Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 6 - Die Hymne Sandhyas und ihr Segen

Brahma erzählte weiter:
Nun, mein kluger Sohn, lausche, wie ich dir die große Askese von Sandhya erläutere, denn dies löscht augenblicklich alle Sünden aus. Nachdem Vasishta sie instruiert und wieder verlassen hatte, war Sandhya höchst zufrieden über das Gelernte. Sie legte das Kleid eines glückseligen Menschen an und begann ihre Buße am Ufer des Sees. Sie ehrte Shiva mit dem Mantra, welches ihr gegeben worden war, und fuhr mit allen Riten und Geboten über vier Yugas fort. Dabei war ihr Geist stetig auf Shiva gerichtet. Shiva war mit ihrer Enthaltsamkeit höchst zufrieden und zeigte sich ihr freudig, im Inneren, im Äußeren und im Himmel. Dabei nahm er für sie die Gestalt an, über die sie meditiert hatte. Darüber freute sich Sandhya sehr, und gleichzeitig dachte sie:
Was soll ich sagen? Wie soll ich ihn preisen?

Und dabei schloß sie furchtsam ihre Augen. Als sie ihre Augen geschlossen hielt, trat Shiva in ihr Herz ein und segnete sie mit himmlischer Erkenntnis, Rede und Sicht. Mit solcherart Weisheit gesegnet lobte sie den Herrn wie folgt.

Sandhya sprach:
Was keine spezielle Form hat, was nur durch vollkommene Erkenntnis wahrgenommen werden kann, was weder grob, subtil oder hoch ist, und worüber die Yogis in ihrem Innern meditieren - oh Verehrung Dir, dem Schöpfer der Welten. Ich verbeuge mich vor Dir, Lord Shiva. Deine Gestalt ist wie eine Straße in den Himmel, jenseits des Pfades der Dunkelheit. Du bist still, rein, unveränderlich, unbegreifbar durch weltliches Wissen, selbsterleuchtend und ohne Alter. Verehrung Dir, dessen Gestalt einzigartig ist, makellos, strahlend, ohne Illusion, Erkenntnis gepaart mit Glückseligkeit, Unvergänglichkeit, ewige Liebe und Freude beim Erscheinen von Wahrheit, Wohlstand und Herrlichkeit. Verehrung Dir, dessen Wesen als reine Erkenntnis verstanden werden kann. Du bist die Natur von Sattwa, über Dich sollten die Yogis meditieren als Höchste Seele, welche die Essenz von allem ist, wahrhaft heilig und heiligend. Verehrung Dir, dessen erkennbare Gestalt der reine Yogi ist, lieblich, mit Juwelen geziert, so weiß und sauber wie Kampfer, und der die ersehnten Segen in seinen Händen hält nebst Furchtlosigkeit, Dreizack und Schädel. Verehrung Dir, dessen Form der Himmel ist, die Erde, die Himmelsrichtungen, das Wasser, das Feuer und die ewige Zeit. Verehrung, Verehrung dem Shiva von unmanifester Form, aus der die ungestaltete Natur und der ursprüngliche Geist kamen. Verehrung, Verehrung Dir, der das Universum als Brahma erschuf, es als Vishnu erhält und als Rudra zerstört. Verehrung, Verehrung der Ursache aller Ursachen, dem Gewährer von göttlichem Nektar, Weisheit und Wohlstand, Verehrung dem, der die Welten reich macht, und dem Strahlendsten unter allen Strahlenden. Verehrung, Verehrung Dir, Shiva, denn jenseits deiner Sphäre gibt es keine weitere Welt. Aus Deinem Nabel entstanden Erde, Himmelsrichtungen, Sonne, Mond, Kama, die Götter und der Raum. Du bist die Größte Seele. Du bist Shiva, der jegliches Recht bestimmt, das reine Brahman, das höchste Brahman und das beste Mittel für Befreiung. Wie könnte ich Shiva nur angemessen loben, der mit Worten nicht beschreibbar ist, dem Geist unbegreiflich, ohne Anfang, Mitte oder Ende und die Ursache aller Welten? Wie könnte ich seine Form beschreiben, wo selbst Brahma, die Götter und Weisen dies nicht können? Oh Herr, Du bist ohne Eigenschaften. Wie könnten Deine Qualitäten von mir, einer einfachen Frau, erkannt werden, wo selbst Indra, die Götter und Dämonen dies nicht vermögen? Verehrung Dir, oh Lord Shiva, Verehrung Dir, Du Personifikation von Buße, oh Herr der Götter, sei gnädig, Verehrung, Verehrung Dir immerzu.

