Pushpak Markandeya PuranaZurück WeiterNews

Kapitel 109 - Die grauen Haare des Königs

Kraustuki sprach:
Oh ehrwürdiger Herr, du hast umfassend die Geburt der Kinder des Sonnengottes, dieser Urgottheit, seinen Ruhm und sein wahres Wesen beschrieben. Oh Erster der Munis, ich möchte noch mehr über die Herrlichkeit des großen Sonnengottes hören. Sei so freundlich und erzähle davon.

Markandeya sprach:
Höre, ich werde über die Majestät der ursprünglichen Gottheit Vivasvat berichten, und welche Taten er damals vollbrachte, als er von den Menschen verehrt wurde. Der berühmte Rajyavarddhana, der Sohn von Dama, wurde damals zum König, und als Herr der Erde regierte er sie gut. Das Königreich, das durch diesen Hochbeseelten gerecht geführt wurde, oh Brahmane, wuchs täglich an Bewohnern und Reichtümern. Während seiner Regierung waren sowohl die Bürger wie auch die Dorfbewohner gesund und munter und ebenso reich wie der König. Es gab keine Hindernisse, keine Krankheiten und keine Angst vor gefährlichen Tieren, ja nicht einmal die Angst vor Wasserknappheit, als der Sohn von Dama der König war. Er vollbrachte große Opfer und gab jenen Geschenke, die danach suchten. Und ohne Beeinträchtigung von Tugend und Wahrhaftigkeit, erfreute er sich an den weltlichen Vergnügungen.

Als er sein Königreich so regierte und seine Untertanen zum Guten führte, vergingen siebentausend Jahre wie ein Tag. Manini, die ehrenwerte Tochter von Viduratha, dem König von Deccan, wurde seine Frau. Eines Tages, als die schönäugige Manini an den zunehmend ergrauten Haaren des Königs zupfte, begann sie in Gegenwart von allen versammelten Königen viele Tränen zu weinen. Als diese Tränen auf den Körper des Königs fielen, bemerkte er ihr Gesicht voller Trauer und wunderte sich. Er sah sie weinen und still Tränen vergießen, so dass Rajyavarddhana zu Manini sprach: „Was ist das?“ Und als die edle Dame daraufhin schweigsam blieb, wiederholte der König seine Frage mehrfach. Daraufhin zeigte die junge Königin dem König ein graues Haar, das in der Mitte seiner Haarpracht wuchs.

Und sie sprach: „Siehe selbst, oh König, was es ist. Das ist die Ursache meines Kummers, unglücklich, wie ich bin.“ Da lachte der König, und lächelnd sprach er in Gegenwart von allen versammelten Königen und Bürgern zu seiner Frau: „Oh du mit den großen Augen, sei unbesorgt. Oh schöne Dame, weine nicht. Alle Wesen sind der Geburt, dem Wachstum und der Vergänglichkeit unterworfen. Oh junge Dame, ich habe den ganzen Veda studiert, tausend Opfer durchgeführt, Geschenke an die Zweifachgeborenen gegeben und Nachkommenschaft gezeugt. Ich habe mit dir viele Dinge des Vergnügens genossen, die den Sterblichen lieb sind. Ich habe die Erde gut regiert und viele gerechte Kämpfe geführt. Ich habe mich in der Gesellschaft von auserwählten Freunden in den Wäldern erfreut und an anderen Orten. Oh verheißungsvolle Dame, was habe ich versäumt? Weshalb hast du Angst vor meinen ergrauenden Haaren? - Lass meine Haare grau, meine Haut faltig und meinen Körper schwerfällig werden. Oh Manini, ich habe all meine Ziele erreicht. Oh liebliche junge Dame, ich werde mich in die Wälder begeben, um den Sinn dieser grauen Haare zu erfüllen, die du auf meinen Kopf gesehen hast. Oh Schöne, alle meine Vorfahren benahmen sich in ihrem Säuglingsalter wie Säuglinge, in ihrem Knabenalter wie Knaben, in ihrer Lebensblüte wie Männer, und im Alter gingen sie in die Wälder. Ich werde auch so handeln. Deswegen sehe ich keinen Grund für deine vielen Tränen. Gräme dich deshalb nicht. Das graue Haar, das du gesehen hast, wird zum Instrument meines Wohlergehens, kein Grund zur Trauer.“

Daraufhin, oh großer Heiliger, sprachen alle versammelten Könige und Bürger, die zur Ehrerbietung gekommen waren, zum König Rajyavarddhana: „Oh König, es gibt wahrlich keinen Grund für deine Frau zum Weinen, aber wir selbst und alle Wesen werden weinen müssen. Oh Herr, dein Wort vom Gang in die Wälder hat den Geist von uns allen, die von dir, oh König, erhalten werden, sehr bedrückt. Deshalb, oh König, werden wir alle mit dir in den Wald gehen. Wenn du dich zum Wald begibst, oh Herr, werden zweifellos alle Arbeiten deiner Untertanen zur Ruhe kommen. Wenn das zum Hindernis der Tugend wird, dann mögest du diesen Gedanken aufgeben. Du hast über diese Erde siebentausend Jahre lang geherrscht. Bewahre deshalb, oh König, die Tugend, die dabei entstanden ist. Die fromme Buße, oh König, welche du im Wald fortsetzen möchtest, entspricht nicht einmal dem sechzehnten Teil des Verdienstes von deiner Herrschaft über die Welt.“

Und der König sprach: „Wahrlich, ich habe diese Erde siebentausend Jahre regiert. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, um in die Wälder zu gehen. Ich habe Kinder gezeugt und ihre Kinder erlebt. All das habe ich in schnell vergänglicher Zeit gesehen. Nun möge der nahende Tod nicht noch länger zuschauen. Die grauen Haare, die auf meinem Kopf erscheinen, oh Bürger, betrachtet sie als die Boten des gemeinen Todes, mit seinem unvermeidbaren Wesen. Deshalb möge mein Sohn zukünftig auf dem Thron sitzen. Ich werde nun allen Dingen des Vergnügens entsagen, in die Wälder gehen und die fromme Buße fortsetzen, bis die Knechte von Yama erscheinen.“

Daraufhin befragte der große König, mit dem Wunsch nach dem Waldleben, die Astrologen über den richtigen Tag und die Zeit für die Inthronisierung seines Sohnes. Doch durch die Worte des Königs war ihr Geist so verwirrt, dass sie trotz ihrer Kenntnisse der Shastren weder den richtigen Tag noch die rechte Stunde bestimmen konnten. Die Astrologen sprachen zum König mit bedrückter Stimme: „Oh König, deine Worte hörend, wurden all unsere Kenntnisse zerstört.“ Daraufhin kamen aus den Städten des Reiches und abhängigen Staaten viele führende Brahmanen. Sie näherten sich dem König, oh Muni, der sich in die Wälder begeben wollte, und sprachen mit gesenkten Häuptern: „Sei gnädig, oh König, und regiere uns alle wie bisher. Oh großer König, wenn du in die Wälder gehst, wird diese ganze Welt verfallen. Deshalb, oh König, handle so, dass die Welt bewahrt bleibt. Oh Held, oh Herr! Mögen wir diesen Thron, so lange wir leben, nicht für einen Moment ohne dich sehen.“

Doch obwohl diese Brahmanen und andere Zweifachgeborene, die Bürger, die Könige, Gefolgsleute, Berater und viele weitere Untertanen solche Worte wiederholt sprachen, gab er seine Entschlossenheit, sich in die Wälder zu begeben, nicht auf. Er antwortet ihnen unbeirrt: „Der Tod wird mich nicht verschonen.“ Daraufhin versammelten sich die Berater und Gefolgsleute, die älteren Bürger und die Zweifachgeborenen, um zu beraten, was jetzt zu tun sei. Sie waren alle dem höchst siegreichen König hingegeben, und deshalb, oh Brahmane, gelangten sie nach ihrer Beratung zum Schluss: „Mit konzentriertem Geist und Selbstkontrolle sollten wir voller Hingabe die göttliche Sonne um ein längeres Leben für unseren König bitten.“

Als sie gemeinsam diesen Entschluss gefasst hatten, begannen einige von ihnen in ihren Häusern mit der Anbetung des Sonnengottes und opferten ihm Arghya und andere Dinge, der Tradition entsprechend. Andere rezitierten in der Stille den Rigveda, und wieder andere erfreuten ihn mit dem Yajur und Saman. Manche Brahmanen enthielten sich der Nahrung und meditierten an den Ufern der Flüsse, um mit geduldiger Buße die Sonne zu verehren. Andere vollbrachten das Agnihotra Opfer und rezitierten Tag und Nacht das Ravisukta, und wieder andere richteten ihre Augen beständig auf die Sonne. So folgte ein jeder seiner Tradition, und auf verschiedenen Wegen konzentrierten alle ihren Geist auf die Verehrung der einen lichtvollen Gottheit. Und als sie alle beharrlich die Anbetung der Sonne fortsetzten, erschien ein Gandharva mit Namen Sudama und sprach zu ihnen: „Oh ihr Zweifachgeborenen, wenn ihr zur Verehrung dieser Gottheit entschlossen seid, dann möge geschehen, was die Sonne erfreut. Auf dem riesigen Berg in Kamrupa gibt es einen Wald, Vishala genannt, der von den Siddhas aufgesucht wird. Begebt euch alle zusammen gleichzeitig dorthin. Und mit kontrolliertem Geist möget ihr dort die Gottheit anbeten, wo jeder die Siddhi (wirksamste Geisteskraft) und Seligkeit erlangt, um alle gewünschten Ziele zu erreichen.“

Als die Zweifachgeborenen diese Worte vernahmen, erreichten sie vereint diesen Wald und erkannten dort die verheißungsvolle Form der göttlichen Sonne. Hier begannen alle Brahmanen und Mitglieder der anderen Kasten, bei enthaltsamer Nahrung, mit großer Hingabe, mit Düften, Blumen und anderen Gaben die Gottheit anzubeten. Mit unverwelkten Blüten, Sandelpasten, herrlichen Düften, Gerüchen, Speisen, Lichtern und anderen schönen Dingen, sowie mit Rezitationen und Opferhandlungen verehrten und lobten die Zweifachgeborenen mit konzentriertem Geist den Sonnengott.

Die Brahmanen sprachen: „Wir suchen Zuflucht bei der Gottheit Ravi, die im Glanz die Götter, Dämonen, Yakshas, Planeten und alle leuchtenden Körper übertrifft. Du bist der Höchste der Götter. Du bist im Himmel und erleuchtest alle Himmelsrichtungen. Du erfüllst Himmel und Erde mit deinen Strahlen. Du bist Aditya, Bhaskara, Savita und der Schöpfer des Tages. Du bist Pusha, Aryama, Bhanu, Sharvanu und die Quelle des Lichtes. Du bist das Feuer der Auflösung am Ende der vier Yugas. Du gehst sogar durch die Auflösung hindurch, bist schwer zu schauen, der Herr des Yogas, endlos, rot, gelb, blau und dunkelblau. Du bist im Agnihotra der Rishis, in allen Opfern und in den Göttern.

Du bist das große Wort, geheimnisvoll und ein ausgezeichnetes Tor zur Befreiung. Du wanderst im Himmel mit Pferden auf deiner schwingenden Bahn. Du steigst und sinkst ununterbrochen, wenn du den Berg Meru umkreist. Du bist Ambrosia, die Wahrheit, alles Heilige und die Stütze des Weltalls. Du bist jenseits des rationalen Verstandes. Bei dir suchen wir Zuflucht.

Du bist Brahma, Shiva, Vishnu und Prajapati. Du bist Raum, Wind, Feuer, Wasser und die Erde mit den Bergen und Ozeanen. Du bist die Planeten, die Sterne, der Mond und alle anderen Erscheinungen. Du bist die Pflanzen, die Bäume und die Kräuter. Du bist die Ursache für Tugend und Laster. Du bist das Sein und das Nichtsein. Du bist die dreifache Form von Brahma, Vishnu und Shiva.

Möge uns die strahlende Gottheit gnädig sein. Er ist der ungeborene Herr des Universums. Dieses Weltall ist sein Körper, und er ist das Leben der Welt. Möge er uns gesonnen sein. Möge der Sonnengott mit uns zufrieden sein, dessen höchst strahlende Sonnengestalt so schwer zu schauen ist, der aber als Mond eine sanftere Erscheinung trägt. Möge der Sonnengott mit uns zufrieden sein, dessen zwei Formen (Agni und Soma) diese Welt geschaffen und mit Feuer gefüllt haben.“

Markandeya fuhr fort:
Oh Erster der Zweifachgeborenen, nachdem er auf diese Weise durch Verehrung und Anbetung drei Monate lang gelobt wurde, war der Sonnengott zufrieden. Daraufhin geschah das schwer zu Erreichende. Er nahm den Glanz der aufgehenden Sonne an, kam von seiner glühenden Scheibe herab und erschien vor ihnen. Da bebten alle vor Freude, und die Versammelten verneigten sich demütig vor dem ungeborenen Sonnengott, der in seiner reinen Form erschien.

Und sie sprachen: „Verehrung sei dir, oh Tausendstrahliger! Du bist die Ursache von Allem und der Führer. Du bist würdig, gelobt und von allen verehrt zu werden. Beschütze uns. Du bist das Wesen aller Opfer, und die Yogis meditieren über dich. Sei uns gnädig.“


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