Pushpak Shiva-Purana Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 12 - Was im Ritual nötig oder auch unnötig ist

Narada sprach:
Lieber Vater, oh Brahma, mit deinem in Shiva gefestigten Geist bist du wahrlich gesegnet. Bitte erklär mir das alles noch genauer.

Brahma sprach daraufhin:
Ich, der Lotusgeborene, rief einst die Götter zusammen und sprach liebevoll und wohlwollend zu ihnen: Wenn ihr Vertrauen in beständige Glückseligkeit habt und sie euch erringen wollt, dann begleitet mich zum Ufer des Milchozeans. Sie alle folgten meiner Bitte und gingen mit mir zu dem Ort, an dem der segenspendende Vishnu war. Wir verbeugten uns mit gefalteten Händen vor Janardana, dem Herrn des Universums und aller Götter, und beteten vor ihm. Als Vishnu uns wahrnahm, gedachte er der Lotusfüße Shivas und sprach zu uns mit edlen Worten.

Vishnu fragte:
Warum seid ihr zu mir gekommen, Brahma und all ihr himmlischen Weisen? Worum geht es? Bitte vertraut es mir an.

Und alle Götter antworteten hingebungsvoll:
Wen sollen wir beständig verehren, um Leid zu vermeiden?

Uns liebevoll beglückend sprach da der Herr:
Oh Brahma und ihr anderen, hört mich an. Ihr Götter habt es schon oft vernommen. Doch ich werde es euch immer wieder erzählen. Ihr habt es gesehen und seht es überall. Warum fragt ihr ständig danach? Nun, Lord Shiva ist der Vernichter allen Elends, und ihm dienen wir beständig, indem wir in der Welt wirken. Er selbst hat es mir und Brahma bestätigt. Wer sich Glück und Freude wünscht, darf niemals in Seiner Verehrung nachlassen. Und ihr selbst habt ein wunderbares Beispiel dafür erfahren. Denkt nur an den Untergang der Söhne von Tara, als sie hochmütig und ungerecht wurden und das Linga nicht mehr verehrten. Ich habe sie verzaubert, und meine Illusion trieb sie davon. Und als sie sich vom Herrn aller Götter, von Maheshvara trennten, wurden sie alle vernichtet.

Kartikeya, der Sohn Shivas, besiegte mit einem Speer von Parvati diese drei Dämonen, welche zuvor die Götter schwer gequält und das Göttliche mißachtet hatten. Eine andere Version der Geschichte steht z.B. unter MHB 8.33.

Daher sollte Shiva in Gestalt des Linga immer verehrt werden. Er ist der Erste unter den Göttern, und ihm sollte man in tiefstem Vertrauen dienen. Es ist die Verehrung des Linga, welche die Menschen, euch Götter, Dämonen, mich und Brahma erhält. Wie konntet ihr das nur vergessen?

Was ihr euch wünscht, welches Ziel ihr auch anstrebt, die Verehrung des Linga und also Shiva ist die beständige Pflicht. Jeder Moment, der nicht Mahadeva gewidmet ist, ist ein Verlust, ein Makel, der in Schwäche, Narrheit, Beschränktheit und Blindheit gipfeln kann. Deren Geist immerzu Mahadeva gewidmet ist, die hingebungsvoll in seinem Sinne handeln und sich allzeit Mahadeva gewahr sind, die werden niemals Opfer von Elend und Kummer.

Wer sich prunkvolle Häuser wünscht, schönen Schmuck, prachtvolle Frauen, Wohlstand bis zur Sättigung, Kinder und Enkel, Gesundheit und einen strahlenden Körper, einen herausragenden Status, himmlische Glückseligkeit und letztendliche Befreiung oder tiefste Hingabe an den Großen Herrn, der sollte mit all der Tugend, die ihm sein bisheriger Verdienst erlaubt, Shiva verehren. Und sicherer Erfolg ist dem beschieden, der ohne nachzulassen und hingebungsvoll das Shiva Linga ehrt, denn ihn kann keine Sünde ablenken.

Brahma fuhr fort:
Nach dieser Aufmunterung knieten die Götter vor Vishnu nieder und baten um Lingas, damit die Wünsche der Menschen sich erfüllen konnten. Auch Vishnu wünschte, die lebenden Wesen zu erheben, und so baten er und auch ich den Visvakarma:
Oh Visvakarma, erschaffe Shiva Lingas auf unser Bitten und verteile sie an alle Götter.

Was Visvakarma gerne nach dem jeweiligen Status der Götter tat. Ich erzähle euch auch, wie dies geschah. Hört mir bitte zu. Indra bekam ein Linga aus Rubin, Kuvera eins aus Gold, Dharma eins aus Topas, und Varuna wählte eins aus dunkelblauem Stein. Vishnu nahm ein Linga aus Saphir und ich, Brahma, wählte auch eins aus Gold. Die Viswadevas und Vasus bekamen silberne Lingas und die Aswins welche aus Messing. Die Göttin Lakshmi nahm ein kristallenes Linga, und die Adityas bekamen welche aus Kupfer. Der Mond nahm eins aus Perlen, der Gott des Feuers eins aus Diamant. Die großen Brahmanen und ihre Gattinnen widmeten sich den irdenen Lingas. Maya nahm eins aus Sandelholz, und die große Schlange Sesha eins aus Korallen. Die Göttinnen wählten Lingas aus Butter, die Yogis Lingas aus Asche, die Yakshas welche aus Quark, und die Göttin Chaya (Savarna, die Schattenfrau des Mondes) empfing ein Linga aus geknetetem Mehl. Meine Gattin ehrt das Linga aus Edelstein, und Bana und andere wählten Lingas aus Quecksilber. Ja, so gab Visvakarma jedem Gott und himmlischem Weisen ein Linga, welches sie regelmäßig verehren. Und nachdem nun jeder ein Linga hatte, erklärte Vishnu mir auch noch, wie das Linga zu verehren sei, damit es allen nütze. Höchst entzückt kehrte ich mit diesem Wissen in mein Reich zurück, und belehrte dort die Götter und Weisen darüber.

Ich sprach zu ihnen:
Oh ihr Himmlischen, hört mir mit Freude und Liebe zu, denn ich erkläre euch nun die Art und Weise der Verehrung von Shiva, welche weltliche Wünsche und Erlösung verleiht. Unter all den lebenden Wesen ist es schon recht schwer, eine Geburt als Mensch zu erhalten. Dann in einer guten Familie zu leben, ist noch schwerer. Und hat man die äußerst schwierige Geburt in einer Brahmanenfamilie mit gutem Betragen und viel Verdienst gemeistert, dann sollte man dem Wohlwollen Shivas gewidmete Riten ausführen. Niemand sollte die Pflichten seiner Kaste überschreiten, und Gaben und heilige Riten sollten immer nach den eigenen Möglichkeiten geschehen.

Buße (Tapoyajna) zählt tausendmal mehr als rituelle Opfer (Karmayajna), und das Wiederholen von Mantras (Japayajna) wiegt tausendmal schwerer als Buße. Doch nichts ist höher als Meditation (Dhyanayajna), welche die Ursache ist für wahre Erkenntnis, wenn der Yogi die ihm nahestehende Gottheit in Gleichmut schaut.

Shiva ist einer in Meditation vertieften Person immer nah. Und wer wahrhafte Erkenntnis erlangt hat, benötigt keine Buße oder Sühne mehr. Nun, ihr Götter, wer das Brahman durch aufrechte Erkenntnis realisiert hat, braucht keine Riten mehr auszuführen. Sie sind frei von Elend und Frohsinn, Tugend und Sünde, Opfer und Mantras, Meditation und sämtliche Regeln dazu. Denn die wahre Erkenntnis befreit sie von (der Anhaftung an) niedere Leidenschaften und körperliche Veränderungen oder Verfall. Das Linga im Herzen eines Yogis ist rein, glückselig, verheißungsvoll, unvergänglich, alldurchdringend und unbefleckt.

Es gibt zwei Arten von Lingas: das innere, subtile und das äußere, grobe. Wer sich in Ritualen verliert und nur das äußere Linga sieht, wird niemals den Geist stabilisieren können, auch wenn er meint, über das subtile, innere Linga zu meditieren. Doch wer das Linga des Geistes, das subtile, noch nicht gemeistert hat, hat gar keine andere Wahl, als das grobe Linga zu verehren. Ein Meister der Erkenntnis schaut das reine, unveränderliche subtile Linga auf genau dieselbe Weise, wie ein Nicht-Yogi das grobe, äußere Linga hingebungsvoll verehrt. Erinnert euch und bewahrt es beständig in eurem Geist: alles in diesem Universum ist eine Form von Shiva. Kein Makel haftet an dem, der noch nicht über die vollkommene Erkenntnis verfügt. Er kann den Regeln folgen, doch sie müssen ihn nicht binden. Der mit Erkenntnis erfüllte Yogi wird nicht mehr von seinen Taten gebunden, selbst wenn er das Leben eines Hausvaters führt, wie der Lotus zwar im schlammigen Wasser wächst, aber nicht von ihm verunreinigt wird. Doch bis die wahre Erkenntnis erreicht ist, ist es ein guter Weg, Shiva zu verehren. Denn die Rituale können helfen, diese Welt zu überwinden.

Die eine Sonne wird in vielen Wassergefäßen reflektiert, und so, ihr Götter, ist das Höchste Brahman, nämlich Mahadeva, in allen Formen dieser Welt zu finden. Es mag Unterschiede in der Gestalt der Gefäße geben, doch nicht in der Essenz des Wassers, welches sie enthalten. Und das haben die Vedenkenner uns oft erklärt: „Mahadeva ist im Herzen aller Wesen dieser Welt.“ Was bedeutet noch ein Bild oder Idol für einen, der dies wahrhaft erkannt hat? Wer allerdings diese Erkenntnis noch nicht hat, für den kann ein Bild sehr nützlich und segensreich sein, denn es mag ihm helfen, zu einem höheren Wissen aufzusteigen. Ohne Hilfe ist solch ein Aufstieg sehr schwierig, und ein Bild ist ein gutes Werkzeug, um zumindest den Gott mit seinen Eigenschaften zu erkennen. Sicherlich kann man dadurch auch die eigenschaftslose Gottheit erkennen. Daher sind die Symbole der Götter hilfreich, um stabiles Vertrauen zu erlangen.

Der Herr ist wahrlich groß, und ebenso groß ist seine Verehrung mit Blumen, Sandelpaste und Düften. Und bis zur letztendlichen Erkenntnis sollte das Idol auch verehrt werden, sonst fällt man wieder ab.

Hört ihr Brahmanen, und versteht die Wahrheit durch Wahrhaftigkeit. Alle Gründe, die ich schon genannt habe, weisen euch an, die Pflichten eurer Kaste niemals zu vernachlässigen. Führt die Verehrung von Hingabe geleitet durch. Ohne Verehrung und Großzügigkeit kann die Sünde nicht ferngehalten werden. Gibt es noch einen kleinen Rest von Sünde in euch, könnt ihr keine Erfolge erwarten. Nur wenn die Sünde ganz und gar ausgelöscht ist, tragen alle Riten Früchte. Es ist wie mit Kleidung. Ist der Stoff noch verunreinigt, kann er nicht gefärbt werden. Erst wenn er ganz rein und ausgebleicht ist, wird sich die neue Farbe unverfälscht entwickeln. Genauso wird der Körper mit der rechten Verehrung der Gottheit von allem Unrat befreit, und die Farbe der wahren Erkenntnis kann sich einstellen.

Die Wurzel von wahrhafter Erkenntnis ist andauernde und ungetrübte Hingabe. Diese wiederum kommt aus guten Taten und der Verehrung der Gottheit. Für die hingebungsvolle Verehrung ist ein guter Lehrer vonnöten. Und den findet man nur, wenn man sich mit guten Menschen verbindet. Dann wird der Lehrer erscheinen, von dem man die Mantras und die Arten der Verehrung erlernen kann. Doch vergeßt mir nie die liebende Hingabe, welche das Erkennen gebiert. Die Erkenntnis führt zur Schau des höchsten Brahman, und alle Differenzierung hört auf. Mit der Trennung verschwindet auch das Aufeinanderprallen von Gegensätzen, in denen man sich dann nicht mehr verwickeln kann. Und alles Elend, was einem begegnet, nimmt die göttliche Gestalt von Mahadeva an.

Oh ihr himmlischen Weisen, wen das Gegeneinanderprallen der Gegensätze nicht mehr bewegt, weil er wahre Erkenntnis in sich hat, der ist weder Glück noch Unglück ausgeliefert. Die Gesetze des Lebens können ihn nicht mehr binden. Solch einen Menschen findet man selten, und sein bloßer Anblick stillt alle Sünden. In heiligen Tempeln wird solch ein Mensch gepriesen, die Götter und Weisen singen sein Lob und erachten ihn als das Höchste Brahman, Mahadeva selbst. Die heiligen Bilder der Götter aus Lehm oder Stein oder die Tempel sind seiner nicht ebenbürtig. Sie reinigen einen Menschen nach und nach mit der Zeit, während er einen Menschen mit nur einem Blick reinigen kann. Lebt er noch als Hausvater, sollte er dennoch die Verehrung der Götterbilder mit Vergnügen ausführen. Es ist auch ausreichend, wenn er Mahadeva allein verehrt.

Die Wurzel ist am wichtigsten. Wässert man die Wurzel, können sich alle Zweige und Äste gut entwickeln. Umgekehrt ist es nicht unbedingt der Fall. Pflegt man nur die Zweige, kann die Wurzel schwach werden. Und so ist es mit den Göttern als Zweigen und Mahadeva als Wurzel. Es soll daher euer Ziel sein, ihr Götter, mit aller Vernunft Mahadeva zu besänftigen, denn mit ihm nährt ihr euch alle. Wer also allen Wesen Gutes tun möchte, verehre Shiva, den Wohltäter der Welten.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter