Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 104 - Die Geschichten von Jamadagni und Dirghatama

Bhishma fuhr fort:
Voller Zorn über den Tod seines Vaters tötete Rama, der Sohn des Jamadagni, vor langer Zeit den König der Haihayas mit seiner Streitaxt. Er trennte Arjuna, dem König der Haihayas, seine tausend Arme ab und vollbrachte damit eine schwierige Tat in der Welt. Doch längst nicht zufrieden, machte er sich mit seinem Streitwagen auf den Weg, die Welt zu erobern. Er nahm seinen Bogen, schleuderte seine mächtigen Waffen und vernichtete die Kshatriyas. Und dieser ruhmreiche Nachfahre des Bhrigu vernichtete die Kshatriya Kaste mit seinen schnellen Pfeilen ganze einundzwanzig Mal. Als die Erde solchermaßen vom großen Rishi jeglicher Kshatriyas beraubt war, bekamen die Kshatriya Damen im ganzen Land Kinder von vedenkundigen Brahmanen. Die Damen wandten sich nicht aus Lust an die Brahmanen, sondern der Tugend wegen. In den Veden wird gesagt, daß ein solcherart gezeugter Sohn zu dem gehört, der einst die Mutter geheiratet hatte. So wurde damals die Kshatriya Kaste gerettet.

In diesem Zusammenhang wird noch eine andere alte Geschichte erzählt, die ich dir berichten möchte. Es gab einmal in alter Zeit einen weisen Rishi namens Utathya. Er hatte eine Gattin namens Mamata, welche er zärtlich liebte. Eines Tages warb Vrihaspati, der mit großer Energie ausgestattete jüngere Bruder von Utathya und Oberpriester der Himmlischen, um Mamata. Doch diese sprach zu dem jüngeren Bruder ihres Gatten, diesem Ersten unter den redegewandten Männern, daß sie bereits aus der Verbindung mit seinem älteren Bruder empfangen habe, und er daher nicht die Erfüllung seines Begehrens suchen sollte. Sie sagte weiterhin: „Oh ruhmreicher Vrihaspati, das Kind, welches ich empfing, hat schon im Mutterleib die Veden mitsamt den sechs Angas studiert. Doch dein Samen ist unfehlbar. Wie kann mein Leib genügend Raum für zwei Kinder gleichzeitig haben? Es ziemt sich daher nicht für dich, zu dieser Zeit die Erfüllung deines Begehrens zu suchen.“ Nach diesen angemessenen Worten von ihr, und obwohl er mit großer Weisheit gesegnet war, gelang es Vrihaspati dennoch nicht, sein Verlangen zu zügeln, und er suchte die Vereinigung. Da sprach das Kind im Leib der Mutter zu ihm: „Oh Onkel, halte ein! Hier ist nicht genug Platz für zwei. Oh du Ruhmreicher, es ist hier sehr eng. Und ich habe den Raum zuerst eingenommen. Dein Samen sollte nicht vergebens ausgeschüttet werden. Und es ist nicht recht von dir, mich zu bedrängen.“ Doch Vrihaspati hörte nicht auf die Worte des Kindes im Mutterleib und suchte die Umarmung mit der schönäugigen Mamata.

(Dutt läßt hier aus, und Ganguli benutzt Latein:
Ille tamen Muni, qui in ventre erat, id punctum temporis quo humor vitalis jam omissum iret providens, viam per quam semen intrare posset pedibus obstruxit.
Semen, ita exlusum, excidit et in terram projectum est.
Aus mehreren anderen Quellen: Als Vrihaspati seinen Samen entlassen wollte, versperrte das Kind den Weg mit seinen Füßen und stieß den Samen heraus, so daß er auf die Erde fiel.)

