Pushpak Mahanirvana-TantraZurück WeiterNews

Kapitel 9 - Die zehn Arten der Reinigungsriten

Der heilige und ewiggütige Shiva sprach:
Oh Tugendhafte, ich habe zu dir über die Aufgaben und Tugenden der jeweiligen Kasten und Lebensweisen gesprochen. Höre nun, wie ich dir die Reinigungsriten für die verschiedenen Kasten erkläre. Ohne sie, oh Göttin, ist der Körper nicht rein, und ungereinigt sollte man die Riten für die Götter und Ahnen nicht durchführen. Deshalb sollten die Menschen aller Kasten mit den Brahmanen an der Spitze, die ihr Wohlergehen in dieser und der kommenden Welt wünschen, in jeder Weise die Reinigungsriten beachten, die für ihre Kaste geboten sind.

Die zehn Reinigungsriten (Sanskaras) beziehen sich auf die Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt, Namensgebung, das erste Erblicken der Sonne, das erste Reis-Essen, den ersten Haarschnitt, die Initiierung mit der heiligen Schnur und die Hochzeit. Die Shudras und Samanyas haben keine heilige Schnur, und deshalb gibt es für sie nur neun Reinigungsriten, während es für die Zweifachgeborenen zehn sind. Oh schöne Dame, im Kali-Zeitalter sollten alle Riten, seien es die täglichen, gelegentlichen oder zusätzlichen, gemäß den Geboten von Shiva durchgeführt werden. Oh Geliebte, in meiner Brahma-Form habe ich die Regeln für alle Riten und die Mantras bezüglich der verschiedenen Kasten geschaffen. Oh Kalika, so sollten die gleichen Mantras, die im Satya-, Treta- und Dwapara-Zeitalter mit dem OM beginnen, im Kali-Zeitalter nach dem Gebot von Shiva mit der Maya-Keimsilbe („hrīṁ“) beginnen. Alle Mantras in heiligen Schriften bis zu den Veden wurden von mir ausgesprochen. Ihre Anwendung verändert sich allerdings in den verschiedenen Zeitaltern. Deshalb habe ich zum Wohle der Menschen im Kali-Zeitalter, die in ihrer geistigen Kraft zunehmend geschwächt und von materieller Nahrung abhängig sind, den Kula-Dharma-Weg aufgezeigt.

Nun will ich dir kurzgefaßt die Reinigungs- und anderen Riten beschreiben, speziell für die schwachen Menschen des Kali-Zeitalters, die zu beherrschter Konzentration kaum noch fähig sind. An der Spitze aller vorzüglichen Riten steht Kushandika, die Reinigung des Feuers. Deshalb, oh Verehrte aller Götter, werde ich zuerst darüber sprechen. Höre gut zu!

9.1. Kushandika, die Reinigung des Feuers

Der gelehrte Verehrer sollte an einem reinen Ort frei von Blättern und Kohleresten eine quadratische Feuerstelle in der Größe einer Elle (ca. 50x50cm) einrichten. Darin zieht er drei Linien von West nach Ost und sprenkelt mit der Kurcha-Keimsilbe („hūṁ“) etwas Wasser darüber. Dann holt er mit der Agni-Keimsilbe („raṁ“) etwas Feuer, stellt es neben das Quadrat und murmelt die Vagbhava-Keimsilbe („aiṁ“). Danach nimmt er mit der rechten Hand einen Holzspan, hält ihn in das Feuer und wirft ihn als Anteil der Rakshasas mit folgendem Mantra zur Seite:

hrīṁ kravyādēbhyō namaḥ svāhā
(Mahamaya - Verehrung den Fleischfressern - Dem Feuer der Gottheit gewidmet!)

Nun hebt der Verehrer das geheiligte Feuer mit beiden Händen hoch, setzt es vor sich auf die drei Linien und murmelt die Maya-Keimsilbe („hrīṁ“) mit den drei Welten (Vyahriti):

hrīṁ bhūr-bhuvaḥ-svaḥ
(Mahamaya - Erde, Luft und Himmel)

Dann sollten trockenes Gras und Holzspäne auf das Feuer gelegt werden, damit es auflodert, sowie zwei Holzscheite mit geklärter Butter als Opfergabe. Dann benennt er das Feuer entsprechend dem Gegenstand der Verehrung und meditiert wie folgt darüber:

Das Feuer ist rötlich strahlend wie die aufgehende Sonne. Es hat sieben Feuerzungen und zwei Köpfe mit verfilzten Locken und Kronen. Es sitzt auf einer Ziege und trägt als Waffe den Flammenspeer.

Nachdem er auf diese Weise über den Träger der Opfergaben meditiert hat, lädt er ihn mit gefalteten Händen ein und spricht:

Hriem, bitte komm, oh Träger der Opfergaben für alle Unsterblichen! Komm mit den Rishis und deinem Gefolge und beschütze dieses Opfer. Ich verneige mich vor dir voller Verehrung - Swaha!

Nachdem er den Feuergott eingeladen hat, spricht der Verehrer „Oh Feuer, das sei dein Sitz!“ und verehrt mit angemessenen Opfergaben seine sieben Feuerzungen namens Kali, Karali, Manojava, Sulohita, Sudhumra-varna, Sphulingini und Vishvanirupini (die Dunkle, Schreckliche, Gedankenschnelle, Rote, Rauchige, Funkensprühende und Erleuchtende). Dann, oh Göttin, sollten die Seiten des Feuers dreimal mit einer Handvoll Wasser bespritzt werden und zwar im Osten beginnend und im Norden endend (im Uhrzeigersinn). Danach sollten die Seiten von Süden nach Norden (entgegen dem Uhrzeigersinn) dreimal bespritzt werden und auch dreimal die Opferutensilien. Nun wird Kusha-Gras an den Seiten der Feuerstelle von Osten nach Norden ausgelegt, während die Spitzen im Norden nach Norden schauen und alle anderen nach Osten. Dann begibt sich der Verehrer zum Sitz des Brahma (des führenden Opferpriesters), läßt das Feuer zu seiner Rechten, nimmt zwischen linkem Daumen und kleinem Finger einen Halm Kusha-Gras vom Brahma-Sitz und wirft ihn mit folgendem Mantra auf die Südseite des Feuers:

hrīṁ nirastaḥ parāvasuḥ
(Mahamaya - Vernichte den Einfluß der Dämonen!)

Dann spricht er:

Oh Brahma, Herr des Opfers, bitte komm hierher und nimm deinen Sitz ein! Dieser Sitz ist für dich bereitet.

Darauf antwortet der Brahma (-Priester) „Ich sitze!“ und setzt sich mit dem Gesicht nach Norden nieder. Dann verehrt er den Brahma mit Duft, Blüten und anderen Gaben und bittet ihn:

Oh Herr des Opfers, beschütze dieses Opfer! Oh Vrihaspati, Lehrer der Götter, beschütze dieses Opfer! Oh ewiger Zeuge aller Taten, beschütze auch mich, der dieses Opfer ausführt. Ich verneige mich vor dir.

Darauf antwortet der Brahma: „Ich beschütze!“ Falls kein Brahma in Person anwesend ist, dann sollte der Ausführende für den Erfolg des Opfers eine Puppe aus Kusha-Gras als Brahma verwenden und die Antworten sich selbst geben. Dann sollte der Verehrer Brahma mit den Worten anrufen „Oh Brahma, komm her, komm her!“, ihn mit dem Gastgeschenk verehren und bitten: „Sei gnädig und verweile hier, bis dieses Opfer beendet ist!“ Nun besprenkelt er den Platz zwischen der Nordost-Ecke des Feuers und dem Sitze des Brahma dreimal mit einer Handvoll Wasser, besprenkelt auch das Feuer dreimal, kehrt den Weg zurück und setzt sich auf seinen Sitz nieder. Dann breitet er auf der Nordseite des Quadrates etwas Kusha-Gras mit den Spitzen nach Norden aus und plaziert dort die nötigen Opferutensilien, wie den Krug (mit Wasser) zum Besprenkeln, die Schale mit geklärter Butter, das Opferholz und Kusha-Gras. Auch die Schöpfkelle und den Opferlöffel legt er auf das Kusha-Gras, reinigt sie mit einigen Wasserspritzern, betrachtet sie mit himmlischem Blick (ohne zu zwinkern) und spricht das Mantra:

hrāṁ hrīṁ hrūṁ

Dann berührt er mit dem rechten Knie den Boden, gibt mit der Kelle etwas geklärte Butter in den Löffel, konzentriert sich auf das Ziel seines Opfers und opfert drei Opfergaben mit dem Mantra:

hrīṁ viṣṇavē svāhā
(Hriem - dem Vishnu - Swaha)

In gleicher Weise nimmt er erneut geklärte Butter, meditiert über Prajapati (den Schöpfergott) und opfert Gaben mit geklärter Butter schräg über das Feuer von der Agni- bis zur Vayu-Ecke (von Südost bis Nordwest). Dann nimmt er erneut geklärte Butter, meditiert über Indra, und opfert von der Nirriti- zur Ishana-Ecke (von Südwest bis Nordost). Oh Göttin, danach opfert er Gaben im Norden, im Süden und in der Mitte jeweils für den Feuergott Agni, den Mondgott Soma und beide zusammen und spricht während dieser drei Opfergaben folgende Mantras:

hrīṁ agnayē namaḥ - hrīṁ sōmāya namaḥ - hrīṁ agnī-ṣōmābhyāṁ namaḥ
(Hriem - Verehrung dem Agni - Hriem - Verehrung dem Soma - Hriem - Verehrung Agni und Soma vereint!)

Das beschriebene Feueropfer von den drei Opfergaben für Vishnu bis zum Opfer für Agni und Soma wird Dhara-Homa genannt.

9.2. Svishtikrit- und Vyahriti-Homa, das Abbitte-Opfer

Nachdem der gelehrte Verehrer diese vorbereitenden Riten vollbracht hat, fährt er mit den jeweiligen Riten des Feueropfers fort, das er auszuführen wünscht. Wenn irgendwelche Opfergaben dargebracht werden, sollte man jeweils den Gott und die Opfergabe nennen und nach Abschluß der Hauptriten das Svishtikrit- und Vyahriti-Homa durchführen (Svishtakrit ist ein Name von Agni: „der das Opfer gut macht“). Oh schöne Göttin, im Kali-Zeitalter gilt dieses Opfer als Ersatz für die althergebrachten Abbitte-Opfer. Man nimmt geklärte Butter in der beschriebenen Weise, und während man sich an Brahma erinnert, sollte man mit folgendem Gebet eine Gabe opfern:

Hriem - Oh Gott der Götter, möge sich jeder unbeabsichtigte Fehler und jede Unachtsamkeit in diesem Ritus in Vollkommenheit wandeln - Swaha!

Dann opfert man dem Feuer eine Gabe mit:

Hriem - Oh Feuer, du bist der Reiniger aller Dinge. Du läßt alle Opfer gedeihen und bist der Herr von allem. Du bist der Zeuge aller Opferriten, sicherst ihren Erfolg und erfüllst alle unsere Wünsche - Swaha!

Und wenn der führende Priester damit das Svishtikrit-Homa abgeschlossen hat, sollte er zum Höchsten Brahman beten:

Oh Höchstes Brahman, oh Alldurchdringendes, um alle möglichen Unvollkommenheiten aus diesem Opfer zu entfernen und für den Erfolg dieses Opfers, vollbringe ich nun das Vyahriti-Homa.

Und nach diesem Gebet opfert er drei Opfergaben mit den drei Mantras:

hrīṁ bhūr svāhā - hrīṁ bhuvaḥ svāhā - hrīṁ svaḥ svāhā
(Mahamaya - Erde - Luft - Himmel - dem Feuer der Gottheit gewidmet!)

Und schließlich opfert der gelehrte Priester gemeinsam mit dem Opfernden die abschließende Gabe mit dem Vyahriti-Mantra:

hrīṁ bhūr-bhuvaḥ-svaḥ svāhā
(Mahamaya - Erde, Luft und Himmel - dem Feuer der Gottheit gewidmet!)

Wenn kein Priester anwesend ist, dann sollte der Opfernde diesen Ritus selbst ausführen. Dies ist die Regel in allen Reinigungen und anderen Opfern. Und am Ende folgt das Gebet für den erfolgreichen Abschluß:

Hriem - Oh Herr des Opfers, möge dieses Opfer vollkommen sein. Mögen alle Götter des Opfers zufrieden sein und das Gewünschte gewähren - Swaha!

Mit diesem Gebet sollte der gelehrte Verehrer aufstehen und mit achtsamem Geist Früchte und Betelblätter darbringen.

9.3. Shanti-karma, das Friedensgebet

Nachdem der Gelehrte alle Gaben dargebracht hat, sollte er das Shanti-karma durchführen. Dazu nimmt er etwas geheiligtes Wasser aus dem Krug, sprenkelt es mit Kusha-Gras über die Köpfe der Anwesenden und bittet:

Möge mir das Wasser immer freundlich sein. Möge mir das Wasser wie heilsame Medizin sein. Möge mich das Wasser stets beschützen, denn das Wasser ist Narayana selbst. Oh Wasser, gewähre uns Glück und heilsame Nahrung.

Nach diesem Gebet und dem Wasser-Segen für die Anwesenden, spritzt er ein paar Tropfen auf den Boden und spricht:

Für all jene, die mir feindlich sind und meine Feindschaft herausfordern. Möge das Wasser ihr Feind sein und sie verschlingen!

Nun spritzt er mit dem gleichen Gebet einige Wassertropfen in die Nordost-Ecke (von Ishana), legt das Kusha-Gras (zum Besprenkeln) beiseite und bittet den Feuergott:

Oh Träger der Opfergaben, gewähre mir Erkenntnis, Wissen, Stärke, Intelligenz, Weisheit, Vertrauen, Sieg, Glück, Gesundheit, Energie und ein langes Leben.

Und nach diesem Gebet an das Feuer bittet er um den Abschied:

Oh Opfer, kehre nun zurück zum Herrn der Opfer.
Oh Verzehrer der Opfergaben, kehre nun zum Opfer selbst zurück.
Oh Herr des Opfers, kehre in dein Reich zurück und erfülle meine Wünsche.
Oh Gott des Feuers, vergib mir jede Schuld - Swaha!

Schließlich gibt man im Norden saure Milch ins Feuer und läßt es Richtung Süden ausgehen. Dann beschenkt er den Brahma (Opferpriester, falls anwesend), verneigt sich vor ihm respektvoll und bittet um seinen Abschied. Nun sollte der Opferpriester mit der Asche von der Opferkelle ein Zeichen auf seine Stirn machen wie auch auf die Stirn des Opfernden und das Gebet murmeln:

hrīṁ klīṁ sarva-śānti-karō bhava
(Schöpfung und Liebe - Möge es Frieden und Wohlergehen fördern!)

Danach sollte man sich mit folgendem Gebet eine Blüte ins Haar stecken:

Durch die Gnade von Indra, Agni, den Maruts, Vasus, Rudras und Prajapati - möge Frieden sein, möge Wohlergehen sein!

