Pushpak Shiva-Purana Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 54 - Die Pflichten einer frommen Ehefrau

Brahma sprach:
Die sieben Weisen sprachen auch zu Himavat:
Oh Berg, laß deine Tochter heute noch ihre Reise antreten.

Himavat wußte zwar um Parvatis Trennungsschmerz, doch auch er fühlte große Liebe zu ihr und verstummte kurz. Dann sprach er schweren Herzens:
So sei es.

Und ließ Mena seinen Entschluß ausrichten. Auch Mena war sowohl traurig als auch froh. Und doch ließ sie alles für Parvatis Reise vorbereiten. Feierlich schmückte sie ihre Tochter mit den zwölf Arten von Ornamenten und hüllte sie in seidene Kleider mit schöner Borte. Alle Zeichen ihres königlichen Status wurden bereitgestellt. Und eine fromme Brahmanin belehrte Parvati über die Pflichten einer Ehefrau.

Die Brahmanin sprach:
Oh Parvati, höre mich aufmerksam an, denn ich gebe einer Tugend Ausdruck, welche die Freude in diesem und dem jenseitigen Leben erhöht. Eine fromme Ehefrau heiligt die Welten, vernichtet Sünde und ist gesegnet. Niemand sonst verdient so viel Respekt. Die Gattin, die ihrem Ehemann liebevoll dient und ihn als ihren einzigen Herrn betrachtet, erfreut sich aller Verdienste und erlangt gemeinsam mit ihrem Mann Erlösung. Höre die Namen der keuschen Damen, die von allen Wesen aufgrund ihrer Tugenden Verehrung empfangen. Es sind Savitri, Lopamudra, Arundhati, Sandilya, Satarupa, Anasuya, Lakshmi, Swadha, Sati, Samjna, Sumati, Sraddha, Mena, Swaha und viele andere, welche die Liste sonst zu lang werden lassen. Sie werden von Brahma, Vishnu, Shiva und den großen Weisen geehrt. Du sollst dem großen Shiva allseits dienen, diesem Segen für alle Geplagten in der Welt, der immer jeglicher Verehrung würdig ist und das Ziel aller Guten.

Die Pflichten einer getreuen Ehefrau sind sehr wichtig und werden in den Veden und allen Schriften erklärt. Keine andere Pflicht ist ehrenwerter. Eine fromme Gattin ißt erst, wenn ihr Ehemann gegessen hat und satt ist. Wenn er steht, dann sollte auch sie stehen. Wenn er schläft, kann sie ebenfalls schlafen, doch sie sollte klugerweise vor ihm aufwachen. Immer sollte sie so handeln, daß es ihrem Mann nützt. Ihm gilt all ihre Liebe ohne irgendwelche Tricks. Oh Parvati, niemals sollte sich die Gemahlin ihrem Mann ungeschmückt zeigen. Doch falls er wegen wichtiger Dinge nicht zu Hause ist, dann gehe sie ungeschmückt. Eine keusche Dame nennt niemals ihren Mann beim Namen. Und wenn er sie tadelt, mit ihr zankt oder sie sogar schlägt, dann sollte sie ruhig bleiben und sagen: „Oh Herr, du magst mich töten, doch bitte sei freundlich zu mir.“

