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97. Das herrschende Wesen der Welt

Die ganze Welt sucht nach dem herrschenden Wesen, aber das ist schwer zu finden. Das herrschende Wesen der Welt ist das eingebildete Selbst. (Und dieses eingebildete Selbst existiert durch den Gedanken: „Ich bin Max!“ Das ist die illusionäre Überzeugung des eingebildeten Selbst, und damit ist das Selbst nicht an seinem wahren Platz.) So offenbaren wir heute auf natürliche Weise das herrschende Wesen dieser Welt.

Du bist das reine Selbst. Und wer ist die Person, die alle deine Taten geistig trägt? All das geschieht durch das eingebildete Selbst. Und dieses eingebildete Selbst ist die Wirkung des angesammelten Karmas vergangenen Lebens. Es ist das Ergebnis der Überzeugungen und Ansichten, die du persönlich aufgebaut und angesammelt hast. Wie konnte dies geschehen? Die Ansichten von „Ich bin Max, das ist mein persönlicher Körper, das sind meine Gedanken, und all das habe ich getan...“ sind alles Einbildungen, und diese werden zum eingebildeten Selbst, das mit der Geburt in den Körper kommt. Man kann es auch als überlagertes oder oberflächliches Selbst bezeichnen. Es überlagert das Selbst mit allen möglichen Einbildungen. Und solange dieser illusorische Glaube der persönlichen Identität (von "Ich bin Max!“) herrscht, wird während der Auflösung des Körpers auf geistige Weise ein neues, eingebildetes Selbst geschaffen. Wie lässt sich das verstehen, dass ein neues, eingebildetes Selbst geschaffen wird? Was bedeutet das?

Vom eingebildeten Selbst sprechen wir, wenn „Ich“ und „Mein“ (in einer Person) zusammenkommen. Denn ohne „Ich“ und „Mein“ gäbe es keine vergängliche Welt. „Das bin ich, und das ist mein!“ ist eine vergängliche Beziehung. Diese Anhaftung am Vergänglichen entsteht aus dem eingebildeten Selbst, während das reine Selbst unvergänglich und frei von jeder Anhaftung ist. Das eingebildete Selbst ist der Täter aller Dinge, während das reine Selbst vollkommen untätig ist. Bewegung ist eine Eigenschaft des Nicht-Selbst und nicht des reinen Selbst. Das reine Selbst schläft weder in der Nacht noch am Tag. Was schläft, ist das Nicht-Selbst. Denn wer tätig ist, braucht Erholung. Das reine Selbst ist untätig. Wozu bräuchte es Erholung? Wer ist es, der Erholung sucht? Es ist das eingebildete Selbst, das jede Tätigkeit trägt. Und wer erkennt, ob man gut geschlafen hat oder nicht? Wer erkennt jede Tätigkeit? Das ist das reine Selbst, der alleserkennende Seher, der sich in die Taten des eingebildeten Selbst nicht einmischt. Jegliche Einmischung geschieht durch das eingebildete Selbst. Was das eingebildete Selbst erkennt, nennt man die erkennbaren Objekte, und der wahrhaft Erkennende, der auch das eingebildete Selbst erkennt, das ist das reine Selbst.

Warum mischt sich das eingebildete Selbst ein? Es mischt sich ein, weil es die Anhaftung am weltlichen Leben hegt. Das reine Selbst ist frei von jeder Anhaftung. Es ist der alleserkennende Seher und der Hort ewiger Glückseligkeit. Das reine Selbst ist selbstleuchtend, und in diesem Licht erscheint auch alles andere, während das eingebildete Selbst kein eigenes Licht hat. Deshalb kann das reine Selbst das eingebildete Selbst sehen und erkennen. Und deshalb ist das eingebildete Selbst ein erkennbares Objekt, und das reine Selbst ist das Erkennende. Damit ist die Beziehung zwischen dem reinen und eingebildeten Selbst wie zwischen dem Erkennenden und dem Erkennbaren (wie zwischen Subjekt und Objekt).

Eine unwissende Person mag fragen, wer das ganze Leiden erträgt? Ach, das ganze Leiden ist nur für dich. Bist du nicht das reine Selbst? Ja, du bist das reine Selbst, aber in Form des eingebildeten Selbst. Du hast das wahre Selbst nicht erkannt, das ursprüngliche und reine Selbst. Wie könntest du dann wissen, dass du das reine Selbst bist? Ja, wenn du das reine Selbst erkennen und beständig darin sein könntest, dann wärst du das reine Selbst. Aber solange du Max bist und diesen Körper dein nennst, bist du das eingebildete Selbst. Du bildest dir dein Ego mit all der Anhaftung ein, und deshalb bist du das eingebildete Selbst.

Stell dir vor, einige Japaner haben ein Schwungradauto entwickelt, dessen Schwung für 5km reichen soll. Dann steigen vier Fahrer ein und fahren los, um festzustellen, wie weit sie wirklich kommen. Doch nach einem halben Kilometer treffen sie unterwegs einen guten Freund, der sie bittet, anzuhalten. Aber sie können nicht anhalten, weil sie ihren Schwung nutzen und 5km fahren wollen.

Fragender: Warum kehren sie nicht nach einer Weile um und fahren zum Freund zurück?

Dadaji: Das ist eine Frage ihres Zieles. Der Freund bittet sie anzuhalten, aber sie wollen umherfahren und können nicht anhalten. So funktioniert diese Welt! (Das Auto ist der Körper, der Schwung ist das Karma, das eingebildete Selbst lädt den Schwung auf, Sinnesbewusstsein, Denken, Intellekt und Ego sind die vier Fahrer, und der gute Freund ist der Erleuchtungsgeist.) Der Motor ihres Autos war wunschgemäß in Schwung gebracht, und soweit wollten die Fahrer auch fahren.

So hast auch du deine Einbildung aufgeladen, und während der Entladung in der Natur bist du gebunden. Dann ist es dein eingebildetes Selbst, das durch die fünf Sinne die Erfahrungen wahrnimmt, durch Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Fühlen. Und das reine Selbst ist es, das sieht und erkennt, was das eingebildete Selbst wahrnimmt. Die Wahrnehmung durch die Sinne ist das Wissen des eingebildeten Selbst, und das Sehen ohne die Sinne ist die Erkenntnis des reinen Selbst. Entsprechend ist das eingebildete Wissen indirekt und begrenzt, und die reine Erkenntnis direkt und grenzenlos.

Die vom eingebildeten Selbst aufgeladene Energie entlädt sich in deinem Leben innerhalb der Natur. Am Ende (zur Befreiung) trennen sich das eingebildete und das reine Selbst. Und obwohl das reine Selbst völlig formlos ist, trägt es auch in der vollkommenen Befreiung den Körper, der im wahren Wesen ebenfalls formlos ist. Alle Taten des Gebens und Nehmens in der Welt, ob grobstofflich oder feinstofflich, gehören dem eingebildeten Selbst. Denn in Wahrheit kann niemand etwas geben oder nehmen. All dieses Geben und Nehmen in der Welt geschieht nur durch die Einbildung des eingebildeten Selbst.

Doch wenn du dieses Selbst verletzt, begehst du eine große Sünde. Warum? Weil sich eine Person damit identifiziert und ihr reines Selbst überdeckt. Wenn du zum Beispiel diesen Tisch verbrennst, dann wäre es keine Sünde, solange er niemandem gehört. Doch wenn jemand sein Eigentum darin sieht und glaubt „Der Tisch gehört mir!“, dann begehst du eine Sünde. Die persönliche Anhaftung entsteht während man etwas genießt oder unter etwas leidet. Dabei überlagert man das erkennbare Objekt mit der Einbildung: „Ich bin! Das ist mein! Ich genieße oder erleide dies oder das...“ Das jeweilige Karma ist nichts anderes als angesammelte Anhaftung während des Genießens oder Erleidens, und die Früchte, die man davon erntet, entsprechen der Art der Einbildung. Wenn du dir Glück einbildest, wirst du Glück erfahren, und wenn du dir Leid einbildest, wirst du Leid erfahren. So ist das gegenwärtige Glück oder Leid ein Ergebnis deiner vergangenen Einbildung. Das reine Selbst war nie der Genießer, der Leidende oder der Täter von irgendetwas und wird es auch nie sein. Ein Genießer oder Leidender zu sein, ist ein Ausdruck von Anhaftung, und diese Anhaftung steht im Widerspruch zum reinen Selbst. Was als Genießer oder Leidender erscheint, ist nur das eingebildete Selbst, das alle Erfahrungen und Tätigkeiten der Sinne trägt. Dagegen beziehen sich die Aktivitäten des reinen Selbst allein auf die reine Erkenntnis. Das reine Selbst hat unendliche Macht als auch grenzenlose Erkenntnis, grenzenlose Sicht und so weiter. Doch das kann man nur verstehen, wenn man es verwirklicht hat. Erst dann sieht man klar, dass man als reines Selbst nicht der Handelnde ist. Bis du diese Selbsterkenntnis erreicht hast und zum reinen Selbst geworden bist, lebst du als eingebildetes Selbst. Aus diesem Grund siehst du dich als Handelnden sowie als Genießer oder Leidenden. In diesem Zustand handelst du, erzeugst neue Einbildung und nährst das eingebildete Selbst, und damit dreht sich das Rad des Lebens im Kreis.

Nur das reine Selbst ist der alleserkennende Seher. Das eingebildete Selbst ist es, das die Vielfalt der Dinge hervorbringt, und deshalb schauen sich die Leute gern ihr Gesicht im Spiegel an, sonst gäbe es keinen Grund dafür. Diese ganze Schöpfung ist aus dem eingebildeten Selbst entstanden, und solange es glaubt „Ich bin der Handelnde!“, erzeugt es neue Einbildung (und sät karmische Samen). So gestaltet sich jeder Mensch sein zukünftiges Leben. Welche Einbildung du hegst, dazu wirst du werden. Wie du säst, so wirst du ernten. Wie deine Einbildung ist, so wird deine Gestaltung. Deine Einbildung ist dein eingebildetes Selbst, und das ist das karmisch handelnde (relative) Selbst in allen weltlichen Taten.

Die ganze Welt ist auf der Suche nach der vollkommenen Wahrheit. Diese ewige Wahrheit ist das reine Selbst, das jegliches Licht gibt und auch in dir scheint. Aber noch niemand hat dieses reine Selbst in der Welt (als Objekt) gefunden. Was die Leute teilweise gefunden haben, ist das relative Selbst, und das relative Selbst ist das eingebildete Selbst. Und seine einzige große Kraft ist der Geist tiefgründig verborgener Wünsche. Sogar die Wesen, die sich in der Natur noch nicht verkörpert haben, existieren bereits als eingebildetes Selbst. Sie haben noch keine Namen und keine Formen. Erst wenn sie sich verkörpern, bekommen sie Name und Form und beginnen ihre natürliche Entwicklung.

Das eingebildete Selbst ist der Eigentümer des geistigen Organismus, aber es lässt sich davon unterscheiden, so dass man Sinnesbewusstsein, Denken, Intellekt und Ego getrennt erkennen kann. Wenn das Denken eine Idee hat, irgendetwas zu tun, und das eingebildete Selbst dagegen ist, wird nichts geschehen. Denn das eingebildete Selbst ist der Geist verborgener Wünsche, während das reine Selbst der alleserkennende Seher ist. Die Begierde, die aus den Wünschen entsteht, treibt das eingebildete Selbst zum Handeln. Und das reine Selbst schaut zu, wie sich das eingebildete Selbst darin verliert oder auch nicht. Sogar eine Person ohne Selbsterkenntnis kann mit Hilfe von Yoga durch das Unterscheiden des eingebildeten Selbst von den geistigen Organen besondere Fähigkeiten erreichen.

Mit der Selbstverwirklichung hört deine Einbildung auf, und es spricht kein persönliches Ego mehr aus dir, aber dein Leben in der Welt geht weiter wegen deines angesammelten Karmas. Das ist wahrlich ein großes Wunder, wenn sich kein neues Karma mehr ansammelt. Auch wenn die Einbildung nur für dieses einzige Leben aufhören würde, hätte man bereits gewonnen und das große Werk vollbracht. Was ist der Unterschied zwischen einer gewöhnlichen Person und einem Selbstverwirklichten? Das ‚Ich‘ eines Selbstverwirklichten bezieht sich allein auf das reine Selbst, während das ‚Ich‘ einer gewöhnlichen Person nur das eingebildete Selbst meint. Der Selbstverwirklichte durchschaut mit dem reinen Selbst alle Dinge und sogar das eingebildete Selbst wie etwas Fremdes, während eine gewöhnliche Person die fremden Dinge mit dem eingebildeten Selbst anschaut (persönliche Anhaftung hegt und Karma ansammelt).

Fragender: Gehört das wache Bewusstsein, das im weltlichen Handeln benutzt wird, zum reinen Selbst?

