Pushpak Nalas und DamajantiZurück WeiterNews

Zehnter Gesang

Nalas:

Wie dem Vater das Reich höret,
So hört es mir, ich zweifle nicht;
Dennoch werd' ich nicht hingehen
Nun im Unglücke, keineswegs!
Wo ich im Glücke dir nahte,
Vermehrer deiner Freuden einst,
Werd' ich im Elend dort hingehn.
Vermehrer deiner Leiden nun? —

Also sagte der Fürst Nalas
Zu Damajanti für und für,
Sie aufheiternd, die Glücksel'ge,
Die ein halbes Gewand umhüllt.
Mit Einem Kleid bedeckt beide,
Irrten sie hier und dort umher;
Hungrig, durstig, und sehr müde,
Einer Waldhütte nahten sie.
Angelangt in der Waldhütte,
Der Beherrscher von Nischadha,
Mit der Gattin zugleich, setzte
Sich nieder auf der Erde Schoß,
Schrecklich entstellet und kleidlos,
Mit vielem Staub bedecket auch,
An Damajanti's Seit', müde,
Schlief er ein auf der Erde Schoß.
Damajanti, die Glücksel'ge,
Vom Schlafe überwältigt auch,
Schlummerte ein alsbald dorten,
Im Jugendreiz, die fromme, sie.
Während Waidarbhi schlief aber,
Konnte Nalas der König nicht,
Dem Kummer im Gemüt tobte,
Des Schlafs sich freuen wie vordem.
Seines verlornen Reichs denkend,
Der Trennung von den Freunden auch,
Im Walde der Umherirrung,
In der Seele erwog er nun:
Wie wär' es, wenn ich dies täte,
Und wenn ich's unterließe, wie?
Wäre der Tod nicht viel besser,
Als Trennung von den Meinigen?
Mir treu ergeben muß Diese
Mühsal ertragen meinethalb;
Von mir getrennt kann einstens
Ihren Verwandten Diese nahn.
Mit mir vereint ist unfehlbar
Schmerz beschieden der Liebenden;
Von mir getrennt vielleicht kann sie
Noch Glück und Freude finden wo. —

So erwog er bei sich vielfach,
Und überlegte für und für;
Zu verlassen beschloß dann er
Damajanti, der Männerfürst.
„Niemand kann ihr ein Leid antun,
Auf der Wanderung, der Strahlenden,
Der Ruhmvollen und Glücksel'gen,
Meiner keuschen Gemahlin, ihr!“
Solche Gesinnung dort hegte
Gegen Bhaimi Nalas der Fürst,
Dessen Seele bezwang Kalis,
Zu verlassen die Gattin sein.
Seiner Blöße anjetzt denkend,
Und des Kleides, das jene deckt,
Zu entziehn ihr des Kleids Hälfte
Beschloß der König in dem Geist:
„Wie entziehn ihr das Kleid aber,
Und nicht wecken die Teuere?“
Also dachte der Fürst Nalas,
Die Waldwohnung durchsucht' er dann.
Um dieselbe umherschreitend,
Hin und wieder, o Pându's Sohn, (1)
Fand suchend bei der Waldwohnung
Er ein treffliches Schwert sogleich,
Spaltet damit des Kleids Hälfte,
Und entzog's, Er, der Feinde Schreck,
Verließ schlafend hierauf Bhaimi,
Die bewußtlose, und entwich.
Wieder naht' er der Waldhütte,
Zurückgezognen Herzens dann,
Und Damajanti anblickend,
Weinte der Fürst von Nischadha:
„Die nicht Wâjus, der Wind, schaute,
Und Sûrjas nicht, der Sonne Gott,
Auf dem Boden hier schläft diese,
In der Hütte, wie ganz verwaist!
Jetzo schläft sie, die Schönhüft'ge,
Doch wie wird der Erwachten sein?
Wie wird allein die Sittsame,
Die Schöne, meines Schirms beraubt,
In der Wildnis umher irren,
Von Wild und Schlangen auch bedroht?
Aditja's, Wasu's und Rudra's, (2)
Nebst den Winden die Aswina's,
Mögen dich schützen, Hochedle,
Die Tugend dient zur Stütze dir!“
Zur teuren Gattin sprach also,
Unvergleichbar an Schönheit ihr,
Nalas, des Geist entzog Kalis;
Weiter ging er von dannen drauf.
Wie er gehet und geht vorwärts,
Wieder kehrt er und wieder dann.
So wie Kalis ihn weg ziehet,
So zog Liebe ihn wieder her.
Zweifaltig war das Herz gleichsam
Des bekümmerten Königs.
Wie eine Schaukel weg zog's ihn,
Wieder und wieder her sogleich.
Hinweg gezogen durch Kalis,
Entwich Nalas betäubt jedoch,
Schlafend dort sein Gemahl lassend,
Und klagend mitleidsvoll gar sehr.
In des Kalis Gewalt, sinnlos,
Dies und dieses erwägend noch,
Im öden Wald allein lassend
Seine Gattin, floh er betrübt.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter

(1) Pându's Sohn. Die Episode von Nalas und Damajanti wird den Pându-Söhnen, den Helden des Mahâ-Bhârata erzählt, deren ältester, Judhischthiras, in dieser und ähnlichen Anreden gemeint ist. Er wird zuweilen auch Bhâratas, nach seinem Vorfahr Bharatas, genannt.
(2) Die Aditja's, Wasu's und Rudra's sind verschiedene Klassen von Genien, wovon eine jede eine bestimmte Anzahl begreift. Der Aditja's sind zwölf, wahrscheinlich Personifikationen der Sonne nach ihrem Stande in den zwölf Monaten; denn âditja heißt Sonne. Der Rudra's sind elf und der Wasu's acht; unter letzteren Somas der Mond, Anilas der Wind und Analas das Feuer. Dies hindert aber nicht, daß Mond, Wind und Feuer außer ihrem untergeordneten Charakter als Wasu's noch als besondere Gottheiten gedacht werden.