Pushpak Shiva-Purana Buch 6Zurück WeiterNews

Buch 6 - Rudra Samhita (IV. Kartikeya und Ganesha)

Kapitel 1 - Die Liebeständelei von Shiva

Ehrend grüße ich Shiva, den Verehrung erfreut, der große Hingabe liebt und die nötige Zuneigung dazu verleiht. Er gibt Vollkommenheit und Zufriedenheit. Er ist das Heim allen Glücks und aller Errungenschaften. Ich ehre Shiva, den Vishnu und Brahma lobend besingen. Von Mitgefühl getrieben nimmt er sichtbare Formen an und verleiht Wahrhaftigkeit. Er liebt die Wahrheit, er gibt die dreifache Wahrheit, und er ist identisch mit der Wahrheit.

Narada fragte:
Oh Brahma, was tat der segensreiche Shiva nach seiner Vermählung mit Parvati und der Rückkehr zum Kailash? Bitte erzähle es mir. Wer war der Sohn, der ihm geboren wurde, und für den er Parvati heiratete, obwohl diese große Seele doch in sich selbst ruht? Oh Brahma, wie wurde der Dämon Taraka endlich besiegt? Oh habe Mitgefühl mit mir und erzähl mir alles ganz genau.

Freudig dachte Brahma an Shiva und erwiderte:
Oh Narada, ich werde dir vom mondbekränzten Gott erzählen. Ich werde von Kartikeyas Geburt (auch Skanda, Guha, Kumara,... Ku = Böses, Mara = vernichten) sprechen und wie Taraka starb. Mögest du zuhören. Denn ich erzähle eine Geschichte, die Sünden vernichtet, wenn man ihr achtsam lauscht. Diese Geschichte ist ein wunderbares Mysterium. Sie schiebt Hindernisse aus dem Weg, zerstreut Leiden, welches aus Sünden kommt, verleiht Glückseligkeit, ist die Essenz der Veden und dem Ohr immer angenehm. Sie führt zu Freude, ist die Ursache für Befreiung und schneidet die Wurzeln für selbstsüchtiges Handeln ab.

Nach seiner Heirat und Rückkehr zum Kailash erhöhte sich Shivas Glanz noch, denn ihm war das göttliche Werk und das Leiden der Menschen bewußt, die ihre Aufgaben erfüllen. Sein Geistergefolge war ebenso glücklich wie die Götter und arrangierte alles für sein Wohl. Shiva jedoch begab sich mit Parvati an einen abgelegenen und entzückenden Ort. Dort war ein schönes Lager vorbereitet mit duftenden Blumen und Sandel, weich und mit allen Bequemlichkeiten versehen, zu dem sich Lord Shiva und seine Shakti vergnügt zurückzogen. Schon als sie sich einfach nur berührten, versanken beide in Trance und erkannten weder Tag noch Nacht. Still verharrten sie so für eine Weile. Dann vergnügten sie sich für lange Zeit und meinten, es wäre doch nur ein Moment. Doch die Götter wurden unruhig, kamen auf dem Berg Meru zusammen und besprachen sich.

Die Götter sagten zueinander:
Für unsere Sache hat sich Lord Shiva verheiratet, dieser große, unbefleckte Yogi, im Selbst ruhend und ohne jegliche Ablenkung. Doch immer noch ist ihm kein Sohn geboren. Was ist der Grund dafür? Warum verzögert der Herr der Götter sein Wirken so lange?

Das war der Zeitpunkt, als du, oh Narada, des Weges kamst, und deine himmlische Sicht enthüllte den Göttern das Ausmaß der Freude, die das Paar lebte. Doch da dies schon so lange geschah, wurden die Götter noch aufgewühlter als zuvor. Sie machten mich zu ihrem Anführer und traten vor Vishnu hin. Wir verbeugten uns vor dem Großen und erzählten ihm alles, während die Götter stillstanden wie die gemalten Figuren in einem Bild:
Schon für tausend göttliche Jahre vertieft sich Shiva, der Yogi, in Tändelei mit seiner Gattin und läßt nicht mehr ab davon.

Doch Vishnu gab beruhigend zur Antwort:
Oh Schöpfer des Universums, macht euch darüber keine Sorgen. Alles wird gut. Suche nur Zuflucht beim großen Shiva, oh Herr, denn wer sich freudig und demütig im Geiste an ihn wendet, der hat nichts zu fürchten. Eine Unterbrechung seiner Liebesfreuden wird zur rechten Zeit geschehen, oh Brahma, doch nicht jetzt. Und nur eine Tat zur rechten Zeit wird mit Erfolg gekrönt. Wenn sich Shiva leibliche Freuden wünscht, wer könnte ihn aufhalten? In tausend Jahren wird er aus eigenem Willen damit aufhören.

