Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 26 - Uneinigkeit zwischen Daksha und Shiva

Brahma erzählte weiter:
Einst versammelten sich die Weisen und edlen Seelen zu einem großen Opfer in Prayaga, zu dem sich auch die Siddhas, Götter, himmlischen Weisen und meine Söhne gesellten, um Aufgaben zu übernehmen. Auch ich war mit meinem Gefolge anwesend. Die heiligen Schriften hatten strahlende Körper angenommen, und die Anwesenden verfügten über alle Arten von Charakteren. Es wurde viel über heilige Texte diskutiert und ein großes Fest gefeiert. Auch der segensreiche Shiva erschien mit Sati und seinem Gefolge, und alle Götter verbeugten sich vor ihm mit großer Hingabe. Er hieß die Anwesenden Platz nehmen, und alle waren höchst erfreut, den großen Herrn zu schauen. Gern erzählten sie ihm, womit sie gerade beschäftigt waren. Auch Daksha, der Vater der Stammväter, kam herzu und war so entzückt, daß er nach allen Seiten Glanz aussandte. Er grüßte mich, seinen Vater, und nahm auf mein Geheiß Platz. Er war aller Ehren würdig und doch ein wenig hochmütig, denn seine Sicht der Wahrhaftigkeit war nicht sehr tief. Die himmlischen Weisen ehrten ihn demütig und priesen ihn mit ehrfürchtig gefalteten Händen, was sein Strahlen noch vermehrte. Nur Lord Shiva, der von allem Unabhängige und Ursache allen Schutzes, saß unbewegt und verbeugte sich nicht vor ihm.

Das ärgerte meinen Sohn Daksha, und er wurde zornig auf seinen Schwiegersohn Shiva. Mit verächtlichen Blicken, ohne tieferes Verständnis und hochfahrend sprach er laut, so daß alle es hören konnten:
Alle Götter und Dämonen, Brahmanen und Weisen verbeugen sich vor mir. Wie kann es sein, daß der Gentleman, der immer von Gespenstern und Kobolden umgeben ist, sich so unehrenhaft verhält und mich nicht angemessen grüßt? Warum kann dieser schamlose Gast auf Verbrennungsplätzen sich nicht vor mir verbeugen? Er kennt weder Riten noch religiöse Praxis. Die Unholde in seinem Gefolge verführen ihn wohl zu solcher Beschwingtheit, daß er alle Höflichkeit vergißt. Wer absichtlich einen Brahmanen hochmütig übersieht, der darf sich nicht mit anderen vergleichen. Und dieser hier ist auch noch der Liebe zu seiner Frau völlig verfallen. Ich sollte ihn verfluchen.

Und so verfluchte Daksha in wütender Rage den Shiva:
Höret, all ihr Brahmanen und Götter und erachtet diesen hier als würdig, von mir vernichtet zu werden. Möge Shiva, dieser Bewohner von unreinen Verbrennungsplätzen und ohne edle Geburt oder Abstammung, von mir von jeglichem Opfer ausgeschlossen werden. Dieser Häßliche und Ausgestoßene soll keinen Anteil am Opfer erhalten, wie es den anderen Göttern gebührt.

Bhrigu und andere tadelten Shiva ebenfalls. Doch Nandi, der treue Diener Shivas, wurde zornig. Erst verbeugte er sich vor seinem Herrn und den Göttern, dann wandte er sich mit rollenden Augen an Daksha, bereit, ihn ebenfalls zu verfluchen.

Nandi sprach:
Oh närrischer Daksha, wie konntest du meinen Herrn vom Opfer ausschließen? Welch bösartige und hinterhältige Absicht steckt dahinter? Wie willst du den verfluchen, dessen Gedanke jedes Opfer erschafft und sinnvoll macht und den Opferplatz heiligt? Unbedacht und übereilt hast du den Fluch ausgesprochen, und ganz vergebens. Shiva ist bar aller Verunreinigung und kann von dir nicht beleidigt werden. Oh gemeiner Brahmane, wie konntest du Shiva verfluchen, der das Universum schuf, erhält und am Ende wieder vernichtet?

Dermaßen von Nandi zurechtgewiesen wurde Daksha noch wütender und verfluchte das gesamte Gefolge von Shiva dazu:
Ihr alle, ihr Gefolgsleute von Shiva, seid auch von den vedischen Riten ausgeschlossen. Ihr sollt von den großen Weisen ebenso gemieden werden wie von denen, die den vedischen Riten treu folgen. Ihr sollt als gottlos gelten, denn ihr steht außerhalb der Regeln der Gesellschaft. Ihr sollt Wein trinken, verfilzte Haare haben und euch mit Asche und Knochen schmücken.

