Pushpak Shiva-Purana Buch 7Zurück WeiterNews

Kapitel 5 - Tripura wird verzaubert

Vyasa fragte:
Und was lehrte der neue Weise die Herrscher der Dämonen nach ihrer Initiation? Was machten die Dämonen als nächstes?

Sanatkumara gab zur Antwort:
Der asketische Arihat sprach zum Herrscher der Dämonen, während seine Schüler und Narada ihm zur Seite standen:
Nun, Herrscher der Dämonen, höre meine weise Belehrung. Es ist die Essenz der Veden und höchst wichtig. Das Universum ist ewig. Es gibt keinen Schöpfer noch wurde das Universum geschaffen. Die Wesen entwickeln sich selbst und vernichten sich selbst. Es gibt viele Formen von Brahma bis zum kleinsten Grashalm. Sie sind ihre eigenen Götter. Einen anderen Gott gibt es nicht. Wenn wir von Brahma, Vishnu oder Rudra sprechen, dann sind das nur Namen für verkörperte Wesen, wie mein Name eben Arihat ist. Wie unsere Körper vergehen, wenn unsere Zeit gekommen ist, so vergehen auch die Körper von Brahma und jedem Moskito zur rechten Zeit. Und wenn wir annehmen, daß keiner dieser Körper dem anderen überlegen ist in punkto Nahrung, Vermehrung, Schlaf oder Furcht, dann sind ausnahmslos alle und überall dieselben. Wer genügend Essen und Wasser zu sich nimmt, wird sich satt fühlen, nicht mehr oder weniger. Wer Wasser getrunken hat, ist vom Durst erlöst. Das ergeht jedem so. Da gibt es keinen Unterschied zwischen den Körpern. Es mag tausende schöne Damen mit reizenden Figuren und hübschen Gesichtern geben, doch nur mit einer kann man zur selben Zeit schlafen. Und wenn du hundert Pferde verschiedenster Rassen hast, kannst du doch bloß auf einem reiten. Wer auf einem schönen Bett mit weichen Kissen schläft ist genauso ausgeruht wie einer, der auf dem blanken Boden ruht. Und genau wie wir verkörperte Wesen Angst vorm Sterben haben, so geht es auch allen anderen, von Brahma bis zum kleinsten Wurm. Mit Schlauheit erkennen wir also, daß alle verkörperten Wesen gleich sind. Und wenn du das erkannt hast, dann frommt es dir nicht, irgend jemanden zu töten.

Es gibt keinen größeren Verdienst als das Mitgefühl, welches man den lebenden Wesen zeigt. Daher sollten alle danach streben, gnadenreich und mitfühlend zu handeln. Wer ein einzelnes Wesen beschützt, der beschützt die drei Welten. Und wenn ein Wesen getötet wird, dann tötet man auch alle anderen. Es ist unsere Pflicht, zu beschützen und vom Töten abzulassen. Gewaltlosigkeit ist die größte Tugend. Andere zu quälen ist eine große Sünde. Erlösung versteht man als Nichtabhängigkeit von anderen. Wer die Nahrung seiner Wahl zu sich nehmen kann, erlebt himmlische Glückseligkeit. Sei sicher, das haben schon die alten Weise so gesagt: wer die Hölle fürchtet, sollte niemandem Gewalt antun. Ja, die größte Sünde in den drei Welten ist die Gewalt. Wer Gewalt ausübt, geht in die Hölle. Und wer ganz und gar ohne Gewalt ist, der kommt in den Himmel.

Es gibt so viele Arten von wohltätigen Gaben. Doch unbedeutend sind solche, die kaum erkennbare Resultate zeigen. Die beste Wohltat ist das Beschützen. Die Weisen haben schon vier Arten von guten Gaben erwähnt, die zum Wohle der Wesen hier und im nächsten Leben führen und aus den heiligen Texten mit viel Diskussion oder auch Vision herausgelesen wurden. Die Ängstlichen soll man beschützen, den Kranken Medizin geben, dem Schüler Belehrung erteilen und den Hungrigen speisen. Doch alle wohltätigen Gaben machen nicht den sechzehnten Teil Verdienst aus, den der Schutz gewähren kann.

Man kann wohl Einfluß und Stärke aus Juwelen, Mantras und Heilkräutern erhalten. Doch nach diesen sollte man nur streben, um Geld zu machen. Das Horten und Ansammeln von Reichtum ist nützlich, um die zwölf körperlichen Organe zu besänftigen. Mehr gibt es nicht, was zu befriedigen wäre. Die zwölf sind die fünf Handlungsorgane (Hände, Füße, Mund, Ausscheidungsorgane, Geschlechtsorgane) und die fünf Sinnesorgane nebst dem Denken und der Vernunft. Himmel und Hölle sind für die lebenden Wesen hier und jetzt, und nirgends sonst. Glück ist Himmel, und Leiden ist Hölle. Wer den Körper inmitten des größten Glücks verläßt, der erfährt Befreiung. Doch was ist Glück und Befreiung? Wenn die Schmerzen mit den dazugehörigen Leidenschaften enden, und die Unwissenheit stirbt.

