Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 76 - Die Geschichte von Kacha und Sukra

Janamejaya bat:
Oh du mit dem Reichtum an Askese, erzähl mir, wie unser Vorfahr Yayati, welcher der zehnte von Prajapati aus war, sich die unerreichbare Tochter des Sukra zur Gattin gewann. Ich möchte alle Einzelheiten dazu erfahren. Und erzähle mir auch nacheinander von den Monarchen, welche Dynastien gründeten.

Vaisampayana antwortete:
Der Monarch Yayati strahlte wie Indra selbst. Ich werde dir erzählen, wie ihm sowohl Sukra als auch Vrishaparva ihre Töchter mit den angemessenen Riten übergaben und wie genau die Begegnung mit Devajani verlief.

Zwischen Göttern und Dämonen tobten in alter Zeit beständig Kämpfe um die Vorherrschaft in den drei Welten. Um ihren Sieg zu sichern, beriefen die Himmlischen den Sohn von Angiras, Vrihaspati, zu ihrem führenden Opferpriester, während die Gegenseite der Dämonen den gelehrten Usanas (Sukra) zum selben Zwecke einsetzte. Doch zwischen diesen beiden Brahmanen gab es jede Menge prahlerische Rivalität. Die Dämonen, welche in der Schlacht mit den Göttern starben, wurden alle vom weisen Sukra mittels der Kraft seines Wissens wiederbelebt. Sie kamen ins Leben zurück und kämpften erneut gegen die Götter. Auch die Dämonen töteten viele Götter auf dem Schlachtfeld, doch der gelehrte Vrihaspati konnte sie nicht wiederbeleben, denn er wußte nicht um die Kunst, welche Sanjivani („den Toten Leben geben“) heißt und welche der energetische Sukra so gut beherrschte. Darüber trauerten die Götter sehr. Mit Furcht in ihren Herzen und großer Angst vorm gelehrten Sukra gingen sie zu Kacha, dem ältesten Sohn von Vrihaspati, und baten ihn: „Wir machen dir unsere Aufwartung und bitten um deinen Schutz. Sei uns gnädig und erweise uns einen Dienst, den wir für äußerst bedeutend halten. Mach dir, so schnell du kannst, dieses Wissen zu eigen, welches in Sukra lebt, diesem Brahmanen von außerordentlicher Macht. Dafür wirst du mit uns an allen Opfergaben teilhaben. Du wirst den Brahmanen am Hofe von König Vrishaparva treffen. Er beschützt immer nur die Dämonen und niemals uns, ihre Gegner. Du bist jünger als er und kannst ihm daher verehrend aufwarten. Oder du verehrst Devajani, die Lieblingstochter des hochbeseelten Brahmanen Sukra. Wahrlich, du allein kannst die Gunst der beiden gewinnen durch deine Verehrung. Niemand sonst ist dazu in der Lage. Indem du Devajani durch dein Betragen, deine Großzügigkeit, deine Liebenswürdigkeit und dein allgemeines Verhalten für dich einnimmst, wirst du dieses Wissen sicher gewinnen.“ Auf diese Bitte der Götter erwiderte der Sohn von Vrihaspati: „So sei es.“, und begab sich in die Hauptstadt der Dämonen zu Vrishaparva, ihrem König. Sogleich traf er dort auf Sukra und sprach zu ihm: „Verehrter Herr, nimm mich als deinen Schüler an. Ich bin der Enkel vom Rishi Angiras und Sohn des Vrihaspati. Mein Name ist Kacha. Wenn du mein Lehrer wirst, werde ich für tausend Jahre das Leben eines Brahmacharya führen. Verfüge über mich.“ Sukra antwortete: „Sei willkommen, oh Kacha. Ich akzeptiere deine Worte. Ich werde dich mit Achtung behandeln, denn damit achte ich Vrihaspati.“

Vaisampayana fuhr fort:
Nach diesen Worten von Sukra, dem Sohn von Usana (und Bhrigu), sprach Kacha: „So sei es.“, und schwor den Eid, von dem er gesprochen hatte (das Brahmacharya Gelübde als Schüler). Es begann nun Kacha, nachdem er zur rechten Zeit seinem Gelübde folgte, sowohl seinen Lehrer als auch dessen Tochter Devajani zu ehren. So jung wie er war, gewann er schon bald die Gunst der jungen Devajani, indem er Tag für Tag für sie sang, tanzte oder diverse Musikinstrumente spielte. Ja, oh Bharata, Kacha setzte sein ganzes Herz daran, brachte ihr Blumen und Früchte und erwies ihr eifrig jeden Dienst. Und wenn sie allein waren, revanchierte sich Devajani bald schon bei diesem, seinem Gelübde folgenden Jüngling mit Liedern und lieben Gesten. So vergingen fünfhundert Jahre, in denen Kacha nach seinem Eid lebte, als die Dämonen von seiner Absicht erfuhren. Ohne jegliche Bedenken über den Mord an einem Brahmanen hegten sie großen Zorn gegen ihn. Und als sie eines Tages sahen, wie Kacha in einem einsamen Wald das Vieh seines Lehrers hütete, töteten sie ihn aus Haß auf Vrihaspati und weil sie das Wissen um die Wiederbelebung der Toten schützen und für sich behalten wollten. Seinen Leichnam hackten sie in Stücke und verfütterten ihn an hungrige Schakale und Wölfe. Als die Dämmerung kam, kehrte das Vieh ohne seinen Hüter Kacha in den Stall zurück. Als Devajani dies sah, sprach sie zu ihrem Vater: „Dein abendliches Feuer ist angefacht und die Sonne untergegangen, oh Vater. Die Kühe kamen ohne Kacha zurück. Und er ist nirgends zu sehen! Es ist sicher, daß Kacha sich verlaufen hat oder sogar tot ist. Doch ohne ihn, oh Vater, will ich nicht mehr leben.“ Da antwortete ihr Sukra: „Ich werde ihn beleben, indem ich sage: Laß diesen wiederkommen!“ So rief Sukra mittels seines Wissens über die Wiederbelebung der Toten Kacha zu sich. Da erschien Kacha frohen Herzens vor seinem Lehrer und zerriß dabei die Leiber der Wölfe, die ihn verschlungen hatten. Nach seinem Ausbleiben gefragt antwortete er der Tochter seines Lehrers: „Ich war tot. Oh du mit den reinen Sitten, ich war auf dem Weg nach Hause und hatte Kusha Gras und Holz fürs Opferfeuer bei mir. Müde rastete ich unter einem Banian Baum, und auch die Kühe hatten sich im Schatten dieses Baumes versammelt. Da entdeckten mich die Dämonen und fragten mich: „Wer bist du?“ Doch sobald sie meine Antwort hörten: „Ich bin der Sohn von Vrihaspati.“, töteten sie mich, hackten mich in Stücke und warfen diese den Wölfen und Schakalen zum Fraß vor. Dann gingen sie freudigen Herzens nach Hause. Oh Liebenswerte, als dein hochbeseelter Vater (Bhargava) mich zu sich rief, fand ich mich vollständig wiederhergestellt vor dir wieder.“

Bei anderer Gelegenheit ging Kacha in den Wald, um Blumen für Devajani zu pflücken. Wieder sahen ihn die Dämonen, erschlugen und zerstampften ihn und vermischten seine Überreste mit den Wassern des Ozeans. Als die Maid bemerkte, daß er sich verspätete, ging sie wieder zu ihrem Vater und erzählte ihm alles. Und wieder rief der Brahmane sein besonderes Wissen zu Hilfe und Kacha erschien vor seinem Lehrer und dessen Tochter und erzählte ihnen alles, was geschehen war. Und noch ein drittes Mal töteten ihn die Danavas, verbrannten ihn zu Asche und gaben die Asche seinem Lehrer Sukra mit Wein vermischt zu trinken. Auch diesmal sprach Devajani zu ihrem Vater: „Oh Vater, Kacha ging zum Blumenpflücken, doch er kam nicht zurück. Er ist sicher verloren und tot. Doch ich sage dir ehrlich, ohne ihn will ich nicht leben.“ Diesmal antwortete ihr Sukra: „Oh Tochter, der Sohn von Vrihaspati ist in das Reich der Toten eingegangen. Obwohl ich ihn mit meiner Kunst schon mehrfach wiederbelebt habe, wurde er doch gleich wieder getötet. Was soll ich denn tun? Devajani, weine nicht und sei nicht traurig. Eine wie du sollte nicht um einen Sterblichen weinen. Kraft meiner Macht wirst du dreimal am Tag zur rechten Stunde von Brahma, den Brahmanen, Göttern nebst Indra, den Vasus, Aswins, Dämonen und dem ganzen Universum verehrt, oh Tochter. Es ist unmöglich, ihn am Leben zu erhalten, denn wie oft ich ihn auch wiederbelebe, so oft wird er auch wieder getötet.“ Dem entgegnete Devajani: „Warum soll ich, oh Vater, nicht um einen trauern, dessen Großvater der alte Angiras und dessen Vater Vrihaspati ist? Dieser Ozean des Verdienstes ist sowohl der Sohn als auch der Enkelsohn eines großen Rishi. Er selbst folgte seinem Keuschheitsgelübde, war ein Asket, immer achtsam und geschickt in allen Dingen. Oh Vater, ich werde hungern und dem Pfad folgen, den Kacha ging. Denn der schöne Kacha ist mir lieb.“

Vaisampayana erzählte weiter:
Diese Worte seiner Tochter Devajani bewegten Sukra sehr, und er rief ärgerlich aus: „Sicherlich versuchen die Dämonen, mir zu schaden, denn sie töteten meinen Schüler, der bei mir lebt. Diese Nachfolger von Rudra (die Dämonen) wollen mich von meinem Wesen als Brahmane trennen, denn sie lassen mich an ihrem Verbrechen teilhaben. Und dieses Verbrechen nimmt ganz sicher ein schlimmes Ende. Denn das Töten eines Brahmanen kann sogar Indra selbst verbrennen.“ Nachdem er dies gesagt hatte, drängte ihn Devajani, und er rief Kacha zu sich, welcher in den Schlund des Todes eingetreten war. Doch als Kacha gerufen wurde, bedachte er ängstlich die Folgen für seinen Lehrer und rief schwach aus dem Magen Sukras: „Sei mir gnädig, oh Herr. Ich bin es, Kacha, der dich ehrt. Behandle mich wie deinen eigenen lieben Sohn.“ Da fragte Sukra verwundert: „Wie bist du in meinen Magen gekommen, oh Brahmane? Und wie kannst du dort bleiben? Ich verlasse noch in diesem Moment die Dämonen und trete zu den Göttern über.“ Und Kacha antwortete: „Durch deine Gunst hat mich mein Erinnerungsvermögen nicht verlassen. Ja, ich weiß alles, was geschah. Meine asketische Tugend wurde nicht zerstört. Daher kann ich diese unerträglichen Schmerzen aushalten. Oh Sukra, von den Dämonen zu Asche verbannt, wurde ich dir mit deinem Wein zu trinken gegeben. Wenn du gegenwärtig bist, oh Brahmane, dann werden die Künste der Dämonen niemals die Macht der Brahmanen besiegen.“ Nun sprach Sukra zu seiner Tochter: „Nun, mein Kind, was kann ich jetzt für dich tun? Nur mit meinem Tod kann Kacha ins Leben zurückkommen. Oh Devajani, Kacha ist in mir. Es gibt keinen anderen Weg herauszukommen, als mich zu zerreißen.“ Da sprach Devajani: „Beide Übel werden mich wie Feuer verbrennen. Der Tod Kachas und der deine sind gleich schlimm für mich. Der Tod Kachas wird mir das Leben nehmen. Und wenn du stirbst, werde ich das Leben nicht mehr ertragen.“ Da sprach Sukra zu Kacha: „Oh Sohn des Vrihaspati, du bist wahrlich mit Erfolg gekrönt, weil Devajani dich so sehr verehrt. Akzeptiere das Wissen, welches ich dir nun übertrage, denn du bist wahrlich kein Indra in Gestalt von Kacha. Niemand kommt aus meinem Magen mit dem Leben davon. Doch andererseits darf ein Brahmane nicht gemordet werden. Nimm also mein Wissen an, welches ich dir nun vermittle. Beginne dein Leben als mein Sohn. Und wenn du mein Wissen empfangen und von mir wiederbelebt aus meinem Körper getreten bist, dann magst du vollbringen, was dich die Dankbarkeit lehrt.“

Vaisampayana sprach:
So empfing der schöne Brahmane Kacha das Wissen seines Lehrers, zerriß dessen Leib und kam heraus wie der Mond am Abend einer Vollmondnacht. Als er die Überreste seines Lehrers sah, der wir ein Haufen Brahma dalag, gab er ihm das Leben zurück mit dem Wissen, welches er eben erst erhalten hatte. Dann ehrte Kacha seinen Lehrer und sprach zu ihm: „Wer wie du den Nektar des Wissens einem Unwissenden wir mir ins Ohr träufelt, den achte ich wie Vater und Mutter zusammen. Und wenn ich diesen gewaltigen Dienst bedenke, den du mir getan hast, wie kann ich da so undankbar sein und dich verletzen? Wer Wissen erlangt hat und seinen Lehrer kränkt, der allseits der Verehrung würdig ist, immer Wissen austeilt und das Kostbarste auf Erden ist, der wird gehaßt auf Erden und gelangt in die Bereiche der Sündhaften.“ Sukra betrachtete nun seinerseits den schönen Kacha, wie er vor ihm stand, und bedachte die ihm geschehene Täuschung. Unter dem Einfluß von Wein hatte er seine Achtsamkeit völlig verloren, was eine der gräßlichen Folgen des Trinkens ist, und als schreckliches Ergebnis hatte er Kacha mitsamt dem Wein hinuntergeschluckt. Da beschloß der hochbeseelte Sukra eine Veränderung im Verhalten der Brahmanen, erhob sich vom Boden und sprach zornig: „Der gemeine Brahmane, welcher von heute an nicht der Versuchung des Weintrinkens widerstehen kann, soll in Zukunft als all seiner Tugend beraubt angesehen, wie ein sündiger Brahmanenmörder behandelt und in dieser und der nächsten Welt gemieden werden. Ich setze diese Grenze dem Verhalten und der Würde aller Brahmanen überall. Mögen alle aufrechten Menschen und Brahmanen, Götter und alle diejenigen, die ihre Vorgesetzten achten meine aufrechten Worte vernehmen.“ Danach rief der hochbeseelte Asket die Dämonen zu sich, welche durch das Schicksal ihres guten Sinnes beraubt worden waren, und sprach zu ihnen: „Ihr Narren, wisset, daß Kacha sein Ziel erreicht hat. Er wird fortan bei mir leben. Ja, dieser Brahmane hat mit dem Erlangen des Wissens, wie man Tote wiederbelebt, so viel Macht wie Brahma selbst erhalten.“ Nach dieser kurzen Rede von Sukra kehrten die Dämonen sehr überrascht in ihre Häuser zurück. Und Kacha blieb bei seinem Lehrer für die vollen tausend Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit bereitete er sich auf seine Heimreise zu den Himmlischen vor, nachdem er die Erlaubnis seines Lehrers erhalten hatte.


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