Wenn er sie ruft, sollte sie all ihre Arbeit liegen lassen und sofort zu ihm gehen. Mit gebeugtem Haupt und aneinandergelegten Händen soll sie ihn wie folgt ansprechen: „Oh Herr, bitte sage mir, warum du nach mir gerufen hast.“ Und was auch immer er ihr aufträgt, sie soll es freudig vollbringen. Sie sollte niemals müßig am Eingang des Hauses stehen oder in die Häuser anderer Leute gehen. Sie sollte kein Geld von ihm nehmen und anderen geben, sei es auch noch so wenig. (Oder in der anderen Version: Sie soll die Geheimnisse des Hause bewahren und anderen nicht erzählen.) Sie soll immer alles bereithalten für seine täglichen Riten der Verehrung, ohne, daß man es ihr sagen muß. Und immer soll sie warten, um ihm zur rechten Zeit behilflich zu sein. Ohne das Einverständnis ihres Mannes sollte eine Frau nicht einmal auf eine Pilgerreise gehen. Die Begierde nach öffentlichen Festlichkeiten sollte sie zügeln. Falls eine Ehefrau den Wunsch nach heiligem Wasser hat, dann kann sie das Wasser trinken, mit dem ihres Mannes Füße gewaschen wurden, denn darin sind alle heiligen Flüsse anwesend. Was ihr Ehemann ihr gibt oder übrigläßt, das nehme sie mit den Worten: „Das ist deine große Gnade.“ Niemals sollte sie essen, ohne vorher den Göttern, Ahnen, Gästen, Dienern, Kühen und heiligen Bettlern ihren gerechten Anteil angeboten zu haben. Eine kluge Dame achtet immer darauf, den Haushalt ordentlich zu führen und dabei so wenig wie möglich auszugeben. Unnötige Einkäufe sollten vermieden werden. Ohne das Einverständnis ihres Ehemannes sollte eine Frau nicht fasten oder andere Riten ausführen, denn sonst bringt ihr das keinen Verdienst, sondern sie fällt in die Hölle. Solange ihr Ehemann sich vergnügt oder bequem sitzt, sollte sie ihn nicht drängen wegen irgendwelcher Hausarbeit aufzustehen. Niemals sollte ein Ehemann mißachtet oder übergangen werden, sei er auch impotent, elend, krank oder senil, froh oder traurig. Während der drei Tage ihrer Menstruation mag die Frau ihren Ehemann weder ansehen noch mit ihm sprechen oder reden, wenn er es hören kann. Erst nach ihrem Bad, wenn sie wieder rein ist, sollte ihr erster Blick ihrem Ehemann gelten oder der Sonne mit dem Gedanken an ihn. Niemand anderen sollte sie in diesem Moment ansehen. Wünscht sich eine fromme Dame ein langes Leben für ihren Ehemann, dann sollte es in ihrem Haus nicht an Kurkuma, zinnoberrotem Pulver, Safran, Kollyrium, Betel, gepflegtem und geflochtenem Haar und Schmuck fehlen. Niemals pflege eine keusche Ehefrau den engen Umgang mit tratschenden oder gefallenen Frauen, Huren oder Bettlerinnen. Und mit Frauen, die ihren Gatten verunglimpfen oder hassen, sollte sie nicht einmal sprechen. Sie sollte nicht allein irgendwo herumstehen oder nackt baden. Sie sollte nicht in der Nähe eines Mörsers, Dreschflegels, Besens, Mahlsteins, der Schwelle oder einer Maschine schlafen. Nur während des Beischlafs sollte sie ihre Stärke, Erfahrung oder Initiative zeigen, und ihr gefalle, was ihrem Ehemann gefällt. Denn eine fromme Ehefrau ist glücklich, wenn ihr Ehemann glücklich ist, und traurig, wenn er traurig ist. Immer suche sie sein Wohl. In Reichtum und Armut sei sie tugendhaft und geduldig. Sie zeige innere Stärke und darf niemals irregehen. Falls einmal geklärte Butter, Salz, Öl oder anderes erschöpft ist, dann werfe sie ihm dies niemals offen vor. Oh Göttin, der Ehemann ist höher als Brahma, Vishnu oder jeder andere Gott. Und du hast ja Shiva zum Gemahl.

Wenn eine Frau ihren Mann übergeht und ohne sein Einverständnis fastet oder besondere Riten ausführt, dann verkürzt sie die Lebensspanne ihres Gatten und geht nach dem Tod in die Hölle ein. Gibt sie ihm scharfe Gegenrede, wird sie als Hündin in einem Dorf oder als Füchsin in der Einsamkeit wiedergeboren. Eine fromme Gattin nimmt niemals einen höheren Sitz ein, sucht nicht die Nähe einer befleckten Person und spricht niemals im Zorn zu ihrem Mann. Sie sollte verleumderische Worte und Streit vermeiden und in Gegenwart von Älteren nicht laut lachen oder schreien. Wer seinen Ehemann erfreut, erfreut alle Welten. Wenn sie ihren Ehemann heimkommen sieht, sollte sie ihm entgegengehen und ihm Wasser, Nahrung, Betel, frische Kleider und eine Fußmassage anbieten. Mit freundlichen Worten soll sie ihn verzaubern und seine Anstrengung vertreiben. Was ein Vater, ein Bruder oder Sohn geben kann, ist begrenzt. Daher sollte eine kluge Frau ihren Mann ehren, denn er gibt, was grenzenlos ist. Der Gemahl ist für eine Frau Gott, Lehrer, Tugend, heiliges Zentrum und geheiligter Ritus. Nichts sollte wichtiger sein, als ihn zu ehren.

