Pushpak Shiva-Purana Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 7 - Shiva manifestiert sich als Feuersäule

Shiva sprach:
Meine lieben Kinder, seid gegrüßt. Ich hoffe, das Universum und die Götter erblühen unter meiner Herrschaft in ihren jeweiligen Pflichten? Nun, ihr Götter, ich weiß schon vom Kampf zwischen Brahma und Vishnu. Ihr müßt euch nicht aufregen.

So sprach Shiva mit honigsüßen Worten und beruhigte die Götter lächelnd, wie man liebevoll Kinder besänftigt. Dann verkündete er seinen Entschluß, das Schlachtfeld selbst aufzusuchen, und gab auch alle nötigen Befehle an seine vielen Gefolgsleute. Sogleich wurden alle Arten von Musikinstrumenten gespielt, um den Aufbruch des Herrn anzukündigen. Die Anführer seiner Armee saßen in ihren herrlichen Ornamenten und Wagen bereit. Und Shiva bestieg seinen heiligen Wagen, der in ganzer Länge der Silbe OM glich und von fünf Ringen (pancamandala) umgeben war. Seine Söhne und die Geisterscharen begleiteten ihn, und die Götter mit Indra folgten ihm. An seiner Seite saß die große Göttin Parvati, die bunten Banner wehten ihm Ehre, Fächer woben hin und her, Blumen wurden gestreut, und Musiker und Tänzer gaben den Rahmen, als Shiva (Pashupati, Herr der Tiere) sich mitsamt seiner Armee zum Schlachtfeld begab.

Doch als er die Kämpfer erspähte, verschwand Shiva vom Firmament. Die Musik verstummte, und der Schlachtenlärm der Geisterscharen erstarb. Brahma und Vishnu hatten ihre großen Waffen entfesselt und erwarteten deren Erfolg. Die Flammen aus den beiden Waffen Maheshvara und Pashupata brannten in den drei Welten und drohten mit vorzeitiger Vernichtung. Doch plötzlich erschien zwischen den beiden Waffen diese unbeschreibbare Gestalt von Shiva, eine riesige Feuersäule. Die Waffen, welche wohl in der Lage waren, das ganze Universum zu vernichten, fielen in die aufflammende Feuersäule und verschwanden.

Jeder, der die wundersame Erscheinung sah, fragte sich:
Was bedeutet diese geheimnisvolle Form? Was ist das für eine grellflammende Säule, die sich hier erhoben hat? Die Sinne können sie nicht erfassen. Wir müssen ihre Spitze und ihren Boden erkunden.

Die beiden Kämpfer vereinten sich sogleich, und mit stolzem Heldenmut begannen sie eifrig die Suche. „Nichts kann passieren, wenn wir zusammen sind.“, sprach Vishnu, nahm die Gestalt eines Ebers an und suchte nach dem Grund der Säule. Brahma verwandelte sich in einen Schwan und stieg auf in Richtung Spitze. Vishnu durchquerte die niederen Regionen und wühlte sich immer tiefer, doch den Boden der Säule konnte er nicht sehen. Zutiefst erschöpft tauchte der Eber wieder auf und kehrte zum Schlachtfeld zurück. Dein Vater Brahma stieg hoch in den Himmel auf und sah einige seltsame Ketaki Blüten herabrieseln. Denn als Shiva die beiden Kämpfer sah, mußte er lachen und die Blüten fielen dabei von seinem Haupt. Und obwohl sie einen langen, langen Weg hinunterfielen, hatten sie weder ihren Duft noch ihren Glanz verloren, denn sie waren zum Segen bestimmt.

Brahma sprach zu ihnen:
Oh Könige der Blüten, wer trug euch? Warum fallt ihr hinab? Ich kam, um die Spitze der Säule zu sehen, und fliege als Schwan schon so lange hinauf.

Die Blumen erwiderten:
Wir fallen von der Spitze dieser unergründlichen Ur-Säule herab, und das schon sehr lange. Wir glauben nicht, daß du je die Spitze erblicken wirst.

Da sprach Brahma:
Liebe Freunde, so müßt ihr meinem Wunsch Folge leisten. Vor Vishnu müßt ihr bezeugen, daß ich, Brahma, die Spitze der Säule gesehen habe.

Mit vielen Verbeugungen wiederholte Brahma diese Worte vor den Ketaki Blüten wieder und wieder und fügte hinzu:
In Zeiten der Gefahr darf man sich der Lüge bedienen, das sagen die Schriften.

So kehrten sie zum Schlachtfeld zurück. Während Vishnu erschöpft und erfolglos wartete, tanzte Brahma vor Freude. Beschämt gestand Vishnu die Wahrheit, daß er den Grund der Säule nicht hatte ausmachen können.

Doch Brahma sprach:
Oh Hari, ich habe die Spitze der Säule gesehen. Diese Ketaki Blüten sind meine Zeugen.

Und die Ketaki Blumen bestätigten seine Lüge. Vishnu nahm es als Wahrheit, verbeugte sich vor Brahma und ehrte ihn mit allen sechzehn Arten des Dienstes und der Anerkennung.

Doch da trat Shiva aus der Feuersäule heraus und nahm eine erkennbare Gestalt an, um Brahma und seiner Lüge Einhalt zu gebieten. Vishnu erhob sich bei seinem Anblick, und mit vor Ehrfurcht zitternden Händen berührte er die Füße Shivas.

Vishnu sprach:
Aus Unwissenheit und Verblendung erkannten wir dich nicht, dich, der du weder Anfang noch Ende hast. Deshalb stürzten wir uns mit Leidenschaft in diese Suche. Oh vergib uns unsere Fehler, du mitfühlendes Wesen. Jetzt erkenne ich, daß dies nur eine andere Form deines göttlichen Spiels ist.

Shiva antwortete:
Lieber Vishnu, ich bin zufrieden mit dir. Du hältst dich an die Wahrheit und schätzt sie höher als deinen Wunsch, Herr zu sein. Dein Stand unter den Menschen wird meinem gleich sein, und du wirst wie ich geehrt werden. Dir werden Tempel, Statuen, Festivals und Ehren gewidmet sein.

Ja, so sprach er damals, als sich Lord Shiva über den wahrhaften Vishnu freute, und ihn vor allen Göttern Seinesgleichen nannte.


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