Pushpak Mahabharata Buch 11Zurück WeiterNews

Kapitel 2 - Vidura tröstet König Dhritarashtra

Vaisampayana sprach:
Höre, oh Janamejaya, die nektargleichen Worte, die Vidura zum Sohn von Vichitravirya sprach, und womit er diesen Bullen unter den Männern erfreute.

Vidura sprach:
Erhebe dich, oh König! Warum liegst du auf der Erde hingestreckt? Ermutige dich von innen heraus. Oh König, das ist nun einmal das Ende aller lebenden Wesen. Alles Zusammengesetzte muß wieder zerfallen. Alles Entstandene muß ausnahmslos wieder vergehen. Jede Vereinigung muß zweifellos in einer Trennung enden und das Leben im Tod. Der Zerstörer, oh Bharata, ergreift sowohl den Helden als auch den Feigling. Warum, oh Bulle unter den Kshatriyas, sollten sich Kshatriyas nicht im Kampf betätigen? Wer nicht kämpft, glaubt vielleicht, mit dem Leben davonzukommen. Doch vor dem Tod, oh König, kann keiner flüchten. Alle Lebewesen sind im Anfang unentfaltet, dann sind sie eine Zeitlang entfaltet und existieren, doch ihr Ende ist wieder im Unentfalteten. Welchen Grund gäbe es darüber zu klagen? Nicht durch Kummer kann man den Tod überwinden. Durch Kummer ruft man ihn herbei. Wenn die Welt so ist, warum verlierst du dich im Kummer? Der Tod ergreift alle Wesen, sogar die Götter. Keiner ist dem Tod besonders lieb oder verhaßt, oh Bester der Kurus. Wie der Wind die Blätter von den Bäumen reißt, oh Stier der Bharata, so ergreift er alle Geschöpfe. Die Geschöpfe sind wie Insassen eines Bootes mit dem gleichen Ziel. So ist es wenig bedeutsam, wen der Tod zuerst ergreift. Deshalb gräme dich nicht, oh König, um jene, die im Kampf gefallen sind! Wenn die heiligen Schriften nicht lügen, werden sie alle die höchsten Regionen erreichen. Denn sie waren in den Veden erfahren, haben ihre Aufgaben erfüllt und hohe Gelübde beachtet. Sie trafen auf den Tod, als sie dem Feind ins Angesicht schauten. Welchen Grund zum Jammern gäbe es darüber? Unsichtbar waren sie (vor der Geburt) und aus diesem Unbekannten erschienen, sind sie nun wieder unsichtbar geworden. Sie sind nicht dein, noch gehörst du ihnen. Welchen Jammer gäbe es über ein solches Verschwinden? Wer im Kampf fällt, gewinnt den Himmel. Wer im Kampf siegt, gewinnt den Ruhm. Beide sind voller Verdienst. Deshalb ist der Kampf nicht vergeblich. Zweifellos wird Indra ihnen Bereiche eröffnen, die jeden Wunsch gewähren können, denn sie, oh Bulle unter den Männern, werden die Gäste von Indra sein. Menschen können weder durch Opfer mit reichen Geschenken noch durch asketische Entsagung so schnell zum Himmel aufsteigen wie im Kampf gefallene Helden. In den Körpern der feindlichen Helden wird das Opferfeuer entfacht, in welches die Pfeile als Trankopfer gegossen werden. Voller Energie müssen sie dafür das Trankopfer aus Pfeilen ertragen (welches ihre Feinde ausgießen). Ich sage dir aufrichtig, oh König, für einen Kshatriya gibt es in dieser Welt keinen besseren Weg zum Himmel als den Kampf. Sie alle waren hochbeseelte Kshatriyas, voller Mut und die Juwelen jeder Versammlungen. Sie alle haben einen hohen Zustand der Glückseligkeit erreicht. Es sind keine Menschen, um die man sich grämen sollte. So tröste dich durch dich selbst, oh Bulle unter den Männern, und hör auf zu jammern! Es ziemt sich nicht für dich, von Sorgen überwältigt zu werden und alle Handlungen aufzugeben. Es gibt abertausende Mütter, Väter, Söhne und Ehefrauen in dieser Welt. Wem gehören sie, und wem gehören wir? Tag für Tag erscheinen tausende Ursachen für Sorgen und tausende Gründe für Angst. Nur die Unwissenden werden von ihnen überwältigt, aber niemals die Weisen.

Der Zeit (bzw. dem Schicksal) ist niemand besonders lieb oder verhaßt, oh Bester der Kurus. Und doch verschont die Zeit niemanden, und alle werden von ihr gleichermaßen erfaßt. Die Zeit veranlaßt alle Wesen zu wachsen, und die Zeit ist es, die alles zerstört. Wenn auch alles schläft, die Zeit ist wach. Sie ist unbesiegbar. Jugend, Schönheit, Leben, Besitz, Gesundheit und die Gesellschaft von Freunden - alles ist vergänglich. Wer Weisheit hat, begehrt keines von ihnen. So gräme dich nicht um das, was für alle Wesen gleich ist. Eine Person kann sich durch ihre Sorgen selbst töten, denn die Sorgen werden nicht weniger, wenn man sich darin verliert. Wenn du schweren Kummer fühlst, solltest du ihm entgegenwirken und nicht darin versinken. Denn gerade das ist das Heilmittel, daß man sich mit seinen Gedanken nicht darin verlieren möge. Wenn man sich darin suhlt, werden die Sorgen nicht weniger. Im Gegenteil, sie wachsen, wenn man sie durch Beachtung nährt. Beim Auftauchen eines Übels oder des Verlustes von Liebgewonnenem, sind es nur die Unwissenden, die ihren Geist vom Kummer quälen lassen. Darin liegt weder Tugend noch Gewinn oder Vergnügen, wenn sich dein Herz im Kummer suhlt. Das Verlieren im Kummer ist das sicherste Mittel, um sein Ziel zu verfehlen und von den drei großen Lebenszeilen (Tugend, Gewinn und Liebe) abzufallen. Wer seiner Zufriedenheit beraubt wurde, kann nirgendwo mehr Wohlergehen finden. Deshalb sollte man die Leiden des Geistes durch Weisheit überwinden, wie man die körperlichen Leiden durch Medizin heilt. Die Weisheit hat diese Macht. Wer jedoch unwissend ist, kann die Stille der Seele nicht finden.

Die Taten der vergangenen Leben folgen einem Menschen auf Schritt und Tritt. Sie liegen bei ihm, wenn er liegt, stehen an seiner Seite, wenn er steht, und laufen mit ihm, wenn er läuft. Unter allen Bedingungen des Lebens, wo man gut oder schlecht handelt, genießt oder erleidet man die karmische Frucht, die man unter ähnlichen Bedingungen angesammelt hat. In jenen körperlichen Formen, in denen man persönliche Handlungen vollbringt, genießt oder erleidet man die Früchte aus ähnlichen Formen. So kann das eigene Selbst entweder dein Freund oder dein Feind sein. Denn das eigene Selbst ist stets der Zeuge der eigenen guten und schlechten Taten. Aus guten Taten entstehen Zustände des Glücks und aus sündhaften Taten entsteht Leiden. So erntet man stets die Frucht der eigenen Taten. Man genießt oder erleidet nie etwas, was man als karmische Frucht durch eigene Taten nicht angesammelt hat. Deshalb sollten intelligente Menschen wie du, oh König, niemals in solche Sündhaftigkeit versinken, die von der Vernunft mißbilligt wird und die eigentliche Wurzel (von Tugend und Glück) abschlägt.


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