Pushpak Mahabharata Buch 11Zurück WeiterNews

Kapitel 7 - Über die Bindungen der Welt

Dhritarashtra sprach:
Ausgezeichnet ist dieses Gleichnis, das du vorgetragen hast! Wahrlich, du kennst die Wahrheit. Nachdem ich diese nektargleiche Rede von dir vernommen habe, wünsche ich noch mehr zu hören.

Und Vidura sprach:
So höre mir zu, oh König, wie ich noch einmal ausführlich über jene Mittel spreche, welche der Weise kennt, und mit denen er sich von den Banden der Welt befreien kann. Wie ein Wanderer, oh König, auf einer langen Reise oft Pause machen muß, wenn er erschöpft ist, ebenso werden die Unwissenden, oh Bharata, die auf dem langen Weg des Lebens wandern, immer wieder im Tode erschöpft, pausieren und werden dann in den Mutterschößen neu geboren. Nur die Weisen können sich von dieser Bindung befreien. Deshalb beschreiben die Gelehrten in den heiligen Schriften das Leben als einen langen Weg der Wanderung. Und die Verstrickung in die körperliche Existenz in diesem Rad des Lebens mit all seinen Schwierigkeiten nennen sie einen Wald. Alle Geschöpfe, oh Stier der Bharatas, seien sie beweglich oder unbeweglich, müssen immer wieder in die Welt zurückkehren. Nur die Weisen können sich davon befreien. Die geistigen und körperlichen Krankheiten, denen die Sterblichen unterworfen sind, seien sie sichtbar oder nicht, werden von den Gelehrten als Raubtiere bezeichnet, welche die Menschen beständig quälen und behindern, oh Bharata. Doch obwohl sie überall von diesen wilden Raubtieren bedrängt werden, die aus ihren eigenen karmischen Taten ins Leben geboren werden, wollen die Unwissenden nicht aufwachen. Oh Monarch, selbst wenn ein Mensch allen Krankheiten entkommen kann, schließlich überwältigt ihn doch das Alter, dieser Zerstörer aller Kraft und Schönheit. Die Klänge, Formen, Geschmäcker, Gefühle und Gerüche lassen den Mensch im Sumpf der Sinneserfahrungen versinken, wo es keinen Halt und keine Rettung gibt. Inzwischen plündern die Jahre, Jahreszeiten, Monate, Wochen, Tage und Nächte allmählich seine Kraft und Schönheit und nagen an seiner Lebenszeit. Sie alle sind Vorboten des Todes. Die Unwissenden jedoch erkennen sie nicht.

Die Weisen sagen, daß alle Wesen durch den höchsten Lenker gemäß ihrer Taten regiert werden. Der Körper eines Wesens wird als ein Wagen beschrieben. Die Seele ist der Fahrer, die Sinne sind die Rosse, und unsere Taten und die Erfahrungen sind die Wagenspuren. Wer diesen leidenschaftlichen Rossen folgt, wird im Rad der Wiedergeburten immer wieder in diese Welt kommen müssen. Wer sie jedoch durch Selbstkontrolle mit Hilfe seiner Vernunft zügeln kann, muß nicht wiederkehren. Wer auf dieser Wanderung im Rad des Lebens, das sich wie ein wirkliches Rad dreht, die Unwissenheit überwinden kann, der erkennt die Wahrheit und löst damit alle Bindungen. So sind die Weisen stets achtsam, alle Anhaftungen an die Wiedergeburt zu lösen. Man sollte diesbezüglich nicht blind sein, weil uns gerade diese Blindheit immer wieder bindet. Der Mensch, oh König, der seine Sinne zügelt sowie Begierde und Haß überwindet, der zufrieden ist und wahrhaft lebt kann Frieden finden.

Dieser Körper wird auch der Wagen von Yama (bzw. des Todes) genannt. Die Unwissenden werden von ihm davongetragen. Solch eine Person erfährt großes Leiden, wie du es erfahren hast, oh König. Der Verlust von Königreich, Freunden, Kindern und ähnlichem, oh Bharata, überwältigt nur jene, die von der Begierde beherrscht werden. Der Weise wird die Medizin der Vernunft für jeden großen Kummer anwenden. Wahrlich, mit dieser Medizin der Weisheit, die höchst wirksam ist und unvergleichlich, kann der Mensch mit gezügelter Seele diese ernste Krankheit heilen, die man „Sorge“ nennt. Weder Heldenkraft noch Reichtum, Freunde oder Wohlgesinnte können einen Menschen voller Kummer so wirksam heilen, wie die Selbstzügelung durch die Vernunft. Deshalb beachte die große Aufgabe des inneren Friedens und des Mitgefühls zu allen Wesen, und sei tugendhaft, oh Bharata! Selbstzügelung, Entsagung und Achtsamkeit sind die drei Rosse des Brahman. Wer auf dem Wagen seiner Seele fährt, der von diesen Rosse gezogen wird, geführt durch die Zügel des tugendhaften Verhaltens, und alle Angst vor dem Tod überwindet, der erreicht, oh König, die Regionen des Brahman.

Wer allen Wesen, oh Monarch, seine Harmlosigkeit versichert, der geht zum Höchsten aller Bereiche, dem seligen Bereich von Vishnu. Der Verdienst, den man aus seiner Harmlosigkeit zu allen Wesen gewinnt, übertrifft tausende Opfer und sogar das tägliche Fasten. Unter allen Dingen gibt es sicherlich nichts Lieberes als das Leben. Der Tod, oh Bharata, wird zweifellos von keinem Wesen geliebt. Deshalb sollte man das Mitgefühl wirklich zu allen Wesen bewahren. Voller Unvollkommenheit und verstrickt in das Netz ihrer eigenen Gedanken, wandern diese Unwissenden mit vielen Hoffnungen immer wieder über die Erde. Wer jedoch mit Weisheit gesegnet ist und die tiefgründige Sicht erreicht, der verschmilzt mit dem Brahman zur Einheit. (Denn dies ist das größte Mitgefühl zu allen Wesen, die Ichlosigkeit.)


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