Pushpak Vishnu PuranaZurück WeiterNews

6.4. Die elementare Auflösung der Welt

Parasara fuhr fort:
Erst wenn das Wasser die Region der sieben Rishis erreicht, und die ganze dreifache Welt ein einziges Meer ist, hält es an. Danach wird der Atem von Vishnu zum mächtigen Wind, der mehr als hundert Jahre stürmt, bis alle Wolken wieder zerstreut sind. Dann wird der Wind zurückgezogen, und Er, aus dem alle Geschöpfe kommen, der Herr von allem Existierenden, der Unvorstellbare und Anfangslose, ruht auf (der Urschlange) Sesha inmitten des Wassers. So birgt Hari in sich den Schöpfer in Form von Brahma und schläft auf den Wassern, verherrlicht von Sanaka und allen Heiligen, die zum Janaloka aufgestiegen sind, und meditiert von den heiligen Bewohnern des Brahmaloka auf ihrem Weg zur höchsten Befreiung. Im mystischen Schlaf vertieft meditiert die himmlische Verkörperung seiner eigenen Illusion seinen eigenen, unbeschreiblichen Geist, der Vasudeva genannt wird. Oh Maitreya, das ist die Auflösung, die man zyklisch nennt, weil Hari in der Form von Brahma nach dem Tag (der Schöpfung) eine Nacht lang schläft.

Wenn dann der universale Geist (in der Morgendämmerung) wieder erwacht, erwacht auch die Welt wieder zum Leben (in gleicher Form, wie sie zuvor eingeschlafen war, ähnlich unserer menschlichen Erfahrung von Tag und Nacht, Wachen und Schlafen). Und wenn Brahma am Abend wieder seine Augen schließt, dann fallen alle Wesen zurück in den mystischen Schlaf auf dem Bett (von Sesha). Und so wie 1.000 Mahayugas (Zyklen der vier Zeitalter) einen Tag von Brahma bilden, so besteht auch seine Nacht in gleicher Länge, während die Welt in einem ausgedehnten Meer versunken ist. Am Ende seiner Nacht läßt der ungeborene Vishnu in Form von Brahma (dem Schöpfergott) das ganze Weltall wieder entstehen, wie ich es (im 1.Buch) erklärt habe. Damit habe ich dir die zyklische Auflösung der Welt beschrieben, die am Ende jedes Kalpas geschieht. Oh Maitreya, nun werde ich von der elementaren Auflösung sprechen.

Wenn durch Erschöpfung und Feuer alle Welten und die Unterwelt vergehen und die Gestaltungen der universalen Intelligenz (Mahat) und damit alle Erscheinungen der Natur durch den Willen von Vishnu vernichtet werden, dann hat die elementare Auflösung begonnen. Dann verschlingt zuerst das Wasser die Eigenschaft der Erde, die der Geruch ist. Und ohne Eigenschaft verschwindet das Erdelement im Wasser. Das Wasser vermehrt sich daraufhin, braust und wallt, verschlingt alle belebten und unbelebten Geschöpfe, bis alles nur noch ein einziges Meer ist. Wenn dann das Weltall von den Wellen des Wasserelements ganz erfüllt ist, wird seine elementare Eigenschaft, der Geschmack, vom Feuerelement verschlungen, und ohne Eigenschaft verschwindet das Wasser im Feuer. Dann wird das Weltall von Flammen erfüllt, die das Wasser überall verzehren und sich allmählich im ganzen Universum ausbreiten. Wenn der Raum in allen Richtungen ein Flammenmeer ist, verschlingt das Windelement die elementare Eigenschaft des Feuers, die Sichtbarkeit, welche die Ursache des Lichtes ist. Damit wird alles zur Natur des Windes. Wenn die Sichtbarkeit verschwunden und das Feuer seiner Eigenschaft beraubt ist, löscht der Wind das Feuer und breitet sich unwiderstehlich im Raum aus, der nun ohne das Licht völlig dunkel ist. Dann erstreckt sich der rauschende und ziehende Wind in alle zehn Richtungen, bis seine elementare Eigenschaft, die Fühlbarkeit, vom Raum verschlungen wird. Ohne Eigenschaft verschwindet der Wind, und reiner Raum bleibt zurück. Leer an Form, Geschmack, Fühlbarkeit und Geruch besteht er unverkörpert und grenzenlos und erfüllt alles. Dann gibt es nur noch Raum, dessen elementare Eigenschaft der Klang (bzw. Schwingung) ist. Danach verschlingt das Ichbewußtsein jeden Klang, und ohne Eigenschaft verschwindet der ganze Raum. Damit sind alle Elemente und ihre Eigenschaften in ihrer ursprünglichen Quelle aufgelöst. Diese Quelle ist das Element des Ichbewußtseins, das mit der Eigenschaft der Dunkelheit (bzw. Illusion) verbunden ist. Es wird schließlich vom Mahat (der universellen Intelligenz, bzw. reinem Bewußtsein) verschlungen, dessen Eigenschaft Intelligenz ist. Und Erde und Mahat sind die inneren und äußeren Grenzen des Universums.