Wenn sie ihren Gatten hintergeht und heimlich ihre Treue bricht, wird sie als grausam jagende Eule wiedergeboren, die ihre Tage in Baumhöhlen verbringen muß. Wenn sie aus Rache ihren Mann schlagen will, wird sie ein Tiger oder eine Wildkatze. Und wer anderen Männern nachstarrt, wird im nächsten Leben schielen. Wer Süßes nascht und dem Mann nichts davon gibt, wird ein Schwein in einem Dorf oder eine wilde Ziege, die ihren eigenen Dung verschlingt. Wer mit seinem Gatten unhöflich spricht, wird stumm, und wer auf die zweite Frau seines Mannes neidisch ist, der wird im nächsten Leben eine Frau mit üblem Schicksal. Die Frau, die sich vor ihrem Mann versteckt und andere gierig anstarrt, die wird einäugig und häßlich. Wie ein Körper ohne Seele unvollständig ist, so geht es einer Frau ohne Ehemann. Doch wenn eine fromme Ehefrau im Hause lebt, dann segnet das Vater, Mutter und Ehemann. Drei Generationen von Ahnen erfreuen sich am Verdienst einer guten Gemahlin. Wie allerdings auch drei Generationen aus dem Himmel fallen können, wenn die Ehefrau untreu und ungerecht ist. Wohin eine fromme Gattin ihren Fuß auch setzt, dieser Ort ist geheiligt und alle Sünden gestillt. Sogar Wind, Sonne und Mond berühren eine fromme Ehefrau, um sich zu reinigen. Wenn das Wasser von einer guten Ehefrau berührt wird, denkt es: „Nun ist meine Trägheit vergangen, und ich kann andere reinigen.“ (Oder andere Version: „Wer andere reinigt, ist selbst gereinigt.“) Die Frau ist die Basis des Haushalts und allen Glücks in der Familie, sie sorgt für ihren Verdienst und ihr Gedeihen. Schöne und anmutige Frauen findet man in jedem Haus, doch nur durch wahre Hingabe an Shiva kann eine fromme Gattin erlangt werden. Sie kann diese und die nächste Welt gewinnen, denn ohne die Frau können keine Riten für die Götter, Ahnen und Gäste und keine Opfer durchgeführt werden. Nur der ist ein wahrer Hausvater, der eine tugendhafte Ehefrau im Hause hat. Die anderen werden von menschenfressenden Dämonen verschlungen. Wie man den Körper reinigt, wenn man in die Ganga taucht, so wird man beim Anblick einer frommen Ehefrau gereinigt. Denn sie ist genau wie die Ganga. Mann und Frau sind wie Shiva und Parvati, und daher sollte ein Kluger das würdige Paar ehren. Der Mann sei das heilige OM und die Frau die heilige Schrift, der Mann sei die Askese und die Frau die Vergebung, der Mann sei die Frucht und die Frau der heilsame Ritus. Oh Parvati, ein solches Paar ist wahrlich gesegnet.

Damit habe ich dir die Pflichten der frommen Ehefrau erklärt, höre mit Aufmerksamkeit und Liebe noch die Arten von Ehefrauen. Man kann die frommen Gemahlinnen in vier Klassen einteilen, oh sanfte Dame. Schon, wenn man sich an sie erinnert, kann man Sünden vertreiben. Es gibt die hohen, mittleren, niederen und ganz niederen. Ich werde dir die Unterschiede erklären, also hör gut zu.

Die Frau, die auf niemand anderen achtet und sogar in ihren Träumen sich ihres Ehemannes bewußt ist, das ist die edelste Frau. Wer andere Männer wie Vater, Bruder oder Sohn mit klarem Bewußtstein betrachtet, ist die mittlere unter den frommen Frauen. Die Frau, die zwar tugendhaft lebt und nicht in die Irre geht, aber über ihre Pflichten grübelt, das ist die niedere. Und wenn die Frau nur aus Angst vor ihrem Mann oder der Familie sich tugendhaft verhält, ist sie die niederste unter den Guten. Alle vier Arten von Ehefrauen vertreiben Sünden und heiligen die Welten. Ihr Ruhm erstreckt sich in dieser und der nächsten Welt.

Einst wurde ein Brahmane vom Fluch des Ebers Varaha auf Bitten der Götter von Anasuya, der Ehefrau Atris, wiederbelebt - einzig durch die Kraft ihrer Frömmigkeit. Oh Parvati, erkenne dies tiefgründig, und diene deinem Ehemann Tag und Nacht mit Vergnügen, denn er erfüllt dir alle Wünsche. Du bist die Göttin und Mutter des Universums. Shiva selbst ist dein Gatte. Wenn sich Frauen an dich erinnern, werden sie fromm. Oh sanfte Dame, doch welchen Sinn hat diese Belehrung für dich? Dies alles sage ich dir nur, damit wir den weltlichen Traditionen folgen.

Dann verstummte die Brahmanendame und verbeugte sich vor der freudigen Parvati, der Geliebten von Shiva.


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