Pushpak HarivamshaZurück WeiterNews

2.12. Wie der Dämon Kalya besiegt wurde

Vaisampayana sprach:
So überlegte Krishna und ging zum Ufer des Sees, gürtete seine Kleider und bestieg den Kadamba Baum. Als er den Gipfel erreicht hatte, ließ der lotusäugige Krishna sein Löwengebrüll ertönen und sprang mit lautem Getöse mitten in den tiefen See der Yamuna. Durch diesen kühnen Sprung wurde der See gewaltig aufgewühlt und schwappte ringsherum über die Ufer wie eine zerstiebende Wolke. Die große Wohnstatt der Schlangen wurde bis in die Tiefen erschüttert, und mit zornesroten Augen erhoben sie sich aus dem Wasser. So zeigte sich auch Kalya, der König der Giftschlangen, mit schrecklichem Gesicht, fünf Hauben, feuerroten Augen, zischenden Zungen, feuerspeiend und so dunkel wie eine Gewitterwolke. Mit seinem riesigen Körper bedeckte er den ganzen See und wie ein schreckliches Feuer brannte er im Zorn. Durch die mächtige Energie des Schlangenkönigs und seinen flammenden Zorn schien der ganze See zu kochen, und voller Angst floh die Yamuna gegen ihren gewöhnlichen Lauf davon. Als er Krishna wie ein Kind im See spielen sah, atmete er zornig lodernde Flammen und feurigen Sturm. Feuer und Rauch kamen aus den fürchterlichen Rachen des Schlangenkönigs, und sein giftiger Zorn verbrannte all die Bäume am Ufer so schnell wie das Feuer der universalen Auflösung am Ende der Welt. Und neben ihm erschienen seine Söhne, Gefolgsleute und andere mächtige Schlangen, die ebenfalls vernichtendes Feuer und giftigen Rauch spieen. Dann begannen die Schlangen, ihre Körper um Krishna zu winden, bis seine Hände und Füße gebunden waren, und er bewegungslos wie ein Berg war. Gleichzeitig bissen ihn die großen Schlangen mit ihren scharfen Zähnen, aus denen flüssiges Gift spritzte. Doch der mächtige Krishna starb nicht daran. In der Zwischenzeit liefen die Hirtenjungen voller Angst ins Dorf zurück und riefen weinend mit schluchzenden Stimmen:
Krishna ist in den Kalya See gefallen, und der Schlangenkönig verschlingt ihn! Kommt schnell alle mit. Beeilt euch und sagt Nanda und seiner Familie Bescheid, daß Krishna von den Schlangen in den großen See gezogen wird.

Als der Kuhhirte Nanda diese Worte hörte, die ihn wie der Blitz trafen, wurde er sogleich von Furcht und Sorge überwältigt und eilte zum großen See. Und mit ihm rannten auch die anderen Dorfbewohner zusammen mit Sankarshana und allen Jungen, Mädchen, Frauen und Männern zu dem Ort, wo der König der Schlangen im Wasser wohnte. Und als die Hirten mit Nanda an Spitze am Ufer des Sees standen, klagten sie mit Tränen in den Augen voller Sorge und Angst. Manche waren beschämt über ihre Hilflosigkeit und riefen schwer gequält immer wieder: „Ach, unser Kind! Schande über uns!“ Andere klagten voller Schmerz und Angst: „Ach, wir sind alle verloren!“ Die Frauen jammerten laut und sprachen zu Yasoda:
Oh weh! Wer könnte diesen Anblick antragen! Schau deinen Sohn an, wie er vom König der Schlangen überwältigt wird. Er ist in den Windungen der Schlangen gefangen und wird wie ein wildes Tier erwürgt. Wahrlich, dein Herz muß aus Granit sein, weil es nicht zerbricht, wenn du deinen Sohn in dieser schrecklichen Lage erblickst. Schau nur, der Kuhhirte Nanda steht vom Gram überwältigt am Ufer wie ein Bewußtloser und starrt hilflos auf das Gesicht seines Sohnes. Wir sollten uns alle mit Yasoda in den See stürzen, wo die giftigen Schlangen wohnen. Denn ohne Krishna wollen wir nicht ins Dorf zurückkehren. Ohne Krishna wird unser Dorf alle Schönheit verlieren, wie der Tag ohne Sonne und die Nacht ohne Mond. Ohne Krishna sind wir wie Kühe ohne Bullen. Ohne Krishna will keiner von uns zurückkehren, wie eine Kuh, die ihr Kalb verloren hat.

