Pushpak Shiva-Purana Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 17 - Die Geschichte von Gunanidhi

Nach diesen Worten verbeugte sich Narada und fragte demütig:
Wann begab sich Shiva, der immer seinen Anhängern gnädig geneigt ist, eigentlich zum Kailash? Woher kam seine innige Vertrautheit mit Kuvera, der edlen und großen Seele? Was tat der schöngestaltete Shiva dort? Bitte erzähl mir alles darüber, denn es interessiert mich zutiefst.

Brahma gab zur Antwort:
Oh Narada, lausche vertrauensvoll. Ich werde dir die Geschichte des mondgekrönten Herrn erzählen, wie er zum Kailash ging und Freundschaft mit Kuvera schloß.

In der Stadt Kampilya lebte einst ein hingebungsvoller Opferer namens Yajnadatta (yajna = Opfer, datta = u.a. Gabe, Ehre), der aus dem Somayaji Geschlecht stammte (Soma = Mond, yaji = Opfer, Verehrung). Er war ein vorzüglicher Kenner der Opferriten, wußte um die Veden und ihre Zweige, wurde vom König geehrt und geschätzt und war ein großzügig Gebender, dessen guter Ruf sich weit verbreitet hatte. Gewissenhaft schürte er das heilige Feuer und war dem Studium der Veden zutiefst ergeben. Sein Sohn Gunanidhi (Schatz, trefflicher Mensch) war von sehr schöner Gestalt und strahlte wie die Mondscheibe. Nachdem ihm die heilige Schnur verliehen worden war, studierte er die Veden, Metaphysik, Logik, die Kunst des Regierens, Landwirtschaft, Handel und Medizin, Geschichte, Mythologie und Recht wieder und wieder. Und doch zog es ihn gleichzeitig zum Glücksspiel, was seinem Vater entging. Er lieh sich mitunter große Mengen Geldes von seiner Mutter und verjubelte sie mit anderen Spielern, mit denen er engen Kontakt hielt. Nach und nach mied er den Weg der Brahmanen und auch ihre Lebensart. Die täglichen Gebete waren ihm zuwider, und er verabscheute die zeremoniellen Waschungen. Auch begann er, schlecht von den Veden zu sprechen, den heiligen Texten, Göttern und Brahmanen und folgte nicht mehr den Regeln der Gelehrten. Lieber spielte er und sang und vergnügte sich mit Schauspielern. Auch wurden Gotteslästerer seine liebsten Freunde. Obwohl seine Mutter ihn bat, sich mit seinem Vater zu treffen, ging er nicht einmal in dessen Nähe. Wenn der Vater Yajnadatta, der oft außer Haus unterwegs war, seine Gattin fragte:
Was macht unser Sohn, liebe Frau? Er ist nicht zu Hause.

Dann antwortete sie ihm:
Oh, er ist gerade ausgegangen. Bis eben nahm er sein Bad und ehrte die Götter. Auch sein Studium der Veden hat er für heute beendet und ist nun in Gesellschaft einiger Freunde unterwegs, um noch etwas zu lernen.

Da es ihr einziger Sohn war, täuschte die arme Frau ihren Mann auf diese Weise. Und der einfältige Ehemann erkannte nichts von den schändlichen Taten und dem üblen Betragen seines Sohnes. So wurde die Kesanta Zeremonie bei Gunanidhi durchgeführt, wo dem Brahmanensohn im 16. Lebensjahr das Haar geschoren wurde. Danach führte Yajnadatta die Heiratszeremonie für seinen Sohn durch, wie sie in den Sutras beschrieben wurde.