Doch wer ein vereintes Paar mit irgendeinem Trick trennten will, der wird die Schmerzen der Trennung von Ehefrau und Kindern in jeder Geburt erdulden müssen. Er fällt von der Weisheit ab, sein Glanz wird stumpf und sein Glück verschwinden. Dieser Sünder wird nach seinem Tod für tausend Jahre die Qualen der Hölle Kalasutra erleiden müssen. Als der Weise Durvasa Indra in Vereinigung mit der himmlischen Nymphe Rambha störte, da wurde er von seinem eigenen Weib getrennt. Nach tausend Jahren nahm er sich eine andere Frau und das beendete seinen Schmerz. Vrihaspati hinderte Kama an der Vereinigung mit der zauberhaften Nymphe Ghritachi, und dafür stahl ihm der Mond nach sechs Monaten seine Gattin. Da suchte er Zuflucht bei Shiva, kämpfte um seine Gattin Tara und erfreute sich sogar mit der Schwangeren, um seinen Trennungsschmerz zu lindern. Der Weise Gautama zwang den Mond, von der Vereinigung mit Rohini abzulassen, und mußte dafür die Trennung von seiner Gemahlin erleiden. Harishchandra vertrieb einen Pflüger aus den Armen einer Shudra-Frau in einen einsamen Wald. Höre, was ihm daraufhin geschah. Er verlor seine Gattin, den Sohn und das Königreich. Dann quälte ihn Vishvamitra und erst, nachdem er Shiva besänftigt hatte, wurde er von dieser Sünde erlöst. Obwohl der edle Brahmane Ajamila mit einer Shudra-Frau schlief, unternahmen die Götter nichts gegen ihn, denn sie fürchteten die Folgen.

Alles kann durch die Gabe von Samen erreicht werden, denn sie ist äußerst wirksam. Und wenn das Ausbringen des Samens Früchte hervorbringt, dann kann ihn niemand zurückhalten.

Oh ihr Götter, Shivas sinnliche Freuden werden noch tausend göttliche Jahre andauern. Dann könnt ihr zu ihm gehen und ihn um das Nötige bitten, nämlich daß sein Samen die Erde berühre. Daraus wird sein Sohn namens Kartikeya geboren werden. Oh Brahma, geh mit den Göttern heim, und laß Shiva sein Vergnügen mit Parvati an diesem einsamen Ort.

Nach diesen Worten Vishnus kehrten alle wieder in ihre Reiche zurück, und Shiva und Parvati führten ihre Liebelei ungehindert fort. Doch die Erde stöhnte und bebte unter dem Gewicht, so daß auch die Schlange Sesha und die Schildkröte Kacchapa litten, welche die Erde trugen. Da die Schildkröte ganz gelähmt war, war auch der Wind gestört, welcher alles und jeden durchdringt, und die drei Welten versanken in Angst und Panik. Wieder suchten die Götter und ich niedergeschlagen Zuflucht bei Vishnu und baten um Hilfe.

Die Götter flehten:
Oh Vishnu, Herr der Götter, unser Beschützer, rette uns, denn wir ersuchen dich um Beistand. Unser Geist ist völlig durcheinander, denn der Lebensatem der drei Welten ist gelähmt. Wir wissen nicht, warum. Doch alles ist in Aufruhr.

Dann standen wir schweigend und elend vor dem großen Herrn. Als Vishnu dies vernahm, eilte er mit den Göttern und Weisen sofort zum Kailash, dem geliebten Rückzugsort von Shiva. Doch nirgends konnten wir Shiva entdecken, so daß Vishnu verwundert und demütig die Geisterschar befragte:
Oh Ganas von Shiva, wo ist der Herr hingegangen? Bitte sagt es uns, denn wir sind niedergedrückt.

Liebevoll kam die Antwort:
Oh Vishnu und ihr Götter, hört uns an, denn aus Liebe zu Shiva sagen wir euch die volle Wahrheit. Shiva hat sich mit Parvati in ihr Gemach zurückgezogen und uns hier zurückgelassen. Viele Jahre sind seither vergangen, und wir wissen nicht, was dieser Meister im himmlischen Wirken dort macht.

Verblüfft traten wir Götter mit Vishnu an die Tür von Parvatis Gemach. Vorwurfsvoll zwar, doch mit freudigem Herzen sprach Vishnu:
Oh großer Herr, was machst du nur hier drin? Rette uns, die wir von Taraka gequält werden und bei dir Zuflucht suchen.

Bittend und weinend sprach Vishnu, und lobte den Herrn. Und in sowohl die Klagen als auch das Lobpreisen fielen wir Götter lauthals mit ein.


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