Als Sankarshana, der mit Krishna ein Geist, ein Körper und ein Verstand war, die Klage der Frauen hörte und die Hilferufe aller Dorfbewohner, sprach er ärgerlich zu Krishna, dem ewigen Herrn des Universums:
Oh Krishna, du Starkarmiger und Freude der Kuhhirten, zögere nicht weiter und besiege diesen König der giftigen Schlangen! Oh Bruder, oh Herr, all die hier versammelten Leute haben ein menschliches Verständnis, und so beklagen sie auch dich als menschliches Wesen.

Als Krishna diese Worte von Rohinis Sohn hörte, riß er spielend die Hände hoch und erhob sich aus den Fesseln der Schlangen. Dann setzte er seinen Fuß auf den Körper des Schlangenkönigs, der aus dem Wasser ragte, und ergriff mit seinen Händen einen der Köpfe. Schnell schwang sich der mit schönen Armreifen geschmückte Krishna voller Kraft bis auf den mittleren Kopf und begann, auf den Hauben ausgelassen zu tanzen. Bald war der Schlangenkönig von Krishna so niedergedrückt, daß er alle seine Köpfe neigte, von denen schon das Blut floß, und mit furchtsamer Stimme sprach:
Oh Krishna mit dem schönen Gesicht, aus Unwissenheit zeigte ich meinen Zorn gegen dich. Doch nun wurde ich von dir besiegt, und mein zorniges Gift ist erschöpft. Verschone mein Leben und befiehl mir, wie ich dir mit meinen Frauen, Kindern und Gefolgsleuten dienen kann.

Krishna, der Garuda, den Feind der Schlangen, zum Reittier hat, hörte die Worte des fünfköpfigen Schlangenkönig, blickte ihn an und antwortete frei von jedem Zorn:
Oh Schlange, ich wünsche nicht, daß du in diesem Wasser der Yamuna lebst. Deshalb begib dich mit deinen Frauen und Angehörigen zum Ozean. Alle, die ich in Zukunft von deinen Angehörigen hier an Land oder im Wasser noch erblicke, werden durch meine Hand auf ihren Tod treffen. Oh König der Schlangen, laß dieses Wasser für alle nützlich und heilsam sein und verschwinde in den Tiefen Ozeans. Wenn du noch weiter hier wohnst, wirst du große Qualen erfahren und dein Leben verlieren. Begib dich zum Ozean, und wenn dort Garuda, der Schlangenfeind, meine Fußabdrücke auf deinen Köpfen sieht, wird er dich verschonen.

Nach dieser Aufforderung floh dieser König der Schlangen mit den Fußabdrücken von Krishna auf seinen Köpfen in Gegenwart der Kuhhirten aus dem See zum Ozean. Und nachdem der Schlangenkönig auf diese Weise besiegt und geflohen war, kam Krishna wieder aus dem Wasser und stand unversehrt am Ufer. Voller Bewunderung priesen und umrundeten ihn die Kuhhirten. Dann sprachen die im Wald lebenden Hirten voller Freude zu Nanda:
Du bist wahrlich gesegnet und von den Göttern bevorzugt, weil du einen solchen Sohn hast. Von diesem Tag an, oh Sündloser, soll der großäugige Krishna mit seiner Macht die Zuflucht der Kuhhirten in ihren Gefahren und der Beschützer der Kühe sein. Die Wasser der Yamuna sind jetzt überall von Gefahr befreit und angenehm geworden. Nun können unsere Kühe mit Freude zu jeder Wasserstelle gehen. Wahrlich, als einfache Kuhhirten im Wald erkannten wir die wahre Macht von Krishna nicht, der unter uns im Dorf lebte, wie ein Feuer, das unter Asche verborgen war.

Danach priesen die Hirten den unsterblichen Krishna voller Bewunderung und betraten ihr Dorf wie die Himmlischen den Garten Chaitraratha (von Kuvera).


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