Doch an jedem Tag, oh Narada, flehte die Mutter mit vor Liebe überquellendem Herzen ihren Sohn an:
Liebster Sohn, dein Vater ist gewiß ein großer Mann, doch auch von raschem Temperament. Wenn er von deinem Lebenswandel erfährt, wird er dich schlagen und auch mich nicht verschonen. Jeden Tag verschweige ich deine üblen Taten vor deinem Vater. Er wird für sein gutes Betragen, seinen Wohlstand und seine Großzügigkeit von allen Menschen geehrt. Mein liebes Kind, das Vedenstudium und der Umgang mit heiligen Menschen ist solch ein großes Glück für Brahmanen. Warum nur interessiert dich das überhaupt nicht und macht dich nicht froh? Deine Vorfahren ernteten alle den Ruhm, gute Vedenschüler zu sein und die Opferriten trefflich zu beherrschen. Oh, gib die Gesellschaft übler Leute auf, verbinde dich mit guten Menschen, lenke deine Aufmerksamkeit auf das Lernen und halte dich streng an die brahmanischen Regeln. Eifre deinem Vater in Betragen, Ruhm und traditioneller Lebensweise nach. Warum fühlst du gar keine Schande? Leg doch nur deine Unverschämtheit ab. Du bist jetzt 19 Jahre alt und deine Braut 16. Sie ist so ein gutes Mädchen, nimm sie an. Beschütze sie. Und sei vor allem deinem Vater ergeben. Auch deinen Schwiegervater solltest du achten für seine guten Eigenschaften und sein angenehmes Verhalten. Warum fühlst du so gar keine Scham über dein lasterhaftes Leben? Liebster, einziger Sohn, auch deine Onkel sind makellos in Vedenstudium, Betragen und Lebensweise gemäß ihrer Abstammung. Doch du sorgst dich nicht darum, wo doch deine Linie von Vater und Mutter gleichermaßen rein ist. Und schau auf die brahmanischen Jungen der Nachbarschaft oder die Schüler deines Vaters in unserem Haus - wie demütig sie sich benehmen. Lieber Sohn, wenn der König davon erfährt, wie übel du dich benimmst, dann wird er den Respekt vor deinem Vater verlieren und verbietet ihm vielleicht seinen jetzigen Lebenserwerb. Bis jetzt haben die Leute deine unseligen Machenschaften noch als die närrischen Dummheiten eines kleinen Jungen angesehen. Doch bald werden sie deinem Vater den traditionellen Titel eines Geweihten (Dikshita) absprechen, dich verfluchen, deinen Vater und mich mit bösen Worten beschimpfen und meinen, du hättest den verruchten Lebenswandel deiner Mutter angenommen. Dein Vater hat niemals gesündigt. Er folgt seit jeher strikt dem Pfad der Veden und Gesetze. Lord Shiva ist mein Zeuge für die Reinheit meines Geistes, welcher immer auf seine Füße gerichtet ist. Ich habe nach dem Menstruationsbad niemals das Antlitz eines gemeinen Mannes angesehen. Oh wie mächtig ist das Schicksal, wenn aus meinem Leib ein Junge wie du geboren wurde.

Obwohl seine Mutter ihm täglich solcherart ins Gewissen redete, konnte der übelgesinnte Junge nicht von seinem hinterhältigen Pfad abweichen. Schließlich ist ein im Laster untergegangener Dummkopf und von Reue weit entfernt. Denn wer könnte bei Jagd, Wein, Verleumdung, Lüge, Diebstahl, Wettspiel und Prostitution ungebrochen und tugendhaft bleiben?

So kam die Zeit, daß der sündige Jüngling sogar Hand an alles legte, was ihm im Haus seines Vaters brauchbar erschien. Mal war es Kleidung mal Geschirr, was er stahl und ins Wettbüro brachte, wo er es an seine Wettbrüder verlor. Einmal stahl Gunanidhi einen wertvollen, edelsteinbesetzten Ring seines Vaters und gab ihn einem seiner Spielerfreunde. Doch es geschah, daß der Vater den Ring bei diesem Freund sah und den Mann fragte:
Woher hast du diesen Ring?