Dadaji: Nein, dieses Bewusstsein gehört zum eingebildeten Selbst. Denn vom reinen Selbst kann nichts vergehen. Das reine Selbst ist wie ein Ladegerät, das Batterien aufladen, aber selbst nie leer werden kann. Egal, welche Geburt die Lebewesen nehmen und welche Taten sie vollbringen, das reine Gold (das reine Selbst) in ihnen bleibt bestehen, nur die mühevollen Gestaltungen vergehen. Schau dir diesen Büffel an. Seine Gestaltung wird vergehen, doch selbst wenn er unzählige Leben in der Hölle verbracht hat, das ‚Gold‘ in ihm bleibt unberührt und 100% rein. Jede Schöpfung und Auflösung geschieht nur durch das eingebildete Selbst. So gehört das Aufladen und Entladen, das Entstehen und Vergehen, zum halbwachen Bewusstsein und nicht zum reinen Selbst.

Sogar die Einbildung bezüglich eines Idols aus Stein kann den Leuten über lange Zeit nützlich sein. Oder nicht? So mächtig ist die Einbildung! Sie kann sogar Metall zum Fliegen bringen. All diese Erfindungen der Wissenschaft gehören zum eingebildeten Selbst. Wenn schon dieses eingebildete Selbst so viel Macht hat, was soll man da vom reinen Selbst sagen? Das Selbst hat so unendliche Macht, dass es durch Einbildung sogar eine Wand zum Sprechen bringen kann.

Das eingebildete Selbst ist immer noch so rein, dass es keine Gedanken hat. Die Gedanken entstehen erst aus dem Denken, wenn irgendein angesammelter Knoten sprießt. Seien es Gedanken über Dharma (tugendhaftes Leben) oder über Diebstahl, sie alle entstehen aus den Knoten des Denkens. Wenn das eingebildete Selbst denken könnte, gäbe es keinen Intellekt, und alles wäre (so exakt) wie ein Computer. Wenn das eingebildete Selbst die Funktionen des inneren geistigen Organismus übernehmen könnte, dann würden diese exakt den äußeren Taten entsprechen. Wer also lernt, die Funktionen des geistigen Organismus zu beobachten, wird auch die äußeren Taten vorhersehen können. Aber man muss wissen, wie man Denken, Sinnesbewusstsein, Intellekt und Ego beobachten kann. Sie sind Teile des eingebildeten Selbst, und man kann erkennen, wie sie aus dem eingebildeten Selbst entstehen und wie alles, was der geistige Organismus im Inneren aufzeigt, sich im Äußeren verwirklichen kann. Auch dein Gehirn gehört zum geistigen Organismus, aber es ist grobstofflich, während der geistige Organismus feinstofflich ist. Auf diese Weise geschehen alle Aktivitäten des geistigen Organismus aufgrund des eingebildeten Selbst. Wenn du also deine Einbildung auf ein bildhaftes Idol richtest, wirst du auch einen bildhaften Gott verwirklichen, und wenn du sie auf das Formlose richtest, findest du den formlosen Gott.

98. Das unbewusste Bewusstsein

Was die Welt ‚waches Bewusstsein‘ nennt, nennen wir ‚unbewusstes Bewusstsein‘, weil es zwar wie waches Bewusstsein erscheint, aber nicht die wesentlichen Eigenschaften eines wachen Bewusstseins hat. Wie kann es dann waches Bewusstsein heißen? Es ist wie poliertes Messing, das wie Gold aussieht. Aber wenn du es einem erfahrenen Goldschmied zeigst, dann kann er dir genau sagen, was es ist. Er wird untersuchen, ob es die wesentlichen Eigenschaften von Gold besitzt. Und wenn diese fehlen, dann ist es kein Gold, es erscheint nur so. Ähnlich ist es mit dem wachen Bewusstsein. Wenn die wesentlichen Eigenschaften fehlen, wie kann es ‚waches Bewusstsein‘ heißen? Wir nennen es unbewusstes Bewusstsein. Auch wenn Messing wie Gold aussieht, wenn es korrodiert, dann zeigt es sein wahres Wesen, wie auch das Gold sein wahres Wesen zeigt.

Der Körper ist unbewusstes Bewusstsein, während wir selbst erwachtes und reines Bewusstsein sind. Alle Einbildungen deiner Vergangenheit sind das eingebildete Selbst, und das ist unbewusstes Bewusstsein. Völlig erwachtes Bewusstsein ist gut, und das unerwachte Bewusstsein ist auch gut, aber das unbewusste Bewusstsein (halbwach und halbträumend) ist gefährlich, weil es wie waches Bewusstsein erscheint. Der Herr sprach: „Du magst in einen Teich springen und Wellen schlagen, aber nicht mit halbwachem Bewusstsein!“ Das natürliche Verhalten mit halbwachem Bewusstsein ist kein Problem, aber man sollte darin nicht versinken. Davor warnen wir die Leute, wenn sie sich zu sehr darin verlieren und auf Abwege kommen. Es gibt auch kein Problem, solange es um unerwachtes Bewusstsein geht, wie zum Beispiel diese Zigarette hier. Dagegen sagen wir nichts. Solange dein karmisches Konto für diese leblosen Dinge nicht erloschen ist, werden sie natürlich ihr Recht fordern und deinen Geist verwirren (und dich z.B. zum Rauchen verleiten). Dann warnen wir dich vor halbwachem Bewusstsein und sagen: „Oh Mensch, sei achtsam und halte dich zurück, auch mit Hilfe deines Egos! Sei achtsam, sonst ruinierst du dein zukünftiges Leben!“

Hat ein Kinofilm etwas dagegen, dass du ihn genießt? Nein, weil so ein Film ohne waches Bewusstsein ist. Aber ein halbwaches Bewusstsein kann sich über alles beklagen, weil es keinen inneren Frieden hat. Es schafft schreckliche Unruhe, und deswegen wirkt es gegen dich. Wäre innerlicher Frieden, dann gäbe es auch keine Probleme. Sobald sich im halbwachen Bewusstsein ein negativer Gedanke erhebt, sollte er sogleich durch Achtsamkeit (bzw. Meditation) aufgelöst werden. Ansonsten sinkst du immer tiefer ins Bewusstlose. Und so verhindert das halbwache Bewusstsein nicht nur den Weg zur Befreiung, sondern auch ein glückliches Leben.

Weder ein Kinofilm noch gutes Essen verursachen irgendein Problem. Die Probleme entstehen nur aus dem halbwachen Bewusstsein. Das Essen kann nicht beleidigen, aber das halbwache Bewusstsein kann sich überall beleidigt fühlen. Diese ganze Welt (mit ihren Problemen) entsteht aus dem halbwachen Bewusstsein. Es ist wie ein ‚schwarzes Loch‘. Welche Probleme gäbe es ohne das halbwache Bewusstsein? Deshalb solltest du das sichere Ufer erreichen, damit du mit freiem Geist verweilen kannst. Wenn dann der Geist nach Eiscreme verlangt, dann gib ihm etwas, so dass er dich zufrieden lässt. Aber das halbwache Bewusstsein wird dir das nicht erlauben. Es stichelt und murrt sogar hier während der Belehrung.

Dein Wesen hat zwei Ebenen, das unbewusste Bewusstsein und das reine erwachte Bewusstsein. Aber du betrachtest fälschlicherweise dein unbewusstes Bewusstsein als erwachtes. Diese beiden Ebenen sind überlagert, aber nicht vereint. Wären sie vereint, dann würden sie ihre jeweiligen Eigenschaften verlieren (und wären ununterscheidbar).

Das unbewusste Bewusstsein ist ähnlich mechanisch wie der äußere Körper. Man muss verschiedene ‚Hebel‘ betätigen, um diese grobstoffliche Maschine zu bewegen, während die innere feinstoffliche Maschine bereits in vergangenem Leben in Bewegung gebracht wurde und nun automatisch läuft. Du musst nur Nahrung nachtanken, aber brauchst die innere Maschine nicht in Bewegung zu setzen. So läuft sie völlig automatisch. Doch sobald du daran Anteil nimmst und behauptest „Ich handle!“, sammelst du Karma an und säst die Samen für das zukünftige Leben.

Die ganze Welt verwechselt das unbewusste Bewusstsein mit dem erwachten Bewusstsein und glaubt, dass das Selbst in allen Taten der persönlich Handelnde ist. Aber das wahre Selbst kann in keine Handlung verstrickt sein, und im wahren Selbst kann es keine persönliche Handlung geben. Aber wie lässt sich diese Wahrheit erkennen? Denn das unbewusste Bewusstsein, das vermeintlich die ganze Welt in Bewegung hält, und das, was die Welt in Bewegung gebracht hat, sind völlig anders als das erwachte Bewusstsein. Sie entstehen aus abgeleiteten Eigenschaften, das heißt, aus der Illusion des halbwachen Bewusstseins.

99. Das Menschenrecht der Befreiung

Darwin hat die Evolutionstheorie erklärt, doch leider nicht vollständig. Sie geht nur in eine Richtung, und er wusste wohl nicht, dass es nach dem menschlichen Leben auch wieder eine Abwärtsentwicklung in niedere Lebensformen geben kann. Deshalb konnte er der Welt nicht die vollständige Evolutionstheorie geben.

Es gibt (wegen dieser besonderen Möglichkeit der Auf- und Abwärtsentwicklung) keine bessere Lebensform als die menschliche, um die Befreiung zu erreichen. Der Mensch hat sozusagen ein Sonderrecht auf die Befreiung. Wer ein menschliches Leben erhält und mit den Mitteln und Umständen zur Befreiung gesegnet wird, kann dieses Rätsel des Lebens lösen. Aber gegenwärtig sind die Menschen vor allem im unbewussten Bewusstsein gefangen und leben wie in Schwung gebrachte Kreisel. Was die Leute gewöhnlich als ursächlichen und wirksamen Geist (Aufladung und Entladung) begreifen, ist in Wirklichkeit nur die Maschine des unbewussten Bewusstseins, während der erleuchtete Geist das reine Selbst aufzeigt. Alles andere ist nur eine Maschinerie, die automatisch abläuft. Es ist eine Maschine, die alles bewegt, aber der Mensch mischt sich ein und glaubt: „Ich bewege es!“ Dieser Glaube ist nichts anderes als Egoismus. Das Denken entsteht aus den angesammelten Knoten, und wenn diese sprießen, manifestieren sich die entsprechenden Wirkungen (wie die Ast-Knoten der Bäume, aus denen die neuen Triebe sprießen). Und wenn sich ein halbwaches Bewusstsein in diese Wirkungen verstrickt, dann gibt es Verwirrungen und Sorgen. Auch wenn du die Gegensätze loslassen willst, es wird nicht funktionieren. Du musst das halbwache Bewusstsein loslassen, erst dann wird es keine Probleme mehr geben. Die gewöhnlichen Ärzte können diesen geistigen Organismus nicht sehen, aber ein Erleuchteter kann es. Und wir sagen: Der geistige Organismus ist völlig mechanisch, und das gewöhnliche Bewusstsein ist nur unbewusstes Bewusstsein.

Das unbewusste Bewusstsein ist voller Gegensätze. Man kann es ‚lebendig‘ nennen, aber erwachtes Bewusstsein ist es nicht. Unsere großen Seelen (die Mahatmas) haben das reine Bewusstsein erreicht. Unsere Körper sind unbewusstes Bewusstsein, und wir selbst sind reines Bewusstsein. Solange du das reine Bewusstsein nicht erreicht hast, bist du unbewusstes Bewusstsein, ob du dich Asket, Yogi oder Bettelmönch nennst. Denn Menschen, Tiere, Pflanzen und alle anderen Wesen auf der Erde, in der Hölle oder im Himmel sind unbewusstes Bewusstsein und leben deshalb wie rotierende Kreisel, die mit dem Schwung des Karmas aufgeladen wurden. Solange du nicht das reine Selbst verwirklicht und den Erleuchtungsgeist gefunden hast, der dich zur Selbsterkenntnis führt, lebst du wie ein Spielzeugkreisel mit unbewusstem Bewusstsein.

Wir selbst sind die Eigentümer des Universums ohne irgendein Eigentum zu besitzen, denn wir sind reines Bewusstsein in verkörperter Form. Alle Ereignisse und Umstände, die kommen und gehen, sind unbewusstes Bewusstsein, und wir selbst sind reines Bewusstsein. Wir sind die erkennenden Seher aller Ereignisse und Umstände und betrachten sie mit Gelassenheit und dem Auge der Einheit. Auch du solltest nur beobachten, wie sich alle Probleme auflösen. Denn sobald du dich darin verstrickst, verlierst du die Glückseligkeit und wirst vom Leiden ergriffen. Das unbewusste Bewusstsein wird von natürlichen Kräften (dem Mechanismus der Welt) regiert, und so entstehen innere und äußere Unruhe, Sorgen, Ängste, Stress und Qualen. In der Gegenwart des reinen Bewusstseins gibt es nur Seligkeit und Stille. Sorgen und Ängste erscheinen im unbewussten Bewusstsein, weil man sich damit identifiziert, und so entstehen alle Probleme. Wahrlich, all das geistige und körperliche Leiden wird nur vom unbewussten Bewusstsein erlitten. Aus der Perspektive der Selbsterkenntnis gibt es kein erwachtes Bewusstsein außerhalb des reinen Selbst. Alle Wesen, welche Form sie auch tragen, sind unbewusstes Bewusstsein.

Im Begriff ‚unbewusstes Bewusstsein‘ ist ‚unbewusst‘ ein Adjektiv, das dem Bewusstsein eine ‚Eigenschaft‘ gibt. Deswegen sagst du in Unwissenheit: „Ich bin Max!“ Das wahre ‚Ich‘ ist das reine Selbst, aber du bildest dir ein, etwas zu sein, was du nicht bist. Diese ‚Eigenschaft‘ (die etwas Eigenes schafft) lässt fortlaufend das unbewusste Bewusstsein entstehen, bis diese Illusion irgendwann zerbrochen wird und verschwindet. Erst wenn du erkennst „Ich bin reines Selbst.“, kannst du nicht mehr ins unbewusste Bewusstsein zurückfallen. Nur durch diese Selbsterkenntnis kannst du das reine Bewusstsein erreichen, vom unbewussten Bewusstsein deiner geplagten Person befreit werden und kein neues Karma mehr ansammeln. Andernfalls wird deine Person mit jedem ausgewirkten Karma sogleich neues Karma verursachen und das unbewusste Bewusstsein stärken.

100. Wünsche und Begierden

Die Begierde ist ein lebendiges Feuer. Solange sie Nahrung findet, brennt sie in dir. Was sagt Gott? Begierde ist das größte karmische Hindernis. Die einzige Begierde, die dich karmisch nicht behindert, ist der Wunsch nach dem Erleuchtungsgeist auf dem Weg zur Befreiung. Alle anderen Begierden werden dich mit der Zeit verbrennen, denn ihr Wesen ist das Feuer. Überall suchen die Leute nach Wasser, um dieses Feuer zu löschen, aber anstatt Wasser gießen sie Benzin hinein. Noch bevor eine Begierde erfüllt werden konnte, entsteht schon der nächste Wunsch. Und so erhebt sich ein Wunsch nach dem anderen in endloser Folge.

Das Gesetz der Natur sagt, dass sich jeder Wunsch irgendwann erfüllen wird. Aber durch sorgenvolle Gedanken kann man es nicht erzwingen, im Gegenteil, es wird immer komplizierter. Die ständig neuen Wünsche, die erfüllt werden wollen, werden dich unaufhörlich plagen. Warum wünschst du dir nicht alles? Nein, das weltliche Leben ist auf bestimmte Interessen gerichtet. Was dir gefällt, das willst du haben. Wonach sehnst du dich? Es sind die Begierden, die durch persönliche Ausrichtung des Intellekts aus vergangenem Leben mitgebracht wurden. Doch auf diese Weise kannst du nur das Glück genießen, das du als verdienstvolles Karma angesammelt hast.

Du magst die Klingen der Welt zweischneidig (d.h. gegensätzlich) benutzen, aber die Klinge des ‚reinen Selbst‘ bitte nur einseitig. Was würde geschehen, wenn du „Ich bin unreines Selbst“ anstatt „Ich bin reines Selbst“ verwendest? Der ganze Sinn würde zerstört. Das reine Selbst hat keine Wünsche. Nur eine Zwischenform des Selbst ist es, die sich den vollkommenen Zustand des reinen Selbst wünscht. Wenn diese Vollkommenheit erreicht ist, bleiben keine Wünsche mehr übrig, denn die Erlösung ist frei von jeder Anhaftung, und ohne Anhaftung gibt es keine Wünsche. Wir haben unsere Wünsche vollkommen entladen und das reine Selbst erreicht, während unsere großen Seelen (die Mahatmas) noch den Wunsch haben, das Vollkommene zu erreichen.

Fragender: Was ist der Unterschied zwischen Begierden und Wunschträumen?

Dadaji: Die Wunschträume schaffen neues Karma, während die Begierde eine Wirkung von bereits angesammeltem Karma ist. Das eine ist Ursache und das andere ist Wirkung. Was du begehrst oder hasst, beides sind karmische Wirkungen aus deinem vergangenen Leben. Und wenn deine Begierde in Verbindung mit deinem karmischen Verdienst wirksam wird, dann werden sich deine Wünsche erfüllen. Wenn aber diese Verbindung nicht besteht, dann werden dir viele unerwünschte Dinge begegnen. Es ist, als würdest du Zahlen ins Dunkle werfen und danach aus dem Dunklen ziehen. Wenn die Zahlen karmisch verbunden sind, wirst du der Reihe nach 1, 2, 3 usw. bekommen. Doch ohne karmische Verbindung käme nach der 7 vielleicht schon die 57.

Ich traf einst in der Stadt Ratnagiri einen Mann, der erzählte mir: „Alles, was ich unternehme, gelingt mir.“ Ich erklärte ihm, das liegt an der Verbindung mit seinem verdienstvollen Karma, aber diese Verbindung ist vergänglich und kann schnell abbrechen. Wenn das geschieht, möge er sich an mich erinnern. Und so kam es auch. Bald erlitt der Mann so große Verluste in seinem Geschäft, dass er mit seiner Ehefrau sogar einen Selbstmordversuch unternahm. Doch zum Glück überlebten sie und erinnerten sich an meine Worte.

Die Zeit, wenn alles glatt läuft, und die Zeiten des Chaos kommen und gehen. So ist das weltliche Leben! All deine Begierden sind das Ergebnis von angesammeltem Karma, das durch deine Wunschträume entstanden ist. In diesen Träumen werden die Pläne für die Zukunft geschaffen, man verstrickt sich darin und erzeugt die entsprechenden Ursachen. So sind die Wunschträume die Ursachen und die Begierden die Wirkungen, womit sich neues Karma ansammelt. Deshalb sagen die Schriften, die Begierde kommt von selbst, man muss sie nicht mühevoll herbeirufen.

Die untergehende Sonne sieht nicht wesentlich anders aus als die aufgehende Sonne. Deine Begierden sind eine untergehende Sonne. Deshalb sorge dich nicht allzu sehr darum. Ich sage unseren großen Seelen (den Mahatmas), dass ihre Begierde ausgetrocknet ist. Sie wird keine Früchte mehr tragen, und deshalb ist es eine untergehende Begierde. Gewöhnliche Leute haben beides, aufgehende und untergehende Begierden. Ihre Wunschträume sind die Ursachen für die aufgehenden Begierden, und die ausgewirkten Begierden sind die untergehenden.

In unserem heutigen Kali-Zeitalter hegen die Leute ihre Begierden für sehr unbedeutende Dinge, wie für Soßen (um ihre Nahrung schmackhafter zu machen). Sie wollen sich nicht am Großen erfreuen, sondern vergeuden ihr Leben für etwas Soße. Ach, ich habe reiche Geschäftsleute gesehen, die einst viele Tage und Nächte in der Versammlung vor Lord Mahavir saßen, aber ihre Frauen baten, ihnen das Essen in die Versammlungshalle zu bringen. Sie erfreuten sich so sehr am Nektar der göttlichen Worte, dass sie den Ort nicht verlassen wollten. Trotzdem sehe ich sie heute noch in dieser Welt wandern, weil sie so unbedeutende Wünsche wie ein Essen mit Soße hatten.

Bevor irgendein Ereignis stattfindet, sprießt zuerst ein Wunsch dafür. Wer ein Examen bestehen will, muss zuerst den Wunsch dazu haben. Und wenn alle Hindernisse beseitigt wurden, kann sich der Wunsch erfüllen. Du magst einen tiefen Wunsch haben, dein Geld für heilige Belehrungen auszugeben. Aber was kannst du tun, wenn karmische Hindernisse im Weg stehen? Dann wird sich nicht einmal die Möglichkeit anbieten. Wenn jedoch alle Hindernisse verschwunden sind, werden sich die Dinge ganz natürlich nach deinen Wünschen fügen.

Fragender: Was ist der Unterschied zwischen Begierde und einem verborgenen Wunsch?

Dadaji: Ein verborgener Wunsch ist noch keine Begierde. Er ist noch ein harmloser Haufen Baumwolle. Aber wenn du ihn mit einem Streichholz entzündest, entsteht ein gefährliches Feuer. Das gefährliche Feuer ist deine Begierde, und es wird brennen, bis der Brennstoff verbraucht ist. Der Wunsch ist das Entzünden von etwas, und danach wird dieses Feuer als Begierde in dir brennen. Und weißt du, wie es uns geht? Wir besitzen nicht einmal ein Streichholz, um irgendein Feuer zu entfachen, denn wir haben keine Wünsche mehr.

Der aufgehende Wunsch ist die Ansammlung, und die untergehende (ausbrennende) Begierde ist die Auswirkung. Dein Trinken und Essen sind auswirkende Begierden und relativ harmlos. Aber deine aufgehenden Wünsche erzeugen die Anhaftung und binden dich an zukünftiges Leiden.

101. Was sind verborgene Wünsche?

Die reine Seele hat keine verborgenen Wünsche. Solche Wünsche gehören zum eingebildeten Selbst, das sowohl sehend und erkennend als auch unwissend ist. Deshalb sind diese verborgenen Wünsche in einem gewöhnlichen Menschen eine sehr starke geistige Ausrichtung. Wenn zum Beispiel der Wunsch nach Meditation wächst, dann wird es irgendwann geschehen, und danach entsteht ein neuer Wunsch in dieser Sache.

Fragender: Was sind geistige Wünsche und ihre Auswirkungen?

Dadaji: Wenn das eingebildete Selbst einen verborgenen Wunsch hat, beginnen damit die geistigen Ursachen und entsprechend entstehen die geistigen Wirkungen. So lassen sich zwei Prozesse im Geist unterscheiden, das Aufladen und das Entladen. Die geistigen Wünsche sind die Aufladung und die geistigen Auswirkungen die Entladung des eingebildeten Selbst. Die geistigen Wirkungen kann man erkennen, während das Aufladen oft unbewusst geschieht. Wahrlich, wenn man sich des Aufladens stets bewusst wäre, würde man es nicht vermeiden? Dann könnte jeder (von Karma) frei sein. Aber die verborgenen Wünsche sind nicht greifbar. Wären sie greifbar, könnte man sie verhindern. Nur wenige Menschen verstehen, was verborgene Wünsche sind, aber ohne Selbsterkenntnis verwirrt sich die Sache nur. Verborgene Wünsche kann man nur durch Selbsterkenntnis fangen, denn sie sind äußerst subtil. Man kann sie tausendfach als immer subtiler bezeichnen, am Ende sind sie noch subtiler.

Das reine Selbst hat keine verborgenen Wünsche. Etwas Verborgenes ist auch etwas Existierendes und gehört deshalb zu dem, das die Dinge hervorbringt, dem eingebildeten Selbst. Die Leute erzeugen verborgene Wünsche zu dem, was ihnen gefällt, und hegen deshalb Zuneigung und Abneigung. All das gehört zum eingebildeten Selbst und bindet neues Karma. Sie wünschen sich Vergängliches und werden damit selbst vergänglich. Wenn du glaubst, dich persönlich im Spiegel zu sehen, wo sonst sollte das hinführen?

102. Die Gegensätze der Welt

Es gibt gutartige und bösartige Leute in der Welt. Nur weil es auch bösartige gibt, haben die gutartigen einen besonderen Wert. Was wäre, wenn es nur gutartige Leute gäbe? Eine gutartige Person wird sogar tausendmal einem Bösartigen helfen, aber kein einziges Mal um dessen Hilfe bitten, während eine bösartige Person stets versuchen wird, anderen Wesen zu schaden. Eine dankbare Person wird sich an die empfangene Hilfe von anderen erinnern und trägt niemandem eine Schuld nach, während eine undankbare Person die empfangene Hilfe schnell vergisst und andere Wesen absichtlich verletzt, auch wenn sie damit nichts gewinnt.

Man sagt, es ist einfacher, die Tiefen des Ozeans zu ergründen als die Tiefen des weltlichen Lebens. Wer hier seine Autorität missbraucht, verliert seine Kraft. Und wer seine Kraft missbraucht, verliert seine Autorität. Wenn dich deine Diener oder Angestellten beschimpfen und du in gleicher Weise antwortest, sinkst du auf ihr Niveau und verlierst deine Autorität.

Lügen verbreiten sich in dieser Welt schneller als Wahrheiten. Wahrheiten brauchen ihre Zeit, während eine Lüge schon am nächsten Tag in aller Munde ist.

Es gibt keine Freude in Konflikten, die Freude liegt in ihrer Lösung. Handle gerecht, aber streite nicht! Was ist Gerechtigkeit? Gerechtigkeit lebt, solange man keinen Richter braucht. Muss man vor den Richter gehen, regiert bereits die Ungerechtigkeit.

Gebrauche Denken, Sprache, Körper und Selbst für das Wohlergehen aller Wesen! Wenn du sie nur für dich persönlich benutzt, wirst du als ein Rayana-Baum (Mimusops Hexandra) wiedergeboren, der fünfhundert Jahre leiden muss. Die Leute werden deine Früchte genießen und dein Holz verbrennen, und so wirst du ihnen als Gefangener dienen müssen. Deshalb sagt Gott: „Du sollst Denken, Sprache, Körper und Selbst für das Wohlergehen aller Wesen benutzen, und wenn du dabei noch leiden musst, dann sprich mit mir.“

Der einzige Weg, sich von diesen Gegensätzen zu befreien, ist die wahre Erkenntnis. Wer versucht, der Welt zu schaden, schadet sich damit nur selbst. Ein menschliches Wesen zu sein, bringt eine große Verantwortung mit sich. Es ist in Wahrheit eine Prüfung, aber die Leute glauben, sie wären nur zum Glück und Vergnügen in der Welt. Dabei lauern viele schreckliche Gefahren, in die man stürzen kann. In jedem Moment kann dieses Leben vorbei sein. Warum sollte man nur einen einzigen davon verschwenden? Tu lieber Gutes, damit dein kommendes Leben besser wird! Dieses menschliche Leben ist wie ein Wendepunkt für verschiedene Welten. Von hier aus kann jede Person in vier Richtungen gehen, in die Hölle, ins Tier- und Pflanzenreich, in den Himmel oder wieder zu den Menschen. Und von hieraus ist sogar die Befreiung möglich, wenn du auf den Erleuchtungsgeist triffst, der dich zum Höchsten führen kann.

