Pushpak Vishnu PuranaZurück WeiterNews

1.22. Die Herrschaft im Universum

Parasara sprach:
Und wie Prithu von den großen Rishis zum mächtigen Herrscher der Erde gekrönt wurde, setzte der Große Vater aller Wesen auch andere Herrscher in den Bereichen der Schöpfung ein. Soma (der Mond) wurde zum König der Sterne, Planeten, Brahmanen und Pflanzen sowie aller Handlungen des Opfers und der Askese. Kuvera wurde zum König der Schätze, Varuna zum König des Wassers, Vishnu zum König der Unsterblichen, Pavaka zum König der Vasus, Daksha zum König der Stammväter und Indra zum König der Götter und Maruts (Sturmgötter). Prahlada wurde zum König der Dämonen, Yama zum gerechten König der Ahnen (Pitris), Airavata zum König der Elefanten, Garuda zum König der Vögel, Uchchhaisrava zum König der Pferde, Vrishabha zum König der Kühe, Sesha zum König der Schlangen, der Löwe zum König der Tiere und der heilige Feigenbaum zum König der Bäume. Nachdem der Große Vater Brahma damit die weltlichen Grenzen der Herrschaft gesetzt hatte, bestimmte er auch die Herrscher für den Schutz der vier Himmelsrichtungen. Sudhanwan, der Sohn des Stammvaters Viraja, wurde der Regent des Ostens. Sankhapada, der Sohn des Stammvaters Kardama, wurde der Regent des Südens. Der unsterbliche Ketumat, der Sohn des Rajas, wurde der Regent des Westens, und Hiranyaroman, der Sohn des Stammvaters Parjanya, zum Regenten des Nordens. (Sie wohnen auf den Lokaloka Bergen am Ende der Erde.) Durch sie ist die ganze Erde mit ihren sieben Inselkontinenten und allen Städten bis zum heutigen Tag innerhalb der gesetzten Grenzen wachsam beschützt. Alle diese Könige und anderen Herrscher, die zur Bewahrung der Schöpfung bestimmt wurden und in Zukunft bestimmt werden, sind Teil des universalen Vishnu, oh Bester der Munis. Die Herrscher der Götter und Dämonen, der Geister, Tiere, Vögel, Menschen, Schlangen, Bäume, Berge, Sterne und Planeten waren, sind und werden immer Teil von Vishnu sein, der eins mit dem ganzen Universum ist. Denn die Macht zur Erhaltung der Schöpfung wohnt allein in Hari, dem Herrn von allem.

Er ist der ewige Schöpfer der Welt, der Erhalter und Zerstörer, indem er die natürlichen Qualitäten der Leidenschaft, Güte und Trägheit (Rajas, Sattwa und Tamas) annimmt. Durch seine vierfache Manifestation bewirkt Vishnu die Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung. Als Schöpfer nimmt er die natürliche Qualität der Leidenschaft an und erscheint in seiner ersten Manifestation als Brahma, der die Geschöpfe aus dem Unentfalteten entfaltet, in seiner zweiten als die Stammväter wie zum Beispiel Marichi, in seiner dritten als die Zeit (Kala) und in seiner vierten als die Wesen selbst. Als Erhalter nimmt der Höchste Geist die Qualität der Güte an und erscheint in seiner ersten Manifestation als Vishnu, in seiner zweiten als Manu und die anderen Stammväter, in seiner dritten als die Zeit und in seiner vierten als die Wesen selbst. Als Zerstörer am Ende der Schöpfung nimmt der Unvergängliche die Qualität der Trägheit an und erscheint in seiner ersten Manifestation als Rudra, in seiner zweiten als das alleszerstörende Feuer, in seiner dritten als die Zeit und in seiner vierten als die Wesen selbst. Dies, oh Brahmane, ist die vierfache Manifestation der Gottheit in den entsprechenden Zeiten.

Brahma, Daksha, Zeit und alle Wesen sind die vier Energien von Hari, welche die Ursachen der Schöpfung sind. Vishnu, Manu, Zeit und alle Wesen sind die vier Energien von Vishnu, welche die Ursachen der Erhaltung sind. Rudra, Feuer, Zeit und alle Wesen sind die vier Energien von Krishna, die zur universalen Auflösung wirken. Vom Anfang bis zum Ende ist das Schöpfen das Werk von Brahma, der Stammväter und aller Lebewesen. Brahma entfaltet die Schöpfung, die Stammväter gründen die Stämme, und die Lebewesen vermehren ihre Arten. Doch nur, wenn die Zeit reif ist, können Brahma, die Stammväter und die Lebewesen ihre schöpferische Wirkung entfalten. In der Zeit der Erhaltung und Auflösung sind die vier Manifestationen der Gottheit ebenso notwendig. Welche Handlung auch immer ein Geschöpf vollbringt, der Handlende ist eine Manifestation der Gottheit in Form von Vishnu. Und welches Geschöpf auch immer zerstört wird, der Zerstörende ist eine Manifestation der Gottheit in Form von Rudra. So ist die Gottheit der Schöpfer, Erhalter und Zerstörer des ganzen Universums, dreifach entsprechend der drei natürlichen Qualitäten der Leidenschaft, Güte und Trägheit. Aber sein wahres Wesen ist stets frei von allen Qualitäten. Denn auch diese vierfachen Manifestationen sind in ihrer Essenz reiner Geist, der alles durchdringt, unvergleichlich ist und nur sich selbst erkennt.

Da fragte Maitreya:
Oh Muni, sage mir, auf welchem Weg kommt man zu dieser unvergleichlichen Erkenntnis des Brahman? Und was ist die höchste Stufe, die man auf diesem Weg erreichen kann?

Parasara sprach:
Das, oh Maitreya, was die Ursache für etwas ist, nennt man das Mittel der Wirkung, und das, was der Wunsch der Seele ist, nennt man das Ziel der Wirkung. Für den Yogi, der den Pfad der Befreiung geht, sind die Mittel Atemkontrolle, Meditation und ähnliches, und das Ziel ist das höchste Brahman, von woher keine Person mehr in die Welt zurückkehren muß. Oh Muni, die erste Stufe im Yoga, die wesentlich mit dem Pfad zur Befreiung verbunden ist, ist das unterscheidende Wissen (z.B. zwischen heilsam und unheilsam). Die zweite Stufe, die der Yogi erreichen sollte, ist die Erkenntnis (des Selbst bzw. der Gottheit), die zur Befreiung vom Leiden und zu zeitloser Glückseligkeit führt. Die dritte Stufe ist die Erkenntnis, daß Ziel und Mittel eins sind, wodurch die dualistischen Begriffe verschwinden. Die vierte und letzte Stufe ist die Auflösung aller Gegensätze, welche in den drei vorhergehenden Stufen der Erkenntnis noch möglich sind, und die beständige Erkenntnis der wahren Essenz der Seele. Dieses höchste Dasein von Vishnu, der reines Bewußtsein ist, besteht in der Erkenntnis der Wahrheit. Diese Erkenntnis benötigt keinerlei Anstrengung mehr, kann nicht gelehrt werden, ist alldurchdringend, unvergleichlich, selbstleuchtend, einfach gegenwärtig, undefinierbar, still, furchtlos und rein. Diese Erkenntnis ist kein Gegenstand von Gedanken und benötigt auch keine äußerlichen Bedingungen oder Erklärungen. Ein Yogi, der durch die Überwindung der Unwissenheit über diese vier Stufen mit dem Brahman verschmilzt, vernichtet den Samen seines Karmas, so daß auf dem Feld der Welt keine Existenz mehr keimen kann. Das ist das höchste Dasein, das man Vishnu nennt, vollkommen, zeitlos, universal, unvergänglich, ganzheitlich und alldurchdringend. Der Yogi, der diesen höchsten Geist (das Brahman) erreicht hat, muß nicht mehr im Rad der Existenzen geboren werden, weil er von allem Karma, von Verdienst und Sünde sowie von Glück und Leid befreit ist.

Das Brahman wohnt auf zweifache Weise in allen Wesen, nämlich formhaft als das Vergängliche und formlos als das Unvergängliche. Das Unvergängliche ist das Höchste Wesen, das Vergängliche ist die ganze Welt. Oh Maitreya, wie eine Flamme ringsherum Licht und Hitze entfaltet, so ist diese ganze Welt nichts anderes als die manifestierte Energie des höchsten Brahman. Und wie Licht und Hitze stärker werden, um so näher man dem Feuer kommt, so steigt die Energie, um so näher man dem Brahman (bzw. der Wahrheit) kommt. Brahma, Vishnu und Shiva sind die stärksten Energien des Brahman. Danach kommen die anderen Götter, die Dämonen, Ahnen, Menschen, Tiere, Vögel, Insekten, Bäume und andere Pflanzen. Ihre Energie wird immer schwächer, je mehr sie von der Urquelle getrennt existieren. Auf diese Weise, oh berühmter Brahmane, erscheint und vergeht diese ganze Welt und ist der Geburt und dem Tod unterworfen, obwohl sie in ihrem Wesen unvergänglich und ewig ist.

Am Anfang meditieren die Yogis über das höchste Brahman in Form des allmächtigen Vishnu als Einheit aller göttlichen Mächte. Und wenn ihr ganzer Geist allein auf diesen Einen konzentriert ist und beständig bleibt, erreichen sie auf diesem Weg das mystische Verschmelzen im höchsten Brahman. Vishnu ist in allen Energien dem Brahman am nächsten. Er gilt als dessen verkörperte Form, weil er ganz und gar aus Brahman besteht. In ihm erscheint und vergeht das ganze Universum. Er ist der höchste Herr von allem, was vergänglich und unvergänglich ist. Er erhält mit seinen Ornamenten und Waffen diese ganze materielle und geistige Schöpfung.

Da fragte Maitreya:
Oh sage mir, wie erhält Vishnu mit seinen Ornamenten und Waffen diese ganze Welt, die in seinem Wesen existiert?

Und Parasara sprach:
Voller Verehrung für den mächtigen und unbeschreiblichen Vishnu werde ich dir wiederholen, was mir einst Vasishta erzählt hat. Der große Hari trägt die reine Seele der Welt, unbefleckt und frei von den natürlichen Qualitäten, als Kaustubha Juwel. Das Meer der Ursachen (Pradhana) trägt der Unvergängliche als Srivatsa-Zeichen (Endlosknoten) und die Vernunft in Form einer Keule. Das Ichbewußtsein in seiner zweifachen Form als die Elemente und die entsprechenden Sinne trägt der höchste Herr als Muschel und Bogen. Das Denken trägt Vishnu in seiner Hand in Form eines Diskus, der schneller als der Wind fliegen kann. Die fünf Elemente trägt der Gott als die Girlande Vaijayanti mit fünf wertvollen Edelsteinen um seinen Hals. Die Handlungs- und Sinnesorgane trägt Krishna in seinen zahlreichen Pfeilen. Und die heilige Erkenntnis ist das strahlende Schwert des Unfehlbaren, das gewöhnlich in der Scheide der Unwissenheit verborgen ist. Auf diese Weise sind Geist, Natur, Vernunft, Bewußtsein, Elemente, Sinne, Denken, Unwissenheit und Weisheit in der Person von Vishnu vereint. Und obwohl Vishnu selbst formlos ist, verkörpert er zum Wohl aller Wesen diese Dinge der Welt als seine Waffen und Ornamente.

Oh Maitreya, der lotusäugige Gott, der Herr des Universums, erscheint als Natur mit all ihren Erscheinungen und als Höchste Seele (bzw. Geist) der ganzen Welt. In ihm sind die Erkenntnis und alle Unwissenheit, das Unvergängliche und alles Vergängliche, das Nichtexistente und alles Existierende. Der höchste, ewige Hari ist die Zeit mit ihren Maßen von Sekunden, Minuten, Tagen, Monaten, Jahreszeiten und Jahren. Er verkörpert die sieben Bereiche (Lokas) von Erde, Luftraum und Himmel, der Stammväter, Weisen und Heiligen sowie der Wahrheit. Sein Körper ist das ganze Universum. Er ist der Erstgeborene, der Erhalter aller Wesen und der Selbsterhaltende. Er erscheint in der Vielfalt der Formen, als Himmlische, Menschen und Tiere, und ist deshalb der höchste Herr von allen. Er ist das Ewige, das in allen Formen der Geschöpfe existiert, obwohl (bzw. weil) es selbst formlos ist. Er wird in den heiligen Schriften als Rig, Yajur, Saman und Atharva Veda gefeiert sowie als Puranas und Upanishaden. Die Veden und ihre Zweige, die Bücher des Manu und anderer Gesetzgeber, die traditionellen und religiösen Schriften, die Hymnen, Gedichte und alles, was sonst rezitiert oder gesungen wird, sind der Körper des mächtigen Vishnu, der die Form des Klangs angenommen hat. Alle Arten der Geschöpfe, mit oder ohne Gestalt, hier oder anderswo, sind der Körper von Vishnu. Ich selbst bin Vishnu, und alles, was ich wahrnehme, ist Vishnu. Er ist jede Ursache und jede Wirkung. Wer diese Wahrheit tiefgründig erkennt, wird nie wieder die Beschwerden der weltlichen Existenz erfahren müssen.

Damit, oh Brahmane, wurde dir der erste Teil dieses Puranas ordnungsgemäß verkündet. Das achtsame Zuhören kann jede Sünde tilgen. Der Mensch, der dieses Purana voller Hingabe hört, erhält die Frucht des Badens im heiligen Pushkara-See über zwölf Jahre im Monat Kartika. Die Götter schenken ihm die Würde eines Weisen, eines Stammvaters oder Himmlischen.

Hier endet mit dem 22.Kapitel das 1.Buch über die Schöpfung der Welt im gesegneten Vishnu Purana.


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