Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 218 - Die Belehrung des Panchasikha

Yudhishthira fragte:
Durch welches Verhalten, oh Gelehrter, hatte einst Janaka, der Herrscher von Mithila, der höchst erfahren in den Wegen zur Befreiung war, nach der Entsagung von allen weltlichen Vergnügen die Erlösung erreicht?

Bhishma sprach:
Diesbezüglich wird die folgende, alte Geschichte über das besondere Verhalten erzählt, womit dieser Herrscher, der mit allen Wegen des Verhaltens wohlbekannt war, die höchste Glückseligkeit erreichte. König Janaka regierte einst als Herrscher in Mithila. Er suchte beständig nach den Wegen des Verhaltens, die zu Brahman führen könnten. Über hundert Lehrer pflegten dauerhaft in seinem Palast zu leben, die ihn in den verschiedenen Lebensweisen belehrten, sowie unzählige, die selbst diese vielfältigen Wege gingen und gegangen waren. Doch trotz intensiven Studiums der Veden war er mit den Ansichten seiner Lehrer über den Charakter der Seele und ihren Philosophien über das Erlöschen bei der Auflösung des Körpers oder die Wiedergeburt nach dem Tod nicht besonders zufrieden. Eines Tages kam ein großer Asket namens Panchasikha nach Mithila, der als Sohn von Kapila bezeichnet wurde und die ganze Welt durchwandert hatte. Er war mit wahrhafter Erkenntnis bezüglich aller Ansichten über die verschiedenen Wege der Entsagung gesegnet und damit jenseits aller Widersprüche und Zweifel. Er galt als der Erste aller Rishis und verweilte, wo es ihm beliebte, um allen Menschen die ewige Seligkeit nahezubringen, die so schwer zu erreichen ist. So wanderte er zum Erstaunen der Welt umher und schien eine Verkörperung von niemand anderem zu sein, als dem mächtigen Rishi selbst, diesem Herrn der Wesen. Die Anhänger der Sankhya Philosophie kannten ihn unter dem Namen Kapila. Er war der Erste von allen Schülern des Asuri und galt als unsterblich. Er hatte ein geistiges Opfer durchgeführt, das tausend Jahre währte. Er war beständig im Geist und hatte alle Riten und Opfer vollendet, die in den Schriften geboten werden und zu Brahman führen. Er war höchst erfahren in den fünf Hüllen, welche die Seele bedecken (die fünf Koshas: Materie, Lebensatem, Gedanken, Vernunft und Seligkeit). Er war den fünf Taten bezüglich der Verehrung von Brahma gewidmet, hatte die fünf Qualitäten (der Stille, Selbstzügelung, usw.) und war unter dem Namen Panchasikha (der Fünfflammige) bekannt. Eines Tages saß er mit einer Schar Rishis zusammen, die sich in der Sankhya Philosophie übten und ihren Lehrer Asuri über das Höchste befragten, was der Mensch erreichen kann: das Unmanifeste oder das, worauf die fünf (oben genannten) Hüllen beruhen. Auch Asuri hatte einst für die Erkenntnis der Seele seinen Lehrer befragt und aufgrund der Belehrungen und der eigenen Entsagung erkannte er bald den Unterschied zwischen Körper und Seele und erreichte die himmlische Sicht. So lehrte auch Asuri vor jener Schar Asketen das unveränderliche Eine, das unzerstörbare Brahman, das in den vielfältigen Formen erscheint. Daraufhin wurde Panchasikha ein Schüler des Asuri und empfing die Sankhya Lehre wie die Milch aus den Brüsten seiner Mutter. In dieser Weise wurde er zum (geistigen) Sohn, und weil Kapila die Frau des Lehrers war, wurde er auch Sohn der Kapila genannt und erreichte die Erkenntnis des Brahman. (Seltsame Symbolik, aber vielleicht galt Sankhya als die Mutter und Yoga als der Vater auf dem geistigen Weg?)