Als dies der ruhmreiche Vrihaspati bemerkte, empörte er sich sehr, machte Utathyas Sohn Vorwürfe und verfluchte ihn: „Weil du auf diese Weise zu mir gesprochen hast, in einem Moment des Vergnügens, welches alle Wesen suchen, soll dich andauernde Dunkelheit überkommen.“ Wegen dieses Fluchs des ruhmreichen Vrihaspatis, kam Utathyas Kind, welches dem Vrihaspati an Energie glich, blind auf die Welt und wurde Dirghatama genannt (in dauernde Dunkelheit gehüllt). So war der weise Dirghatama für die Welt blind, aber besaß das Licht der Veden. Und aufgrund seiner Tugend und Gelehrsamkeit erhielt er eine junge und hübsche Brahmanin namens Pradweshi zur Frau. Er heiratete sie und bekam mit ihr viele Kinder, von denen Gautama der Älteste war. Doch alle seine Kinder waren mit Begierde und Torheit geschlagen. Dagegen besaß der tugendhafte und ruhmreiche Dirghatama die vollständige Meisterschaft über die Veden. Er lernte schon bald von Surabhis Sohn die freizügigen Praktiken von dessen Rasse (der Kühe), und übte sie mit reiner Verehrung und ohne Furcht aus. (Denn Scham ist das Produkt von Sünde und kann niemals leben, wo die Absicht rein ist.) Doch diese besten Munis, die in derselben Einsiedelei lebten, beobachteten mit Empörung, wie er die Grenzen des Anstandes übertrat, und sahen Sünde, wo keine war. Sie sprachen: „Dieser Mann übertritt die Schranken des Anstandes. Er verdient nicht länger einen Platz unter uns. Wir sollten uns dieses sündhaften Lumpens entledigen.“ Und sie sagten noch viele andere Dinge über den Muni Dirghatama. Auch seine Ehefrau und seine Söhne fühlten sich von ihm beleidigt. Da fragte der Ehemann seine Gattin Pradweshi: „Warum bist du mit mir unzufrieden?“ Seine Frau antwortete: „Der Ehemann wird Varta genannt, weil er die Frau unterhält. Er wird auch Pati genannt, weil er sie beschützt. Doch du bist keines von beiden für mich. Oh du mit dem großen asketischen Verdienst, weil du von Geburt an blind bist, mußte ich die ganze Zeit dich und deine Kinder unterhalten. Doch das werde ich in Zukunft nicht mehr tun!“ Nach ihren Worten wurde der Rishi ärgerlich und sprach zu Frau und Kindern: „Führe mich zu den Kshatriyas und du wirst reich sein.“ Doch seine Gattin erwiderte: „Ich wünsche keinen Reichtum, der dir gegeben wird, denn der kann mich niemals glücklich machen. Oh bester Brahmane, lebe, wie es dir beliebt. Aber ich werde dich nicht länger versorgen.“ Nach diesen Worten seiner Frau sprach Dirghatama: „Aufgrund deines Verhaltens möge vom heutigen Tag an die Regel gelten, daß jede Frau ihr ganzes Leben bei einem Ehemann bleiben soll. Ob der Ehemann nun tot oder lebendig sei, es soll nicht rechtens für eine Frau sein, sich mit einem anderen zu verbinden. Und jene, die eine solche Vereinigung haben mag, soll als gefallen gelten. Einer Frau ohne Ehemann soll Sünde anhaften. Und auch wenn sie reich ist, soll sie sich an ihrem Wohlstand nicht wirklich erfreuen können. Verleumdung und üble Rede sollen ihr überall hin folgen.“ Nach diesen Worten wurde Pradweshi wütend, und sie befahl ihren Söhnen: „Werft ihn in die Wasser der Ganga!“ Der hinterhältige Gautama und die anderen Brüder, diese Sklaven von Habgier und Torheit, erklärten sich bereit: „Ja, warum sollen wir diesen blinden und alten Mann versorgen?“ Sie banden ihn an ein Floß und übergaben ihn der Gnade des Stroms. Dann kehrten sie ohne Reue nach Hause zurück. So trieb der Brahmane auf seinem Floß über den Strom durch die Länder verschiedenster Könige. Eines Tages kam der tugendhafte König Vali an die Ganga, um seine Waschungen durchzuführen. Dabei entdeckte er den Rishi auf seinem Floß, wie er auf ihn zutrieb. Als er nahe genug war, ergriff der König den alten Mann. Als er erfuhr, wen er gerade gerettet hatte, bat der wahrheitsliebende und tugendhafte König den Rishi, für ihn Nachkommen zu zeugen. Vali sprach: „Oh du Ruhmreicher, ich bitte dich, mit meiner Gattin einige Söhne zu zeugen, welche tugendhaft und weise sein sollen.“ Der energetische Rishi stimmte zu, und König Vali sandte seine Frau Sudeshna zu ihm. Doch die Königin wußte, daß der Rishi alt und blind war, und ging nicht hin. Statt dessen schickte sie ihre Amme. Mit dieser Shudra Frau bekam der Rishi, welcher seine Leidenschaften unter völliger Kontrolle hatte, elf Söhne, von denen Kakshivan der Älteste war. Eines Tages sah König Vali diese elf Söhne, wie sie die Veden studierten, wie ihr Vater große Macht hatten und Brahma sprachen, und er fragte den Rishi: „Sind das meine Kinder?“ Der Rishi erwiderte: „Nein. Das sind meine. Kakshivan und die anderen zeugte ich mit einer Shudra Frau. Die unglückselige Königin Sudeshna sah mich Blinden und Alten und beleidigte mich, da sie nicht selbst kam, sondern ihre Amme schickte.“ Da besänftigte der König diesen Besten der Rishis und sandte ihm noch einmal seine Königin Sudeshna. Der Rishi berührte sie kaum und sprach dann zu ihr: „Du sollst fünf Söhne haben namens Anga, Banga, Kalinga, Pundra und Sumbha, welche alle dem Surya an Pracht gleichen werden. Und nach ihren Namen sollen viele Länder der Erde benannt werden.“ So kam es, daß die Namen ihrer Königreiche auch Anga, Banga, Kalinga, Pundra und Sumbha wurden.

So wurde das Geschlecht des Vali von einem großen Rishi einst am Leben erhalten. Ja, viele tugendhafte und mächtige Bogenkünstler und große Wagenkämpfer aus der Kshatriya Kaste stammten von Brahmanen ab. Du hast dies alles gehört, oh Mutter, handle nun, wie es in dieser Sache nötig ist.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter