Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 23 - Die Macht der Hingabe

Brahma sprach:
Nachdem sie sich lange mit Shiva bis zur Sättigung vergnügt hatte, fühlte Sati weniger Begierde. Und eines Tages, sie hatte Shiva mit ihrer Hingabe erfreut, fragte sie ihn:
Oh großer Herr, du Herrscher und Ozean allen Mitgefühls, großer Yogi und Helfer aller Gequälten, bitte sei mir gnädig. Du bist der große Geist (Purusha) jenseits der Qualitäten von Rajas, Sattwa und Tamas. Du bist sowohl formlos als auch formhaft. Du bist der kosmische Zeuge und frei von jeglicher Ablenkung des Geistes. Ich bin gesegnet, denn ich wurde deine geliebte Gemahlin, die sich mit dir vergnügt. Doch nun, nach all den himmlischen Freuden fühle ich eine gewisse Befriedigung meiner sinnlichen Gelüste, und mein Geist wendet sich von ihnen ab. Oh Gott der Götter, ich möchte das große, friedenschaffende Prinzip erkennen, durch welches alle lebenden Wesen sämtliche irdischen Leiden vollständig überwinden. Oh Shiva, bitte erkläre mir die Handlungen, welche die Menschen befähigen, sich von den weltlichen Banden zu befreien und die höchsten Regionen zu erreichen.

Brahma fuhr dort:
Nun, oh Narada, die Ur-Göttin stellte diese Frage, um die Wesen der Welten zu erhöhen. Und Shiva, der alle Körper nach seinem Willen annehmen kann und dessen Geist immerzu ins Yoga vertieft ist, gab ihr folgende Antwort.

Shiva sprach:
So höre, große Göttin, ich werde dir den Weg erklären, durch den reuige Wesen ihre Seele befreien können. Nun Sati, erkenne: Vollkommene Erkenntnis besteht im verinnerlichten Bewußtsein: „Ich bin das Brahman.“ Mit nichts anderem soll der Geist sich beschäftigen. Dieses reine Bewußtsein ist sehr selten in den drei Welten. Oh Geliebte, ich selbst bin das Brahman, das Größte vom Größten, und nur sehr wenige erkennen mein wahres Wesen. Die Hingabe an mich ist der Segen, der weltliche Freuden und Erlösung gewährt. Und nur durch meine neunfache Gnade ist dies erreichbar.

Es gibt keinen Unterschied zwischen Hingabe und vollkommener Erkenntnis. Wer sich hingeben kann, erfreut sich des Glücks. Wahrhafte Erkenntnis reift niemals in selbstsüchtigen Menschen heran, welche die Hingabe verabscheuen. Die Hingabe meiner Anhänger zieht mich an, oh Göttin, und ich gehe daher sogar in die Häuser der Niedriggeborenen und Ausgestoßenen. Daran gibt es keinen Zweifel.

Hingabe kann als mit oder ohne Eigenschaften bezeichnet werden, als konventionell oder natürlich, groß oder klein, beständig oder unregelmäßig. Man kann diese Klassifizierungen auch noch weiter treiben, in z.B. vorgeschriebene Hingabe oder frei erwählte. Doch das gehört nicht hierher. Die Weisen sprechen auch über neun Zusätze zur Hingabe. Die werde ich dir nennen, oh Tochter des Daksha. Höre sie mit Liebe an. Es sind Hören, Lobsingen, Erinnern, Dienen, Unterwerfen, Verehren, Grüßen, Anfreunden und Loslassen. Auch diese kann man noch weiter unterteilen, was nicht hierher gehört. Nun Göttin, höre als nächstes die Merkmale dieser neun, denn wer diesen ehrfurchtsvoll lauscht und sie verinnerlicht, kann Erlösung erreichen.

Das Hören ist das hingebungsvolle und achtsame Verinnerlichen meiner Geschichten, die weltliche Freuden und höchste Befreiung gewähren können. Wenn man achtsam die Einzelheiten meiner Manifestationen und Taten in seinem Geist empfängt und dann laut und freudig mein Lob singt, nennt man das Lobsingen. Wenn man realisiert, daß ich alles durchdringe, und sich ein Gefühl der Furchtlosigkeit einstellt, das nennt man das Erinnern. Den Yoga, den man mit Körperübung, Rede und Geist in der zeitigen Morgendämmerung der Gottheit widmet, nennt man das Dienen. Unterwirft man sich der Gottheit inniglich und freudig mit allen Sinnen, wird das sich Unterwerfen genannt. Wenn man nach besten Vermögen die Rituale der 16 Arten der Gottesverehrung für mich, die Höchste Seele, ausführt (Einladen, Begrüßen, Gastgeschenk, Reinigen, Duft, Lichter, Blumen, Mantras usw.), nennt man das Verehrung. Wenn man meditiert, die Gottesnamen wiederholt, sich verneigt und mit seinen acht Gliedern den Boden berührt, nennt man dies Grüßen. Die Überzeugung „Was immer Gott für mich bereithält, sei es gut oder schlecht, ist für mein Wohl.“ nennt man das Anfreunden (und Vertrauen). Wenn man alles losläßt, den Körper und jegliche Begierden, um die Gottheit zu erfreuen, und nichts als Gegenleistung erwartet, das wird das Loslassen genannt. Auch diese Wege kann man weiter unterteilen und z.B. das Pflegen eines Bilva Baumes dazuzählen, doch dies sollte jeder für sich überlegen und entscheiden, was er bewältigen kann.

Solcherart ausgeübte Hingabe an mich stellt mich zufrieden und führt zu Erkenntnis, Verdienst und Erlösung. Es ist ein vorzüglicher Pfad. Wahrhafte Hingabe ist mir so lieb wie du, meine Gemahlin. Sie ist so reich an Früchten wie alle Riten zu allen Zeiten, und wer sie in seinem Geist pflegt, ist mein Liebling. Kein anderer Pfad ist so leicht und angenehm wie die Hingabe, weder in den drei Welten noch in allen Zeitaltern. Im Kali Zeitalter ist sie besonders zu empfehlen, denn es gibt kaum noch Menschen, die Erkenntnis und Entsagung üben, die nun als altertümlich gelten und ihren Glanz verloren haben. Doch die Hingabe zeigt schon früh ihre Früchte, und das gilt für alle Zeitalter. Und ich muß einem hingebungsvollen Verehrer einfach zu Diensten sein und ihm die Hindernisse aus dem Weg räumen. Im Gegenzug verdient ein Mensch Strafe, wenn er ohne Hingabe ist. Daran gibt es keinen Zweifel.

Ich bin der Beschützer meiner Anhänger. Dafür verbrannte ich einst sogar den Gott des Todes mit meinem Blick und zürnte mit der Sonne, die ich mit meinem Dreizack bezähmte. Ich nahm keinen Anteil an Ravanas bösen Taten und verließ ihn mitsamt seinem Gefolge, wegen des Wohles eines wahrhaften Verehrers. Auch Vyasa ließ ich durch Nandi strafen und verbannte ihn aus Kasi, als er üble Absichten hegte, um einem wahrhaften Anhänger Gutes zu tun. Was soll ich noch mehr sagen, oh Göttin? Ich diene ihm und werde von dem Menschen kontrolliert, der wahrhafte Hingabe hat. Zweifle nie daran.

Brahma sprach:
Frohen Sinnes verbeugte sich da Sati viele Male vor Shiva, nachdem sie von der Größe der Hingabe gehört hatte. Und hingebungsvoll stellte sie noch weitere Fragen, welche erhebend sind und wohltuend. Sie erkundigte sich nach der Tugend, einem gerechten Leben, nach den heiligen Traditionen der Yantras und Mantras und vielem mehr. Shiva war über ihre Wißbegierde sehr erfreut, und er belehrte sie dazu ausführlich, um der Welt Gutes zu tun. Er erzählte ihr auch die alten Legenden voller Glanz, erklärte ihr die vier Kasten und Lebensweisen der Menschen und ihre Pflichten, belehrte sie über Medizin, die Kunst des Handlesens, Sternenkunde und vieles mehr und wirkte damit zum Nutzen der Welten.

So lebten Shiva und Sati auf dem Kailash, im Himalaya und an anderen Orten, diese Gewährer von Glück in allen Welten, die Personifikationen aller guten Eigenschaften, die wahrhafte Essenz des Brahman, allwissend und immer hilfsbereit.


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