Die Geschichte von einer allgemeinen Erdüberschwemmung, wie sie im Mahâ-Bhârata und mehreren anderen indischen Schriften erzählt wird, bietet eine unverkennbare und höchst merkwürdige Übereinstimmung mit der mosaischen Überlieferung von der Sündflut dar. Nur darf man an der äußerlichen Gestalt und Färbung, welche die das Wunderbare liebende, indische Phantasie diesem weitverbreiteten Ur- Mythos gegeben hat, keinen zu großen Anstoß nehmen. Entkleidet man die hier zum erstenmal in eine europäische Sprache übersetzte Episode des Mahâ-Bhârata ihrer, der indischen Anschauungs- und Darstellungsweise angemessenen, Übertreibung und inneren Widerspruch nicht ausschließenden, aber dennoch großartigen Umhüllung, so bleibt folgendes die nackte Erzählung:
„Einem frommen Könige, genannt Manus, erschien der Herr der Geschöpfe (pradschâ-patis) Brahmâ, das höchste Wesen (1), verkündete ihm die bevorstehende alles vertilgende Überschwemmung, befahl ihm ein Schiff zu bauen und es in der Zeit der Gefahr zu besteigen, und die Samen aller Art, wie sie immer genannt wurden, wohl von einander abgesondert mitzunehmen. Manus gehorchte dem Befehl der Gottheit, brachte alle Samen in ein Schiff, welches er dann selbst bestieg. Das Schiff aber, von der Gottheit geleitet, schwamm viele Jahre auf dem Meere, bis es endlich auf des Berges Himawân höchstem Gipfel sich niederließ, wo es auf den Befehl der Gottheit festgebunden wurde. Dieser Gipfel wird darum heute noch Naubandhanam (Schiffs- Binden) genannt, und von Manus stammt das erhaltene Menschengeschlecht ab.“
Diejenigen, welche mit indischen Sagen nur irgend bekannt sind, wird es nicht befremden, daß die nachfolgende Episode den Manus nicht bloß als Erhalter und Fortpflanzer des Menschengeschlechts darstellt, sondern daß sie, im Erguß einer zügellosen Phantasie, ihn auch Götter (d.h. die unteren) und Asuren, alles Lebende und Leblose, Bewegliche und Unbewegliche auf übernatürliche Weise hervorbringen läßt; wenn gleich nicht berichtet wird, daß auch die alten Götter in der Überschwemmung untergegangen. Der Grundgedanke der Sage ist jedoch nur, daß Manus der Stammvater des neuen Menschengeschlechts sei; da sie ihn aber einmal als Urvater bezeichnet, so setzt sie ihm in seiner Hervorbringung keine Grenze, und in einem kühn entworfenen Bilde drängt sie alle sich darbietende Begriffe und Worte zusammen, um den Erhalter des Menschengeschlechts würdig zu verherrlichen. Auch mutet die mit Fabelhaftem so reichlich ausgestattete Erzählung dem Manus nicht zu, daß er auf natürlichem Wege sich als Urvater des neuen Menschengeschlechts zeige, sie läßt Frau und Kinder, die er vor der Überschwemmung schon haben mochte, ganz im Hintergrunde, und gibt ihm in seinem Schiffe bloß die sieben Rischi's oder heiligen Weisen, zu Begleitern. Die sieben Weisen sind in der indischen Mythologie mehr göttlicher als menschlicher Natur, und tun daher der Einheit des geretteten Menschen wenig Abbruch. Sie sind sogar als Söhne Brahmâ's von älterer Herkunft als die unteren Götter und deren Feinde die Asuren oder Titanen der indischen Mythologie. Einer der sieben Weisen, nämlich Marîtschis ist Vater des Kasjapas, der mit seinem Weibe Aditi die Götter und mit Diti die Asuren zeugte, die nach dem Namen ihrer Mutter auch Daitja's und Daitêja's heißen, oder nach Danu, wie es scheint ein Beiname der Diti, Dânawa's.
Auch die klassische Sprache der Indier hat dem merkwürdigen Ereignis der allgemeinen Erdüberschwemmung, aus welcher Manus sich rettete, ein unverkennbares Siegel aufgedrückt, aber nicht übertreibend, wie die Erzählung, sondern in der wahren Grenze sich haltend, und nicht Götter und Asuren sondern nur die Menschen als Abkömmlinge Manus bezeichnend. Man findet nämlich sehr häufig die Menschen Manudschas d.h. Manu geboren genannt, und auch die einfachen mit unserer deutschen Benennung des Menschen so auffallend übereinstimmenden Wörter mânuschas und manuschjas stehen ebenfalls in genauem Zusammenhang mit manu, wenn sie sich gleich nicht auf ganz regelmäßige Weise davon ableiten lassen. Außerdem entspringt noch aus dem Wortstamme manu das Patronymicum mânawas, Mensch, Mann, im Femininum mânawî Frau, gerade wie die Asuren nach ihrer Stamm- Mutter Danu, Dânawa's genannt werden, im Femininum Dânawî.
WILLIAM JONES hat in den Asiatischen Untersuchungen zuerst den Indischen Mythos von der Sündflut in einer Englischen Übersetzung bekannt gemacht, aber aus einer trüberen Quelle als diejenige ist, welche ich durch den Mahâ-Bhârata vor mir habe, nämlich aus dem Bhâgawata- Purâna. Die Purâna's und das eben genannte Epos werden zwar von den Eingeborenen einem und demselben Verfasser zugeschrieben, nämlich dem, der vorhistorischen Zeit angehörenden Wjâsas allein unter den Gelehrten ist jetzt allgemein das den Purâna's weit voranstehende hohe Alter des Mahâ-Bhârata anerkannt. Und wäre dies nicht der Fall, so würde es an innerer Beweiskraft nicht fehlen, welche die Sage von der Sündflut, wie sie im Mahâ-Bhârata vorgetragen wird, weit über die Zeit der Abfassung der Bhâgawata- Erzählung hinausrückte.
In beiden Urkunden ist es in Gestalt eines Fisches, daß Gott dem Manus erscheint, ihm die bevorstehende allgemeine Überschwemmung verkündet und ihn auffordert, alle Samen mit sich nehmend, mit den sieben Rischi's ein Schiff zu besteigen und auf dem Ocean seiner ferneren Erscheinung und Hülfe entgegen zu sehen. Der Verfasser des Bhâgawatam leitet aber seine Erzählung, als fürchtete er zu große Überraschung, wenn er ohne den Leser vorbereitet zu haben, einen Fisch redend auftreten ließe, dogmatisch ein, indem er sagt, daß um der Erhaltung der Herden und Brahmanen, der Geister und tugendhaften Menschen, der Wêda's, des Gesetzes und der kostbaren Dinge willen, der Herr des Weltalls mehrere Gestalten annimmt, daß er aber, obwohl wie die Luft eine Menge Wesen durchdringend, dennoch selbst unverändert bleibe, indem er keine der Veränderlichkeit unterworfene Eigenschaft besitze. Nun erzählt er das Ereignis der Überschwemmung, und ganz im Geiste der in sich vollendeten und mit Mythen reichlich ausgestatteten Brahmâ- Religion schreibt er diese dem Schlafe Brahmâ's zu, der nach einer Reihe von Weltaltern der Ruhe bedurfte, und welchem Hajagrîwas, ein Fürst der den Göttern feindlichen Dânawa's, die im Schlaf seinen Lippen entströmenden Wêda's entwandte. Wischnus bemerkt diesen Diebstahl, und, um der Wêda's willen und nicht um Manus von dem allgemeinen Untergang zu befreien, steigt er in Fisch- Gestalt zur Erde. Aus dem Flusse Kritamâlâ schöpft ihn Satjawratas, der König von Drawira, der eine Libation (Trankopfer) vornahm; und in dem in der Hand gehaltenen Wasser ein kleines Fischchen (Saphari genannt) sich bewegen sehend, warf er es mit dem Wasser in den Fluß zurück. Auf die Bitte des Saphari, der