Pushpak Shiva-Purana Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 34 - Die Geschichte von König Anaranya

Vasishta erzählte:
König Anaranya stammte aus dem Geschlecht des 14. Manu Indra-Savarni. Er war ein großer Herrscher, ein Sohn von Mangalaranya (oder Sambhuta) und sehr stark. Er war ein besonderer Verehrer Shivas und regierte über die sieben Kontinente. Mit seinem Priester Bhrigu führte er hundert Opfer durch und nahm nicht die Stellung Indras an, auch nicht, als sie ihm von den Göttern angeboten wurde. Ihm wurden hundert Söhne geboren und eine wunderschöne Tochter namens Padma, die sich mit Lakshmi messen konnte. Und er liebte seine Tochter mehr als seine Söhne. Auch seine fünf Königinnen waren mit Schönheit, guten Eigenschaften und Tugend gesegnet und wurden von ihm mehr als sein Leben geliebt. Als seine Tochter ins jugendliche Alter kam, versandte ihr Vater Einladungen, um einen guten Bräutigam zu finden.

Zu dieser Zeit war ein gewisser Heiliger namens Pippalada („den sinnlichen Genüssen ergeben“) eilig auf dem Heimweg in seine Einsiedelei, als er einen Gandharva erblickte, der sich in einem Wäldchen abseits hielt. Dieser himmlische Musiker war ein Meister in der Kunst der Erotik, in Begleitung einer Dame und völlig im Ozean der Wollust versunken. Als der Weise ihn sah, erfaßte auch ihn die Begierde. Er verlor das Interesse an Askese und Buße und dachte daran, sich eine Ehefrau zu suchen. Lange Tage vergingen für den guten Pippalada, in denen sein Geist von den Schmerzen der Liebe hin- und hergeworfen wurde. Und eines Tages, als er gerade sein Bad im Fluß Pushabhadra nehmen wollte, sah er die schöne, junge Padma, die so bezaubernd wie eine Göttin war.

Der Weise fragte die Nahestehenden, wer dieses Mädchen sei, und einen Fluch fürchtend verbeugten sie sich vor dem Brahmanen und antworteten eilig:
Die vorzügliche Dame, dieser Schatz an allen guten Eigenschaften, ist die Tochter von Anaranya und wird Padma genannt. Sie ist wahrlich eine zweite Göttin des Glücks und wird gerade von großen Königen umworben.

Als er diese Antwort vernommen hatte, da wurde der Geist des Weisen sehr aufgewühlt, und er wollte das Mädchen unbedingt haben. So nahm er sein Bad und ehrte Shiva, seinen am meisten geliebten Gott. Dann ging der wollüstige Weise zum Hof von König Anaranya, um Almosen zu erbitten. Als der König den Brahmanen erblickte, erschauerte er sofort und verbeugte sich vor ihm. Er bot ihm das Gastgeschenk an und ehrte ihn demütig. Aus Liebe nahm der Weise alles an und bat im selben Moment um die Hand der Königstochter. Der König schwieg und war unfähig, einen Entschluß zu fassen.

Doch Pippalada wiederholte seine Bitte:
Oh großer König, gib mir deine Tochter. Sonst werde ich hier alles sogleich zu Asche verbrennen.

König und Gefolge waren mittlerweile völlig überwältigt vom Glanz des Weisen. Sie starrten den alten, ausgemergelten Mann an und begannen zu weinen. Auch die Königinnen wußten keinen Rat und klagten. Und die Mutter des Mädchens fiel vor lauter Trauer in Ohnmacht. Es war höchste Zeit, daß der weise Lehrer des Königs und sein kluger Priester hinzutraten. Der König ehrte die beiden und erklärte ihnen weinend das Dilemma. Dann fragte er sie, welcher Schritt nun angemessen sei.

Und als Meister in heiligen Traditionen und Diplomatie rieten ihm die Brahmanen:
Oh weiser König, höre unsere heilsamen Worte. Halte dich in Begleitung deiner Familie an die heiligen Texte. Ob nun heute oder in einem Jahr, die Prinzessin muß einem würdigen Mann übergeben werden. Und wer in den drei Welten könnte würdiger sein als ein Brahmane? Gib deine Tochter diesem Weisen und rette dein Reich. Wenn alles Hab und Gut wegen einer Person oder einer Sache in Gefahr ist, dann opfert der weise Mann diese Person oder Sache, wenn sie nicht bei ihm Zuflucht gesucht haben.

Doch der König klagte und lamentierte noch eine Weile, bis er letztendlich seine Tochter dem Brahmanen anbot. Die schön geschmückte Maid wurde freudig angenommen und nach heiligem Gesetz geheiratet, und Pippalada kehrte mit seiner Gemahlin entzückt heim in seine Einsiedelei. Der König jedoch war sehr niedergeschlagen, nachdem er seine junge und blühende Tochter einem alten Mann gegeben hatte. Er gab alles auf und ging in den Wald, um Askese zu üben. Seine Hauptgemahlin starb sogleich, denn die Trennung von Mann und Tochter konnte sie nicht ertragen. Seine Söhne und die Minister waren zunächst völlig gelähmt, und das Volk klagte sehr über ihren verlorenen König. Doch Anaranya übte im Wald harte Askese, verehrte Shiva mit ganzer Hingabe und gelangte schließlich frei von jeglichem Makel ins Reich von Shiva. Sein ältester Sohn Kirtiman wurde ein vorzüglicher König, regierte das Reich tugendhaft und sorgte sich um das Volk wie um seine eigenen Kinder.

So habe ich dir, oh Himavat, erzählt, wie König Anaranya sein Reich rettete, indem er dem Weisen seine Tochter gab. Gib auch du, oh König der Berge, deine Tochter dem Asketen Shiva, rette deine Familie und halte damit sogar die Götter dir gewogen.


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