103. Die drei Ebenen des Körpers

Der Körper einer Person hat drei Ebenen, die man als feinstofflichen Energiekörper, Ursachenkörper und grobstofflichen Wirkungskörper bezeichnet. Der Energiekörper wird auch subtil genannt und ist stets mit dem reinen Selbst verbunden. Die Aura bzw. Ausstrahlung einer Person strömt aus diesem Energiekörper und lässt sich in vier wesentliche Arten einteilen:

1) Die Aura des Reichtums, die aus würdevollem Leben in Wohlstand und Glück strömt.

2) Die Aura des Dharma aus Tugend und Gerechtigkeit.

3) Die Aura der Gelehrtheit, die aus dem Studium von Lehren und Büchern entsteht.

4) Die Aura der Entsagung aus der Zufriedenheit.

Alle diese vier Arten haben ihre Ursache im feinstofflichen Energiekörper.

Wenn sich die Eizelle der Mutter mit einer Samenzelle des Vaters verbindet, wird der grobstoffliche Wirkungskörper geschaffen. Was ist ein Lebewesen? Es ist das, was lebt und stirbt. Wenn ein Lebewesen stirbt, nimmt es den Energie- und Ursachenkörper mit sich, und der innere Organismus von Sinnesbewusstsein, Denken, Intellekt und Ego löst sich hier auf. Danach entsteht aus dem Ursachenkörper ein neuer Wirkungskörper. Dieser Wirkungskörper wird durch die Befruchtung der mütterlichen Eizelle von der väterlichen Samenzelle geschaffen, wächst durch die Ernährung der beiden Zellen und bildet einen sprießenden Knoten, den Embryo. Ein Lebewesen kann nicht einmal für eine Stunde ohne Nahrung sein. Neben dem Essen bedarf es stets auch der Luft und des Wassers.

Der Energiekörper ist für alles Feinstoffliche zuständig. Er verdaut das Essen, produziert Wärme und Energie, lässt das Blut zirkulieren und hält alles zusammen. Diese gesamte Körper-Maschine funktioniert nur, weil der Energiekörper alles miteinander verbindet. Wenn er durch Karma gestört ist, kann es von Kindheit an zu körperlichen Leiden kommen, wie zum Beispiel Verdauungsproblemen. So steuert der Energiekörper alle inneren Funktionen des äußeren Körpers. Der grobstoffliche Körper kann ihn nicht ergreifen und beherrschen, deshalb ist er entsprechend schwach und muss leiden.

Der feinstoffliche Energiekörper ist in allen Wesen gleich, während die Form deines grobstofflichen Körpers durch das angesammelte Karma gebildet wird. Dieses Karma ist der Ursachenkörper, und der erlangte grobstoffliche Körper ist der Wirkungskörper. Alles, was an diesem Körper über- oder unternormal geschieht, wird zu Problemen und Leiden. Daraus kann man ableiten, woher die Probleme kommen und warum.

Der Ursachenkörper ist relativ einfach zu verstehen. Er verursacht die Zeugung im Mutterleib und die Geburt in dieser Welt. Aus ihm entstehen auch Zuneigung und Abneigung vom ersten Atemzug an. Durch Zuneigung und Abneigung werden viele kleine Teilchen angesammelt (die zu Knoten werden). Nur wer ohne Anhaftung ist, kann von dieser Ansammlung frei sein. Und diese Ansammlung sorgt dafür, dass der Ursachenkörper wächst. Der grobstoffliche Körper, den du heute siehst, entspricht dem Ursachenkörper deines vergangenen Lebens. Der Erleuchtungsgeist kann den Ursachenkörper erkennen und hat solche geistige Macht, dass er die Bildung eines neuen Ursachenkörpers verhindern kann. Wahrlich, er kann diesen Zyklus beenden, so dass kein neuer Ursachenkörper mehr entsteht.

Wenn das (eingebildete) Selbst den grobstofflichen Körper (im Sterben) ablegt, trägt es den Ursachenkörper mit allem verdienstvollen und sündhaften Karma weiter. Durch verdienstvolle Taten erhält man einen gesunden und wohlgestalteten Körper und wird viel weltliches Glück erfahren. Durch sündhafte Taten entsteht ein kränklicher und missgestalteter Körper. Im Sterben wandert das (eingebildete) Selbst zusammen mit dem Ursachen- und Energiekörper weiter. Und wenn die Umstände entsprechend der Ansammlung des Ursachenkörpers zusammenkommen, dann entsteht der neue Wirkungskörper. Wenn eine Person stirbt und das Selbst den Körper verlässt, dann geht es im gleichen Moment von einem Ort zum nächsten, wie es die natürliche Ordnung (von Ursache und Wirkung) bestimmt. Und so erreicht es durch die Verbindung einer mütterlichen Eizelle mit einer väterlichen Samenzelle wieder einen grobstofflichen Körper. Das Selbst ist in dieser Zeit völlig konzentriert. Es verlässt den alten Ort nicht, bevor es einen neuen gefunden hat. Wegen seiner Eigenschaft der alldurchdringenden Elastizität dehnt es sich gleichzeitig vom alten Körper bis zum neuen Wirkungskörper aus, und beginnt sein Wirken dort erst, wenn es den alten Körper verlässt. Es gibt nur wenige Wesen, die den nächsten Körper nicht sogleich ergreifen. Sie wandern suchend umher, und erst wenn sie einen Körper gefunden haben, beenden sie ihre Wanderung.

Nachdem ein Wesen die Menschengestalt erreicht hat, kann es je nach Karma bis zu acht andere Lebensformen im Tierreich, in der Hölle oder im Himmel annehmen, bis es wieder zur Menschengestalt zurückkehrt. Das ist die Besonderheit des Menschen, dass man von hieraus auf- oder absteigen kann. Darüber hinaus ist es die beste Lebensform, um die Befreiung zu erreichen. Wer den wahren Sinn des Menschseins erkennt und erfüllen kann, erreicht die Befreiung. Ansonsten muss man immer weiter im Kreislauf der Geburten wandern. In anderen Lebensformen ertragen die Wesen vor allem die Früchte ihres Karmas. Dagegen lebt der Mensch in einer Welt der Taten, und kann sowohl sein Karma abbauen, als auch viel neues Karma ansammeln. Deshalb nutze diese seltene Chance des menschlichen Lebens gut und mach das Beste daraus! Das eingebildete Selbst hat schon unzählige Leben für den Körper dargebracht, wenn nur ein Leben dem reinen Selbst gewidmet würde, könntest du das Höchste Ziel erreichen.

Nur als Mensch kann dich der Erleuchtungsgeist zur Befreiung führen. Deshalb wünschen sich sogar die himmlischen Wesen eine menschliche Geburt. Denn nur in Verbindung mit dem Erleuchtungsgeist kann der Körper, der über zahllose Leben dein wesentlicher Feind war, zum wesentlichen Freund werden. Findest du den Erleuchtungsgeist, dann vollbringe das höchste Werk, vereine alle Teile und erreiche das jenseitige Ufer!

Wie sehr lieben wir diesen Körper? Wir haben in diesem Körper die Befreiung erreicht, und nun ist unsere ganze Zuneigung für diesen Körper allein darauf gerichtet, dass er der Befreiung anderer dient. Darüber hinaus ist unsere Verbindung zum Körper wie zu einem Nachbarn, und wir haben keinerlei Ansprüche oder Rechte auf ihn. Wer auch immer ihn beansprucht, er mag kommen und ihn nehmen. Wir haben unser großes Werk vollbracht, indem wir diesen Körper als Freund behandelt haben. Man kann nicht sagen, was dem Körper noch alles passieren wird, aber unserem Dasein (im reinen Selbst) passiert nichts. Der Körper eines Befreiten ist höchst mächtig, es ist der vollkommene Körper, der Körper aller Körper.

Wie lange ist Gott (das Leben) in einem Körper? Solange das eingebildete Selbst darin existiert. Aber die wahre Basis ist das reine Selbst. Was vom Atem abhängig ist, ist sterblich. Wenn du für acht Minuten Nase und Mund zuhältst, vergeht dein Lebensatem. Das geschieht ganz mechanisch, wie eine Maschine. Deswegen ist das Körperbewusstsein eine große Illusion und der Glaube „Ich bin dieser Körper!“ nur Unwissenheit, während die Erkenntnis des Selbst die wahre Befreiung ist.

Der grobstoffliche Körper ist ohne Anhaftung und Abneigung, wie ein Stuhl aus Holz. Auch das reine Selbst ist ohne Anhaftung und Abneigung. Es ist der feinstoffliche Körper, der für alles verantwortlich ist und den grobstofflichen Körper ansammelt. Das reine Selbst mischt sich in diese körperlichen Aktivitäten nicht ein. Der feinstoffliche Körper allein erträgt all das Leiden (und Glück). Dieser feinstoffliche Körper ist die Einbildung des Selbst. Er bildet die Ichhaftigkeit (den Ich-Wahn), und damit gleicht der feinstoffliche Körper dem eingebildeten Selbst.

Je mehr Karma, desto kleiner (und enger) der Körper. Je weniger Karma, desto größer (und weiter) der Körper. Zum Beispiel die Ameise und der Elefant. Ich habe Ameisen beobachtet, die um vier Uhr morgens einen Zuckerkrümel schleppten, dagegen lebt jeder Elefant in königlichem Pomp.

104. Der Glaube ‚Ich bin der Körper‘

Alle Personen dieser Welt stecken im Glauben fest: „Ich bin dieser Körper!“ Auch wenn sie behaupten, dass ihnen der Köper oder das Denken nicht gehört, sobald sie jemand einen Dummkopf schimpft, können sie die ganze Nacht nicht schlafen. Diese Identifikation mit dem Körper kann sich nicht lösen, bis man das reine Selbst erkennt. „Ich bin Max! Ich bin Onkel, Ehemann oder Vater!“, all das ist eng mit „Ich bin dieser Körper!“ verbunden. Bis dieser Glaube verschwindet, existieren die groben und subtilen Anhaftungen zusammen mit der Vorstellung von gut und schlecht. Der Glaube „Ich bin dieser Körper“ verschwindet erst in dem Moment, wenn man wahrhaft verwirklicht: „Ich bin reines Selbst.“ Nach dieser Selbstverwirklichung wird man nicht mehr in traurige Gefühle versinken, auch wenn dein einziges Kind sterben würde. Dann herrschen keine Gegensätze mehr von Richtig und Falsch.

Der Glaube, dieser Körper zu sein, sollte vergehen, und die Gegenwärtigkeit des reinen Selbst („Ich bin reines Selbst.“) sollte wachsen und sogar im Schlaf bestehen. Die Erkenntnis, die wir geben, lässt dich unter allen Umständen im reinen Selbst sein. Diese Erkenntnis ist wundervoll und außergewöhnlich. Wie sich beim Milchquirlen die Butter von der Molke scheidet, so scheiden sich Selbst und Körper durch die Selbsterkenntnis. Deshalb konnten die Erleuchteten der Vergangenheit mit ihren Körpern schwerste Askese und Buße üben, denn sie wussten, dass das reine Selbst von diesem Leiden nicht betroffen ist. Und so haben sie die Prüfung bestanden.

105. Das Leben und das Sterben

Es gibt drei Lebensphasen des Körpers, nämlich Kindheit, Jugend und Alter. Die kleinen Kinder sind am glücklichsten, denn sie brauchen sich noch keine Sorgen zu machen. Die Milch für ihre Ernährung steht bereit und fließt, sobald sie geboren werden. Müssen sich die Babys darum kümmern? Sie bekommen zur rechten Zeit alles, was sie brauchen. Diesbezüglich gleichen sie den Erleuchteten. Aber das Kind ist noch in Unwissenheit, während der Erleuchtete in vollkommener Erkenntnis ist. Intellekt und Verstand des Kindes sind noch nicht entwickelt, nur ihr Sinnesbewusstsein arbeitet im Rahmen ihrer kleinen Welt. Wenn das Kind zum Beispiel ein Spielzeug sieht, dann verliert sich sein Sinnesbewusstsein darin, bis es etwas anderes entdeckt. Es kann nicht lange bei einer Sache sein, während das Sinnesbewusstsein der Älteren gewöhnlich auf zwei oder mehr Dinge konzentriert ist und sie sich darin verlieren. Ist das nicht der Grund, woraus all unsere Probleme entstehen? Ein Kind vergisst die Dinge nach einer Weile und deshalb verliert es sich nicht lange in einer Sache. Solange der Intellekt des Kindes nicht entwickelt ist, hat es noch natürliche Glückseligkeit. Denn erst mit der Entwicklung des Intellekts vermehren sich die Gegensätze und Konflikte.

Die menschliche Jugend (wie auch das mittlere Alter) ist wie ein loderndes Feuer. Die Umstände sind kritisch, und man kann sich darin schnell verlieren und auf Abwege geraten. Deshalb sollte man in dieser Zeit besonders achtsam und vorsichtig handeln. Das sind die Probleme der irdischen Geburt. Nur die Himmlischen, die von Geburt, Alter und Tod frei sind, können eine dauerhafte Jugend bewahren.

Das fortgeschrittene Alter ist die Zeit des Niedergangs. Es ist eine schwere Phase im Leben. Die Maschine des Körpers lässt nach, die Zähne fallen aus, die Augen werden trüb und die Ohren taub. Nun sind Vorsicht und Pflege gefragt. Wer kein schweres Karma hat, stirbt irgendwann friedlich in einem bequemen Sessel. Doch heutzutage klammern sich die Leute wegen unbedeutender Dinge noch lange ans Leben, auch wenn der Körper schon schwach und verbraucht ist. Schweres Karma ist wie angesammelter Sprengstoff, der dann im hohen Alter explodiert und viel Leiden und Schmerz verursacht. Was auch immer du an sinnlichem Glück angesammelt hast, das wandelt sich in Leiden, wenn es dich verlässt. Und was du an Leiden ertragen hast, das wandelt sich am Ende in Glück. Das ist das Gesetz der Natur! Die Erfahrung von Frieden und Glück wird dann dem Maß entsprechen, was du an Leiden im Leben erduldet hast. Nur wenige Gesegnete gehen in Frieden. Denn während sich die Leute in weltlichen Genüssen verlieren, sind sie sich selten bewusst, dass sie alles davon zurückzahlen müssen. Jede Schuld von übermäßigem Genuss muss am Ende getilgt werden. Nur für die einfachen und aufrichtigen Menschen wird alles gut. Wenn jemand bereit ist, sich friedlich aus dieser Welt zu verabschieden, ist das ein Zeichen für den Aufstieg in höhere Welten. Während jene, die unbewusst in Dunkelheit sterben, in entsprechend unbewusstere Welten sinken, wie ins Reich der Tiere. Was im plötzlichen Tod zum Beispiel durch einen Herzinfarkt passiert, ist schwer zu sagen.

Der gemeine und sorghafte Geist im Verlangen nach weltlichen Dingen ist heutzutage so sehr verbreitet, dass nicht nur das Leben schwer geworden ist, sondern auch das Sterben. Wer jung stirbt, stirbt vor allem mit gemeinem und sorghaftem Geist. Die Älteren sterben mehr in Angst und Verzweiflung und tragen oft eine große Karma-Last. Schon Nahrung und Kleidung werden heutzutage durch unehrliche Mittel gewonnen. Dieser gemeine und sorghafte Geist führt zu großen Qualen während des Sterbens. Jeder Körperteil wird voller Schmerzen sein, und wenn das Leiden unerträglich ist, wird das Herz versagen. Entsprechend nimmt man das Karma ins nächste Leben mit und wird dort wieder dem Leiden begegnen. Das sind die Gesetze der Natur, wie der Befreite sie erkennen kann. Keiner kann daran etwas ändern. Deshalb sprach der Herr: „Besser ist es, ein ehrliches Leben zu führen und mit dem zufrieden zu sein, was dir gegeben wird, auch wenn Essen und Kleidung einfach sind. Alles, was durch unehrliche Mittel erworben wird, ist unheilsam.“

Wenn im fortgeschrittenen Alter die Zeit kommt, diese Welt zu verlassen, wird das angesammelte Feuerwerk zunehmend abbrennen und explodieren. Ohne wahre Erkenntnis ist es sehr schwer, durchs Alter zu gehen. Nur wer die Selbsterkenntnis verinnerlicht hat, kann im reinen Selbst verweilen und das abbrennende Feuerwerk als erkennender Seher gelassen beobachten. Weißt du, was unsere großen Seelen im Sterben sagen? „So wie du von außen diesen Körper beobachtest, wie er seinen letzten Atemzug macht, so beobachten auch wir ihn.“ Sie verweilen als erkennende Seher sogar in ihrem letzten Atemzug.

Früher oder später muss jeder sein ‚Geschäft‘ verlassen. Oder nicht? Nur weil es ein Verlassen gibt, gibt es auch ein Kommen in diese Welt. Alle kommen, um zu gehen, und so bist du von deiner Geburt an auf dem Weg zum Friedhof. Wenn du das weißt, warum vergeudest du kostbare Zeit mit unbedeutenden Dingen? Denke wenigstens einmal darüber nach! Jede Sekunde bringt dich dem Friedhof näher. Früher oder später wirst du dort ankommen. Das ist unausweichlich. Ob du aber friedlich gehen kannst, das liegt an dir.

Im hohen Alter werden alle Krankheiten zu einer einzigen Krankheit. Wenn man die Heilung kennt, kann man die Medizin einnehmen, sobald das Leiden beginnt. Denn die letzte Krankheit trägt dich in die jenseitige Welt. Wie kannst du noch an diesem Körper anhaften, der verwelkt, verfault und stinkt? Er ist nur ein in Haut gewickelter Fleischklumpen. Auch wenn du ihm alle Sorge widmest, ihn immer wieder badest und ernährst, am Ende wird er dich enttäuschen. Und wenn du schon deinem eigenen Körper nicht vertrauen kannst, was willst du von anderen erwarten? Wirst du diesen verwöhnten Körper immer noch lieben, wenn überall der Eiter austritt? Du wirst nicht einmal den Anblick ertragen können, und deine frühere Anhaftung wird sich in Hass verwandeln. Dieser Körper ist nur eine Masse von Eiter, Blut und Fleisch. Mit dem erleuchteten Geist sehen wir es, wie es ist, und sind frei von jeder Anhaftung. Zahllose Leben hast du für die Anhaftung an den Körper dargebracht und als Lohn das Kreisen im Rad von Geburt und Tod gewonnen. So opfere doch wenigstens ein Leben dem reinen Selbst, gib die Anhaftung auf, und du wirst den Verlust der zahllosen Leben wettmachen.

Wozu soll der Körper dienen? Lass ihn ein wirkungsvolles Mittel für die höchste Befreiung sein! Dann kannst du den vollkommenen Körper erreichen, den Körper aller Körper. Dein jetziger Körper ist nur eine Ansammlung von karmischen Teilchen, und all deine Erfahrungen in diesem Körper sind die jeweiligen Wirkungen dieser Teilchen, mit denen du verbunden bist. Es heißt, all die Wesen im Pflanzen- und Tierreich leben um der Menschen willen (um irgendwann Mensch zu werden und Befreiung zu erreichen), und nur der Mensch lebt um seinetwillen. Daher sagt Gott, dass der Mensch der Verehrung würdig ist, sogar für himmlische Wesen. Wer diese vorzügliche Chance des menschlichen Lebens wahrhaft erkennt (und nutzt), kann das Höchste erreichen.

106. Der Sinn des menschlichen Lebens

Wer kennt in dieser Welt den wahren Sinn des menschlichen Lebens? Wofür haben wir diesen Körper empfangen? Nur wenige ahnen es. Die Leute glauben, dass sie leben, um weltlichen Spaß zu haben, um Gott zu verehren oder auch Yoga und Entsagung zu üben. Doch in Wirklichkeit haben sie diesen Menschenkörper erhalten, um die angesammelten Fehler und Sünden aus der Vergangenheit zu bereinigen. Dieser Körper existiert, um unter allen Umständen Gleichmut zu entwickeln und Gott zu finden. Deshalb schrieb der große Dichter Kaviraj:

„Diesen Körper hast du erhalten, um deine Schulden zu bereinigen,
der Schleier des Karmas muss verschwinden, um Gott zu erkennen.“

107. Gedanken, Worte und Taten

Gedanken, Worte und Taten sind in ihrem Wesen unbeständig und unverlässlich. Alles, was wir tun sollten, ist das Beobachten der Gedanken. Wir sind nicht verantwortlich für die Gedanken, die gegenwärtig kommen, denn sie sprießen aus den Knoten, die in der Vergangenheit angesammelt wurden. Sie kommen, weil du sie früher (mit dem Ego persönlich) bestätigt und angenommen hast. So sind sie zunächst kein Problem, aber wenn du sie erneut bestätigst, dann übernimmst du eine leidvolle Verantwortung.

Das reine Selbst ist beständig und verlässlich, während Gedanken, Worte und Taten unbeständig und unverlässlich sind. Die Unbeständigkeit ist ihr Wesen. Was in der Welt körperlich geschieht, sind die Taten, was geistig im Inneren geschieht, sind die Gedanken, und was sich sprachlich ausdrückt, sind Worte. Wenn diese drei ausgeglichen und normal sind, dann spricht man von einer normalen Unbeständigkeit. Aus diesem Grund sagt man den Leuten, dass sie im weltlichen Leben die Normalität bewahren sollen.

Während des goldenen Satya-Zeitalters begannen die Gedanken unrein zu werden, aber noch nicht die Worte und Taten. In unserem Kali-Zeitalter sind alle drei verunreinigt. Unreine Gedanken könnte man noch akzeptieren, aber nicht unreine Worte und Taten. Wenn alle drei verunreinigt sind, werden die Worte dieser Person sehr feindlich und verbittert sein. Man wird fast nur noch Ablehnung hören. Der Segen der Selbsterkenntnis reinigt das äußere Handeln, denn das sollte rein sein, und entsprechend wird sich das Verhalten von Gedanken und Worten ändern. Denn das große Risiko sind die unreinen Taten, die sündhaftes Karma ansammeln. Dann werden dir sogar die Götter Leid bringen, während deine verdienstvollen Taten die Himmlischen und alle herrschenden Götter und Göttinnen erfreuen.

Was verunreinigt dein äußeres Verhalten? Es liegt daran, weil du in der äußeren Welt kein beständiges Glück finden kannst. Dein Verhalten wird erst besser, wenn du die ewige innere Glückseligkeit erkennst. Für Erleuchtete sind alle Taten eine Form der Selbsterkenntnis, und sie verweilen als alleserkennende Seher. Durch unsere Erkenntnis können wir sogar unter schrecklichsten Umständen gelassen sein. Diese Erkenntnis ist wie eine „Notbremse“. Zieh sie und du wirst die große Lösung finden! Ohne sie hat man keine andere Wahl, als wie ein Kreisel durch die Welt zu tanzen. Diese Erkenntnis macht dein Verhalten heilsam, andernfalls lädst du dir immer neue Sünden auf. Dein Verhalten sollte stets ehrenwert sein. Schlechte Gedanken oder üble Worte könnten noch toleriert werden, aber schlechte Taten wird die Welt nicht tolerieren. Selbst die Götter werden dir dann ihre Hilfe verwehren.

Wir sind die erkennenden Seher von Gedanken und Worten, und sie sind die erkennbaren Objekte, wie ein Film, den wir ansehen und erkennen. Trotzdem sollte unser Verhalten niemals untugendhaft sein. Es ist sogar besser zu heiraten, als in der Gesellschaft untugendhaft zu leben. Alles ‚Unnormale‘ sollte vermieden werden, sobald man es erkennt. Du solltest niemals behaupten, dein untugendhaftes Verhalten nur als erkennender Seher zu beobachten, denn irgendwann wird es dich überwältigen und deine Erkenntnis überdecken. Wir müssen dieses Gift nicht erst kosten, um herauszufinden, dass es Gift ist. Unehrenwertes Verhalten sollte stets vermieden werden, selbst wenn du dafür dein Ego benutzen musst. Du solltest dich grundlegend für ein tugendhaftes Verhalten entscheiden, sonst kannst du schnell vom rechten Weg abkommen. Und darin liegt wohl die größte Gefahr in dieser Welt. Denn nicht das Wesen der Welt ist gefährlich, sondern dein Verhalten. Ist dein Verhalten tugendhaft, werden die Götter zufrieden sein und dir auf dem Pfad zur Befreiung helfen.

Wir sollten erkennen, dass untugendhaftes Verhalten ein großes Risiko ist, und es aufgeben. Warum ist das weltliche Verhalten so verkommen? Weil man in der äußeren Welt kein beständiges Glück finden kann (so sehr man auch mit allen Mitteln danach sucht), denn die ewige Glückseligkeit liegt allein in unserem Inneren. Wir sind reines Selbst, deshalb sollten wir niemals untugendhaft handeln, selbst wenn das Ego dazu benutzt werden muss.

Was ist Untugend? Wenn du zum Beispiel etwas nimmst, das dir nicht gehört. Dann fühlst du im Inneren, dass es nicht gut ist. Aber auch Beleidigung und jede Sucht nach Streit, Alkohol, Drogen und Spiel, all das ist untugendhaft und sehr gefährlich. Selbst wenn du das Risiko dafür eingehst, was willst du damit gewinnen? Grundsätzlich gibt es zwei Untugenden, die man niemals tolerieren sollte, nämlich Ehebruch und Diebstahl. Die Treue in der Ehe ist die wichtigste Tugend im weltlichen Verhalten und erfreut alle Götter. Es ist kein Problem, ob du eine Ehefrau hast oder vier, aber Ehebruch sollte es nicht geben. Gott sieht dieses sündhafte Verhalten, und wenn du den Pfad der Befreiung gehen willst, solltest du alles Sündhafte aufgeben.

108. Gefühle

Gefühle sind ein Teil des eingebildeten Selbst. Wenn die Gefühle ruhig fließen, herrscht Frieden, wenn sie aber rasen, herrscht Unruhe. Wenn du gehetzte Unruhe spürst, dann solltest du erkennen, dass etwas schiefläuft.

Dadaji: Fährt dieser Zug ruhig, oder rast er wild dahin?

Fragender: Er fährt ruhig.

Dadaji: Was würde geschehen, wenn er zu schnell fährt?

Fragender: Dann kann es eine schreckliche Katastrophe und tausende Tote geben.

Dadaji: Ja, so geht es auch dem Menschen. Solange seine Gefühle ruhig fließen, wird es keine schrecklichen Katastrophen geben. Aber wenn die Gefühle zu rasen beginnen, gefährdet er sich selbst und die zahllosen kleinen Mikroorganismen, die in seinem Körper leben. Zorn, Arroganz, Täuschung und Begierde verursachen das wilde Rasen der Gefühle. Damit werden unzählige Wesen gequält, und man selbst muss die karmischen Konsequenzen davon erleiden. Deswegen sagt der Erleuchtungsgeist: „Bleib ruhig in deinen Gefühlen und werde nicht rasend!“ Im wilden Rasen der Gefühle sprießen viele geistige Knoten gleichzeitig. Sie platzen unkontrolliert auf, überwältigen dein Sinnesbewusstsein und lassen dich darin völlig versinken. Unzählige Knoten explodieren und bedecken das reine Selbst mit einem dichten Schleier. Wie dicke Wolken die Sonne völlig verhüllen, so wird das Licht des Selbst im wilden Sturm der Gefühle verhüllt, und seine grenzenlose geistige Kraft verbirgt sich. Das Gleichgewicht von Geist und Körper geht verloren, als würde man von einem flammenden Speer durchbohrt. So erzeugt das wilde Rasen der Gefühle den größten Schleier über dem reinen Selbst. Wer diesen Sturm besiegt, wird große geistige Klarheit gewinnen, und die kleineren Gefühle werden ihn nicht mehr behindern. Aber das ist nur durch Selbsterkenntnis möglich. Ohne Selbsterkenntnis sollte man dieses wilde Rasen der Gefühle nicht erlauben, denn es zieht jede Menge Karma an, dessen Früchte man im Kreislauf zahlloser Leben erleiden muss.

Denn während die Gefühle wild rasen, sät man die karmischen Samen für ein Leben in niederen Welten. Diese Samen werden zu Knoten, die im Inneren liegen, bis sie im nächsten Gefühlsausbruch explosionsartig sprießen. Hartnäckige und ehrgeizige Menschen haben sehr starke Knoten, welche durch die natürliche Ordnung (von Ursache und Wirkung) irgendwann explodieren, so dass diese Leute sehr aggressiv werden und sich sogar der Gewalt bedienen, um sich durchzusetzen. Dagegen sammeln geduldige und friedliche Menschen solche starken Knoten gar nicht erst an.

Während eines wilden Gefühlsausbruches kann man verwirrt und unbeherrscht werden. In solchem Zustand sollte man weder handeln noch Entscheidungen treffen, denn es kommt dabei sicherlich nichts Gutes heraus. Nur im ruhigen Fluss der Gefühle werden die Werke auch erfolgreich sein.

Wilde Gefühle bedeuten Aufregung. Wird man in die passende Richtung erregt, kann man sich sogar eine Meile der Selbsterkenntnis nähern, aber gewöhnlich entfernt man sich in der Gegenrichtung viele Meilen von diesem Ziel. Nur wer in diesem Zustand im Selbst gegenwärtig bleibt, kann diese Gefühle positiv nutzen. Wenn eine große Seele (Mahatma) gegenwärtig ist, wird sich dein Geist beruhigen. Sie wandelt Unruhe in Ruhe, und im ruhigen Fluss der Gefühle wird alles leicht. Deshalb sollte der menschliche Geist in Ruhe fließen. Wer den Geist mit den rasenden Gefühlen in einen ruhigen Fluss wandelt, kann wahrlich als große Seele (Mahatma) gelten.

Es wäre wohl gut, diesen Körper zu verwöhnen, wenn er damit unvergänglich und ewig würde, aber er verfällt und wird schließlich immer leidvoller. Inwieweit sollte man ihn also lieben? Deine Liebe für den Körper sollte sich darauf richten, den Erleuchtungsgeist zu finden, so dass er zum Werkzeug wird, um die vollkommene Befreiung zu erreichen. Darüber hinaus verursacht jede anhängliche Liebe viele wilde Gefühle. Und trotz all deiner Liebe wird der Körper eines Tages wieder vergehen. Oder nicht? Gott selbst sagt: „Dieser Körper ist nur eine Illusion, und eines Tages wird er sich in Asche verwandeln.“ Dieser Körper verursacht die persönliche Anhaftung und Abneigung. Und Gott sagt auch: „Du hast zahllose Leben der Körperlichkeit dargebracht, nun widme wenigstens ein Leben dem reinen Selbst!“

Wild rasende Gefühle entstehen nicht ohne Grund. Ihre Ursachen liegen im angesammelten Karma aus vergangenem Leben, und du kannst erkennen, woraus sie entstehen. Nur das, was mit dir karmisch verbunden ist, kommt auch zu dir, denn nichts geschieht zufällig ohne Ursache.

Explodierende Gefühle sind mehr eine Katastrophe als ein normales Ereignis. Normale Ereignisse entstehen aus normalen Ursachen, aber übermäßig viele (bzw. übernormale) Ursachen gipfeln in Katastrophen. Es gibt nur eine Vorliebe, die man in der Welt pflegen sollte, und das ist die Liebe zum Erleuchtungsgeist. Alles andere bringt nichts als Sorgen und Leiden. Nur in der ewigen Glückseligkeit des reinen Selbst darfst du dich vollkommen verlieren.

Starke Gefühle entstehen, sobald du von etwas gefangen und fasziniert wirst. Es ist nichts Schlechtes, das Leben zu genießen. Aber wenn der Zug der Befreiung kommt, dann lass alles los und steige ein! Aber stattdessen bleiben die Leute auf dem Bahnhof ihrer Lebenssituation sitzen, genießen Kaffee und Kuchen oder andere Dinge und verpassen den Zug. Starke Gefühle lassen dich in Unvernunft versinken. Und was passiert, wenn du den Zug verpasst? Wenn du hier in dieser Belehrung auf den Zug springen könntest, dann wäre dein Lebenswerk vollbracht und das große Ziel erreicht. Auf der einen Seite ist diese Belehrung, die dir helfen und dich erleuchten kann, und auf der anderen Seite die verführerischen Dinge der Welt, die dich am Ende nur quälen werden.

109. Schlaf

Schlaf ist für alle Lebewesen notwendig. Aber das Verhältnis des Schlafs ist selten gut. Was ist heutzutage aus den Menschen geworden? Eine merkwürdige Generation ist herangewachsen. Warum sonst ist ihr Schlaf so abnormal? Sie schlafen schon fast wie die Vögel und andere Tiere. Der Schlaf sollte soweit ausgewogen sein, dass man tagsüber nicht einschläft. Manche Leute schlafen zehn Stunden lang und liegen noch im Bett, wenn die Sonne aufgeht. Ist das Leben für den Schlaf gemacht? Anderseits gibt es auch Leute, die gar nicht einschlafen können. Es heißt, in Amerika benötigen 80% der Leute Schlaftabletten, um einzuschlafen. Das ist eine schreckliche Sache, und die Leute vergiften sich damit. Sie konnten einen Mann auf den Mond schicken. Warum können sie ihre Abhängigkeit von den Schlaftabletten nicht lösen? Ein gesunder Schlaf wäre wichtiger für sie, denn darunter leiden die Menschen. Helft ihnen! Der Schlaf ist ein natürliches Geschenk, aber ihr habt ihn verloren. Welchen Nutzen hat all euer Reichtum und Wohlstand?

Die Leute haben den natürlichen Schlaf verloren, weil Ernährung und Tätigkeit nicht mehr im natürlichen Verhältnis stehen. Die verzehrte Nahrung sollte so sein, dass die Müdigkeit einen gesunden Schlaf hervorbringt. Das richtige Verhältnis von Nahrung und Arbeit bringt normalen Schlaf. Doch überall nimmt die Schlaflosigkeit zu, vor allem in westlichen Ländern. Wir kennen eine natürliche Heilung dafür. Wir werden ihnen helfen, ein normales Leben zu führen, mit normaler Nahrung, normalem Schlaf und normaler Freude.

Wieviel Schlaf braucht ein Mensch? Lord Mahavir empfahl seinen Hauptschülern, nur drei Stunden zu schlafen, denn diese Welt ist nicht zum Schlafen da. Wer Selbsterkenntnis erreicht hat, sollte wenig schlafen, denn umso mehr kann der alleserkennende Seher gegenwärtig sein. Ich selbst habe in den letzten zwanzig Jahren nicht länger als anderthalb Stunden pro Nacht geschlafen. So habe ich die Nächte der Gegenwärtigkeit der Selbsterkenntnis gewidmet. Natürlich braucht man nach einem anstrengenden Tag ausreichend Schlaf, aber mehr auch nicht.

Gautam Swami fragte einst Lord Mahavir: „Was ist besser, Schlafen oder Wachen?“ Und er antwortete: „Für 999 von 1000 Leuten ist der Schlaf besser. Nur für den Gesegneten, der das Wohl aller Wesen sucht, ist es besser, ständig wach zu bleiben.“

110. Traum

Die Wissenschaft des Träumens ist sehr tiefgründig und geheimnisvoll. Viele große Wissenschaftler versuchen, diese Geheimnisse zu lösen. Welche Teile des Körpers arbeiten während des Träumens im Schlaf? Was ist die Funktion des inneren geistigen Organismus dabei? Aber die Geheimnisse des Träumens bleiben im Dunklen.

Während des Träumens sind alle äußeren Tore des grobstofflichen Körpers geschlossen. Nur der innere Organismus von Denken, Intellekt und Sinnesbewusstsein arbeitet. Das Ego ist während dieser Zeit untätig. Wäre das Ego im Traum wie gewohnt tätig, dann würde der Träumende während des Schlafs aufstehen, kämpfen und aufgeregt umherlaufen. Er würde körperlich auf alle Aktivitäten im Traum reagieren. Deswegen arbeitet das Ego im Traum nicht. Nur im Wachzustand ist es aktiv und behauptet: „Ich mache dies oder das!“ Doch in Wirklichkeit kann es auch hier nicht der Handelnde sein. Im Wachzustand sind alle Ein- und Ausgangstore des Körpers geöffnet, und so glaubt das Ego voller Unwissenheit, der persönlich Handelnde zu sein.

Wie wahr sind Träume? Sie sind wirksam, das kann man wissenschaftlich beweisen, und entsprechend sind sie auch wahr. Die Wirkungen, die im geistigen Organismus während des Traums erfahren werden, wirken sich auch auf den grobstofflichen Körper aus. Deshalb gelten Träume als Wirklichkeit. Aber wie geschieht das? Ich versuche, es zu erklären. Wenn ein Bettler träumt, ein König zu sein, dann erfährt er Glücksgefühle. Und wenn der König träumt, ein Bettler zu sein, dann fühlt er sich deprimiert. Und wenn sie erwachen, dann ist das Glücksgefühl noch genauso vorhanden wie die Depression. Selbst wenn man im Traum weint, können die Augen noch feucht sein, wenn man erwacht. Manchmal bleiben die Wirkungen des Traums noch lange erhalten, und man weint entsprechend weiter. Auch kleine Kinder schrecken oft aus Träumen auf, schreien und können sich lange nicht beruhigen. Vor allem Alpträume haben eine große Wirkung auf den Körper, denn der Atem rast, und Puls und Blutdruck steigen. All diese Wirkungen sind messbar. Wenn die Träume solche Wirkungen haben, wie kann man sie als unwahr bezeichnen?

Es gab mal eine Person, die hatte mich noch nie gesehen, aber im Traum bin ich ihr exakt erschienen. Wie kann man dieses Phänomen erklären? So komplex kann das sein! Doch im Traum kann nichts erscheinen, was man nicht zuvor in diesem oder einem vergangenen Leben gesehen hat. Träume sind eine Sammlung aus unzähligen Ereignissen in unzähligen Lebenszyklen. Da erscheint nichts Neues. Manche sagen, es sind nur die Gedanken des Tages, die in der Nacht wieder erscheinen. Aber tagsüber kommen zahllos viele Gedanken. Erscheinen sie wirklich alle im Traum? Und kommt es nicht auch vor, dass du Dinge träumst, über die du noch nie nachgedacht hast?

Im Traum arbeiten nur der Ursachenkörper und der feinstoffliche Energiekörper. Der grobstoffliche Wirkungskörper nimmt keinen aktiven Anteil (bezüglich seiner Sinnes- und Handlungsorgane). So träumen manche, dass sie schwer krank sind, der Arzt zur Untersuchung kommt, keinen Herzschlag mehr hört und den Tod feststellt. Schließlich sehen sie ihre eigene Leiche, wie sie verbrannt wird, und erwachen voller Panik, aber sind immer noch am Leben. Andere träumen, dass sie heiraten, Kinder bekommen und deren Hochzeit organisieren, und wenn sie erwachen, sind sie immer noch ledig.

Fragender: Was ist die Ursache für solche Träume?

Dadaji: Die äußere Welt, die du siehst, ist die Wirkung deines angesammelten Karmas. In gleicher Weise entstehen auch deine Träume aus deinem verdienstvollen und sündhaften Karma, doch die Auswirkung im Traum ist relativ schwach.

Fragender: Ist ein Traum ein Knoten?

Dadaji: Ja, Träume sind geistige Knoten. Sie sind Karma, das durch die beiden inneren Körper angesammelt wurde, nicht durch alle drei. Deshalb wird es auch nur durch die beiden Körper erfahren (durch Ursachenkörper und Energiekörper ohne den grobstofflichen Wirkungskörper).

Fragender: Kann man im Traum Karma ansammeln?

Dadaji: Nein, der Traum ist vor allem eine Wirkung. Im Traum selbst kann man kein Karma ansammeln, weil das persönliche Ego nicht aktiv ist. Im Traum arbeiten der Ursachenkörper und der feinstoffliche Energiekörper. Das eingebildete Selbst erlebt den Traum, während das reine Selbst der erkennende Seher des eingebildeten Selbst ist. Je dicker der Schleier des Karmas ist, desto weniger sieht man den Traum. Und je dünner der karmische Schleier wird, desto klarer sieht man die Träume. Viele sagen, sie träumen überhaupt nichts. Natürlich träumen sie, aber sie können sich wegen des dichten karmischen Schleiers nicht erinnern.

Ein Mann sagte: „Oh Dada, ich weinte im Traum zwei Stunden lang, aber dann erblickte ich dich, und alles beruhigte sich und war wieder gut. Plötzlich fühlte ich innere Ruhe und Gelassenheit!“ Ich sprach: Nun, mein Lieber, sind deine Tränen getrocknet. Denn du gewinnst wesentlich mehr, wenn du ‚Dada‘ im Traum begegnest und ihn um Hilfe bittest, als in einer persönlichen Begegnung. Dieser ‚Dada’ kann alles tun, und das sogar im Traum! Doch du solltest wissen, worum man ihn bittet. Manche unserer großen Seelen sehen ‚Dada’ jede Nacht in ihren Träumen. Die heiligen Schriften sagen: „Wer den Einen im Traum sieht, benötigt nicht mehr, und sein Geist verliert sich nicht in weltliche Dinge!“ Denn wer dem Erleuchtungsgeist sogar im Traum begegnet, wird alle geistigen Illusionen auflösen.

Was antworten die Erleuchteten auf die Frage, ob im Schlaf der Traum der beiden subtilen Körper wahr ist? Nein, für Erleuchtete ist sogar der Traum aller drei Körper keine Wahrheit, denn sie sehen auch den wachen Zustand wie einen Traum. Was durch die fünf Sinne erfahren wird, ist nur Sinneserlebnis. Es ist diese Illusion des Wissens (bzw. der Unwissenheit), weshalb die Leute glauben, dass der Traum der drei Körper wahr ist. Fühlt nicht der Bettler aufregendes Glück, wenn er träumt, ein König zu sein? Aber sobald er aus dem Traum erwacht, bleibt alles, wie es ist. Ähnlich ist das ganze Leben wie ein Traum, und sobald man aus diesem weltlichen Traum erwacht, gibt es keinen Grund mehr zur Aufregung. Alles bleibt, wie es ist. Wohin man auch geht, alles bleibt, wie es ist.

Das weltliche Leben ist ein Traum mit offenen Augen, und die Wahrnehmung im Schlaf ist ein Traum mit geschlossenen Augen. Beide sind wirkungsvoll und damit Wirklichkeit. Der einzige Unterschied ist, dass im Wachzustand das Ego aktiv ist.

Du kannst tausende Träume im Schlaf haben, aber sie hinterlassen keinen Eindruck auf dich, solange du nur der erkennende Seher der Träume bist und dein Ego sich nicht damit identifiziert. Der Erleuchtungsgeist bleibt sogar im Wachzustand der alleserkennende Seher aller vorübergehenden Geschehnisse. In ihm ist kein Egoismus, und daher sieht er auch im Wachzustand alles wie einen Traum. So verweilt der erleuchtete Geist stets als Erkennender und Sehender von allem.

111. Angst

Jedes Lebewesen im Universum wird von Angst geplagt. Angst kennt jeder, aber fühlt sie normalerweise nur, wenn die entsprechenden Umstände erscheinen. Doch die Menschen leiden vor allem unter wahnhafter Angst. Wahnhafte Angst macht aus einer einzigen Angst hundert Ängste oder erhebt sich sogar dort, wo es keinerlei Grund dafür gibt. Wahnhafte Angst ist zum Beispiel, wenn du einen Gast eingeladen hast, aber das Gefühl entsteht, als würden hundert kommen.

Wie entsteht Angst? Ihre Ursache liegt im persönlichen Widerwillen und in der Abneigung, und sobald darin eine Bedrohung erscheint, dann entsteht die Angst. Warum hat man Angst vor der Polizei? Wegen der persönlichen Abneigung und dem Widerwillen. Warum sollte man sich vor einem Gericht fürchten? Das Gericht selbst ist harmlos, aber deine persönliche Abneigung macht es bedrohlich, und du empfindest Angst. Diese Angst ist stets ein Ausdruck deiner widerwilligen Abneigung, die du im Inneren pflegst.

Gleiches gilt für die Angst vor Schlangen und ähnlichen Tieren. Wenn du das Göttliche in ihnen sehen könntest, müsstest du keine Angst haben. Du begegnest ihnen nur aufgrund der natürlichen Ordnung (von Ursache und Wirkung). Wenn du eine Schlange siehst und keine Angst hast, dann verschwindet sie, ohne dich anzugreifen. Denn nichts wird geschehen, solange du kein offenes Karma-Konto dafür hast.

Alle Wege der Wesen in diesem Rad des weltlichen Lebens sind voller Illusion, und daraus entsteht der Wahn der Angst. Was ist das für eine Angst? Es ist, als würden dich am Abend irgendwelche Gespenster erschrecken, so dass du vor Angst die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommst. Und erst, wenn am Morgen die Sonne aufgeht, verschwindet diese Angst im Licht des Tages. In gleicher Weise existiert auch dein Angstwahn im weltlichen Leben. Der einzige Unterschied zwischen dem Gespenst und den Erfahrungen in der Welt liegt darin, dass die weltlichen Erfahrungen der Angst viel intensiver und länger sind. Diese Angst entsteht aus der persönlichen Abneigung. Aber es gibt keine wahre Gefahr. Wie das Gespenst im Tageslicht, so verschwinden die weltlichen Bedrohungen im Licht der wahren Erkenntnis. Wer Angst hat, vermehrt die Zu- und Abneigung zu Personen oder bestimmten Umständen, und versucht immer wieder, allen Angst-Situationen aus dem Weg zu gehen.

Die wahre Ursache der Angst ist die Unwissenheit über das wahre Selbst, und die Bedrohung entsteht aus dem angesammelten Karma der fünf Sinne und dem Greifen nach einer eigenen Person. Deswegen gehören Angst und Bedrohung zum Wesen jeder körperlichen Person, und durch Unwissenheit bilden sich die karmischen Sinne. Wenn du zum Beispiel in Ruhe beten oder meditieren willst, und plötzlich ein lauter Knall ertönt, dann erschrickst du ganz automatisch, und dein ganzer Körper erbebt. Das geschieht durch die persönliche Identifikation mit dem Körper (und den karmisch aufgeladenen Sinnen).

Was passiert, wenn man sich in Sachen einmischt, die einen nichts angehen? Was geschieht, wenn eine Sekretärin die Unterschrift von ihrem Chef fälscht? Dann trägt sie diese Angst täglich mit sich herum, weil sie ihre Zuständigkeit überschritten hat. Ähnlich handeln auch die Leute in der Welt außerhalb ihrer Zuständigkeit. Die Ego-Unterschrift von „Ich bin Max!“ überschreitet deine Zuständigkeit. Du kennst dein wahres Selbst nicht und übernimmst eine Verantwortung, für die du nicht zuständig bist. Aus diesem Grund hast du ständig so viel Angst in dieser Welt.

Hab Vertrauen (und fälsche nicht die ‚Unterschrift‘ des Selbst), dann wird dir alles von selbst gegeben. Doch die Leute haben Angst und befürchten: „Was geschieht, wenn ich dies oder das nicht bekomme? Oder wenn dies oder das nicht geschieht?“ Das ist alles nur wahnhafte Angst. Was ist die eigentliche Aufgabe des Intellekts? Er sollte alle beruhigen und nicht immer mehr verängstigen. Ein Intellekt, der dir wahnhafte Angst macht, ist unheilsam und sollte verhindert werden, bevor er aufkeimt.

Lieber Freund, wenn du wirklich etwas fürchten möchtest, dann fürchte die Vergänglichkeit! Sie starrt dich jeden Moment in dieser Welt mit großen Augen an. Warum hast du davor keine Angst? Wenn du wirklich die Vergänglichkeit fürchtest und Angst davor hast, dann würdest du ernsthaft den Weg der Befreiung suchen. Aber merkwürdigerweise interessieren sich die Leute nur wenig dafür (sondern glauben an die Beständigkeit).

112. Selbstständigkeit

Jeder Mensch sollte sich selbstständig bewusst werden, was ihm langfristig schadet und was ihn wirklich glücklich macht. Wer sich nicht seiner ‚Selbstständigkeit‘ bewusst ist, versucht, andere zu kopieren und nachzuahmen. Doch wer ist wirklich der Nachahmung wert? Nur einer, der wahrhaft intelligent ist. Aber ringsherum findest du keine Person mit dieser Intelligenz. Denn solange du überzeugt bist „Ich bin Max!“ findest du nirgends das wahre Selbst, sondern nur eine Nachahmung deiner selbst. Allein das Wahre ist der Nachahmung wert. Oder was erwartest du, wenn du etwas Falsches nachahmst? Nur die Verwirklichung der Wahrheit wird das große Rätsel lösen. Und das Wahre ist der erleuchtete Geist, alles andere ist Fälschung. Du solltest niemanden nachahmen. Doch heutzutage ist es Mode, irgendwelche Personen nachzuahmen, wie sie gehen, sprechen, sitzen oder sogar schlafen.

Im goldenen Satya-Zeitalter lebten die Menschen selbstständig bewusst in der Welt, und ihr Verhalten war rein, tugendhaft, aufrichtig und edel. Aber heutzutage hat sich die Untugend überall verbreitet. Wie könnte ihnen auch die wahre ‚Selbstständigkeit‘ noch gegenwärtig sein? Die Leute haben ihr unheilsames Verhalten durch die Beobachtung und Nachahmung anderer Personen erlernt und kümmern sich nicht mehr um das Wahre, das in ihnen ist. Je mehr du dir deiner Selbstständigkeit bewusst bist, umso mehr wird deine Sprache von jeder Anhaftung (und Nachahmung) frei. Sie wird rein und aufrichtig, und die Leute akzeptieren deine Worte, seien es Freunde oder Feinde. Deswegen solltest du dir in jedem Moment deiner wahren ‚Selbstständigkeit‘ bewusst sein. Dazu gehören zwei Dinge, die dir stets gegenwärtig sein sollten: „Wer bin ich?“ und „Was ist heilsam und unheilsam im weltlichen Leben?“ Das wahre Selbst wird dich niemals täuschen oder betrügen. Nur das weltliche Leben ist voller Täuschung und Betrug. Deshalb sei immer wachsam und bewahre deine Selbstständigkeit! Denn wer würde bewusst ein tödliches Gift trinken?

113. Anpassung

Jeder Mensch hat bestimmte Prinzipien im Leben, trotzdem sollte er sich an die jeweiligen Umstände anpassen können. Durch diese Anpassungsfähigkeit an die Lebenssituation verdient der Mensch sein Menschsein. Anpassung ist ein äußerst mächtiges Mittel, und wer sogar fähig ist, sich an alles anzupassen, erreicht die vollkommene Befreiung. Daher passe dich auch an jene an, die sich an dich nicht anpassen wollen! Findest du nicht überall im täglichen Leben fehlende Anpassung zwischen Lebenspartnern, Verwandten, Freunden oder Arbeitskollegen? Wahrlich, wer die Befreiung aus diesem unaufhörlichen Kreislauf von Geburt und Tod sucht, sollte lernen, sich überall anzupassen. Auch im Eheleben, wenn der eine auseinandertreibt, sollte der andere zusammenführen. Nur dann kann eine gute Beziehung bestehen und Frieden herrschen. Wer nicht weiß, wie man sich anpassen kann, wird von den Leuten als Dummkopf betrachtet. Man muss im weltlichen Leben nicht immer stur sein und auf seiner Meinung bestehen. Überall kann man sich anpassen, sogar wenn du bestohlen wirst. Denn die bedauerliche Lage der modernen Menschen gleicht einem Ochsen, der mit verbundenen Augen in einer Ölmühle im Kreis läuft. Wie könnte er entkommen? In gleicher Weise sind auch die modernen Menschen gefangen (und müssen sich anpassen).