Die Meister der Veden akzeptieren es als vedische Aussage, daß kein Lebewesen verletzt werden soll. Gewalt ist nicht gerechtfertigt. Und wenn es Texte in den Veden gibt, die das Schlachten von Tieren empfehlen, kann das von den Gelehrten nicht als verbindlich angenommen werden. Wenn gesagt wird, daß Gewalt in einem Feueropfer erlaubt ist, dann ist das eine irrtümliche Interpretation der Verblendeten. Wie unglaublich, daß viele den Himmel suchen, indem sie Bäume absägen, Tiere schlachten, mit Blut herummatschen und Sesamsamen und geklärte Butter verbrennen.

So erklärte der neue Lehrer den Herrschern und Bürgern von Tripura seine Meinung mit großem Eifer. Er bezog sich auf Dinge, denen man einfach Glauben schenken konnte, die sichtbar sind, den Körper glücklich machen, und wie sie Erleuchtungs-Theorien über die Elemente und einigen vedischen Passagen entsprechen.

Der Lehrer fuhr fort:
In den Veden wird gesagt, daß Glückseligkeit ein Aspekt des Brahman ist. Das sollte wortwörtlich angenommen werden. Alternativen einzuflechten ist hier nicht angebracht. Solange der Körper gesund und rüstig, das Alter fern ist und die Sinnesorgane ungetrübt sind, sollte man Freude und Glück suchen und genießen. Wenn Krankheit, Alter und getrübte Wahrnehmung erscheinen, wie könnte es noch Glück geben? Wer also Glückseligkeit sucht, sollte dann bereit sein, diesen Körper aufzugeben.

Die Erde trägt schwer an der Last von Menschen, die nicht den Bittenden helfen. Es sind nicht die Berge oder Meere, welche die Erde belasten. Der Körper kann im Nu vergehen und gehorteter Reichtum schnell schwinden. Wer das erkennt, sollte gut für seinen Körper und dessen Vergnügen sorgen. Es steht ja auch in den Veden, daß der Körper das Frühstück ist für Hunde, Würmer und Krähen. Sein ultimatives Ende findet er, wenn er zu Asche verbrannt wird. Es ist unnötig, die Menschen in verschiedene Kasten einzuteilen. Es sind alles Menschen, wer sollte hier höher oder niedriger sein?

Die alten Männer sagen, daß die Schöpfung mit Brahma begann. Er hatte zwei Söhne, nämlich Daksha und Marichi. Kasyapa, der Sohn Marichis, vermählte sich auf rechte Weise mit dreizehn der schönäugigen Töchter Dakshas. Doch heutzutage streiten die Menschen mit wenig Verstand und Energie unnötigerweise darüber, ob dies nun angemessen war oder nicht. Manche der Alten glauben, daß die vier Kasten entstanden, weil manche Menschen aus Brahmas Mund, andere aus seinen Armen, Beinen und Füßen kamen. Doch wenn wir das gründlich bedenken, paßt das nicht zusammen. Wie können die Kinder, die aus einem Körper stammen, unterschiedlich sein? Daher erscheint uns die Unterteilung in Kasten und Nichtkasten als nicht günstig. Wir machen demzufolge keinen Unterschied zwischen den Menschen.

Sanatkumar fuhr fort:
So sprach der Lehrer von seinen Schülern umgeben zu den Dämonen und untergrub die Riten der Veden. Damit schwächte er auch die weibliche Tugend der Keuschheit und die männliche Tugend der Enthaltsamkeit. Und auf ähnliche Weise schwanden die Bedeutung der göttlichen Riten, das Ahnenopfer, die heiligen Feste und Pilgerreisen, die Opferriten und ähnliches. Die Verehrung Shivas und die seines Lingas wurde bedeutungslos, ebenso die Verehrung von Vishnu, der Sonne, Ganesha oder anderen Göttern, wie es doch die heiligen Texte gebieten. Ja, dieser Meister in der Verführung und Täuschung schaffte es sogar, daß sich niemand mehr für die zeremonielle Reinigung und wohltätige Gaben an glücksverheißenden Tagen interessierte. Nun, lieber Vyasa, es hat keinen Sinn, dies noch weiter auszubauen. Es genügt zu sagen: Durch diesen von Vishnu gesandten Weisen kamen alle Arten von vedischen Riten in Tripura zum Erliegen. Die bisher so edlen, hingebungsvollen und treuen Damen der Stadt ließen alle Tugend fahren, und mißgeleitet folgten sie ihren Ehemännern nicht mehr. Die Männer neigten sich den trickreichen Künsten der Verführung zu und vergnügten sich mit den Frauen anderer. Die Mägde in den Frauengemächern, die Prinzen und Bürger waren völlig verzaubert von der neuen Lehre. Niemand folgte mehr tugendhaften Riten oder handelte tugendhaft, und so wurde das Übel immer stärker. Es war Vishnus Magie des unglückseligen Schicksals, welche nun in den drei Städten regierte. Und die Herrlichkeit des Segens, den Brahma ihnen gewährt hatte, verließ die Städte auf Brahmas Geheiß. Narada war höchst zufrieden, als die Städte mit der vernichtenden Illusion des Geistes gesegnet waren. Und obwohl Narada und der weise Lehrer in ihrer Verkleidung lange in Tripura lebten, wurden sie selbst dank Shivas Gunst nicht von Sünde besudelt. So wurde die herrliche Macht der drei Herrscher von Tripura und ihres Beraters Maya immer mehr gehemmt, hintertrieben und vernichtet - so wie es Shiva wünschte.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter