Pushpak Devī-MāhātmyaZurück WeiterNews

1. Kapitel: Die Tötung Madhus und Kaiţabhas

Mārkaņdeya sprach (zu seinem Schüler Krasustuki Bhaguri):
1. Sāvarņi, Sohn des Sūrya, wird genannt der achte Manu.
2. Höre, wie ich seine Geburt genau beschreibe, wie Sāvarņi, der berühmte Sohn der Sonne, zum Herrn des achten Manvantara wurde durch die Gunst von Mahāmāyā.
3. In früherer Zeit lebte ein König names Suratha, geboren aus der Caitra-Dynastie, in der Ära von Svārosica als Herrscher über die ganze Welt.
4. Er beschützte seine Untertanen wie seine eigenen Kinder. Zu jener Zeit wurden die Kolāvidhvamsim-Könige, die die Vernichter der Kolās waren, zu seinen Feinden.
5. Er, der Meister machtvoller Waffenkünste, bestritt eine Schlacht gegen sie, doch er wurde von den Kolāvidhvamsims besiegt, obwohl sie nur eine kleine Streitmacht waren.
6. Danach kehrte er zurück zu seiner eigenen Stadt und herrschte über sein besiegtes Land. Und daraufhin wurde dieser berühmte König abermals von machtvollen Feinden bezwungen.
7. In seiner eigenen Stadt wurde der König, nun seiner Macht beraubt, auch um seine Schätze und seine Armee gebracht durch seine eigenen, machtvollen, lasterhaften und dem Bösen verfallenen Ministern.
8. Daraufhin, seines Herrschaftsanspruches beraubt, verließ der König allein die Stadt auf einem Pferd und ritt in Richtung eines dichten Waldes, unter dem Vorwand, jagen zu wollen.
9. Er kam zur Einsiedelei von Medhas - dem Höchsten unter den Doppeltgeborenen(1) - der dort mit friedvollen wilden Tieren und Schülern der Weisheit zusammenlebte.
10. Eingeladen von dem Weisen verbrachte Suratha einige Zeit in der Einsiedelei dieses besten unter den Weisen, indem er dort spazieren ging.
11. Über sich selbst nachdenkend, quälte er sich mit egoistischen Gedanken: ‚Die Hauptstadt, die seit der Zeit meiner Ahnen immer wohl behütet und nun kürzlich von mir verlassen wurde -
12. Wird sie auch jetzt von diesen Dienern [des Bösen] noch gut bewacht? Ich weiß es nicht. Mein bester Elefant, mir immer treu ergeben,
13. ist in die Hände der Feinde gefallen. Welche Behandlung wird er erfahren?
Die, welche meine treuen Gefolgsleute waren und Ämter, Reichtum und Nahrung von mir bekamen,
14. müssen nun sicher anderen Königen Huldigung zollen. Von diesen Verschwendern, die süchtig nach unnützen Ausgaben sind,
15. wird der Reichtum, den ich mit großer Umsicht gesammelt habe, nun vergeudet.’
An solche und andere Dinge musste der König ständig denken.
16. Nahe der Einsiedelei der Brahmāna sah er ein Mitglied der Händlerkaste, und er fragte diesen:
„Wer bist du? Was führt dich hierher?
17. Weshalb siehst du so betrübt und kummervoll aus?“
Als dieser die Stimme des Königs hörte, bemühte sich der Händler, freundlich dreinzuschauen,
18. verbeugte sich respektvoll und antwortete. Er sprach:
„Ich bin ein Kaufmann namens Samādhi, aus einer wohlhabenden Familie stammend.
19. Ich wurde von meinen Söhnen und meiner Frau, die durch die Habgier dem Bösen verfallen sind, verbannt. Meine feine Frau und meine Söhne haben sich meine Güter angeeignet, und durch sie bin ich mittellos geworden.
20. Fortgejagt von meinen lieben Verwandten, bin ich in diesen Wald geraten, kummerbeladen. Nun hier wohnend, weiß ich nicht,
21. wie es meinen Söhnen, Frau und Verwandten geht, ob ihnen Gutes oder Böses widerfahren ist. Sind sie gerade krank oder gesund, dort zu Hause?
22. Wie geht es ihnen? Leben meine Söhne ein gutes oder böses Leben?“

Der König sprach:
„Warum hängst du so sehr an diesen habgierigen Leuten, deinen Söhnen, deiner Frau und anderen, die dich deines Reichtums beraubt haben?“

