Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 9 - Kamas Macht und die Geburt seiner Gefährten

Brahma fuhr fort:
Nun, großer Weiser, als Kama sich auf den Weg zu Shiva machte, da erhob sich überraschend ein widriger Umstand, den du dir aufmerksam anhören solltest. Denn als er bei Shiva angekommen war, versprühte der heldenhafte Kama seine Künste und verzauberte alle lebenden Wesen. Auch der Frühling zeigte seine Macht, und ließ die Bäume blühen und verführerisch duften. Kama und Rati versuchten alle zärtlichen Tricks und Listen, so daß wirklich alles und jeder in der Umgebung ihr Opfer wurde - nur nicht Shiva, der Herr der Ganas. Alle Mühen von Kama und dem Frühling waren vergebens, und mutlos und von ihrem Hochmut geheilt kehrten sie in ihre Heimstatt zurück.

So grüßte mich Kama, und niedergeschlagen berichtete er mit bebender Stimme:
Oh Brahma, Shiva ist wahrlich ein Meister in der Yoga Praxis und kann nicht verzaubert werden. Ich habe nicht die Macht und gewiß auch sonst niemand. Ach Brahma, wir versuchten alle Zauber, doch sie waren komplett vergebens. Oh höre Brahma, was wir alles probierten! Als der dreiäugige Shiva mit voller Sinneskontrolle in Trance verweilte, da sandte ich mit ganzer Kraft die duftende Brise, die sonst jeden erschauern läßt, um ihn erbeben zu lassen. Ich erhob meinen Bogen, legte meine fünf Pfeile auf und umkreiste ihn. Alle lebenden Wesen dort verfielen meinem Zauber, nur Lord Shiva mit seinen Ganas wurde nicht im mindesten bewegt. Der Frühling, Rati und ich folgten ihm die ganze Zeit - von der Flanke des Himalaya zum Berg Meru, vom Naga Berg zum Kailash waren wir immer sofort in seiner Nähe. Wann immer Shiva nicht in Versenkung war, sandte ich ein Paar Chakravaka Vögel aus. Sie tummelten sich allerliebst und zärtlich direkt vor ihm. Ganze Scharen von Rehen und anderen anmutigen Tieren gebärdeten sich allerliebst vor seinen Augen. Mehrere Pfauenpaare stolzierten vor ihm auf und ab und tanzten ihren zärtlichen Liebestanz. Doch niemals fand einer meiner Pfeile eine verwundbare Stelle an Ihm, dem Herrn der Welten. Ich sage dir die Wahrheit. Ich bin nicht in der Lage, ihn zu fesseln.

Auch der Frühling tat sein Bestes, und ich werde dir alles wahrheitsgemäß aufzählen, was er versuchte. Er ließ viele Arten von Blumen rings um Shiva erblühen, wo immer er gerade war. Er füllte die Teiche mit klarem Wasser und Lotusblüten, welche eine himmlische Brise über Shivas Einsiedelei schickten. Er ließ die Kletterpflanzen sich um Baumstämme winden, als ob sie ganz anhänglich in deren Schoß ruhten. Überall verstreute er Blütenblätter, um den Ort zu verschönern. Als die himmlischen Einsiedler die Bäume in dieser Blütenpracht erblickten, fielen sie sofort unter meine Macht, ganz zu schweigen von den sterblichen Asketen. Doch in Shivas Geistesfrieden gab es keine Erschütterung. Er zeigte weder sentimentale Gefühle noch die kleinste Spur von Ärger gegen mich. Nachdem ich Zeuge seiner Standhaftigkeit geworden bin, bin ich gegen jeden weiteren Versuch, ihn betören zu wollen. Das ist meine feste Überzeugung. Selbst wenn er seine stille Mediation aufgeben sollte, können wir nicht vor ihm bestehen. Wer könnte daran denken, ihn zu verzaubern? Oh Brahma, wer kann vor ihm stehen und ohne Furcht in seine brennenden Augen schauen?

Brahma sprach:
Nach diesen Worten Kamas war ich ganz besorgt und schwieg, obwohl ich gern etwas erwidert hätte. Und ein tiefer Seufzer entrang sich meiner Brust, als Kama beteuerte, daß er Shiva niemals verzaubern könne. Die Windböen, die auf meinen Seufzer folgten, waren heftig und nahmen vielerlei Formen an. Sie erschütterten alles ringsum, ließen Flammen lodern, Trompeten blasen, Trommeln schlagen und waren so laut und gewaltsam, daß sie einem Furcht einflößen konnten. Sie standen vor mir in Gruppen und schrien: „Töte! Zerschneide!“

Kama gebot dieser tobenden Schar Einhalt und sprach zu mir:
Oh Brahma, du Herr und Schöpfer aller Dinge, wer sind diese fürchterlichen und heldenhaften Wesen? Was wird ihre Aufgabe sein? Sage mir, wo werden sie leben. Oh Brahma, bitte weise ihnen ihre Pflichten zu und gib ihnen Namen und Orte, und dann sag auch mir, was ich als nächstes tun soll.

Da antwortete ich, Brahma, der Schöpfer:
Diese Geisterwesen haben „Maraya - töte“ geschrien, daher sollen sie Maras heißen. Ihre Aufgabe wird es sein, die geschaffenen Wesen zu behindern, damit deine Macht sich ungestört entfalten kann. Ihre Hauptaufgabe wird es sein, dir überall hin und immerzu zu folgen und dir bei deiner Pflichterfüllung zu helfen. Sie werden im Geist derer, die der Macht deiner Waffen anheimfallen, Verwirrung erzeugen. Sie werden weisen Menschen üble Steine in den Weg legen, wenn sie dem Pfad der Erkenntnis folgen wollen.

Das erfreute Kama, Rati und den Frühling ein wenig, und als die Drei und die Maras mich umringten, da sprach ich liebevoll zu Kama:
Folge meiner Bitte. Versuch es noch einmal, Shiva zu verzaubern, und dieses Mal begleiten dich die neuen Hindernisse. Wende achtsam alle deine Macht an, damit Shiva der sinnlichen Zuneigung erliegt und sich einer Frau zuwendet.

Kama grüßte mich demütig, bedachte die Schwere der Aufgabe und sprach erneut zu mir:
Ich habe schon alles probiert. Die von dir gewünschte Verwirrung konnte ich nicht erzielen und werde es auch nie. Doch ich ehre dein Gebot, werde meine Krieger formieren und es noch einmal mit allen Mitteln versuchen. Nur, ich bin sicher, Er wird sich nicht täuschen lassen. Oh Brahma, und ich fürchte, diesmal wird er mich zu Asche verbrennen.

Nach diesen Worten machte sich Kama mit Rati, dem Frühling und seinen Truppen auf den Weg zu Shiva, obwohl die Angst in seinem Geist lauerte. Und Kama zeigte alle seine Künste, der Frühling entfaltete all seine Macht, und auch die Maras versuchten ihr Bestes. Nur Shiva, die Große Seele, war nicht im mindesten beeindruckt. So kehrten alle wieder zu mir zurück. Ich war so stolz auf meine Truppen gewesen, doch nun standen Enttäuschung und Verzweiflung direkt vor mir.

Und wieder beugte Kama sein Haupt vor mir, entsetzt, erniedrigt, entmutigt, und sprach:
Oh Brahma, alle Mühen waren vergebens. Er war nur in Meditation vertieft. Nur weil er so mitfühlend ist, wurde mein Körper noch nicht in Asche verwandelt. Und meine früheren Verdienste wirken wohl noch. Doch was Shiva anbelangt, in Ihm gibt es keine Veränderung. Ach Brahma, wenn du immer noch willst, daß Shiva sich einer Frau zuwendet, dann mußt du dir ein edleres Mittel ausdenken. Ich denke, das wäre hier angemessen.

Dann grüßte Kama mich, gedachte Shiva und kehrte mit seinem Gefolge in sein Heim zurück.


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