Pushpak HarivamshaZurück WeiterNews

3.16. Die Erkenntnis des Brahman

Vaisampayana sprach:
Oh König, so zügle deine fünf Sinne mit dem Denken und höre meine Worte mit reinem und konzentriertem Geist. Erkenne den ungeteilten Höchsten Geist, den man durch das karmische Handeln nicht erreichen kann. Er zeigt sich durch die Erkenntnis des Brahman und wird durch Taten nicht gebunden. Er entfaltet sich durch den Schöpfergott Brahma und ist die unentfaltete Ursache des Universums. Er ist ewig und unvergänglich, mit und ohne Form. Aus diesem Höchsten Geist entsteht das Ichbewußtsein, das sich als Seele verkörpert. Er ist die Gottheit und der Erkennende aller Sinnesobjekte. Er ist die ewige Wahrheit jenseits des Zugriffs von Gedanken. Er ist die Ursache der Zeitzyklen (der Yugas), die Verkörperung der drei Zeitformen (von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) und das ungeborene Eine hinter der geborenen Vielfalt. Durch Hingabe zu Narayana kann man diesen Einen jenseits aller Formen erkennen. Er umfaßt alles, bewegt sich überall, zeigt seine Gesichter überall, hat seine Augen überall, sieht und hört alles und erfüllt den ganzen Raum. Er ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, das Manifeste und Unmanifeste, das Sein und Nichtsein. Niemand kann ihn sehen, aber Er bewegt sich überall. Obwohl er jenseits aller Gedanken und ohne bestimmte Form ist, nimmt er doch Formen an und existiert in ihnen unsichtbar wie das Feuer im Holz. Er ist die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er ist der Gott der Götter, der Herr der Geschöpfe und aller Welten, und wird unter diesen Namen wahrhaft gelobt. Durch seine Yogakraft wird dieser Formlose durch Brahma zur Vielfalt der Formen, und so entsteht das (individuelle) Ichbewußtsein durch Unwissenheit aus Narayana. Dieser Höchste Geist mit dem reinen Bewußtsein existiert als Schöpfergott. Er ist der Große Vater der Welten mit allen belebten und unbelebten Geschöpfen und wird Brahma genannt.

Brahma sprach „Ich will diese Schöpfung hervorbringen!“ und wurde zum Schöpfer des Universums und zum Vater aller verkörperten Wesen. Durch diesen Willen entstand das Ichbewußtsein aus der ungestalteten Natur, und so entfaltete sich diese ganze Welt. Aber das wahre, alldurchdringende Brahman, das von allen Eigenschaften frei ist, blieb (unverändert) das Brahman. Dann entstanden die fünf feinstofflichen Elemente als Eigenschaften des ungestalteten Brahman und daraus die Veden mit ihren verschiedenen Zweigen. Danach rief Brahma, durch den alles verkörpert wird, mit seinem Willen eine Form aus der ungestalteten Natur und erschuf das Wasser. Und wie in der vorhergehenden Schöpfung entfaltete er auf Geheiß der Gottheit den Luftraum, hält ihn über dem Wasser fest und wird deshalb Träger (Dhatri) genannt. Und wie die Welt einst im Wasser versunken war, so wurde sie jetzt durch die Gottheit wieder aus dem Wasser gehoben.

Als Brahma die Erde als einen Ort für seine Schöpfung wünschte, verdichtete er einen Teil des Wassers und der andere Teil blieb flüssig. So erkennen die Wesen den Unterschied und nennen das Verfestigte die Erde (Prithivi). Als sich die Erde im Wasser verfestigte, erschien sie in persönlicher Form und sprach mit lauter Stimme, die in allen Richtungen widerhallte:
Ich wünsche über dem Wasser zu leben. Durch die Verfestigung im Wasser werde ich schwer bedrückt und sinke immer tiefer. Deshalb hebt mich empor!