Nun wurde Nandi, der Liebling Shivas und strahlende Sohn von Shilada, richtig wütend. Er antwortete Daksha, der außer sich war vor brennender Überheblichkeit:
Oh du boshafter Daksha, auch Shivas Gefolgsleute hast du gänzlich umsonst verflucht, denn du erkennst das Prinzip Shiva nicht. Du zeigst als Brahmane unbesonnene Voreiligkeit. Und auch die anderen wie Bhrigu zeigen als Brahmanen mehr Egoismus als wahrhaftes Wissen. Doch mit Shivas Macht werde ich diese Brahmanen nun mit Flüchen überhäufen, die Shiva nicht achten und daher niederträchtig sind. Ihr redet zwar über die vedischen Gebräuche und Rituale, doch ihr ignoriert die vedischen Prinzipien.

Solche Brahmanen mögen nur leeres Geplapper vollbringen, sich in Lust, himmlischen Freuden, Jähzorn, Habgier und Hochmut verlieren und damit zu schamlosen Bettlern werden. Sie mögen als Priester in den Opfern von Shudras fungieren, immer arm sein und dabei nach wohltätigen Gaben gieren. Doch wenn sie Reichtum von unwürdigen Personen annehmen, werden sie in die Hölle fallen. Und einige werden zu brahmanischen Dämonen werden, oh Daksha.

Brahma, der mit Shiva konkurrieren möchte, üble Absichten hat und Shiva als den anderen Göttern ebenbürtig ansieht, wird die wahrhaften Prinzipien verlieren. Daksha wird schon bald den Kopf einer Ziege aufgesetzt bekommen und sich in vulgären, weltlichen Genüssen suhlen. Er wird Regeln für Rituale erfinden und dauernd über die Veden schwatzen. Sein helles und strahlendes Antlitz wird verschwinden. Er wird zu einer individuellen Seele abfallen, die das wahre Ziel verfehlt. Seine Riten werden nicht mehr heilig sein, sondern nur noch leere Hüllen.

Nun waren sowohl die Brahmanen nebst Daksha als auch Shiva verflucht, und es erhob sich ein großes Geschrei. Ich, der Schöpfer der Veden, der um die Prinzipien Shivas wußte, tadelte sowohl den wütenden Nandi als auch die Brahmanen um Daksha und Bhrigu.

Doch der allseits freundliche Shiva lachte nur und sprach freundlich zu Nandi, um ihn zu erheben:
Oh Nandi, du Kluger, bitte hör mir zu. Sei nicht zornig. Auch dein Fluch über die Brahmanen war vergeblich, weil du eben doch fälschlicherweise dachtest, man könne mich verfluchen. Die Veden zeigen sich nun einmal in Versen, Silben und Hymnen, und das Selbst ist darin verborgen, wer immer es zu nutzen vermag. So verfluche nicht voller Ärger die Kenner der Veden, und auch die Veden selbst sollten niemals von irgend jemandem verflucht werden. Ich wurde von keinem Fluch berührt, bitte versteh das. Beruhige dich, du Kluger, und besänftige Sanaka und die anderen. Ich bin das Opfer, der Opferritus, das Beiwerk zum Opfer, die Essenz des Opfers und der Opfernde. Und ich bin jenseits von allem. Wer ist das? Wer bist du? Wer sind jene? Ich bin sie alle. Betrachte alles in diesem Licht. Und du verstehst, daß du die Brahmanen umsonst verflucht hast. Erkenne, was das Universum zusammenhält, durch Weisheit und Wahrheit, sei erleuchtet und sicher. Und oh Kluger, sei frei von Zorn und anderen Emotionen.

Brahma fuhr fort:
Nach diesen mahnenden Worten Shivas wurde Nandi, als sein erster und bester Getreuer, friedlich und ruhig. Die Erleuchtung wurde sein höchstes Ziel, und gemeinsam mit Shiva und dem Rest des Gefolges kehrte er gelassen und voller Freude in Shivas Region zurück. Auch Daksha kehrte in sein Heim zurück, doch er war aufgewühlt, brannte im Zorn und schwelgte in Entrüstung. Wie auch einige Brahmanen mit ihm verlor er all sein Vertrauen in Shiva und dessen Göttlichkeit, schürte die Feindschaft zu seinen Verehrern und fand keinen Frieden.

Ja, mein lieber Narada, so verbannte Daksha sein Wissen um die Essenz Shivas. Und ich werde dir auch gleich erzählen, welch bösartigen Absichten und Gedanken Daksha noch hegte.


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