inständig und mit beredter Zunge den Satjawratas um Schutz vor den Ungeheuern des Flusses anruft, tut dieser ihn in ein Gefäß, und von da den wunderbar wachsenden und immer wieder um größeren Aufenthaltsort flehenden, in größere und größere Wasserbehälter, zuletzt in das Meer, wo der Fisch abermals um Rettung vor den gehörnten See- Ungeheuern fleht, von dem mehrmals getäuschten Satjawratas aber, der nun den Gott in ihm zu vermuten anfing, also angeredet wird: „Wer bist du, der du mich täuschest unter dieser angenommenen Gestalt? Niemals habe ich gesehen oder gehört von einem so wunderbaren Bewohner der Fluten, der wie du in einem einzigen Tage einen See von hundert Meilen im Umkreise ausfüllte. Gewiß du bist Bhagawân der mir erscheint, der große Haris, dessen Wohnung war auf den Fluten, der nun aus Mitleid gegen seine Diener die Gestalt der Erzeugten der Tiefe trägt. Gruß und Lob sei dir, o erster Mann! Herr der Schöpfung, der Erhaltung und der Zerstörung. Du bist, o höchster Herrscher, der erhabenste Gegenstand für uns, deine Anbeter, die fromm dich suchen. Alle deine scheinbaren Herabsteigungen zu dieser Welt geben verschiedenen Wesen das Dasein. Ich bin aber begierig zu wissen, aus welchem Grunde du diese Gestalt angenommen hast. O Lotusäugiger! Laß mich nicht vergeblich den Füßen eines Gottes nahen, dessen erhabene Wohltätigkeit sich auf alle erstreckte, als du uns, zu unserem Erstaunen, den Anschein anderer, nicht in Wirklichkeit existierender, aber nach einander dargestellter Körper zeigtest.“
Auf diese Anrede beschloß Wischnus den frommen Satjawratas aus der durch die Verderbtheit der Welt veranlaßten Zerstörung zu retten, verkündete ihm die bevorstehende Überschwemmung, und gab ihm die Weisung, mit allen Heilkräutern und der ganzen Menge der Samen, in Begleitung der sieben Rischi's, und umgeben von Paaren aller Tiere, in ein Schiff sich zu begeben, in welchem er sicher sein würde vor der Überschwemmung eines ungeheuren Meeres, ohne anderes Licht als den Glanz seiner sieben Begleiter. Wenn ein ungestümer Wind das Schiff umhertreiben würde, solle er es mit einer großen Meerschlange an seinem (des fischgestalteten Wischnus) Horn befestigen, denn er würde in seiner Nähe sein und das Schiff ziehen, bis die Nacht Brahmâ's ganz verflossen wäre. Dann aber sollte Satjawraias seine ganze Größe kennen lernen und die Beantwortung aller Fragen erfahren. Es geschah wie der Gott vorhergesagt, und wie er dem Satjawratas zu tun befohlen hatte. Wischnus erschien in der Zeit der Gefahr in Fischgestalt, glänzend wie Gold, über eine Million Meilen sich verbreitend, und mit einem ungeheuren Horn, an welches Satjawratas das Schiff band, und dann, glücklich über seine Rettung, den Erleger des Madhu's in einem feierlichen Hymnus pries. „Als der König (2) seinen Hymnus geendigt hatte, sprach Bhagawân der erste Mann, welcher für dessen Sicherheit bei der Überschwemmung wachte, ganz laut zu seinem eignen göttlichen Wesen, einen geheiligten Purâna aussprechend, der die Prinzipien der Sankhjâ- Philosophie enthielt. Allein es war ein unendliches Geheimnis, welches in dem Busen Satjawratas verborgen bleiben sollte. Sitzend im Schiffe mit den Rischi's hörte dieser das Prinzip der Seele, des ewigen Wesens, ausgesprochen von der erhaltenden Macht. Haris hierauf, mit Brahmâ aus der zerstörenden Überschwemmung, die sich gelegt hatte, sich empor hebend, tötete den Danawas Hajagrîwas, und erlangte wieder die heiligen Bücher. Satjawratas, unterrichtet in allem göttlichen und menschlichen Wissen, wurde durch Wischnu's Gunst in dem gegenwärtigen Weltalter zum siebenten Manus bestimmt und Waiwaswatas genannt. Der dem frommen König erschienene gehörnte Fisch aber war Mâjâ (Täuschung), und derjenige, welcher diese wichtige allegorische Erzählung andächtig anhört, wird von dem Joche der Sünde befreit werden.“