Der Händler sagte:
23. „Dieselben Gedanken, die Ihr äußert, sind auch mir gekommen. Was kann ich tun? Mein Gemüt ist nicht verhärtet;
24. es empfindet tiefe Liebe für diese Personen, die die hingebungsvolle Liebe und die Bindung zu Gatte und Vater verworfen haben.
25. Oh großmütiger König, wie kann es sein, dass mein Sinn sich hinabsenkt zu dieser offensichtlich wertlosen Verwandtschaft?
26. Wenn ich an sie denke, kommen mir schwere Seufzer und ich fühle mich entmutigt. Was kann ich tun, da mein Sinn nicht hart gegenüber diesen Lieblosen geworden ist?“

Mārkaņdeya sprach:
27. Danach, oh Brahmāna, zogen der Händler Samādhi und der großmütige König den Weisen Medhas zurate.
28. Nachdem sie ihm ihre Ehre erwiesen und er sie angenommen hatte, setzten sie sich und unterhielten sich mit ihm über einige wichtige Dinge.

Der König sprach:
29. „Verehrungswürdiger Herr, ich möchte Euch etwas fragen. Seid so freundlich, mir darauf zu antworten. Ohne die Kontrolle meines Verstandes ist mein Gemüt geplagt von Sorgen.
30. In selbstsüchtiger Weise habe ich an meinem verlorenen Königreich gehangen wie ein Dummkopf, obwohl ich es besser wissen sollte. Wie kann das sein, oh größter der Weisen?
31. Und dieser Kaufmann hier wurde enteignet von seinen Kindern, Frau und Dienern, aufgegeben von seinen eigenen Leuten. Nichtsdestoweniger empfindet er noch immer viel für sie.
32. Somit sind wir beide, er und ich, überaus unglücklich. Unser Sinn wurde hinabgezogen durch Egoismus, bezogen auf bestimmte Dinge, obgleich dessen Fehler offensichtlich sind.
33. Wie kann es geschehen, oh Verehrungswürdiger, dass Verblendung sogar von Männern des Wissens Besitz nehmen kann, und dass diese Verblendung über mich und ihn gekommen ist und uns blind dafür gemacht hat, richtig unterscheiden zu können?“

Der Seher sprach:
34. „Oh Berühmter, jede Kreatur hat ein Wissen um die Dinge, die mittels der Sinne wahrgenommen werden. Und diese Dinge nähern sich unseren Sinnen in vielfältiger Art.
35. Einige Wesen sind blind am Tag, andere sind blind in der Nacht, und manche können bei Tag und Nacht gleich gut sehen.
36. Menschliche Wesen sind gewiss mit Wissen ausgestattet, doch sind sie die einzigen Wesen (die in dieser Weise ausgestattet sind)? Ebenso haben Vieh, Vögel, Tiere und andere Lebewesen Kenntnis (von den Dingen der Sinne).
37. Das Wissen, das die Vögel und Tiere haben, besitzen auch die Menschen. Und das, was die Menschen haben, besitzen jene auch; sie sind beide einander gleichwertig.
38. Schaut auf diese Vögel: obwohl sie wissen, dass sie selbst von Hunger geplagt werden, sind sie dennoch beflissen, die hungrigen Schnäbel ihrer Jungen mit Nahrung zu füllen.
39. Menschliche Wesen sind, oh Tiger unter den Menschen, ihren Kindern in der Erwartung verbunden, einst Dank für ihre Hilfe zu bekommen. Seht ihr das nicht?
40. So sind die Menschen gerade deshalb in den Strudel des Egoismus, dieser Falle der Verblendung, verwoben durch die Macht der Mahāmāyā (der Großen Illusion), die die Existenz dieser Welt erst ermöglicht.
41. Wundert euch nicht darüber. Diese Mahāmāyā ist die Yoganidrā Vişņus, des Herrn der Welt. Es kommt von ihr, dass diese Welt getäuscht wird.
42. Wahrlich: sie, die Bhagāvatī, die Mahāmāyā berückt mit Macht die Sinne, selbst die des Weisen und zwingt sie in Verblendung.
43. Sie erschafft dieses ganze dreifache Universum(2), bewegt es und bewegt es nicht. Es ist sie, wenn sie gnädig ist, die zur Segensspenderin für die Menschenwesen wird, damit sie endlich Befreiung erlangen.
44. Sie ist das Höchste Wissen, der Grund für endgültige Befreiung, aber auch der Grund für die Bindung an weltliche Existenz und die Herrscherin über alle Herrscher.“

Der König sprach:
45. „Ehrwürdiger Herr, wer ist diese Göttin, die du Mahāmāyā nennst? Wie wurde sie zur Wesenheit, und was ist ihre Wirkstätte, oh Brahmāna?
46. Was macht ihre Natur aus? Was ist ihre Form? Wo liegt ihr Ursprung? All dies wünsche ich von Euch zu hören, du Höchster unter den Kennern Brahmāns.“

Der Seher sprach:
47. „Sie ist ewiglich, vereint mit dem Universum. Von ihr ist alles Sein erfüllt und durchdrungen. Nichtsdestoweniger inkarniert sie sich in mannigfaltiger Art und Weise; höre davon durch mich.
48. Als sie sich selbst manifestierte, um die Vorhaben der Götter zu vollenden, musste sie in die Welt hineingeboren werden, obwohl sie ewiglich ist.
49. Am Ende eines Kalpas, als das Universum ein Ozean war durch die Wasser der Sündflut, als der verehrungswürdige Herr Vişņu sich auf Śeşa ausdehnte und in den mystischen Schlummer fiel, gelang es den schrecklichen Asuras [Dämonen], bekannt als Madhu und Kaiţabha, in der Welt Gestalt anzunehmen.
50. Aus dem Schmutz von Vişņus Ohren stiegen sie in die Welt, danach trachtend, Brahmā, den Vater aller Wesen, zu töten.
51. Da sah Brahmā Prajāpatī, der in einem Lotus sitzt, welcher aus Vişņus Nabel entspringt, diese grimmigen Dämonen und zugleich Janārdhana schlafend;
52. so konzentrierte er sich darauf, Hari aufzuwecken und zugleich durch die Kraft seiner Gedanken Yoganidrā zu preisen, die in Vişņus Augen wohnt.
53. Der glänzende Herr Brahmā erhob die unvergleichliche Göttin Vişņus, Yoganidrā, die Königin des Kosmos, die Helferin der Welten, die Ursache des Weltenlaufs und Zerstörung [des Universums] zugleich.

Brahmā sprach:
54. „Du bist Svāhā und Svadhā. Du bist wahrhaft die Vasatkara und die Verkörperung von Svara. Du bist der Nektar der Götter. Oh ewige und unvergängliche Eine, Du bist die Verkörperung des dreifältigen Mantras(3).
55. Du bist zur Hälfte Mātrā, obwohl ewiglich. Du bist wahrlich Diejenige, die nicht völlig ausgesprochen werden kann. Du bist Sāvitrī und die höchste Mutter der Götter. Aus Dir ist dieses Universum geboren, aus Dir wurde die Welt erschaffen.
56. Durch Dich wird sie beschützt, oh Göttin, und von Dir wird sie am Ende [jedes Zeitenlaufs] verschlungen.
57. Oh Du, die Du immer die Form der ganzen Welt bist, zur Zeit der Schöpfung bist Du die Form der Kreativität, zur Zeit des Weltenlaufs bist Du die beschützende Macht, und zur Zeit der Zerstörung bist Du die Form der zerstörerischen Macht.
58. Du bist das höchste Wissen (mahāvidyā) sowie die große Illusion (mahāmāyā), die große Einsicht (mahāmedhā) und Anschauung, und die große Verblendung, die Große Göttin (Mahādevī) und die große Dämonin (Mahāsurī).
59. Die bist die uranfängliche Ursache (prakrti) von Allem, Du bringst Kraft in die drei Tugenden. Du bist die dunkle Nacht der zyklischen Zerstörung. Du bist die große Nacht der letzten Zerstörung, und die schreckliche Nacht der Verblendung.
60. Du bist Śrī, die Königin, die Göttin des guten Glücks, charakterisiert durch Wissen. Du bist Bescheidenheit, Intelligenz, Schüchternheit, Ernährung, Genügsamkeit, Gelassenheit und Nachsicht.
61. Fürchterlich mit Schwert und Speer, auch mit Keule, Diskus, mit Muschelhorn, Bogen, Pfeilen, Schlingen und Eisenhammer als Waffen
62. bist Du [zur selben Zeit] angenehm, ja angenehmer als alle angenehmen Dinge und überaus wunderschön.
Du bist tatsächlich die höchste Īśvarī, über den Hohen und Niederen.
63. Und was immer oder wo immer ein Ding existiert, tatsächlich oder imaginär, alle Macht, die es besitzt, ist von Dir.
Oh Du, die Du die Seele von Allem bist, wie kann ich Dich preisen?
64. Durch Dich ist selbst der, der die Welt erschafft, beschützt und vernichtet (Vişņu), in Schlaf versetzt. Wer ist fähig, Dich zu loben? Wer ist fähig, Dich zu preisen, die du uns alle gemacht hast -
65. Vişņu, Śiva und mich selbst - auch unsere verkörperten Gestalten. Wer hat die Fähigkeit, Dich zu preisen?
66. Oh Göttin, die Du in dieser Weise gelobt bist, behexe diese zwei unangreifbaren Dämonen Madhu und Kaithaba mit deinen überragenden Mächten.
67. Lasse Vişņu, den Herrn der Welt, vom Schlafe schnell aufwachen und erwecke seine Alarmbereitschaft, um diese zwei großen Dämonen zu töten.“

