Pushpak Vishnu PuranaZurück WeiterNews

1.20. Wie Prahlada gesegnet wird

Parasara sprach:
So meditierte Prahlada über Vishnu als seinen eigenen Geist, wurde eins mit ihm und erkannte sich schließlich selbst in der Gottheit. Er vergaß völlig seine persönliche Individualität und war sich nichts anderem mehr bewußt, als der unerschöpflichen, ewigen und höchsten Seele. Und aufgrund dieser Einung war der unvergängliche Vishnu, die Essenz der Weisheit, beständig in seinem von jeder Sünde gereinigten Geist. Sobald Prahlada durch die Kraft seiner Meditation mit Vishnu eins geworden war, brachen die Fesseln, mit denen er gebunden wurde, der Ozean bäumte sich auf, so daß sogar die Meeresungeheuer erschraken, und die Erde mit ihren Wäldern und Bergen erbebte. Der Prinz warf die Felsen von sich ab, welche die Dämonen auf seine Brust gehäuft hatten, und erhob sich aus der Tiefe. Und erst als er die äußere Welt mit Himmel und Erde erblickte, erinnerte er sich, wer er war. Er erkannte sich als Prahlada und begann erneut mit ganzer Hingabe, gezügelt in Worten, Gedanken und Taten, allein den Höchsten Geist zu verehren, der ohne Anfang und Ende ist:
OM! Verehrung der Wahrheit, dem Geistigen und Körperlichen, dem Vergänglichen und Unvergänglichen, dem Sichtbaren und Unsichtbaren, dem Teilbaren und Unteilbaren. Verehrung dem Träger aller Eigenschaften, dem Bestimmbaren und Unbestimmbaren, dem Gestalteten und Ungestalteten, dem Formhaften und Formlosen, dem Großen und Kleinen, dem Schönen und Häßlichen, dem Guten und Schlechten, dem Wissenden und Unwissenden, der Ursache und Wirkung, der Existenz und Nichtexistenz, dem Feinstofflichen und Grobstofflichen, dem Entfalteten und Unentfalteten. Verehrung dem Vasudeva, der Einheit und Vielfalt ist, die erste Ursache von allem! Verehrung dem Höchsten Geist, der sowohl grenzenlos als auch begrenzt ist, greifbar und ungreifbar, in allen Wesen und jenseits von ihnen. Aus dir allein entfaltet sich das ganze Universum, und doch bist du vollkommen frei davon.

Während er seinen Geist allein auf Vishnu richtete und diese Hymne sang, erschien der Gott in gelbe Roben gekleidet plötzlich vor ihm. Und überwältigt von diesem Anblick grüßte ihn Prahlada mit zögernder Rede und sprach wiederholt:
Oh Krishna, der du allen weltlichen Kummer deiner Verehrer vernichtest, sei mir gnädig. Oh Unfehlbarer, reinige mich durch deinen Anblick.

Und der Gott antwortete:
Ich bin zufrieden mit deiner treuen Hingabe, die du mir beständig zeigst, oh Prahlada. So erbitte einen Segen, was auch immer dein Wunsch ist.

Und Prahlada sprach:
Oh Herr, möge in all den zahllosen Geburten, die ich noch durchlaufen muß, mein Vertrauen in dich keine Verringerung erfahren. Oh Unfehlbarer, möge dir mein Herz ebenso beständig gewidmet sein, wie die weltlich gesinnten Menschen den Sinnesfreuden ergeben sind.

Darauf antwortete Krishna:
Wahrlich, deine allseitige Hingabe an mich soll dir auf ewig bewahrt bleiben. So erbitte einen weiteren Segen, was auch immer dein Wunsch ist.

Und Prahlada sprach:
Wenn ich dein Lob vor meinem Vater verkünde, regt sich der Haß in ihm. Oh Herr, vergib meinem Vater diese Sünde! Waffen, Flammen, Schlangen und Gift hat er gegen mich gerichtet. Ich wurde gebunden, ins Meer geworfen und mit schweren Felsen überhäuft. All das und noch viel mehr hat er befohlen, weil ich dir allein gewidmet bin. Oh Herr, mögest du meinen Vater in deiner Gnade von allen Sünden befreien, die er damit begangen hat.

Darauf antwortete Vishnu:
Oh Prahlada, all das soll durch meine Gnade geschehen. So erbitte einen weiteren Segen, oh Sohn der Dämonen, was auch immer dein Wunsch ist.

Und Prahlada sprach:
Alle meine Wünsche, oh Herr, wurden durch deinen Segen erfüllt, daß mein Vertrauen in dich unvergänglich sein wird. Wozu noch Tugend, Reichtum und Vergnügen, wenn sogar die höchste Befreiung für den möglich ist, der sein ganzes Vertrauen auf dich allein setzt, der Wurzel des Universums.

Darauf antwortete Vishnu:
Wahrlich, weil dein Herz beständig voller Vertrauen auf mich allein gerichtet ist, sollst du durch meinen Segen die höchste Befreiung von den Fesseln der Existenz erreichen.

So sprach Vishnu und verschwand vor seinen Augen. Dann begab sich Prahlada zu seinem Vater und verneigte sich vor ihm. Sein Vater roch an seiner Stirn, umarmte ihn, weinte bittere Tränen und sprach: „Welch ein Glück, daß du noch am Leben bist, mein Sohn!“ Denn der große Dämonenkönig bereute seine ehemalige Grausamkeit und behandelte ihn jetzt voller Güte. Und Prahlada erfüllte die Aufgaben seines Alters und diente weiterhin fleißig seinem Lehrer und seinem Vater. (An anderer Stelle wird hier berichtet: Hiranyakashipu fragte seinen Sohn, warum Vishnu, der angeblich überall ist, nicht in jener Säule des Saales sichtbar wird, wo sie versammelt waren. Er erhob sich und schlug die Säule mit seiner Faust. Daraufhin erschien Vishnu in Gestalt eines Löwenmenschen aus der Säule und im folgenden Kampf wurde Hiranyakashipu von seinen Klauen in Stücke gerissen. Denn aufgrund eines Segens von Brahma konnte er nur auf diese außergewöhnliche Weise besiegt werden.) Und nachdem sein Vater durch Vishnu in Gestalt eines Löwenmenschen geschlagen war, wurde Prahlada zum neuen Herrscher der Dämonen. Hier erstrahlte er aufgrund seiner Tugend in königlicher Würde, erwarb umfassendsten Wohlstand und wurde mit zahlreichen Nachkommen gesegnet. Am Ende seines Lebens wurde er als Lohn seiner heilsamen Taten von allem Karma gereinigt und erreichte durch seine Hingabe an die Gottheit die große Befreiung von den Fesseln der Existenz.

Solcherart, oh Maitreya, war die wundervolle Macht des Daitya Prahlada, des weisen und treuen Verehrers von Vishnu, von dem du hören wolltest. Wahrlich, wer auch immer dieser Geschichte von Prahlada achtsam zuhört, wird zweifellos von seinen Sünden gereinigt. All die Sünden, die man an einem Tag oder in einer Nacht begeht, können durch einmaliges Hören oder Lesen dieser Geschichte von Prahlada gesühnt werden. Das sorgfältige Studium dieses Textes am Tag des Voll- oder Neumondes, bzw. am achten oder zwölften Tag des Halbmonats, verleiht sogar den Verdienst des Schenkens einer Kuh. Und wer diese Geschichte immer wieder hört, den wird Vishnu beschützen, wie er Prahlada in allen Katastrophen beschützte.


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