Die entsprechende Episode des Mahâ-Bhârata zeichnet sich von der ausgeschmückten und weit ausgesponnenen Erzählung des Bhâgawata, die wir im Auszug nach JONES'S Übersetzung mitgeteilt haben, durch einfachen, das Gepräge eines hohen Alters an sich tragenden Vortrag und einige wesentliche Verschiedenheiten des Inhalts aus. Schön und großartig ist die allgemeine Überschwemmung in einigen Versen geschildert, und der als gehörnter Fisch erscheinende Gott, statt, wie im Bhâgawata, im Geiste eines späteren, religiös und philosophisch ausgebildeten Zeitalters einen geheimnisvollen Purâna und die Prinzipien einer philosophischen Schule zu verkünden, zieht schweigend das Schiff, in welchem Manus und die sieben Rischi's waren, weit hin über den Ozean; viele Reihen von Jahren zieht er es fort, bis es zu des Berges Himawân höchstem Gipfel gelangt, wo das Schiff festgebunden wurde. Jener Gipfel aber, so lautet die Sage, wird heute noch Naubandhanam d.h. Schiffs- Bindung genannt. Merkwürdig ist dieser Umstand, daß nämlich im Bewußtsein des hohen Alters eines Ereignisses, von einem darnach benannten Orte gesagt wird, daß er noch heute so genannt werde. Von viel erheblicherer Wichtigkeit aber ist dies, was unserer mahâbhâratischen Sage das Ansehen einer Überlieferung aus vorbrahmanischer Zeit gibt, daß nämlich in derselben die Verkörperung der Gottheit in die Gestalt eines Fisches nicht an das Dogma der Herabsteigungen (awatâra's) Wischnus sich anschließt, welches ein Grundpfeiler der Indischen Mythologie ist, und womit der Verfasser des Bhâgawata seine Erzählung einleitet; sondern daß die rettende Gottheit dem Manus als Brahmâ sich zu erkennen gibt, mit den Worten: „Ich bin der Herr der Geschöpfe Brahmâ; Erhabeneres als ich gibt es nichts.“ Man nehme an dem Namen Brahma keinen Anstoß, und knüpfe nicht daran alle Vorstellungen der Brahmanen- Religion. Mir ist hierbei nur wichtig, daß der Gott nicht Wischnus genannt wird. Die Scholiasten wissen jedoch sehr leicht die Erzählung des Mahâ-Bhârata mit der späteren Gestaltung des Mythos in Einklang zu bringen, und den Brahmâ, so deutlich er sich auch selbst als solchen zu erkennen gibt, zum Wischnus zu machen, welcher letztere wegen seines Wachsens hier den Namen Brahmâ führen soll. Es ist einleuchtend, daß diese gewaltsame Verdrängung des Brahma aus unserer Erzählung bloß auf eine der gewagtesten Etymologien sich gründet, welche den Namen Brahma (die Grundform ist Brahman), der wie die meisten durch die sogenannten Unadi- Suffixe erklärten Wörter in der Tat unerklärbar ist, aus der Wurzel wrih (wachsen) entspringen läßt. Allein gesetzt auch diese so verdächtige Ableitung wäre gegründet, und Brahmâ hätte seinen Namen von seinem Wachsen oder seiner Größe, so geht hieraus noch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit hervor, daß in einer ganz einfachen Erzählung, wie die des Mahâ-Bhârata von der Sündflut, Wischnus oder irgend ein anderer Gott, der auch gewachsen und groß ist, Brahmâ genannt werden könne. Wäre dies