Der Seher sprach:
68. „Da quoll die Göttin der Finsternis (tāmasī), die gelobt ist von Brahmā, dem Schöpfer, um Vişņu aufzuerwecken, hervor aus seinen Augen, Mund, Nasenlöchern, Armen, Herz und Brust.
69. Vor Brahmā erschien sie in unergründlicher Geburt, damit die Vernichtung von Madhu und Kaiţabha erfolgen könne.
70. Vişņu, der Herr des Universums, zollte ihr seinen Respekt, indem er von seinem Sitz auf dem unendlichen Ozean aufstand. Dann sah er die beiden bösen Dämonen,
71. Madhu und Kaiţabha, überaus mächtig und stark, mit zornesroten Augen, wie sie danach trachteten, Brahmā zu verschlingen.
72. Daher stand der weise und gepriesene Vişņu auf und kämpfte mit den Dämonen 5.000 Jahre lang, seine eigenen Arme als Waffen benutzend.
73. Und die Asuras, wahnsinnig geworden durch ihre übergroße Macht, und verwirrt gemacht durch Mahāmāyā, riefen Vişņu zu:
‚Erbitte dir einen Segen von uns.’“

Bhagavān Vişņu sprach:
74. „Wenn ihr zufrieden mit mir seid, müsst ihr euch beide von mir töten lassen. Welchen Nutzen hätte jeder andere Segen hier? Eine andere Wahl habt ihr nicht.“

Der Seher sprach:
75. Die beiden Dämonen, behext (von Mahāmāyā), denkend ‚Wir sind betrogen’ starrten dann auf die ganze Welt, die sich in Wasser verwandelt hatte. In ihrer Verwirrung sprachen sie:
76. „Wir haben uns an dieser Schlacht mit dir erfreut; wir sind stolz, von deiner Hand zu sterben. Töte uns an einem Ort, wo die Welt nicht mit Wasser überflutet ist.“

Der Seher sprach:
77: „Mit den Worten ‚So sei es!’ nahm Bhagavān (Vişņu), der große Schwinger von Keule und Eisenhammer, sie auf seine Lenden und trennte ihnen die Köpfe ab mit seinem Diskus.
78. So wurde sie (Mahāmāyā) geboren, von Brahmā selbst gepriesen. Nun hört noch einmal von dem Ruhm dieser Göttin. Ich erzähle euch davon.“

Hier endet das erste Kapitel des Devī-Māhātmya, genannt „Die Tötung Madhus und Kaiţabhas“, aus dem Buch des Mārkaņdeya Purāņa, aus der Zeit von Sāvarņi, dem Manu.

Gebet zu Mahākālī

Ich nehme Zuflucht zu Mahākālī, die zehn Gesichter und zehn Arme hat, und in ihren Händen Schwert, Schild, Pfeil, Bogen, Speer, Keule und Menschenköpfe trägt; die dreiäugig ist, verziert mit Ornamenten auf ihren Gliedern, leuchtend wie ein blauer Edelstein, und die Brahmā pries, als er sie beauftragte, Madhu und Kaiţabha zu töten, während Vişņu in mystischem Schlaf lag.


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(1) Der Varna-Kastentheorie zufolge gelten die Mitglieder der obersten drei Kasten als „Doppeltgeborene“, da sie zusätzlich zu ihrer biologischen Geburt Zugang zu den Veda haben, was als eine zweite, einweihungshafte Geburt verstanden wird.
(2) Gemeint sind: Himmel, Atmosphäre und Erde; auch: Himmel, Erde und niedere Regionen.
(3) D.h. der klassischen Hindu-Triade Brahmā, Vişņu, Śiva.