All diese Umstände seiner Herkunft, und wie er zum Sohn von Kapila wurde, hat mir der göttliche Rishi verkündet (Markandeya oder Sanatkumara lt. Kommentator). Er berichtete mir auch über die Allwissenheit von Panchasikha. Und bekannt mit allen Lebensweisen kam Panchasikha, nachdem er selbst die höchste Erkenntnis gewonnen hatte, nach Mithila zu König Janaka. Dort erfuhr er, daß dieser König Zweifel an seinen Lehrern hatte und begann, diese brahmanische Hundertschaft mit tiefgründigen Argumenten zu verblüffen. Janaka erkannte die Fähigkeit von Panchasikha, faßte Vertrauen, entließ seine hundert Lehrer und folgte nun vor allem ihm. So begann der Sohn von Kapila den König Janaka zu belehren, der sich gemäß den Geboten vor ihm (als Schüler) verneigt hatte und höchst fähig war, die Lehren des Weisen über diesen hohen Weg der Befreiung zu empfangen, wie er im Sankhya erklärt wird. Zuerst sprach er über das Leiden der Geburt, dann über das Leiden der Taten und schließlich über das Leiden aller vier Lebensweisen (Schüler, Hausvater, Einsiedler und Mönch) bis in die höchsten Bereiche der Schöpfung. Er sprach auch über die große Illusion und die Notwendig der Reinigung, sowie über das Handeln und seine Früchte, welche höchst unzuverlässig, vergänglich und unsicher sind.

Dann sprach er von den Materialisten, die im Anblick des körperlichen Todes den direkten, für alle sichtbaren Beweis sehen, daß der Glaube an eine Seele jenseits des Körpers, wie er aufgrund der heiligen Schriften gepflegt wird, unhaltbar sei. Sie behaupten, daß mit dem Tod einer Person die Seele erlischt und daß Schmerz, Alter und Krankheit der Seele den Tod bringen. Als höchst unvernünftig bezeichnen sie die unbewiesene Meinung, daß die Seele vom Körper gelöst, auch nach dem Verlust des Körpers weiterbesteht. Wenn man etwas Unreales einfach für real erklären könnte, dann würde sich jeder König als ewig jung und unsterblich bestimmen. Doch ist er deshalb wirklich frei von Alter und Tod? Wenn man einfach behauptet, daß etwas existiert, wofür kein direkter Beweis vorliegt, worauf sollten sich die gewöhnlichen Leute im Leben noch verlassen? Der direkte Beweis sollte die Grundlage jeder Behauptung der heiligen Schriften sein. Und jede Behauptung sollte durch einen direkten Gegenbeweis anfechtbar sein. Eine indirekte Schlußfolgerung hat wenig überzeugende Wirkung. Was auch immer das Thema ist, indirekten Schlußfolgerungen sollte man mißtrauen. Es gibt jenseits dieses Körpers nichts, was man Seele nennt. Das Potential zur Entfaltung der Blätter, Blüten, Früchte, Wurzeln und Rinde eines Baumes liegt doch allein im Samen. Und wie in der Kuh aus dem Gras und Wasser die Milch und Butter entsteht, so bildet sich aus dem Lebenssamen der Körper seine Fähigkeiten mit Denken, Vernunft, Bewußtsein und anderen Eigenschaften. Und wie das Feuer entsteht, wenn zwei Hölzer gerieben werden oder das Suryakanta Juwel die Sonnenstrahlen einfängt, so bildet der materielle Körper den Geist und seine Eigenschaften der Wahrnehmung, des Gedächtnisses, der Einbildungskraft usw.. Wie ein Magnet durch Eisen so wird der Geist durch die Sinne bewegt. So sprechen die Materialisten und folgen ihrem Irrtum. Der Tod des Körpers ist für sie der Beweis (daß damit die Person erlischt). Und trotzdem beten sie zu den Göttern, die weder gesehen noch berührt werden können, und glauben, daß sie in subtiler Form existieren. Sie behaupten, daß mit dem Tod alle Taten erlöschen und argumentieren auf der Basis einer materiellen Welt, die mit einer geistigen Welt angeblich nichts zu tun hat.