In gleicher Weise, wie zur Schöpfung diese sieben Elemente der Natur vom Mahat bis zur Erde entfaltet werden, so gehen diese sieben während der elementaren Auflösung nacheinander ineinander ein. Das ganze goldene Ei von Brahma (die Schöpfung) wird im Wasser aufgelöst, mit seinen sieben Inselkontinenten, sieben Ozeanen, sieben Regionen und ihren großen Bergen. Der Inhalt des Wassers wird vom Feuer aufgenommen, der Inhalt des Feuers vom Wind und der Inhalt des Windes vom Raum. Das primäre Element des Ichbewußtseins löst den Raum in sich auf und wird selbst vom reinen Bewußtsein aufgelöst, das dann zum Unentfalteten wird. Diese stille Ausgeglichenheit der drei natürlichen Qualitäten ohne ein Zuviel oder Zuwenig wird unentfaltete Natur (Prakriti), Ursprung (Hetu), Meer der Ursachen (Pradhana), erste Ursache (Karana) oder das Höchste (Param) genannt. Dies alles ist im Wesen das Eine, ob es entfaltet oder unentfaltet erscheint. Deshalb muß schließlich alles Entfaltete wieder im Unentfalteten vergehen. Auch der Geist, der rein, unvergänglich, ewig und alldurchdringend ist, ist ein Teil dieses Höchsten Geistes, der alles ist. Dieser Geist ist höher als der (verkörperte) Geist, in dem es die Eigenschaften wie Name und Form gibt. Er umfaßt alles Wissen und sollte als alleiniges Sein verstanden werden. Das ist Brahman, unendlicher Glanz, höchster Geist, höchste Macht, Vishnu und alles, was ist, von wo der vollkommen Befreite nicht mehr zurückkehrt. Die Natur, die ich dir als entfaltet und unentfaltet beschrieben habe, und der belebende Geist lösen sich alle wieder im Höchsten Geist auf. Er ist der Erhalter aller Geschöpfe und der Allherrscher. Er wird in den Veden und im Vedanta unter dem Namen von Vishnu verherrlicht.

Die Lebensaufgabe, die in den Veden dargelegt wird, ist von zweierlei Art. Sie umfaßt das Handeln (Pravritta) und das Nichthandeln (Nivritta). Mit beiden verehrt die Menschheit das Höchste Wesen. Er, der Herr des Opfers, der Mann des Opfers und das höchste Männliche wird von den Menschen im Handeln nach den Riten und Geboten des Rig, Yajur und Saman Veda verehrt. Und die Selbsterkenntnis, das Wesen der Weisheit, und Vishnu, der Gewährer der Befreiung wird von den Weisen im Nichthandeln durch innere Stille und geistige Hingabe verehrt. Der unerschöpfliche Vishnu ist jedes beliebige Ding, das durch Name und Form erkannt und auch nicht erkannt werden kann. Er ist das Entfaltete und das Unentfaltete. Er ist unerschöpflicher Geist, höchster Geist und universaler Geist. Er ist Hari, der Träger aller Formen. Die entfaltete und unentfaltete Natur wie auch der belebende Geist verschmelzen in ihm zum alldurchdringenden und grenzenlosen Geist.

Die Periode über zwei Parardhas (die Lebenszeit eines Brahma), wie ich sie dir, oh Maitreya, beschrieben habe, wird ein Tag dieses mächtigen Vishnu genannt. Und die Zeit, während die Erscheinungen der Natur in ihrer Quelle verschmolzen sind, die Natur im Geist und dieser im Höchsten Geist, wird seine Nacht genannt und ist von gleicher Dauer wie sein Tag. Aber in Wahrheit gibt es für diesen ewigen höchsten Geist weder Tag noch Nacht. Diese Unterscheidung wird nur symbolisch auf den Allmächtigen angewandt. Damit habe ich die elementare Auflösung erklärt und werde dir im Folgenden die vollkommene andeuten.


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