Am Ende sollte der Opfernde nach seinen Möglichkeiten für den Erfolg des Opfers und den Kushandika-Ritus Geschenke geben (sogenannte Dakshinas). Den Kushandika-Ritus habe ich dir bereits als Reinigungsritus für das Feuer und Grundlage für alle Feuerriten erklärt. Alle Kula-Verehrer sollten ihn zu Beginn der Riten mit großer Sorgfalt ausführen.

9.4. Charu-karma, das rituelle Reiskochen

Oh vorzügliche Göttin, ich werde nun zu dir über das Charu-karma sprechen, um den Erfolg der Riten in jenen Familien zu gewährleisten, wo das Kochen von Charu-Reis zur Tradition in allen Riten gehört. Der Topf zum Kochen des Charu sollte entweder aus Kupfer oder Ton sein. Zuerst werden alle Utensilien nach den beschriebenen Regeln des Kushandika-Ritus geweiht, und der Topf für das Charu wird vor den Verehrer gestellt. Nachdem er sich sorgfältig überzeugt hat, daß er weder Loch noch Riß hat, legt er einen Kusha-Grashalm von der Länge einer Spanne (zwischen Daumen und Zeigefinger) hinein. Dann stellt er den Reis bereit und gibt für die im Ritus verehrten Götter vier Hände voll mit folgendem Gebet in den Topf:

Ich nehme diese Handvoll Reis im Namen des Gottes <Soundso>. Ich gebe den Reis in den Topf im Namen des Gottes <Soundso>.

So nimmt er den Reis, gibt ihn in den Topf und schüttet Wasser darüber. Oh Tugendhafte, dann folgt noch Milch und Zucker und das Ganze wird sorgsam über dem geweihten Feuer gekocht. Und wenn der Reis weich ist, sollte noch eine Opferkelle voll geklärter Butter hinzugegeben werden. Danach stellt er den Topf auf Kusha-Gras im Norden der Feuerstelle ab, gibt noch dreimal geklärte Butte in das Charu und bedeckt den Topf mit einigen Halmen Kusha-Gras. Dann gibt er etwas geklärte Butter auf den Opferlöffel und nimmt etwas Charu aus dem Topf. Damit ist das Janu-Homa beendet (in welchem das rechte Knie (Janu) den Boden berührt).

Nun sollte das Dhara-Homa folgen (siehe oben) und die Opfergaben mit den Mantras der Götter, die im Hauptritus verehrt werden. Und wenn der Hauptritus abgeschlossen ist, sollte das Svishtikrit- und Vyahriti-Homa folgen (das Abbitte-Opfer, siehe oben), um den Ritus vollkommen zu machen. In Verehrungs- und Weihe-Riten ist dies der Weg, der beachtet werden sollte. Damit kann man den ganzen Erfolg aller heiligen Riten sichern.

9.5. Empfängnis-Riten

Oh Mahamaya, nun will ich vom Empfängnis-Ritual (Garbhadhana) und den dazugehörigen Riten sprechen. Höre darüber in der rechten Reihenfolge, beginnend mit dem Ritus zur Reinigung der Menstruation (am fünften Tag nach ihrem Erscheinen).

Nachdem der Hausvater seine täglichen Aufgaben beendet und sich gereinigt hat, sollte er die fünf göttlichen Wesen in den (fünf) Töpfen im Osten des Quadrates (der Feuerstelle) verehren, nämlich Brahma, Durga, Ganesha, die neun Planeten und die Regenten der Himmelsrichtungen. Danach sollte er auch die sechzehn großen Mütter (Matrikas) in der rechten Reihenfolge verehren, nämlich Gauri, Padma, Sachi, Medha, Savitri, Vijaya, Jaya, Devasena, Swadha, Swaha, Shanti, Pushti, Dhriti, Kshama, Atma-Devata und Kula-Devata (die Göttinnen bzw. Shaktis von Shiva, Vishnu, Indra, Weisheit, Lernen, weltlicher und geistiger Sieg, Kartikeya, Ahnen, Agni, Frieden, Wohlstand, Dharma, Geduld, Seele und Kula-Einheit):

Mögen die Mütter, die zur Freude der Götter wirken, hierher kommen und allen Erfolg bringen, sei es im Heiraten, in Gelübden oder Opfern. Mögen sie auf ihren jeweiligen Trägern (Fahrzeugen oder Reittieren) mit ihrer ganzen Kraft und in ihrer freundlichen Gestalt erscheinen und die Festlichkeit dieses Opfers erhöhen.

Nachdem er auf diese Weise die Mütter eingeladen und nach besten Kräften verehrt hat, sollte er fünf oder sieben Punkte mit Zinnoberrot oder Sandelpaste innerhalb einer Spanne (zwischen Daumen und Zeigefinger) etwa in Nabelhöhe vor sich auf den Boden malen. Dann murmelt der weise Verehrer die drei Keimsilben Kliem-Hriem-Shriem, gießt einen ununterbrochenen Strom aus geklärter Butter von Punkt zu Punkt (so daß ein Stern entsteht) und verehrt die Vasu-Götter. Danach zeichnet der Gelehrte, der das Vasu-Dhara auf diese Weise gezogen hat, ein Quadrat herum, stellt das Feuer hinein, weiht die Utensilien für das Feueropfer und kocht den geheiligten Charu (süßen Reis). Der Charu, der in diesem Ritus gekocht wurde, wird Prajapatya genannt, und das Feuer heißt Vayu. Nachdem dieses Dhara-Homa beendet ist, folgt der eigentliche Ritus zur Reinigung der Menstruation (Ritu-Sanskara). Dafür opfert man drei Gaben des Charu mit dem Mantra:

hrīṁ prajāpatayē svāhā
(Schöpfung - Für Prajapati, den Stammvater, dem Feuer der Gottheit dargebracht!)

Dann sollte eine Opfergabe mit dem folgenden Gebet gemacht werden:

Möge Vishnu die Stätte der Empfängnis gewähren. Möge Tvashta, der himmlische Baumeister, die Gestalt geben. Möge Prajapati, der Große Vater, den Lebenssamen spenden. Und möge Dhata, der Sonnengott, das Wesen wachsen lassen.

Diese Opfergabe sollte er mit geklärter Butter oder Charu oder beidem machen und währenddessen über die Sonne, Vishnu und Prajapati meditieren. Dann folgt das Gebet:

Möge Siniwali, die Göttin der Empfängnis, den Mutterleib bereiten. Möge Sarasvati, die Shakti von Brahma, den Mutterleib tragen. Mögen die Aswin-Zwillinge, die mit Lotusgirlanden geschmückten himmlischen Heiler, den Mutterleib beschützen.

Mit diesem Gebet und der Meditation über die Göttinnen Siniwali und Sarasvati sowie die Aswin-Zwillinge sollten vorzügliche Gaben mit Swaha geopfert werden. Dann opfert er noch einmal dem heiligen Feuer und meditiert mit folgendem Mantra über Vishnu und den Sonnengott:

klīṁ strīṁ hrīṁ śrīṁ hūṁ amuṣyai putrakāmāyai garbhamādhēhi svāhā
(Kliem, Striem, Hriem, Shriem, Hum - Gewähre ihr Empfängnis, die ein Kind wünscht - der Gottheit gewidmet!)

Dann wird man sich Vishnu allein bewußt und opfert mit dem Gebet:

Wie diese weite Erde fruchtbar ist und immer wieder werdende Wesen trägt, so empfange auch du die Leibesfrucht und trage sie über zehn Monate bis zur Entbindung - Swaha!

Und im Bewußtsein des Höchsten Vishnu gibt er noch etwas geklärte Butter ins Opferfeuer und bittet:

Oh Vishnu, gib in deiner vorzüglichen Gestalt ein Kind in den Mutterleib dieser Frau - Swaha
klīṁ hrīṁ klīṁ hrīṁ strīṁ hrīṁ klīṁ hrīṁ - Möge er den Kopf dieser Frau berühren.

Dann sollte sich der Ehemann im Kreise der verheirateten Frauen, die bereits Kinder haben, zu seiner Frau begeben und seine Hände auf ihren Kopf legen. Dabei meditiert er über Vishnu, Durga, Brahma und den Sonnengott und legt schließlich drei Früchte in ihren Schoß. Danach vollendet er die Zeremonie mit dem Abbitte- und Reinigungs-Opfer. Er kann zur Reinigung auch mit seiner Ehefrau am Abend Shiva und Gauri verehren oder der Sonne ein Opfer darbringen.

Damit habe ich den Ritus zur Reinigung der Menstruation (Ritu-Sanskara) erklärt. Höre nun die Riten bezüglich der Empfängnis (Garbhadhana). In der gleichen Nacht oder in einer geraden Anzahl von Nächten nach der Zeremonie (wenn er sich einen Sohn wünscht) sollte der Ehemann den Schlafraum der Frau betreten, über Prajapati (den Großen Vater) meditieren, seine Frau berühren und bitten:

Hriem - Oh Bett, sei uns dienlich, damit wir gute Nachkommenschaft bekommen.

Dann sollte er sich zu seiner Frau ins Bett begeben, sich mit dem Gesicht nach Osten oder Norden setzen, seine Geliebte anschauen, den linken Arm um sie legen, die rechte Hand auf ihren Kopf und mit folgenden Mantras ihren Körper berühren. Über dem Kopf murmelt er hundertmal die Kama-Keimsilbe („klīṁ“), über ihrem Kinn hundertmal die Vagbhava-Keimsilbe („aiṁ“), über ihrer Kehle zwanzigmal und jeweils hundertmal über ihren beiden Brüste die Rama-Keimsilbe („śrīṁ“), über ihrem Herz zehnmal und über ihrem Nabel fünfundzwanzigmal die Maya-Keimsilbe („hrīṁ“). Dann legt er seine Hand auf ihre Vagina und murmelt 108mal die Kama- und Vagbhava-Keimsilbe („klīṁ aiṁ“) und in gleicher Weise 108mal über seinem Penis. Danach öffnet er ihre Vagina mit der Keimsilbe „hrīṁ“ und dringt mit dem Wunsch in sie ein, ein Kind zu zeugen. Während des Samenergusses sollte der Mann über Brahma meditieren, den Samen unterhalb ihres Nabels in den Kanal strömen lassen, der zum Muttermund führt (Raktika-Nadi), und gleichzeitig das Gebet murmeln:

Wie die Erde das Feuer empfängt, der Himmel den Indra und die Himmelsrichtungen den Wind, so empfange auch du.

9.6. Punsavana-Ritus - den Fötus beleben

Oh Maheshvari, wenn die Frau daraufhin schwanger wurde, sollte im dritten Monat nach der Empfängnis der Punsavana-Ritus durchgeführt werden (das Beleben des Fötus). Nachdem der Ehemann seine täglichen Aufgaben erfüllt hat, sollte er die fünf göttlichen Wesen und die himmlischen Mütter mit Gauri an der Spitze verehren und das Vasu-Dhara durchführen (siehe oben). Dann bringt der Gelehrte das Vriddhi-Sraddha (für die Ahnen) dar, die oben genannten Riten bis zum Dhara-Homa und fährt dann mit dem Punsavana-Ritus fort. Das Charu (der heilige, süße Reis), das für das Punsavana gekocht wird, wird Prajapatya genannt und das Feuer Chandra. Dann sollte er ein Gerstenkorn und eine Masha-Bohne in dicke Kuhmilch rühren und seiner Frau zu trinken geben. Und während sie trinkt fragt er sie dreimal: „Was trinkst du da, Geliebte?“ Und die Frau sollte antworten: „Hriem - Ich trinke das, was mich ein Kind gebären läßt.“ Auf diese Weise sollte die Frau drei Schlucke von der Dickmilch nehmen. Schließlich sollte die Frau von anderen Frauen, die Mann und Kinder haben, zum Opferplatz geführt werden, wo sie sich an die linke Seite ihres Ehemannes setzt, der nun das Charu-Homa durchführt.

Dazu nimmt er etwas Charu, wie es bereits beschrieben wurde, spricht die Maya- und Kurcha-Keimsilbe („hrīṁ hūṁ“) und opfert es als Opfergabe mit dem Gebet:

Wehre ab und vernichte all jene Geister, Gespenster und sonstigen Dämonen, die der Schwangerschaft feindlich sind und das Kind im Mutterleib oder das Neugeborene bedrohen. Bitte beschütze den Mutterleib - Swaha!

Nach diesem Gebet meditiert er über das Feuer als Vernichter der Dämonen sowie über Rudra und Prajapati und opfert zwölf Gaben. Danach opfert er noch fünf weitere mit dem Mantra:

hrīṁ candramasē svāhā
(Mahamaya - Verehrung dem Mondgott - dem Feuer der Gottheit gewidmet!)

Dann berührt er das Herz der Frau und murmelt hundertmal die Keimsilben „hrīṁ śrīṁ“. Danach sollte das Abbitte-Opfer folgen und die Zeremonie beendet werden.

Im fünften Monat der Schwangerschaft sollte man das Panchamrita geben, das für die Reinigung des Körpers nützlich ist. Dazu mischt man Zucker, Honig, Milch, geklärte Butter und Dickmilch zu gleichen Teilen. Dabei murmelt der Ehemann fünfmal über jeder Zutat die Keimsilben aiṁ klīṁ śrīṁ hrīṁ hūṁ laṁ“ und gibt das Ganze seiner Frau zu trinken.

Im siebenten oder achten Monat oder auch kurz vor der Geburt sollte der Simantonnayana-Ritus vollbracht werden. Der Kluge sollte die genannten Riten bis zum Dhara-Homa ausführen, mit seiner Frau auf einem Sitz sitzen und mit folgendem Mantra drei Opfergaben für Vishnu, Surya und Brahma darbringen:

viṣṇavē svāhā sūryāya svāhā prajāpatayē svāhā
(Dem Vishnu Swaha, dem Sonnengott Swaha und dem Brahma Swaha!)

Dann meditiert er über Chandra (den Mondgott) und gibt sieben Gaben für Soma (den Mond) ins Feuer als Form von Shiva. Oh Göttin, danach sollte er über die Aswins, Indra, Vishnu, Shiva, Durga und Prajapati meditieren und jedem fünf Gaben opfern. Nach diesem Opfer sollte er einen goldenen Kamm nehmen, die Haare seiner Frau zur Seite kämmen und zu einem Haarknoten binden. Währenddessen meditiert er über Shiva, Vishnu und Brahma, murmelt die Maya-Keimsilbe („hrīṁ“) und spricht das Gebet:

Oh gesegnete und glückliche Frau mit den vorzüglichen Gelübden! Mögest du im zehnten Monat durch die Gnade von Visvakarma (dem himmlischen Baumeister) ein gesundes und gutes Kind entbinden. Möget ihr lange und glücklich leben. Möge dieser Kamm euch Kraft und Wohlergehen verleihen.

Nach diesen Worten sollte die Zeremonie mit dem Abbitte-Opfer und weiteren Riten beendet werden.

9.7. Jata-karma, die Geburtsriten

Sobald dann das Kind geboren wurde, sollte der kluge Hausvater das Kind betrachten und es mit Goldschmuck beschenken. Danach führt er in einem anderen Raum das beschriebene Dhara-Homa durch und opfert fünf Gaben an Agni, Indra, Prajapati, die Viswadevas und Brahma. Danach mischt er gleiche Teile von Honig und geklärter Butter in einem Bronzegefäß, spricht darüber hundertmal die Vagbhava-Keimsilbe („aiṁ“) und läßt das Kind davon kosten. Dazu steckt er mit dem Ringfinger der rechten Hand etwas in den Mund des Kindes und spricht das Gebet:

Oh Kind, möge dein Leben mit Lebenskraft, Stärke und Intelligenz gesegnet sein und beständig gedeihen!

Nach diesem Ritus für die Langlebigkeit des Kindes sollte ihm der Vater einen geheimen Namen geben, mit dem er später nach der Initiation mit der heiligen Schnur gerufen werden sollte. Den Abschluß der Geburtsriten (Jata-karma) bilden das Abbitte-Opfer und das Friedens-Gebet. Danach sollte eine erfahrene Frau die Nabelschnur durchscheiden. Denn erst nach dem Abtrennen der Nabelschnur beginnt die Zeit der Unreinheit, und deshalb sollten alle Riten bezüglich der Götter und Ahnen noch zuvor abgeschlossen werden. Die genannten Riten gelten für Mädchen und Jungen, nur sollten bei einem Mädchen die mystischen Mantras nicht rezitiert werden.

Im sechsten oder achten Monat sollte dem Kind der gewöhnliche Name gegeben werden. Zu diesem Ritus sollte die Mutter das Kind baden, in zwei Tücher aus feinem Stoff hüllen und es mit dem Gesicht nach Osten an die Seite des Vaters legen. Dann besprenkelt der Vater das Kind mittels Kusha-Gras und Gold mit geheiligtem Wasser und bittet:

Mögen die heiligen Flüsse Ganga, Yamuna, Reva, Sarasvati, Narmada, Varada und Kunti sowie alle Ozeane, Seen und Quellen dich baden und reinigen zum Erreichen von Dharma, Artha und Kama (die drei großen Lebensziele von Tugend, Reichtum und Liebe).
OM, oh Gewässer, soweit ihr Glück gewährt, soweit gebt uns die tägliche Nahrung und laßt uns das Höchste Brahman erkennen.
OM, oh Gewässer, soweit ihr wohltätig seid, soweit gewährt uns das Wohlergehen wie eine liebende Mutter.
OM, oh Gewässer, soweit ihr den Durst stillt, soweit gebt uns die Zufriedenheit zur Freude aller Wesen.

Mit diesem Gebet sprenkelt der Kluge etwas Wasser über sein Kind, dann weiht er wie schon erklärt das Feuer und führt die Riten bis zum Dhara-Homa durch. Danach sollte er fünf Opfergaben für Agni, Indra, Vishnu, Brahma und die Viswadevas in das Feuer geben, welches hier den Namen Parthiva hat. Nun nimmt der kluge Vater sein Kind in den Schoß und flüstert in sein rechtes Ohr den vorzüglichen Namen, der kurz, passend und einfach auszusprechen sein sollte. Nachdem er den Namen dreimal in das Ohr des Kindes geflüstert hat, gibt er den Namen auch den anwesenden Brahmanen bekannt und vollendet diese Zeremonie mit dem Abbitte-Opfer und weiteren Abschlußriten.

Für eine Tochter sind weder die Nishkramana-Zeremonie (beim ersten Verlassen des Hauses) noch das Ahnenopfer notwendig. Und der kluge Vater führt ihre Riten zur Namensgebung, dem ersten Reis-Essen und Haarschnitt ohne die mystischen Mantras durch.

So sollte im vierten oder sechsten Monat nach der Geburt die Nishkramana-Zeremonie (das erste Verlassen des Hauses) für einen Sohn gefeiert werden. Nachdem die täglichen Aufgaben vollbracht sind, sollte der Vater nach einem Reinigungsbad Ganesha (den Beseitiger aller Hindernisse) verehren, seinen Sohn baden, mit schönen Kleidern und Juwelen schmücken, mit Freude betrachten und folgendes Gebet sprechen:

Brahma, Vishnu, Shiva, Durga, Ganesha, Surya, Indra, Vayu, Kuvera, Varuna, Agni und Vrihaspati (Schöpfer, Erhalter und Vernichter, Mutter Natur und Beseitiger der Hindernisse, die Götter von Sonne, Himmel, Wind, Reichtum, Wasser und Feuer sowie der himmlische Baumeister, der alles gestaltet), mögen sie diesem Kind stets wohlgesinnt sein, und es immer beschützen, wenn es das Haus verläßt.

Nach diesem Gebet nimmer er das Kind auf seinen Arm und verläßt unter Musik, Gesang und Jubelrufen der Verwandten das Haus. Nach einem kurzen Weg sollte er dem Kind mit folgendem Gebet die Sonne zeigen:

OM, schau nur das Auge des Himmels, das allen Glanz übertrifft und den Göttern dient. Mögen wir es hundert Jahre sehen und solange leben!

Nachdem er dem Kind die Sonne gezeigt hat, sollte er nach Hause zurückkehren, den Sonnengott verehren und seine Verwandten bewirten.

Oh Shiva-Shakti, im sechsten oder achten Monat sollte der Vater oder ein Onkel dem Kind den ersten Reis geben. Nachdem die Götter verehrt, das Feuer gereinigt und die Riten bis zum Dhara-Homa durchgeführt wurden, sollte der Vater fünf Gaben ins Feuer opfern, welches nun den Namen Shuchi trägt. Die erste Gabe an Agni und die nächsten an Indra, Vishnu, die Viswadevas und die fünfte an Brahma. Dann sollte er über die Göttin Annada meditieren, welche die Nahrung gibt, ihr fünf Gaben ins Feuer opfern, sein Kind mit schöner Kleidung und Juwelen geschmückt auf den Schoß nehmen und ihm im gleichen oder einem anderen Raum Payasa geben (gekochten Reis mit Milch, Zucker und etwas geklärter Butter). Dabei wird das Kind fünfmal mit Payasa zusammen mit den Mantras für die fünf Lebenswinde gefüttert und danach noch einmal mit etwas Curry:

prāṇāya svāhā - apānāya svāhā - samānāya svāhā - udānāya svāhā - vyānāya svāhā

Die Zeremonie wird mit dem Blasen von Muschel oder Horn oder anderer Musik und den abschließenden Abbitte-Riten beendet. Damit habe ich über das erste Reis-Essen gesprochen, und nun höre über den ersten Haarschnitt.

Im dritten oder fünften Jahr sollte entsprechend den Gewohnheiten der Familie der erste Haarschnitt (Chudakarana) gefeiert werden, um die Geburtsriten vollkommen zu machen. Dafür sollte der kluge Vater zuerst alle vorbereitenden Riten von der Götterverehrung bis zum Dhara-Homa ausführen. Dann stellt er auf die Nordseite des Feuers namens Satya eine irdene Schale mit Kuhdung, Sesamsamen und Gerste sowie etwas lauwarmes Wasser und ein scharfes Rasiermesser. Nun setzt der Vater das Kind auf den Schoß der Mutter an seiner Seite, murmelt zehnmal die Varuna-Keimsilbe („vaṁ“) über das lauwarme Wasser und befeuchtet damit die Haare des Kindes. Dann murmelt er die Maya-Keimsilbe („hrīṁ“) und bindet die Haare mit zwei Halmen Kusha-Gras zu einem Zopf. Danach murmelt er dreimal die Maya- und Lakshmi-Keimsilbe („hrīṁ śrīṁ“), schneidet den Zopf mit dem scharfen Messer ab und gibt ihn in die Hände der Mutter. Diese nimmt ihn mit beiden Händen entgegen, legt ihn in die Schale mit dem Kuhdung, und der Vater spricht zum Friseur:

Oh Friseur, rasiere nach deinen Wünschen den Kopf dieses Kindes - Swaha!

Zweimal sagt er dies mit dem Blick auf den Friseur gerichtet, und dann gibt er drei Opfergaben für Prajapati ins Feuer namens Satya. Nachdem der Friseur sein Werk vollbracht hat, wird das Kind gebadet und mit schöner Kleidung und Juwelen geschmückt in die Nähe des Feuers an die linke Seite der Mutter gesetzt. Der Vater führt nun den Abbitte-Ritus durch und beendet das Feueropfer.

Dann bitte er:
Hriem, oh Kind, möge dir der allgegenwärtige Schöpfer des Universums Wohlergehen gewähren.

Danach durchsticht er mit einer goldenen oder silbernen Nadel die Ohrläppchen des Kindes, segnet es mit geheiligtem Wasser und spricht:

Möge das Wasser immer freundlich sein. Möge das Wasser wie eine heilsame Medizin sein. Möge uns das Wasser stets beschützen, denn das Wasser ist Narayana selbst. Oh Wasser, gewähre uns Glück und heilsame Nahrung.

Dann beendet er das bereits beschriebene Friedens-Gebet (Shanti-Karma) und ähnliche Riten, gibt Geschenke und vollendet damit diese Zeremonie.

Die Weiheriten von der Empfängnis (Garbhadhana) bis zum ersten Haarschnitt (Chudakarana) sind für alle Kasten gleich geboten. Nur für Shudras und Samanyas sollten sie ohne die Mantras durchgeführt werden. Im Falle einer Tochter werden sie in allen Kasten ohne Mantras gefeiert, und die Nishkramana Zeremonie entfällt (das erste Verlassen des Hauses).

9.8. Upavita - die Initiation mit der heiligen Schnur

Ich will nun über die Initiation mit der heiligen Schnur der Zweifachgeborenen sprechen, wodurch die Zweifachgeborenen ermächtigt werden, die Riten für die Götter und Ahnen durchzuführen. Im achten Jahr nach der Empfängnis oder der Geburt sollte ein Junge mit der heiligen Schnur initiiert werden. Auf jeden Fall sollte diese Zeremonie bis zum sechzehnten Jahr durchgeführt werden, sonst darf er die beschriebenen Riten nicht zelebrieren.

Der kluge Vater sollte nach der Beendigung der täglichen Riten die fünf Götter sowie die großen Mütter mit Gauri an der Spitze verehren und das Vasu-Dhara sowie die Riten für die Götter und Ahnen von der Reinigung des Feuers bis zum Dhara-Homa durchführen. Der Junge sollte früh am Morgen etwas essen, dann wird sein Kopf bis auf ein Büschel geschoren, und nach einem Bad schmückt man ihn mit Juwelen und seidener Kleidung. So wird er unter einem Schirm in der Nähe des Feuers auf einen reinen Sitz zur Linken seines Lehrers (bzw. Vaters) gesetzt. Dann fragt der geistige Lehrer: „Oh mein Sohn, nimmst du das Brahmacharya (das Keuschheitsgelübde als Schüler) an? Und der Schüler sollte antworten: „Ja, ich nehme es an.“ Nun gibt ihm der Lehrer für ein langes Leben und geistige Kraft mit Freude zwei rötliche Tücher (Kashaya, wie sie Wanderasketen tragen). Nachdem der Junge diese Kleidung angelegt hat, gibt ihm der Lehrer schweigend einen geflochtenen Gürtel aus drei Strängen Munja- oder Kusha-Gras. Darauf sollte der Junge sagen: „Hriem, möge dieser vorzügliche Gürtel mein Wohlergehen fördern!“ Mit diesen Worten bindet er sich den Gürtel um und setzt sich schweigend vor den Lehrer. Und dieser spricht:

Die heilige Schnur ist etwas sehr Heiliges. Vrihaspati, der Lehrer der Götter, trug sie als erster. So trage auch du diese reine und heilige Schnur für ein erfülltes Leben. Möge sie dir Mut und Kraft geben.

Mit diesem Gebet erhält der Junge die heilige Schnur aus dem Leder einer schwarzen Antilope sowie einen Stab (Danda) aus Bambus oder einem Ast des Khadira, Palasa oder Kshira Baums. Und wenn der Junge die heilige Schnur um seine Schulter trägt und den Stab in der Hand hält, dann segnet ihn der Lehrer dreimal mit geheiligtem Wasser, das er mit Kusha-Gras verspritzt, und betet:

Hriem - Möge dir das Wasser immer freundlich sein. Möge dir das Wasser wie heilsame Medizin helfen. Möge dich das Wasser stets beschützen, denn das Wasser ist Narayana selbst. Oh Wasser, gewähre uns Glück und heilsame Nahrung - Hriem.

Dann füllt er die gewölbten Handflächen mit etwas Wasser, das der Junge der Sonne opfert, zeigt ihm die Sonne und spricht:

OM - Schau nur das Auge des Himmels, das allen Glanz übertrifft und den Göttern dient. Mögen wir es hundert Jahre sehen und solange leben!

Nachdem der Junge die Sonne gesehen hat, sollte der Lehrer zu ihm sprechen:

Mein Sohn, richte deinen Geist auf mein Wirken. Ich verleihe dir meinen Geist. Folge auch du diesem Wirken mit ganzer Seele. Mögen meine Worte zu deinem Wohlergehen erklingen.

Danach berührt er das Herz des Jungen und fragt: „Mein Sohn, was ist dein Name?“ Und der Junge sollte antworten: „Ich heiße <Soundso> Sharma und verneige mich vor dir.“ Danach fragt der Lehrer: „Wessen Brahmacharya-Schüler bist du?“ Und er sollte antworten: „Ich bin dein Schüler.“ Darauf sagt der Lehrer: „Du bist der Brahmacharya-Schüler von Indra und das Feuer ist dein Lehrer.“ Nach diesen Worten sollte ihn ein guter Lehrer unter den Schutz der Götter stellen und sprechen:

Mein Sohn, ich übergebe dich an Prajapati (dem Großen Vater), Sarasvati (der Göttin des Lernens), Varuna (dem Gott der Gewässer), Prithivi (der Mutter Erde), den Viswadevas und allen anderen Göttern. Mögen sie dich alle stets beschützen.

Nun sollte der Junge das Opferfeuer und den Lehrer rechtsherum umrunden und wieder seinen Sitz einnehmen. Dann wird der Lehrer die Hand des Schülers ergreifen und mit ihm gemeinsam fünf Gaben für die fünf Götter opfern, nämlich für Prajapati, Indra, Vishnu, Brahma und Shiva. Während dieser Gaben in das Opferfeuer namens Samudbhava sollte der Name des Gottes im Dativ zwischen Hriem und Swaha rezitiert werden. Dieses Mantra gilt auch für alle anderen Opfergaben, für die kein spezielles Mantra vorgeschrieben wurde. Danach sollte der Göttin Durga und großen Lakshmi, der Göttin der Welt und der Schönheit, den Regenten der Himmelsrichtungen mit Indra an der Spitze sowie der Sonne und den acht Planeten Opfergaben dargebracht und dabei ihr jeweiliger Name genannt werden. Nun bedeckt der weise Lehrer den Jungen mit einem Tuch und fragt den angehenden Brahmacharya-Schüler: „Oh Sohn, welche Lebensweise wünschst du im Herzen?“ Daraufhin sollte der Schüler die Füße seines Lehrers berühren und ehrerbietig antworten: „Bitte belehre mich zuerst in der Erkenntnis des Brahman und dann in den Aufgaben des Hausvaters.“

Oh Göttin, wenn der Schüler seinen Lehrer auf diese Weise ersucht hat, sollte er dreimal das heilige OM, das alle Mantras enthält, in das Ohr seines Schülers murmeln und danach die drei Vyahritis (oṁ bhūr-bhuvaḥ-svaḥ svāhā) sowie das Gayatri-Mantra. Der ewiggütige Shiva ist der Rishi dieses Mantras, das Versmaß ist Trishtup, die führende Göttin ist Savitri, und das Ziel ist die höchste Befreiung. Das Gayatri-Mantra lautet:

oṁ tat savitur varēṇyaṁ bhargō dēvasya dhīmahi dhiyō yō naḥ pracōdayāt oṁ
(OM - Wir wollen über den wundervollen Geist des himmlischen Schöpfers meditieren. Möge er unseren Verstand führen - OM)

Danach sollte der Lehrer die Bedeutung des Gayatri erklären:
Mit dem OM aus den drei Buchstaben A, U und M ist das Höchste Selbst gemeint. Es ist Beschützer, Vernichter und Schöpfer, die Gottheit in und jenseits der Natur. Die Gottheit ist der Geist der drei Welten und vereint in sich die drei natürlichen Qualitäten (von Güte, Leidenschaft und Trägheit). Daraus entstehen die drei Welten (bhūr-bhuvaḥ-svaḥ - Erde, Luft und Himmel) als Ausdruck des alldurchdringenden Brahman. Das Eine, das mit dem OM und den drei Welten angedeutet wird, kann durch Sarasvati (die Göttin des Lernens) erkannt werden. So laß uns über das große innere Licht meditieren, die Gottheit, die diese Welt erschafft und in sich trägt, das Höchste und Ewige, die alldurchdringende Wahrheit, welche die Selbstgezügelten verehren. Möge die Gottheit, die alles bezeugt und der Herr von allem ist, unseren Geist führen und bewegen, damit wir durch Vernunft, Sinne und Handeln die vier großen Lebensziele von Dharma, Artha, Kama und Moksha erreichen können (Tugend, Reichtum, Liebe und Befreiung).

Oh Göttin, nachdem der vorzügliche Lehrer seinen Schüler auf diese Weise (über das Brahman) belehrt und die göttliche Weisheit vermittelt hat, sollte er ihm die Aufgaben im Hausleben erklären:
Mein Sohn, lege nun zunächst die Kleidung des Brahmachari ab und ehre die Götter und Ahnen, wie es Shiva verkündet hat. Dein Körper wird durch die empfangene göttliche Weisheit geheiligt. Damit hast du die Lebensweise eines Hausvaters erlangt und solltest dich in den Aufgaben der Hausväter üben. Trage die heilige Schnur, zwei schöne Kleidungsstücke, Juwelen, Schuhe, Schirm, duftende Girlanden und Sandelpaste.

Der Schüler sollte nun die Asketen-Kleidung, die heilige Schnur aus dem Leder der schwarzen Antilope, den Gürtel, Stab, Bettelschüssel, und was er darüber hinaus wie Almosen erhalten hatte ablegen und dem Lehrer zurückgeben. Danach legt er die weiße heilige Schnur an, zwei schöne Kleidungsstücke und eine Girlande aus duftenden Blüten und setzt sich schweigend in die Nähe des Lehrers, der ihn wie folgt ansprechen sollte:
Besiege die Sinne, sei wahrhaft und der Erkenntnis des Brahman hingegeben! Studiere die Veden und erfülle die Aufgaben eines Hausvaters entsprechend den Dharma-Gesetzen!

Nach dieser Belehrung läßt ihn der Lehrer drei Opfergaben ins Feuer namens Samudbhava geben mit dem Mantra:

hrīṁ bhūr-bhuvaḥ-svaḥ oṁ
(Mahamaya - Erde, Luft und Himmel - OM)

Dann sollte er selbst das Abbitte-Opfer durchführen und die Initiations-Zeremonie mit dem abschließenden Opfer beenden.

9.9. Hochzeits-Ritus

Oh Geliebte, alle Zeremonien von der Empfängnis bis zur Initiation sollten vom Vater allein durchgeführt werden. Die Riten der Hochzeit werden dagegen teilweise vom Vater und teilweise vom Bräutigam zelebriert. Nachdem der tugendhafte Hausvater am Tag der Hochzeit (der Tochter) seine Reinigung und die täglichen Aufgaben beendet hat, sollte er die fünf Götter und himmlischen Mütter mit Gauri an der Spitze verehren und das Vasu-Dhara und Ahnenopfer darbringen. Und am Abend sollte der verlobte Bräutigam von Musik und Gesang begleitet zum Opferfeuer gebracht werden und einen vorzüglichen Sitz einnehmen. Der Bräutigam sollte mit dem Gesicht nach Osten sitzen und der Vater der Braut nach Westen. Dann spült der Brautvater seinen Mund, murmelt mit den anwesenden Zweifachgeborenen verschiedene Segenssprüche und fragt den Bräutigam, wie es ihm geht und ob er bereit ist, die Verehrung anzunehmen. Nach der Antwort ehrt er ihn mit dem Wasser zum Waschen der Füße und anderen üblichen Gastgeschenken. Dann bietet er ihm das Wasser zum Spülen des Mundes an und beschenkt ihn mit Duft, Girlanden, Kleidung, Schmuck, Edelsteinen und einer heiligen Schnur. Der Vater sollte Madhuparka aus einem Gemisch aus Dickmilch, geklärter Butter und Honig in einem Bronzegefäß anrühren und mit den Worten „Ich gebe dir!“ in die Hand des Bräutigams geben. Dieser sollte das Gefäß mit der linken Hand annehmen, mit Daumen und Ringfinger der rechten Hand etwas entnehmen, fünfmal daran riechen und dabei das Pranahuti-Mantra murmeln (bezüglich der Lebenswinde z.B.: prāṇāya svāhā - apānāya svāhā - samānāya svāhā - udānāya svāhā - vyānāya svāhā). Dann stellt er das Gefäß nördlich von sich ab und spült seinen Mund, nachdem ihm das Madhuparka dargebracht wurde.

Nun sollte der Brautvater etwas Durva-Gras und sonnengetrockneten Reis ergreifen, das rechte Knie des Bräutigams berühren, über Vishnu meditieren und mit dem Mantra „Tat Sat“ beginnend die Namen von Monat und Tag sowie die Namen von Kaste und Stamm des Bräutigams mit allen Vorfahren vom Urgroßvater bis zum Vater rezitieren. Dann folgen der Name der Braut, ihre Kaste und ihre Vorfahren abgeschlossen mit: „Ich ehre dich, indem ich dir meine Tochter in einer Brahma-Hochzeit anvertraue.“ Darauf sollte der Bräutigam antworten: „Ich bin geehrt.“ Und der Vater sagt: „So vollbringe die gebotenen Hochzeitsriten!“ Worauf er vom Bräutigam die Antwort erhalten sollte: „Ich werde sie nach bestem Wissen ausführen.“ Nun wird die Braut gebracht, in schöne Kleider gehüllt und mit Juwelen geschmückt, und vor den Bräutigam gestellt. Erneut zeigt nun der Vater dem Bräutigam seine Verehrung und beschenkt ihn mit Kleidern und Schmuck. Dann gibt er fünf Juwelen, eine Frucht und Betel in die rechte Hand der Braut, verehrt sie, und legt ihre Hand in die des Bräutigams. Wenn er die Braut übergibt, nennt er wie zuvor zweimal seinen Namen, erklärt seine Wünsche sowie die Kaste und Abstammung von Bräutigam und Braut. Und wenn er den Namen der Braut nennt, fügt er hinzu: „Ich gebe dir diese ehrenwerte, wohlgekleidete und geschmückte Tochter, die von Prajapati abstammt!“ Damit übergibt er die Braut, und der Bräutigam sollte sie mit dem Wort „Swasti“ (So sei es!) als seine Ehefrau annehmen. Dann sagt der Vater: „Sei mit deiner Frau vereint in Tugend, Reichtum und Liebe!“ Und der Ehemann antwortet „Das werde ich!“ und rezitiert das Lob von Kama, der Liebe:

Es ist die Liebe, die gibt, und es ist die Liebe, die empfängt. Es ist die Liebe, die sich eine Frau nimmt, um die Liebe zu erfüllen. Von Liebe bewegt, nehme ich dich an. Möge sich unsere beiderseitige Liebe erfüllen.

Darauf spricht der Vater zu seinem Schwiegersohn und der Tochter:
Mögen sich durch den Segen von Prajapati all eure Wünsche erfüllen. Möget ihr mit Wohlergehen gesegnet sein! So wandelt nun gemeinsam auf dem Pfad der Tugend.

Dann wird das neuvermählte Paar in Begleitung von Musik und dem Klang des Muschelhorns mit einem Tuch bedeckt, so daß sie einen ersten, innigen Blick wechseln können. Schließlich gibt der Brautvater seinem Schwiegersohn noch Geschenke, so gut er kann, und macht sich bewußt, daß nun diese Zeremonie für ihn vollständig abgeschlossen ist.

Danach sollte der Neuvermählte mit seiner Frau noch in der gleichen Nacht oder am folgenden Tag ein Feuer nach den Kushandika-Regeln (zur Reinigung des Feuers, siehe oben) entzünden. Dieses Feuer wird Yojaka (der Vereiniger) genannt, und der gekochte Charu (süßer Reis) heißt Prajapatya („dem Stammvater der Schöpfung gewidmet“). Nachdem er dann das Dhara-Homa durchgeführt hat, sollte er nacheinander fünf Gaben für Shiva, Durga, Brahma, Vishnu und Indra im geheiligten Feuer opfern und über sie meditieren. Dann ergreift er die beiden Hände seiner Frau und spricht:
Ich nehme deine Hände, oh Gesegnete! Sei dem Lehrer und den Göttern hingegeben und erfülle deine Aufgaben im Haushalt gemäß dem Dharma.

Die Frau sollte dann mit geklärter Butter, die ihr der Ehemann gegeben hat, und geröstetem Reis, der von ihren Verwandten gegeben wurde, vier Opfergaben ins Feuer namens Prajapati geben. Dann erheben sich Mann und Frau von ihren Sitzen, umrunden gemeinsam das Feuer und opfern Durga und Shiva, Lakshmi und Vishnu sowie Sarasvati und Brahma dreimal jedem Paar. Am Ende jeder Runde stellt die Braut ohne ein Mantra ihren Fuß auf einen Stein, und schließlich gehen sie noch gemeinsam die berühmten sieben Schritte (Shilarohana und Saptapadi).

Falls diese Zeremonie des Nachts stattfindet, sollen nun Mann und Frau umgeben von den anwesenden Damen das Haus verlassen und ihren Blick auf die beiden Sterne Dhruva und Arundhati richten (evtl. Polstern und Plejaden). Und nachdem sie auf ihre Sitze zurückgekehrt sind, beendet der neuvermählte Ehemann diese Zeremonie mit dem Abbitte-Opfer und dem Friedensgebet bis zur abschließenden Opfergabe.

Damit eine Brahma Hochzeit wahrhaft dem Kula-Dharma folgt, sollte sie mit einem Mädchen aus der gleichen Kaste aber nicht der gleichen Familie in Berücksichtigung der Sapinda-Regeln (bzgl. Inzest) erfolgen. Die erste Frau, die gemäß der Brahma-Hochzeit geheiratet wurde, gilt als Königin des Hauses, und ohne ihre Zustimmung sollte keine weitere Frau auf diese Weise geehelicht werden.

Oh Kula-Göttin, so seien auch alle Kinder, die aus einer Brahma-Hochzeit entstanden sind, bezüglich des väterlichen Erbes über die Kinder einer Shiva-Hochzeit gestellt. Oh höchste Göttin, eine Shiva-Frau und ihre Nachkommen sollten jedoch immer mit Nahrung und Kleidung versorgt werden, die dem Reichtum des Shiva-Mannes entsprechen. Eine Shiva-Hochzeit wird innerhalb des geistigen Kreises (dem Bhairavi- und Tattwa-Chakra, siehe Kapitel 8.1.) auf zwei Arten dargebracht. Die eine Art endet, wenn der Kreis aufgehoben wird, und die andere gilt lebenslang. Wenn der heldenhafte Tantra-Verehrer den heiligen Kreis geschlossen hat, kann er mit wohlgezügeltem Geist umgeben von seinen Verwandten und befreundeten Verehrern im gegenseitigen Einverständnis den Shiva-Hochzeitsritus durchführen. Zuerst sollte er die Zustimmung aller anwesenden Shiva-Verehrer und Verehrerinnen mit den Worten erbitten: „Möget ihr unsere Hochzeit gemäß der Shiva-Art erlauben.“ Und nachdem der Tantra-Held die Erlaubnis erhalten hat, verneigt er sich vor der höchsten Göttin Kalika und wiederholt 108mal ihr Mantra mit den sieben Silben:

paramēśvari svāhā

Oh Königin der Götter, dann fragt er die Frau: „Liebst du mich als deinen Ehemann mit reinem Herzen?“ Und daraufhin sollte die Kula-Verehrerin ihren Einziggeliebten mit Duft, Blüten und sonnengetrocknetem Reis erwählen und ihre Hand voller Vertrauen in die seinige legen. Die im Kreis Anwesenden beglückwünschen ihre Wahl mit „Wohlgetan!“, und der Herr des Kreises segnet die beiden mit geheiligtem Wasser und dem Gebet:

Möge die Königin des Königs der Könige, Kali, die Retterin und Mutter der Welt, Bagala, Kamala, Nitya, Bhairavi und allen anderen großen Mütter euch gemeinsam stets beschützen!

So sollte sie der Herr des Kreises zwölfmal mit geheiligtem Wasser wie mit dem Nektar der Unsterblichkeit besprenkeln und dieses Gebet rezitieren. Dann verneigen sich die beiden vor ihm, und er segnet sie mit den Vagbhava- und Rama-Keimsilben („aiṁ śrīṁ“). Oh Kula-Göttin, der Kula-Mann und die Kula-Frau, die nach den Geboten von Shiva verheiratet wurden, sollten sehr achtsam einhalten, was sie versprochen haben. Im geistigen Kreis der Shiva-Hochzeit gibt es keine weltlichen Beschränkungen bezüglich Kaste oder Alter. Nach den Geboten von Shiva kann man jede ledige Frau heiraten, die nicht unter die Sapinda-Regeln (bzgl. Inzest) fällt. Und falls diese Hochzeit im geistigen Kreis mit dem Wunsch stattfand, Kinder zu bekommen, aber die Frau in der folgenden Zeit nicht schwanger wird, dann kann während ihrer Menstruation die Ehe im heiligen Kreis wieder aufgelöst werden. Die Kinder einer Shiva-Hochzeit gehören (außerhalb des Kreises) zur Kaste der Mutter, wenn diese der gleichen oder einer niederen Kaste als ihr Mann angehört, andernfalls zu den Samanyas. Diese Mischkaste sollte zum Totenopfer ihres Vaters und weiteren Riten ein Speiseopfer darbringen und den Kula-Verehrern folgen.

Oh heilige Göttin, Nahrung, Vereinigung und Kinderwunsch sind natürliche Neigungen der Menschen. Die Gebote von Shiva erklären, wie man sie zum Wohlergehen nutzt. Oh große Göttin, wer diesen Geboten von Shiva folgt, wird zweifellos die vier großen Lebensziele von Tugend, Reichtum, Liebe und Befreiung erreichen.


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