einen Klumpen Gold wie auf einen Klumpen Erde. Stets auf der Suche nach Selbsterkenntnis und Erlösung und höchst gelehrt, hatte er tiefgründige Einsicht in die Wahrheit gewonnen. Er erkannte das Höchste und durchschaute die niederen Dinge. So war er mit Allwissenheit und universaler Sicht gesegnet. Als er eines Tages mit völlig kontrollierten Sinnen an einem einsamen Ort saß, da näherte sich ihm Indra und sprach, um seine Weisheit zu erkunden:

Oh Königlicher, ich sehe all jene Qualitäten beständig in dir wohnen, wodurch eine Person die Wertschätzung von allen gewinnt. Dein Geist scheint die Reinheit eines Kindes zu haben und von Anhaftung und Abneigung frei zu sein. Du hast das Selbst erkannt. Was siehst du als das beste Mittel, wodurch man diese Selbsterkenntnis erreichen kann? Du wurdest mit Stricken gebunden, von deinem Thron gestoßen, in die Hand deiner Feinde gegeben und allen Reichtums beraubt. Deine gegenwärtigen Verhältnisse könnten vielfältiges Leiden hervorbringen. Doch warum, oh Prahlada, überwältigt dich dieses Leiden nicht? Ist es, oh Sohn der Diti, durch den Erwerb von Weisheit oder wegen deiner Standhaftigkeit? Du siehst diese Katastrophe, oh Prahlada, und scheinst doch glücklich und zufrieden zu sein.

So befragt durch Indra, antwortete der Führer der Daityas, der tiefe Einsicht in die Wahrheit hatte, mit freundlichen Worten, die von großer Weisheit kündeten.

Und Prahlada sprach:
Wer das Werden und Vergehen all der Geschöpfe nicht kennt, mag diesbezüglich durch seine Unwissenheit verwirrt werden. Wer jedoch beides kennt, den kann nichts verwirren. Alle Arten der Geschöpfe entstehen und vergehen aufgrund ihrer Natur. Daran ist nichts Persönliches. Und weil daran nichts Persönliches ist, gibt es auch keine handelnde Person, die all das hervorbringt, was wir wahrnehmen. Dennoch breitet sich (unter dem Einfluß der Unwissenheit) diesbezüglich ein verlangendes Bewußtsein aus, obwohl die Person (in Wahrheit) gar nicht handelt. Wer sich selbst als Handelnden von guten oder schlechten Taten betrachtet, hat eine verdrehte Ansicht, und ich denke, er hat die Wahrheit nicht erkannt. Wenn, oh Sakra, die sogenannte Person wirklich der Handelnde wäre, dann müßten alle Taten, die er für seinen eigenen Vorteil unternimmt, auch mit Erfolg gekrönt sein. Dann könnte keine Tat je vereitelt werden. Man würde niemanden finden, der daran verzweifelt, Unerwünschtes zu vermeiden und Erwünschtes zu erlangen. Wie wirksam (bzw. real) ist also persönliche Anstrengung? Wenn man also andere sieht, die ohne jede Anstrengung ihr Gewünschtes erreichen, und alles Unerwünschte vermeiden, dann kann das nur ein Ergebnis der Natur sein. Denn so sieht man auch edle Personen, die trotz hoher Intelligenz ihren Reichtum von anderen erbitten müssen, welche sich alles andere als edel verhalten und nur wenig Intelligenz haben. Also wahrlich, wenn alle guten und schlechten Qualitäten einer Person durch die Natur erscheinen, welcher Grund wäre noch für Stolz oder Verzweiflung? Alles fließt aus der innersten Natur. Das ist meine feste Überzeugung. Sogar Erkenntnis und Erlösung fließen aus dieser Quelle.

In dieser Welt werden alle guten oder schlechten Früchte, die einer Personen anhaften, als Ergebnis von Taten betrachtet. Darüber will ich jetzt ausführlich zu dir sprechen. Höre mich mit Achtsamkeit. Wie eine Krähe, während sie etwas frißt, durch wiederholtes Krächzen ihre Handlung (den anderen Krähen) verkündet, auf dieselbe Weise verkünden all unsere Taten nur das Wesen der Natur. Wer nur die äußerlichen Gestaltungen der Natur sieht, aber nicht die höhere und selbstseiende Natur erkennt, wird aufgrund seiner Unwissenheit von ihr getäuscht. Wer jedoch den Unterschied zwischen der wahren Natur und ihren Gestaltungen durchschaut, überwindet alle Täuschung. Alle existierenden Geschöpfe haben ihren Ursprung in der höheren Natur (dem Selbst). Mit dieser Einsicht wird man nie mehr von Stolz oder Arroganz überwältigt. Weil ich den wahren Ursprung aller Gebote der Tugend und die Vergänglichkeit aller Geschöpfe kenne, bin ich frei von Sorgen, oh Indra. Alles Entstandene hat irgendwann ein Ende. Ohne Anhaftungen, Stolz, Begierde und Hoffnung, von allen Fesseln befreit und unverstrickt verbringe ich meine Zeit höchst glücklich und betrachte gelassen das Werden und Vergehen aller geschaffenen Dinge. Für einen Weisheitsvollen und Selbstgezügelten, der zufrieden, ohne Wünsche und Hoffnung ist und alles mit dem Licht der Selbsterkenntnis durchschaut, gibt es keine Probleme oder Ängste mehr, oh Indra. Ich habe weder Zuneigung noch Abneigung bezüglich der Natur und ihrer Gestaltungen. Ich sehe keinen, der mein Feind wäre, und nichts, was mir gehören würde. Ich begehre zu keiner Zeit, oh Indra, weder Himmel, Erde noch Unterwelt. Selbsterkenntnis ist wahre Seligkeit. Eine Seele, die sich als etwas Getrenntes (als eine Person) betrachtet, kann diese Seligkeit nie erfahren. Deshalb begehre ich nichts.

Darauf fragte Indra:
Ich bitte dich, oh Prahlada, verkünde mir die Mittel, wodurch man diese Weisheit und innere Stille erreichen kann.

Und Prahlada sprach:
Durch Einfachheit, Achtsamkeit, Reinigung, Selbstzügelung und Verehrung der Altehrwürdigen kann man, oh Indra, die Befreiung erreichen. Erkenne jedoch, daß man Erkenntnis aus den Tiefen der Natur (Svabhava) erwirbt und ebenfalls die Stille. Alles, was du wahrnimmst, sind Gestaltungen der Natur.

So angesprochen vom Herrn der Daityas wurde Indra mit Bewunderung erfüllt und lobte seine Worte mit heiterem Herzen. Dann verehrte der Herr der drei Welten den Herrn der Daityas und begab sich mit dessen Erlaubnis zu seiner Wohnstätte zurück.


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