So rief die Erde um Hilfe, die sich nun überall ausbreitete, um die Geschöpfe zu tragen. Als Hari ihre flehende Stimme hörte, nahm er die Gestalt eines Ebers an und sprang ins Wasser. Und nachdem er die schwierige Leistung vollbracht und die Erde aus dem Wasser gehoben hatte, zog Er sich wieder ins Samadhi (die Yoga-Stille) zurück, so daß ihn niemand mehr sehen konnte. Er, der die Gestalt eines Ebers angenommen hatte, ist das reine, strahlende Brahman. Manche nennen es den Raum des Universums, und Brahma, der Schöpfer von allem, ist dessen persönliche Verkörperung. Dieses Höchste Wesen ist der Urgrund von allem und stützt durch seine subtile Yogakraft der Erkenntnis noch heute diese Erde zum Wohle der Welt in (symbolischer) Form einer Schlange oder Schildkröte. Dann spaltete sich die Erde, und die Sonne erhob sich lächelnd in die Höhe und zog mit ihren Strahlen das Wasser zu sich hinauf. Damit entstand aus dem Sonnenmandala (dem Sonnenkreis) voller Feuer das Mondmandala voller Wasser. Und weil der Mond aus dem ewigen Brahman durch das kühlende Wasser entstanden ist, wird er auch Soma genannt. Aus diesem Mondmandala floß ein fruchtbarer Wind (bzw. Lebensatem) und ernährte die Veden als Grundlage für alle weiteren Gestaltungen.

Auf diese Weise entfaltete Er durch seine Yoga-Erkenntnis und seine Brahman-Natur ein göttliches Wesen (Brahma), das zum Mutterschoß des ganzen Universums wurde (Brahmayoni). Seine flüssige Eigenschaft wurde zum Wasser, seine feste zur Erde, seine räumliche zum Himmel (bzw. Raum) und seine lichtvolle zum Auge. Wenn sich die universale Intelligenz (Mahat), die als Geist aus dem Brahman kommt, mit den fünf Elementen verbindet, belebt sie durch den Wind (bzw. Lebensatem) den Körper. Deshalb wohnt die ewige Intelligenz in jeder verkörperten Seele, und nur die Gottheit selbst kann sie durch Yogakraft erkennen. Sie ist wie eine ewige Sonne, die durch ihr Feuer in Verbindung mit den fünf Elementen den Körper belebt. Und durch die angesammelten Taten (das Karma) erhebt sich die verkörperte Seele oder sinkt hinab, und entsprechend erfährt sie Glück oder Leid. Verblendet von den Sinnen und unwissend über das wahre Brahman trifft sie durch ihr Karma auf Geburt und Tod. Und solange sie nicht mit dem Höchsten Brahman eins wird, solange geht sie durch immer neue Geburten in dieser Welt. Wenn sie aber durch Yoga-Kraft ihre Sinne meistert, verschmilzt sie im Brahman zur Einheit und erfährt wahre Glückseligkeit. Wenn sie die Trennung zwischen sich und der Welt überwindet, wird sie mit dem Brahman identisch und weder von Begierde noch Haß bezüglich der Sinnesobjekte zum Leiden getrieben. Wenn sie durch Erkenntnis die höchste geistige Fähigkeit erreicht, durchschaut sie Geburt und Tod sowie das Wesen der Elemente. Wenn sie das wahre Brahman erkennt, geht sie den Weg zur Befreiung, reinigt sich von vergangenen und zukünftigen Taten und erreicht das Höchste. Durch geistige Erkenntnis besiegt sie die geistigen Eigenschaften mit allen Begierden und Ängsten, die den Geist aufwühlen wie der Sturm den Ozean. Mit dem Auge der Erkenntnis überwindet die verkörperte Seele alle Sünden, die den Geist verunreinigen, und wird von den Fesseln der Körperlichkeit befreit. So kann der Yogi im feinstofflichen Körper durch geistige Kraft diese Welt überwinden und nach Belieben jenseitige Welten erschaffen oder auflösen. Wessen Geist mit dem Höchsten Geist verschmilzt, reinigt sich und andere vom Karma angesammelter Taten und wird von der Geburt in leidvollen Welten erlöst. Jedes Handeln kann zur Befreiung oder zur Bindung an weltliche Freuden führen. Wer das Ego im Brahman aufgelöst hat, sammelt keine persönlichen Taten mehr an, die ihn an weltliche Freuden binden.


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