Pushpak Shiva-Purana Buch 6Zurück WeiterNews

Kapitel 14 - Die Geister hadern und streiten

Brahma fuhr fort:
Nun gerieten auch die Geisterscharen in Aufruhr. Sie bedrängten den Sohn der Parvati, der unbeirrt das Tor bewachte:
Wer bist du? Woher kommst du? Was ist deine Absicht? Wenn du weiter leben möchtest, dann verschwinde lieber.

Ganesha gab ihnen zur Antwort:
Oh ihr Gutaussehenden, und wer seid ihr? Woher kamt ihr plötzlich daher? Geht selber fort. Warum seid ihr gekommen und greift mich an?

Das ließ die stolzen Geister laut auflachen. Doch dann sprachen sie ärgerlich zu Ganesha:
Höre, wir sind die vorzüglichen Ganas von Shiva. Wir sind seine Torwächter und auf sein Geheiß sind wir gekommen, um dich rauszuschmeißen. Wir meinen, daß du auch ein Geist bist, sonst wärest du schon längst tot. Also verschwinde lieber, sonst forderst du ein böses Ende heraus.

Doch trotz dieser Warnung blieb Parvatis Sohn furchtlos und unbewegt stehen. Er hielt seinen Posten und tadelte die Geister. Diese meldeten es Shiva, und dieser tadelte sein Gefolge, als ob er ein weltlicher Herrscher wäre:
Und wer ist der Kerl nun? Was hat er dazu gesagt? Er steht überheblich an der Tür, als ob er ein überlegener Feind wäre. Was hat der Schurke im Sinn? Wohl sein Ende. Und ihr? Warum steht ihr hier wie feige Eunuchen herum und sagt nur hilflose und zaudernde Worte über den Kerl? Werft den neuen Türwächter raus.

So kehrten die Ganas zu Ganesha zurück und riefen:
Wer bist du, Türwächter? Warum wurdest du hier hingestellt? Warum kümmert dich unser Wort nicht? Wie glaubst du, kannst du lebendig bleiben? Wir sind hier die rechtens bestellen Torhüter. Was sagst du dazu? Du bist ein Schakal, der sich auf den Löwenthron drängelt und Glück wünscht. Du Narr wirst nur so lange brüllen, bis du die Wucht unseres Angriffs spürst. Und dann wirst du fallen.

Schon als sie noch sprachen, nahm Ganesha wütend seinen Stock und schlug auf sie ein. Und furchtlos antwortete der Sohn der Parvati:
Weg mit euch! Nur weg mir euch! Oder ihr werdet meine Kampfeskraft zu spüren bekommen. Und dann werdet ihr zur Zielscheibe von Spott.

So berieten sich die Ganas untereinander:
Was sollen wir tun? Wohin gehen? Vielleicht besser nicht handeln, denn uns bindet der Anstand. Was soll er sonst von uns denken?

So kehrten die Ganas zu Shiva zurück, der in einiger Entfernung vom Kailash wartete. Doch dieser Herr mit dem schrecklichen Temperament sprach scharfe Worte zu seinen Dienern:
Ihr tut nur so, als ob ihr Helden wärt und könnt nicht mal ordentlich vor mir sprechen. Wenn ihr nur Wortgefechte führen könnt, wird er ebenso antworten. Geht und legt Hand an ihn. Es wird doch wenigstens einige unter euch geben, die dazu in der Lage sind, ihn aus meinem Haus zu werfen.

Solchermaßen getadelt, kehrten die heldenhaften Ganas zu Ganesha zurück. Entschlossen verkündeten sie:
Höre, Junge. Spricht nicht so arrogant und geh fort. Ansonsten ist dein Tod beschlossen.

Diesmal zögerte Parvatis Sohn und war unentschlossen. Er dachte:
Was soll ich tun?

In der Zwischenzeit hatte die Göttin den Tumult vor der Tür gehört und sandte ihre Freundin, um nachzuschauen. Diese warf nur einen Blick aus dem Türspalt und verstand die Lage. Erfreut kehrte sie zu Parvati zurück und berichtete:
Oh große Göttin, die starken Ganas von Shiva greifen unseren Torwächter an. Wie kann es sein, daß Shiva und sein Gefolge hier plötzlich hereinstürmen kann, ohne auf uns Rücksicht zu nehmen? Das ist nicht angemessen für dich. Doch dein Sohn hat bisher gut gehandelt. Egal, was sie ihm angedroht haben, er hat die Geister nicht eingelassen und den Tadel tapfer ertragen. Doch nun beschimpfen sie sich zornig, und sie müssen deinen Jungen schon besiegen, wenn sie reinkommen wollen. Doch wer deinen Torwächter beschimpft, der beschimpft auch dich. Und das, oh hohe Dame, solltest du nicht zulassen. Warum sind sie so hochmütig? Diese Geister sollten dir untertänig sein und nach deinen Wünschen handeln!

Überrascht blieb Parvati für eine Weile still, dann überkam sie trotziger Stolz. Und sie sprach zu sich selbst:
Mein Sohn hat nicht gewankt, als ihm Gewalt angedroht wurde. Welchen Sinn hätte es, wenn ich demütig klein beigäbe? Was geschehen muß, soll geschehen und kann nicht verhindert werden.

Und dann sandte Parvati ihre Freundin wieder an die Tür. Diese übermittelte Ganesha Parvatis Botschaft:
Oh Edler, du hast wohl daran getan, sie nicht einzulassen, als sie mit Gewalt drohten. Was sind diese Geister vor dir? Sie können dich nicht einnehmen. Erscheinen sie nun gut oder schlecht, mögest du deine Pflicht ausüben. Laß dich nicht besiegen!

Nach diesen Worten seiner Mutter, schöpfte Ganesha neuen Mut. Er gürtete seine Lenden, spannte alle Muskeln an, band seinen Turban fester und sprach furchtlos zu den Ganas:
Ich bin der Sohn von Parvati, und ihr seid das Gefolge von Shiva. Wir sind ebenbürtig. Mögen wir unseren Pflichten folgen. Ihr seid Torhüter, und ich bin auch einer. Ihr steht dort und ich stehe hier. Ihr müßt das Gebot Shivas ausführen. Und ich werde den Worten Parvatis treu folgen. Das habe ich für mich beschlossen. Also hört mir noch einmal genau zu: Ihr sollt nicht in das Gemach Parvatis eindringen, weder demütig noch mit Gewalt.

Nun schämten sich die Ganas und eilten zu Shiva. Mit geneigten Häuptern und aneinandergelegten Händen standen sie vor ihrem Herrn und erzählten ihm die Neuigkeiten. Dieser gab ihnen zur Antwort:
Hört mir zu, meine Geister. Unter dem Gesichtspunkt, daß ihr zu mir und er zu Parvati gehört, wäre ein Kampf eigentlich nicht angemessen. Doch nachgeben kann ich nicht, sonst entsteht das Gerücht, ich (der Geist) wäre der Sklave von Parvati (der Natur). Und das hätte keine guten Folgen. Außerdem fordert eine absichtsvolle Handlung die nächste. Eine Frau sollte nicht starrsinnig sein und besonders nicht zu ihrem Gemahl. Parvati wird die Früchte ihrer Handlung noch ernten. Doch ihr seid meine Ganas, mutig und kampferprobt. Euch gegenüber steht ein einzelner Junge. Welche Kampfkraft könnt ihr von ihm erwarten? Niemals sollt ihr einer gerechten Schlacht aus dem Wege gehen und euch damit erniedrigen. Also rüstet euch zum Kampf, meine Helden, denn diese Schlacht muß ausgefochten werden. Möge geschehen, was geschehen muß.

Dann schwieg der große Shiva, und die Welt drehte sich im himmlischen Spiel.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter