Pushpak Shiva-Purana Buch 7Zurück WeiterNews

Kapitel 44 - Andhakas Segen und Leben

Sanatkumar fuhr fort:
Einmal wurde Andhaka von seinen hochnäsigen Cousins verspottet:
Oh du blinder Geselle, was willst du nur mit dem Königreich? Hiranyaksha war ein Narr, dich Blinden, Häßlichen, Grimmigen und Fürchterlichen als Sohn von Shiva anzunehmen, nachdem er so lange harte Buße ausgehalten hatte. Du solltest kein Recht auf ein Reich geltend machen. Kann den ein anderer als der Sohn des Königs die Herrschaft übernehmen? Darüber solltest du nachdenken. Wir könnten dir höchstens einen Anteil überlassen.

Nach diesen Worten war Andhaka zutiefst bekümmert. Lange und gründlich dachte er nach, beruhigte seine Cousins und ging in der Nacht in einen einsamen Wald. Dort blieb er, sagte Mantras auf und unterwarf sich für 10.000 Jahre strenger Askese. Er stand auf einem Bein, fastete und hob seine Arme gen Himmel. Kein Dämon hatte je solche Buße geübt. Jeden Tag schnitt er sich ein Stück blutendes Fleisch aus dem Körper und übergab es mit den entsprechenden Mantras dem heiligen Feuer. Das ging so ein Jahr lang. Dann war er nur noch Haut, Sehnen und Knochen, und alles Blut war vergossen. Als er nichts Blutiges mehr hatte, was er dem Feuer übergeben konnte, da wollte er schon seinen ganzen Körper den Flammen opfern, was die Himmlischen in Angst und Schrecken versetzte.

Brahma erschien sogleich auf Flehen der Götter und sprach zu Andhaka:
Oh Dämon, wähle einen Segen. Wenn es auch im ganzen Universum unerreichbar erscheint, wenn du es begehrst, kannst du es haben.

Ehrfürchtig verbeugte sich der Dämon vor dem Schöpfergott und sprach:
Mögen Prahlada und seine Brüder, die meinen Anteil am Königreich grausam an sich gerissen haben, meine Sklaven sein. Zwar bin ich blind, doch gib mir die himmlische Sicht. Auch Indra und die anderen Götter sollen mir Tribut leisten. Und ich möchte keinen Tod fürchten von Göttern, Dämonen, himmlischen Kriegern und Wesen, Schlangen, Menschen oder von Vishnu, diesem Feind aller führenden Dämonen, und dem allwissenden und allgestaltigen Shiva.

Das war Brahma verdächtig, und er antwortete:
Oh großer Dämon, was du begehrst, wird geschehen. Doch akzeptiere eine Art des Todes, denn niemand, der geboren wurde oder geboren wird, kann den Fängen des Todes entkommen. Gute Charaktere wie du sollten ein zu langes Leben sogar meiden.

Da sprach Andhaka:
Die beste Dame in allen Welten zu allen Zeiten, sei sie jung, alt oder in den besten Jahren, sei wie eine Mutter für mich. Sie sei so selten in der Welt, daß kein Mensch in ihre Nähe kommen kann, weder körperlich noch geistig oder mit Worten. Wenn ich sie je begehren sollte, sei dies mein sofortiger Untergang, oh Brahma.

Dies überraschte Brahma sehr. Er dachte im Geiste an Shiva, erhielt seine Erlaubnis und sprach:
Oh Führer der Dämonen, was du wünschst, soll geschehen. Erhebe dich, oh König, und beginne dein Streben. Doch kämpfe nur gegen heldenhafte Wesen.

Sogleich verbeugte sich Andhaka voller Demut vor Brahma und bat:
Oh Herr, wie kann ich mit nur Haut und Knochen in die Heerscharen der Feinde eintauchen? Ich bin doch nur noch ein Skelett. Bitte berühre mich mit deiner heilenden Hand und gib mir einen Körper von Fleisch und Blut.

Brahma berührte den Askesereichen und kehrte in sein Reich zurück, wo ihn Götter und Heilige ehrten und lobten. Andhaka jedoch wurde von Brahmas Berührung sehend, stark und schön. So betrat er seine Stadt, und Prahlada und seine Brüder erkannten wohl, wie gesegnet er zurückkehrte. So übergaben sie ihm das ganze Reich und ernannten sich selbst zu seinen Sklaven.

Schon bald zog Andhaka gen Himmel und besiegte die Götter, so saß Indra ihm Tribut zollen mußte. Auch übernahm er die Herrschaft über alle himmlischen Wesen, Menschen, Bäume, Berge und Tiere. Das ganze Universum war ihm untertan, und die schönsten Frauen aus allen drei Welten strahlten an seiner Seite. Sie bereiteten ihm alles Vergnügen, was sich ein Mann nur wünschen kann. Auch erfreute sich Andhaka an himmlischen und irdischen Genüssen aller Art, was Getränke oder Essen, Blumen oder Düfte, Wagen oder Paläste nur bieten können. So vergingen 10.000 angenehme Jahre im Rausch der Sinne, in denen er vergaß, was gut und verdienstvoll für ihn war. Der Stolz blendete ihn bald, und die Freundschaft mit Hinterhältigen verdarb ihn ganz. Sogar die Gelehrten und ihr Wissen wollte er mit aufgeblähten Argumenten beherrschen, und er posierte als große Seele, wobei er die vedische Weisheit ganz vergessen hatte. So mißachtete er die Veden, Lehrer und Götter, vergnügte sich grenzenlos und verkürzte damit seine Lebensspanne in wenigen Jahren drastisch. Eines Tages begab er sich mit seinem Gefolge und seinen Armeen zum Berg Mandara und bewunderte dessen goldenen Glanz so sehr, da das Schicksal ihn beschließen ließ, sich hier niederzulassen. Er ließ eine wunderschöne, festgefügte Stadt erbauen und befahl seinen Untertanen, sie zu bevölkern.

Doch einmal erhaschten seine drei Minister Duryodhana, Vaidhasha und Hasti einen Blick auf eine traumhaft schöne Frau an einem einsamen Ort in den Bergen. Sie eilten zu ihrem Herrn, um ihm freudig und liebevoll die Neuigkeit zu berichten:
Oh Herr der Dämonen, in einer Bergeshöhle sahen wir einen Weisen, der mit geschlossenen Augen in Meditation vertieft sitzt. Schön ist sein Angesicht, und eine Mondsichel ziert sein Haupt. Er trägt eine Elefantenhaut um die Hüfte geschlungen, und Schlangen winden sich um seinen ganzen Körper. Um den Hals trägt er eine Kette aus Totenschädeln, und sein Haar ist ganz verfilzt. Auch ein Dreizack, Pfeil und Bogen sahen wir bei ihm, und wir meinen, er ist ein großer Bogenschütze. Auch ein Kranz aus Rudrakshas hängt an seinem Hals. Insgesamt sahen wir vier Arme an seinem mit Asche eingestäubten Körper, die noch Schwert und Bogen hielten. Sein Anblick war höchst strahlend und wundersam. Nicht weit von ihm erblickten wir eine Schreckgestalt, deren Miene und Betragen zu einem Wesen aus dem Walde paßte. Er war rauh und dunkel und trug viele Waffen bei sich. Sicher ist er ein Wächter, wie auch der weiße Stier dort, der uns zwar alt doch auch standhaft vorkam. Und dann sahen unsere Augen ein Juwel unter der Sonne, eine Frau, die ebenfalls die Seite dieses meditierenden Asketen schmückte. Sie ist jung, hat wunderschöne, anziehende Züge, ist reich mit feinen Ornamenten aus Perlen, Korallen, Edelsteinen und Gold geschmückt und trägt reizende Kleider. Nur der kann ein sehender Mann genannt werden, der sie erblickt hat. Darüber hinaus ist nichts mehr sehenswert für uns. Oh Herr der Dämonen, der du dich an allen Juwelen dieser Welt erfreust, diese himmlische Dame, Gattin und Geliebte des asketischen Weisen voller Verdienst, ist wahrlich würdig, von dir gesehen und erworben zu werden.

Nach diesen Worten erhob sich in Andhaka die Wollust. Er erbebte vor Begehren und sandte sogleich seine Minister zu dem Weisen in die Höhle. Sofort traten seine Boten vor den unergründlichen Asketen mit den exaltierten Riten hin, verbeugten sich vor ihm und überbrachten ihm die Wünsche ihres Herrn:
Andhaka, die edle Seele, Sohn von Hiranyaksha, König der Dämonen und Herrscher über das gesamte Universum auf Veranlassung Brahmas, hat hier seine Residenz aufgeschlagen, um sich zu vergnügen. Wir sind die Minister dieses Mächtigen, oh großer Weiser, und auf seinen Befehl hier. Höre aufmerksam, was er dir sagen läßt: Wessen Sohn bist du? Warum, du Kluger, weilst du hier in sorgenfreier Manier? Wessen Gattin ist die anmutige Dame? Oh großer Weiser, diese Schönheit sollte dem König der Dämonen übergeben werden. Warum hast du deinen Körper mit Asche und Totenschädeln häßlich gemacht? Wozu Bogen, Köcher und all die Waffen? Was bedeuten die Ganga, der Mond, die verfilzten Locken, die giftigen Schlangen mit ihren langen Zungen und die Knochenreste? Was soll dir Asketen die enge Umarmung dieser weichen Frau mit ihren runden Brüsten? Es ist verachtenswert auf einem Bullen zu reiten. Kein Mann auf Erden tut das. Es mag sein, daß an manchen Orten verbeugen und niederknien angemessen ist. Doch deine Lebensart ist im Gegensatz zu allem Bekannten. Übergib mir dein Weib freiwillig. Denn du bist ein Narr, wenn du in Gegenwart einer üppigen Maid Askese übst. Das ist unsinnig und frommt dir nicht. Doch ich bin der Herr aller Juwelen des Universums, mir steht die schöne Perle. Laß deine Waffen auf mein Gebot hin ruhen, und übe weiter Buße, sonst wirst du deinen Eigensinn mit deinem Körper teuer bezahlen.

Nach den Geboten der Welt war Andhaka ein übler Wicht, und so antwortete Shiva lächelnd:
Angenommen, ich wäre Shiva. Warum sprichst du, oh Dämonenkönig, dann so hinterhältig zu mir, was dir nicht gut tut? Höre lieber Wahrhaftes von mir. Meiner Eltern bin ich mir nicht bewußt, und ich erscheine häßlich und närrisch, weil ich den Pashupata Ritus in dieser Höhle ausführe, einen Ritus, den niemand zuvor je ausführen konnte. Du weißt es wohl, daß ich keine Wurzeln habe, denn diese Welt, die abzulegen ist wie etwas Niederes, entstand aus mir allein. Meine Gattin hier bleibt immer jung und schön und erträgt alles mit Gleichmut, denn sie durchdringt alles und verleiht Erfolg. Oh Dämon, was dich gerade anspricht, kannst du ergreifen.

Die Minister verbeugten sich und kehrten zu ihrem Herrn zurück. Erst riefen sie „Sieg“ für ihren König, dann berichteten sie ihm, was Shiva lächelnd geantwortet hatte, und setzten noch hinzu:
Wo gibt es einen Dämonen, der zaudern würde, wenn es um Heldenmut und Courage geht? Gibt es überhaupt schwache und elende Dämonen? Und wann würde ein entschlossener Dämon je vorm Tode zurückschrecken? Oh König, du bist der Herrscher über alle Dämonen. Der Weise hat dich verspottet und ist doch nur ein bedauernswerter Bußehändler. Er schätzt doch wahrlich die drei Welten gering, so wenig hat er verstanden. Und er denkt, daß sein Beschützer Viraka stark ist. Er sprach zu uns: „Wo bin ich? Wo sind all die furchtbaren Waffen? Wo findet der Kampf statt, vor dem sich sogar der Tod fürchtet? Wo ist Viraka mit seinen tierischen Gesichtszügen und wo der verwirrte und klapprige Wanderer der Nacht? Wo sind der seltsame Mann, der unglückliche Narr, die wuchernde Kletterpflanze und deine Stärke? Wenn du dich mächtig wähnst, handle und kämpfe mit Viraka. Hier sind all die starken Waffen, die sogar Leute wie dich vernichten können. Und wo ist dein zarter Lotuskörper? Bedenke es wohl und handle, wie es dir beliebt.“ (Denn wo ist alles? In mir, Shiva.) Viele solcher Worte hat uns der Asket gesagt, und er scheint uns stolz und überheblich. Du solltest schon deswegen gegen ihn kämpfen. So erkenne die leeren Worte des Asketen, die wir dir überbracht haben, und handle entsprechend.

Viele solcher aufrüttelnder Worte sagten die Minister ihrem König. Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. Andhaka loderte im Zorn, und erkannte nicht, daß seine Minister ihm falschen Rat gaben, auch wenn ihre Worte süß klangen. Stolz auf die ihm gegebenen Segen atmetet er schwer, packte ein Schwert und war bereit zum Kampf, während Kamas Pfeil der Wollust ihm im Herzen steckte, und das Schicksal seinen Untergang beschlossen hatte.


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