Erst konnte der Spieler nicht antworten, doch als der Geweihte nicht locker ließ, gab er schließlich zu:
Oh Brahmane, vermute keinen Diebstahl bei mir. Ich habe den Ring von deinem Sohn. Und am Tag zuvor gewann ich von ihm ein Kleid seiner Mutter. Doch denke nicht, daß dies ein Einzelfall war. Viele Spieler haben schon von ihm schöne und kostbare Sachen gewonnen. Er hat Juwelen verloren, Geschirr, seidene Kleider, goldene Vasen und viel Metallisches wie Glocken oder Schalen. Jeden Tag ziehen ihn die Spieler beim Wetten über den Tisch. In der ganzen Welt gibt es keinen glückloseren Wetter als deinen armen Sohn. Wie kann es sein, oh Brahmane, daß du bis jetzt nichts davon gemerkt hast? Seit vielen Jahren ist er mitten in der stärksten Wettgemeinde zugange, die sich unfairer Mittel und hinterhältiger Tricks bedient.

Als er diese Worte vernommen hatte, senkte der arme Vater beschämt sein Haupt. Er bedeckte sein Antlitz und den Kopf mit einem Stück Tuch und schlich sich leise in sein Haus zurück. Dort wandte sich der vedengelehrte Opferer an seine keusche Ehefrau.

Yajnadatta sprach:
Oh Dame, wo ist dieser wettende Schurke eines Sohnes, wo ist Gunanidhi jetzt? Ach, laß sein. Warum sollte ich nach ihm fragen? Sag mir lieber, wo dieser prachtvolle Ring ist, den du abnahmst, als du mich mit Salben einriebst. Bring ihn schnell her und gib ihn mir.

Die Dame fürchtete sich sehr bei seinen Worten. Und während sie weiter das Bad und die heiligen Riten zur Mitte des Tages vorbereitete, antwortete sie:
Oh Herr, ich bin gerade sehr beschäftigt mit all den nötigen Dingen für die Zeremonie. Wir schätzen Gäste sehr, und ich möchte sie nicht unnötig warten lassen. Als ich den Pudding gekocht habe, habe ich den Ring in irgendein Gefäß gelegt. Oh, welch Mißgeschick! Ich hab vergessen, wo. Ich weiß es nicht, wo der Ring jetzt steckt.

Der Geweihte Yajnadatta gab zurück:
Oh wahrhafte Dame, die einem verlogenen Jungen das Leben schenkte. Wenn ich dich sonst fragte, was unser Sohn macht, da gabst du zur Antwort: Lieber Herr, er ist eben mit einigen Freunden weggegangen, nachdem er seinen Unterricht beendet hat, um die Lektionen zu vertiefen. - Wo ist der tiefrote, seidene Sari, den ich dir schenkte und der sonst immer hier hing? Hab keine Angst und sag mir die Wahrheit. Wo ist dieser glockenförmige Metalltopf aus dem Süden? Wo der Kupferkessel aus Bengalen? Wo die Elfenbeinschatulle für die Nippessachen? Wo ist diese wunderbare, feine Statue der Dame, die gerade eine Lampe anzündet, die wie der Mond scheint und aus den Bergen stammt? Warum muß ich so viele sinnlose Worte sprechen? Oh Dame aus einer edlen Familie, es ist zwecklos, mit dir zornig zu sein. Ich werde erst wieder essen, wenn ich neu verheiratet bin. Ich bin kinderlos, denn dieser üble Bursche hat die ganze Familie besudelt. Geh und bring mir Wasser. Ich werde für ihn (wie für einen Verstorbenen) Sesamsamen opfern. Es ist besser, ohne Kind zu sein, als solch einen Schurken zum Sohn zu haben, der die Familie in den Dreck zieht. Es ist eine gute Tradition, solch einen Kerl zu verbannen, um die Familie zu retten.

Der Brahmane nahm sein Bad, führte die üblichen Riten aus und heiratete am selben Tag die Tochter eines Vedengelehrten.


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