der Fall, so würden wir in den altindischen Schriften keinen Gott mehr von dem anderen unterscheiden können, wir wären immer bloß den gewaltsamen Deutungen später Scholiasten hingegeben, die ohne Kritik alles in der Befangenheit ihrer Sekte und ihrer Zeit erklären, und Sprache und Mythen gleich willkürlich behandeln. Die Wischnuiden mögen uns darum verketzern, wir lassen in dem Berichte des Mahâ-Bhârata dem Herrn der Geschöpfe Brahmâ die Ehre, den König Manus aus der Überschwemmung gerettet zu haben. Wie sehr aber die beiden Scholiasten, Nilakanthas und Tschatur-Bhudschas, die ich zu Rate gezogen habe, die einfache Erzählung von der allgemeinen Überschwemmung, wie sie der Mahâ-Bhârata gibt, mit ihrem Religionssystem im Widersprach finden und sie nicht begreifen können, zeigen sie noch besonders dadurch, daß sie die ganze Geschichte allegorisch zu deuten suchen, obwohl sie sonst an viel wunderbareren Ereignissen keinen Anstoß nehmen. Nach der allegorischen Erklärung welche Nilakanthas in der Einleitung zu dieser Episode gibt, wäre der Fisch das Leben, Manus die Ichheit (ahankâra), das Gefäß und die anderen großen Wasserbehälter eben so viel verschiedene Körper, die Samen die früheren Handlungen usw..
Im Bhâgawata wird die Überschwemmung als Folge des Schlafes Brahmâ's dargestellt, und erst später, mit Wischnus eigenen Worten, der Verderbtheit des Zeitalters zugeschrieben; die Episode unseres Epos hingegen weis nichts vom Schlafe Brahmâ's und der dadurch veranlaßten Überschwemmung, und eben so wenig von der Vorstellung der vierzehn in eben so vielen großen Weltperioden aufeinander folgenden Manus; sondern der gerettete König, der im Bhâgawata erst nach der Überschwemmung als Manus erkoren wird, tritt hier sogleich als Wiwaswân's (der Sonne) Sohn Manus auf, und daß andere seines Namens ihm vorangegangen und andere ihm folgen werden, wird mit keiner Silbe angedeutet. Die Überschwemmung aber wird zwar nicht ausdrücklich als Strafe für die Verderbtheit des Menschengeschlechts angeführt, doch glaube ich, daß die Worte „diese Reinigungs- (Abwaschungs-) Zeit der Geschöpfe ist genaht“ nicht anders als so gedeutet werden können, daß durch die Strafe der Überschwemmung die Welt von ihrem entarteten Zustande gereinigt werde, weil schwerlich im buchstäblichen Sinne ein Abwaschen der Welten durch die Fluten des ausgetretenen Meeres gemeint sein kann.
Über das Alter des Mahâ-Bhârata läßt sich wenig zuverlässiges sagen, nur soviel scheint ausgemacht, daß er nach den Wêda's, den Gesetzen Manu's und dem Râmâjana das älteste Werk der Indischen Literatur ist. Sein Stil zeigt eben so deutlich den Charakter einer einfachen Naturpoesie, als in den Purâna's die Spuren einer verhältnismäßig viel jüngeren Abfassung sich nicht verkennen lassen. Merkwürdig ist es, daß in einem derselben, dem Mârkhandêja- Purâna, welchen Hr. Dr. ROSEN nach einer hiesigen Handschrift untersucht hat, der Mahâ-Bhârata als ein Werk von der gewichtvollsten Autorität feierlich gepriesen wird, auf folgende Weise: „Wie unter den dreizehn Göttern Wischnus, wie unter den zweimal geborenen der Brahman, wie unter allen Arten von Schmuck der Edelstein im Diadem, wie unter den Sinnen das Gemüt, so ist unter allen Büchern der Mahâ-Bhârata das trefflichste. In ihm werden Sache und Pflicht, Begierde und Erhebung über das Sinnliche beschrieben, Liebe zu Freunden und Liebe zum Gewinn, jede besonders. Von den Büchern der Begierde