Shiva, der seinen Verehrern immer freundlich gesinnt ist, war auch über ihre Worte sehr erfreut. Ihr Körper, ursprünglich mit Bast und Hirschfell bekleidet, war mittlerweile ganz eingehüllt von der Menge verfilzter Locken, und ihr Gesicht glich einer Lotusblüte bei Frost. Bei diesem Anblick schmolz Shiva vor Mitgefühl dahin und sprach:
Oh sanfte Dame, ich bin sowohl über deine Buße als auch dein Lob entzückt. Oh verheißungsvolle, kluge Dame, wähle deinen Segen. Was immer du als nützlich und wünschenswert empfindest, ich werde es dir gewähren. Ich bin überglücklich über deine enthaltsamen Riten.

Sandhya war nun selig und ehrfürchtig bat sie:
Oh Lord Shiva, wenn ich mich eines Segens für würdig erwiesen habe, von meiner Sünde gereinigt bin, und du, großer Herr, mit meiner Askese zufrieden bist, dann laß meine Wünsche in Erfüllung gehen. Möge kein lebendes Wesen von Geburt an von wollüstigen Gefühlen umnebelt sein, oh Herr der Götter. Möge keine andere Frau so rein in den drei Welten werden wie ich. Möge keiner meiner Nachkommen je wollüstig sein oder niedrig gesinnt. Möge mein Ehemann mein enger Freund mit reinem Geist sein. Und wer sonst mit begehrlichen Blicken auf mich schaut, soll dabei seine Männlichkeit verlieren.

Und Shiva sprach erfreut zur Dame, welche alle Sünde abgewaschen hatte:
Höre Sandhya, deine Sünde ist zu Asche geworden. Ich hege keinen Zorn gegen dich. Durch deine Buße wurdest du rein. Oh sanfte Dame, ich gewähre dir alles, was du begehrst, denn ich bin mit deiner gezügelten Askese sehr zufrieden. Alle lebenden Wesen sollen vier Stadien durchlaufen: Geburt, Kindheit, Jugend und Alter. Und erst im dritten oder am Ende des zweiten Stadiums sollen die Wesen Wollust erfahren. Diese Grenze setze ich als Ergebnis deiner Buße. Kein lebendes Wesen soll Wollust kennen, wenn es gerade erst geboren wurde. Du selbst wirst eine reine Keuschheit erlangen, wie es keine andere Frau in den drei Welten je schaffen wird. Außer deinem Ehemann wird niemand lustvoll auf dich schauen, und wenn doch, wird er unmännlich und schwach werden. Dein Gatte wird wohlgestaltete Züge tragen, voller Buße sein und mit einem glückseligen Schicksal gesegnet. Ihr werdet über sieben Kalpas miteinander leben.

So habe ich dir alle deine Wünsche gewährt. Doch nun werde ich dir noch etwas enthüllen. Es wurde bereits vorhergesagt, daß du deinen Körper im Feuer auflösen wirst. Nun laß mich dir sagen, wie, damit du meinen Worten folgen kannst. Auf dem Kamm dieses Berges, am Ufer der Chandrabhaga, übt Medhatithi strenge Askese und wird ein großes Opfer über zwölf Jahre durchführen. Begib dich unbemerkt in seine Nähe und führe deine Absicht in seinem Opferfeuer aus. Dank meiner Gunst wirst du als seine Tochter aus dem Feuer geboren werden. Und wenn du in deinem Geist einen passenden Ehemann erwählt hast, dann denke an ihn, wenn du ins Feuer eintrittst.

Oh Sandhya, während du Askese geübt hast, hat Daksha viele keusche Töchter bekommen, die verheiratet wurden. 27 gab er dem Mond, welcher jedoch Rohini allein bevorzugte. So verfluchte ihn Daksha. Zu dieser Zeit waren die Götter nebst Brahma dir ganz nah, aber du konntest sie nicht sehen, denn dein Geist war völlig auf mich gerichtet. Brahma schuf den Fluß Chandrabhaga, damit sich der Mond von seinem Fluch erholen könne (denn weil er Rohini bevorzugte, wurde er von Daksha mit Schwindsucht verflucht). Und auch Medhatithi kam dann hierher. Ihm gleicht niemand an Buße, und es wird ihm auch niemand je gleichen. Sein Jyotistoma Opfer hat er eben mit vielen Riten begonnen. Seinem heiligen Opferfeuer sollst du deinen Körper übergeben. Du bist jetzt rein, mögen auch all deine anderen Wünsche in Erfüllung gehen. Oh Einsiedlerin, dies alles habe ich bestimmt. Geh und handle, du glückliche Dame, wie ich es sage. Geh zum Opfer dieses Heiligen.

So sprach Shiva und verschwand.


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