Danach sprach er von den Idealisten, die als Ursache für die Wiedergeburt allein die Unwissenheit sehen, aus welcher Begierde und Haß sowie Tatendrang und Anhaftung entstehen. Sie bezeichnen die Unwissenheit als das allgemeine Feld (oder Ackerland), die Taten als die Samen, die auf diesem Feld gesät wurden, und die Begierde als das Wasser, das diesen Samen wachsen läßt. So erklären sie die Wiedergeburt. Sie behaupten, daß diese Unwissenheit in einer nicht wahrnehmbaren Weise die tiefe Wurzel ist, woraus sich immer wieder neue Körper erheben. Wenn diese Unwissenheit mithilfe der Erkenntnis verbrannt wurde, erlischt dieses Wachsen zu immer neuer Existenz im Nirwana. Auch diese Meinung ist unvollkommen, solange das wiedergeborene Wesen mit dem vorhergehenden Wesen bezüglich Natur, Abstammung und Neigung zu Tugend und Laster nicht verbunden ist. Welchen langfristigen Sinn hätte dann ein tugendhaftes Leben voller Wohltätigkeit, Entsagung und religiösem Studium? Und warum sollte man sich in diesem Leben nicht dem Laster hingeben, wenn man die Folgen zukünftig nicht persönlich erfahren muß? Alle Taten, die eine Person vollbringt, würden in einer indifferenten Masse untergehen. Wenn man diese Welt achtsam beobachtet, wird man einen anderen Schluß bezüglich des Unsichtbaren (Karma) ziehen müssen. Sonst wäre das Bewußtsein des Wiedergeborenen völlig unabhängig vom Bewußtsein des vorherigen Lebens. Eine solche Unabhängigkeit wäre alles andere als nachvollziehbar und vernünftig. Wenn das Bewußtsein mit der Auflösung des Körpers endet, wie könnte sich die Schöpfung entfalten und entwickeln? Wenn das Bewußtsein mit dem Körper endet, warum sollte man sich zurückhalten, andere Wesen zu erschlagen und ihres Lebens zu berauben? Dann wäre das Bewußtsein nur eine wiederkehrende äußerliche Erscheinung wie Jahreszeiten, Jahre, Zeitalter, Kälte und Hitze, Glück oder Leiden. Die Person würde vom Alter überwältigt und vom Tode bedrängt immer schwächer werden und schließlich verschwinden, wie ein Haus, das mit der Zeit zusammenfällt und verrottet. Sinne, Denken, Winde, Blut, Fleisch, Knochen (und alle Bestandteile des Körpers) lösen sich einfach nacheinander auf und gehen dorthin zurück, woher sie gekommen sind. Und alles, was gewöhnlich in der Welt getan wird, würde bedeutungslos sein, eingeschlossen die Früchte der Wohltätigkeit und anderer tugendhafter Taten. Weshalb verkünden dann die heiligen Schriften Tugend, Reinigung und Entsagung?

So entstehen verschiedene Spekulationen im menschlichen Denken. Es gibt kein absolutes Mittel, wodurch man diese vielfältigen Meinungen als richtig oder falsch festlegen kann. Mit dem Nachdenken über solche Meinungen folgen die Menschen den unterschiedlichsten Ansichten. Von solchen Theorien wird die Vernunft überwältigt und geht schließlich verloren. Die Menschen erfahren Glück und Leid aufgrund ihrer Ansichten und ihres Strebens. Wahrhaftigkeit allein kann sie auf den heilsamen Pfad zurückbringen und sicher führen, wie ein Elefantenbulle seine Herde. Viele Menschen begehren mit verwirrtem Geist jene Wege und Ansichten, die großes Glück versprechen. Damit werden sie bald auf immer größeres Leiden treffen, und von den Sinnesbegierden hingerissen geraten sie unter die Herrschaft des Todes. Und zum sicheren Untergang bestimmt, wie könnten ihnen Angehörige, Freunde, Ehefrauen und andere Besitztümer noch helfen? Nur wer alle Anhaftungen gelöst hat, geht heiter und leicht aus dieser Welt, wenn ihm der Tod begegnet und muß nicht wiedergeboren werden. Erde, Raum, Wasser, Feuer und Wind formen und zerstören diesen Körper wieder und wieder. Wer dies erkennt, wie könnte er an diesem vergänglichen Körper anhaften und beständiges Glück erwarten?

Bhishma fuhr fort:
Als König Janaka diese Worte von Panchasikha hörte, die voller Wahrheit und frei von Verblendung waren, heilsam und erhebend für die Seele, wurde er von Bewunderung erfüllt und beschloß, den Rishi weiter zu befragen.


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