ist dies das beste, eben so von den Büchern der Weisheit, und von den Büchern des Gleichmuts auch, wie von den Anweisungen zur Tugend“. Offenbar ist aber in diesem riesenhaften Gedicht von hunderttausend Distichen, worin vieles vom höchsten Interesse mit noch mehrem vom geringfügigsten Inhalte sich vereinigt findet, nicht alles von gleichem Alter. Vieles ist gewiß spätere Einschaltung, anderes aber mag auch weit über die Zeit der Abfassung oder Sammlung des Gedichtes selbst hinausreichen, und vielleicht viele der wichtigsten und schönsten Episoden, die der Verfasser oder Sammler als merkwürdige Sagen oder Gesänge der Vorzeit in sein Gedicht aufnahm, und so wiedergab, wie sie im Verhältnis des stärkeren oder schwächeren Eindrucks, den ihr Inhalt auf das Gemüt machte, mehr oder minder ihrer Urgestalt getreu in schriftlicher oder mündlicher Überlieferung sich erhalten hatten. Zu den Episoden dieser Art wird vor allem die von der Sündflut zu rechnen sein, und hierdurch erklärt es sich am besten, daß die Lehre von der Verkörperung Wischnus, so nahe auch ihre Berührung lag, und so oft sie auch an anderen Stellen unseres Heldengedichts vorkommt, der erwähnten Episode ganz fremd scheint. Sie gehört, wie die drei anderen hier mitgeteilten Episoden, zum dritten Teile des Mahâ-Bhârata, Vana-parvan genannt, welcher den Aufenthalt der Pândawa's in der Wildnis besingt, wo einst der Brahman Mârkhandêjas sie besuchte und ihnen, zur Erheiterung und Linderung ihres Kummers über die Verbannung, viel merkwürdiges und anziehendes aus alten Sagen und Dichtungen berichtete; und als Judhischthiras, der älteste der Pandawas zu ihm sagte: „Erzähle hier den Wandel Manus, des Sohnes Wiwaswâris (der Sonne)“ da entsprach er seiner Aufforderung durch Erzählung der Geschichte der großen Überschwemmung, die weniger als andere Episoden des Mahâ-Bhârata durch dichterische Schönheit als durch andere Beziehung, worauf wir aufmerksam gemacht haben, von höchster Wichtigkeit ist, und die ich wie die drei folgenden Episoden möglichst getreu aus der Ursprache übersetzt habe, mit Verzichtleistung auf poetische Form, aber mit Beibehaltung der Einteilung in Sloka's oder Strophen. Die beiden folgenden Episoden, Sâwitrî und der Raub der Draupadi sind mehr in poetischer als in anderer Beziehung merkwürdig, und sie werden daher am besten für sich selber reden. Doch ist erstere auch von mythologischer Bedeutung, und hat mir in einer noch nicht gedruckten akademischen Abhandlung Veranlassung gegeben, mich über den Charakter des Jamas ausführlicher auszusprechen, da er als Gott des Todes in dieser Episode in der Verrichtung seines Amtes auftritt. Die letzte Episode, „Ardschunas Rückkehr“ wovon ich hier nur die wichtigsten Gesänge mitteile, verdiente schon als Gegenstück zu der früher von mir herausgegebenen Himmel- Reise des Ardschunas einer Bekanntmachung. Sie ist aber auch von selbstständigem Werte und außer ihrem dichterischen Gehalte besonders darum wichtig, weil sie auf den ewigen Streit der Götter bezieht, welche letzteren Ardschunas im Auftrage seines himmlischen Vaters, des Götterfürsten Indras, auf dessen himmlischem, mit zehntausend Pferden bespannten und von Mâtalis gelenkten Wagen bekämpft. Der Urtext dieser vier Episoden ist bereits gedruckt und erscheint in einem besonderen Werke.
(1) Er sagt von sich selbst in der Episode „Höheres als ich gibt es nichts“.
(2) so schließt die Episode des Bhâgawatam