Einst wollte ich mich in einem Badezimmer waschen, aber man hatte vergessen, einen Schöpfbecher in den Eimer mit heißem Wasser zu tun. Doch der Weise kann sich überall anpassen. Als ich allerdings versuchte, das Wasser mit der Hand zu schöpfen, war es zu heiß, und der Kaltwassertank war leer. So wartete ich etwas und begann dann langsam, das Wasser zu schöpfen und den Körper damit abzureiben. Meine weisen Freunde fragten sich verwundert, was Dadaji heute solange im Badezimmer macht. Doch was sollte ich tun? Das heiße Wasser brauchte seine Zeit, um abzukühlen, und ich wollte niemandem Unannehmlichkeiten bereiten, mir dies oder das zu holen. Ich wollte mich einfach nur anpassen, denn Anpassung ist Dharma.

In dieser Welt musst du dich an Positives und Negatives anpassen. Dabei wird das Negative positiver und das Positive negativer gemacht. Wenn uns zum Beispiel jemand wegen unserer Weisheit kritisiert, dann sagen wir „Ja, du hast Recht!“ und passen uns (zum Negativen) an.

Wer niemanden verletzt und alle Verletzungen durch andere vergibt, der kann wirklich als Weiser gelten. Er widmet den ganzen Tag dem Wohlergehen aller Wesen. Schon wenn er früh erwacht, denkt er darüber nach, wie allen zu helfen sei. Das ist ein wahrer Mensch, und er wird den Weg zur Befreiung finden.

114. Konflikte

„Begib dich nie in irgendwelche Konflikte und vermeide jeden Streit!“ Wenn du diesem Gebot von uns folgst, wirst du zweifellos die Befreiung erreichen. Deine Entschlossenheit und die Kraft unserer Worte können alles vollbringen. Du musst nur bereit dafür sein. Wer aufrichtig nur eines unserer Gebote befolgt, wird den Weg der Befreiung gehen. Wahrlich, wenn jemand nur ein einziges Wort davon wahrhaft verinnerlicht und verdaut, dem ist die Befreiung nah. Aber man muss es im Ganzen verschlucken, wie es ist, ohne alles zu zerkauen. Denn der Intellekt, der alles unterscheidet, wird hier nicht helfen, sondern das Ganze ruinieren.

Auch wenn du nur einen Tag nach diesem Gebot von uns lebst, wird eine große spirituelle Kraft in dir entstehen. Die Energie und Aura des reinen Selbst wird sich manifestieren. Wahrlich in dir ist so viel Kraft, dass du alle Konflikte und Streitereien vermeiden kannst, die dir begegnen. Wenn du mit denen streitest, die nicht nach Höherem streben, werden sie dich mit hinabziehen. Suchst du Befreiung oder suchst du den Streit mit solchen Leuten? Diese Leute kümmern sich nicht um ihre Befreiung und werden dich in ihre weltlichen Probleme verstricken. Kannst du dir das leisten? Wenn du wirklich Befreiung suchst, dann halte dich von solchen Leuten fern. Du solltest stets nach allen Seiten achtsam und vorsichtig sein, ansonsten wird dich die Welt verstricken und gefangen halten, auch wenn du frei sein möchtest. Überall werden dir Konflikte begegnen, aber du kannst achtsam hindurchgehen, ohne dich zu verstricken. Wir sagen: Wenn deine Hose in einem Dornengebüsch verstrickt ist, und du den Zug der Befreiung abfahren siehst, dann mach dir keine Sorgen wegen der Hose! Lass sie zurück und eile zum Zug! Es lohnt sich nicht, an irgendeinem Konflikt anzuhaften und sich darin zu verstricken. Wo immer du dich verstrickst, verlierst du die Gegenwärtigkeit des reinen Selbst. Und was könntest du gewinnen?

Konflikte können jederzeit entstehen. Falls du aus Versehen hineingerätst, dann löse sie so schnell wie möglich und schließe Frieden. Löse die Konflikte im Leben mit Achtsamkeit und Gleichmut und lass sie nicht eskalieren!

115. Ökonomie

Ökonomie ist Sparsamkeit, wenn das Geld knapp ist, und Freigebigkeit, wenn genügend vorhanden ist. Aber immer mit Vernunft, um jegliche Schulden zu vermeiden. Borge nur, wenn es wirklich zum Überleben oder für das Geschäft nötig ist, aber niemals für irgendwelchen Luxus!

Fragender: Was ist der Unterschied zwischen Gier und Geiz?

Dadaji: Eine geizige Person sorgt sich vor allem um ihr Geld, während eine gierige Person ihre Habgier auf alles Mögliche richten kann. Das kann Geld sein, aber auch Ehre, Respekt oder ähnliches. Sie schaut gierig auf alles, und will alles besitzen. Sie gleicht den Ameisen, die sich auf jeden Insektenflügel stürzen und die Beute in ihren Bau schleppen. Was gewinnen sie durch diese Gier? Sie sammeln einen Vorrat an, der für die nächsten fünfzehn Jahre reichen soll. Ihr einziges Lebensziel ist das Ansammeln. Und wenn sie jemand dabei stört, dann kämpfen sie wie die Ameisen und beißen ihre Feinde. So sammeln sie ihr ganzes Leben, und wenn zufällig eine Ratte des Weges kommt, dann frisst sie den ganzen Vorrat in einer Minute auf.

Fragender: Oh Dadaji, was ist der Unterschied zwischen Geiz und Sparsamkeit?

Dadaji: Da gibt es einen großen Unterschied. Wenn du 1.000 Rupien im Monat verdienst, dann sollten deine Ausgaben ungefähr 800 Rupien sein, und wenn du 500 verdienst, dann ungefähr 400. Das wäre Sparsamkeit. Aber ein Geiziger würde nur 500 Rupien ausgeben, auch wenn er 1.000 oder sogar 2.000 im Monat verdient. So ein geiziger Mensch würde lieber lange Strecken zu Fuß gehen, als ein Taxi zu bezahlen. Gesunde Sparsamkeit ist das Wesen jeder Ökonomie und hilft, zukünftige Probleme zu vermeiden. Eine geizige Person wirkt abstoßend, eine sparsame Person nicht. Aber auch Geiz und Sparsamkeit sind relative Werte. Ein Verschwender wird weder eine geizige noch eine sparsame Person achten. All diese Probleme entstehen aus den gesellschaftlichen Begriffen der Welt. Manche finden es gut, verschwenderisch zu sein, andere lieben ihre Sparsamkeit oder ihren Geiz. All das sind angeborene Neigungen, die auch mit aller Mühe nur schwer zu ändern sind. Es sind Eigenschaften, die dem Wesen der Natur entsprechen. Wichtig ist es, in allem die Normalität (auf Basis der gesunden Vernunft) zu bewahren.

Soweit es ‚Dada‘ betrifft, selbst wenn ihm Kanubhai etwas Geld in die Tasche steckt, er würde es vielleicht für ein Taxi oder ein Bahnticket ausgeben. Er hat keine Neigung zum Geldausgeben oder Nichtausgeben. Da ist nichts bedacht oder geplant. Geld sollte niemals verschwendet werden, man sollte es nutzen, wenn es nötig ist. Wir sind sowohl penibel und sparsam als auch freigebig, aber dennoch höchst anpassungsfähig. Für das Wohl aller sind wir freigebig, für uns selbst sparsam und während der Belehrung penibel. Und das merken die Leute, dass wir penibel mit den Worten umgehen. Unsere Ökonomie ist anpassungsfähig und höchst vorzüglich. Sogar das Wasser verwenden wir sparsam. Und diese Eigenschaften sind für uns ganz natürlich und spontan.

116. Leidenschaft

Über die sinnliche und sexuelle Leidenschaft gibt es ein großes Missverständnis in der Welt. Die Schriften sagen, die Leidenschaft sei ein Gift, das die höchste Befreiung verhindert. Und viele Leute stimmen dem zu. Doch wir sagen, nicht die Leidenschaft ist das Gift, sondern wenn der Respekt und die Furcht vor der Leidenschaft fehlen, das ist das Gift. Deshalb sei stets achtsam mit der Leidenschaft! Denn der furchtlose Genuss einer Leidenschaft wird schnell zum Gift.

Wann kannst du wirklich furchtlos sein? Wenn du zum Beispiel irgendwo sitzt und nicht instinktiv deine Beine hochziehst, wenn zwei oder drei giftige Schlangen zu deinen Füßen kriechen. Wenn du bei diesem Anblick keine Furcht hättest und deine Füße nicht wegziehst, dann wäre das ein Zeichen der Allwissenheit. Aber solange du diese Vollkommenheit nicht hast, schreckst du furchtvoll zurück. Das sei dir ein Indikator, inwieweit du dich der sinnlichen und sexuellen Leidenschaft furchtlos hingeben solltest. Wenn du furchtlos den tödlichen Schlangen begegnen kannst, dann kannst du auch furchtlos jeder Leidenschaft begegnen. Aber solange du die Schlangen fürchtest, solange fürchte auch die Leidenschaften und hüte dich vor ihnen! Hab stets Respekt vor dem Gift der Leidenschaft! Sogar Lord Mahavir fürchtete die Leidenschaften, und auch ich fürchtete sie. Denn (ohne vollkommene Selbsterkenntnis bzw. Allwissenheit) in der Leidenschaft furchtlos zu sein, wäre eine gefährliche Respektlosigkeit.

Die Welt sagt, dass die sinnliche und sexuelle Leidenschaft die Befreiung verhindert. Hey, das stimmt nicht! Leidenschaft heißt, sich für die Dinge der Welt zu interessieren. Und die Welt ist voller Dinge und damit voller Leidenschaften. Wenn die Leidenschaft also die Befreiung verhindert, dann könnte niemand in der Welt Befreiung erreichen. Wenn Lord Mahavir die Leidenschaften besiegen und Befreiung erreichen konnte, warum sollten sie für dich ein unüberwindbares Hindernis sein? Es sind nicht die Leidenschaften der Welt, die deine Befreiung verhindern, sondern deine inneren Hindernisse. Lord Mahavir verweilte ohne Anhaftung in dieser Welt der endlosen Leidenschaften und erreichte die Befreiung. Denn in Wahrheit ist das reine Selbst frei von jeder Anhaftung an die Dinge der Welt. Es sind die Gedanken, die Worte und der Körper, die sich in die Dinge der Welt mit Leidenschaft verstricken. Wenn sich diese Anhaftung löst, kann man auch inmitten der zahllosen weltlichen Leidenschaften als reines Selbst verweilen und die Befreiung erreichen.

Wie kann sich das Selbst, das von jeder Anhaftung frei ist, durch die körperlichen Sinne an den Dingen der Welt erfreuen? Wäre das Selbst der Genießer der Dinge, dann wäre die Leidenschaft eine wesentliche Eigenschaft des Selbst, und es könnte keine Befreiung davon geben. Eine solche Verbindung wäre ein Widerspruch und gegen die Prinzipen der Elemente. Das Selbst kann sich niemals an einer Leidenschaft erfreuen. Nur das Ego behauptet durch die Illusion der Unwissenheit: „Ich habe dies oder das erlebt und genossen!“ Das ist der Grund für alle Verwirrungen und die Verstrickung in die Welt. Wenn diese Illusion zerbricht und verschwindet, kann man frei von Leidenschaft auch inmitten der endlosen Dinge der Welt verweilen.

Was ist Leidenschaft? Leidenschaft ist alles, was den Geist begeistert (und Leiden schafft). Worin auch immer sich Denken, Sinnesbewusstsein, Intellekt und Ego verstricken, das ist Leidenschaft. Worin man sich verliert, das ist Leidenschaft. Es ist ganz natürlich, sich über die Dinge der Welt Gedanken zu machen, denn Gedanken sind das Sprießen deiner angesammelten Knoten. Aber sich darin zu verlieren und im Genuss zu versinken, das ist Leidenschaft, die dir Leiden schafft. Leidenschaft ist alles, was du von Anfang bis Ende genießen willst. Leidenschaft ist kein eigenständiges Ding, sondern eine wesenhafte Kraft deiner angesammelten Körperlichkeit (der vielen kleinen Teilchen, die eine Person angezogen hat). Was auch immer du an Karma mit den Taten deines vergangenen Lebens durch persönliche Anhaftung angesammelt hast, die entsprechenden Auswirkungen werden dir begegnen. Und wenn du dich mit der gleichen Anhaftung damit identifizierst und verstrickst, das ist Leidenschaft. Diese Leidenschaft kann alles Mögliche sein. Manche hegen ihre Leidenschaft für Geschichte, Geographie oder sogar für Askese und Weltentsagung. Sobald du an deinen Taten anhaftest, wirst du leidenschaftlich. Wie willst du mit Anhaftung jemals Befreiung erreichen? Nur ohne Anhaftung ist wahre Befreiung möglich.

Das, was dir immer wieder in den Sinn kommt, das ist Leidenschaft. Es ist nichts Schlechtes daran, Süßigkeiten oder schmackhaftes Essen zu verzehren, aber wenn du ständig an sie denkst und sie begehrst, das ist Leidenschaft. Wenn du einen Film angeschaut hast und nicht immer wieder darüber nachdenkst, dann wäre es keine Leidenschaft. Aber sobald dir die Szenen des Films ständig in den Sinn kommen, dann bist du darin verstrickt, und das ist Leidenschaft. Wenn die Erinnerung nicht wieder dahin zurückkehrt, dann hat sich alles Angesammelte entladen. Doch wenn du dich immer wieder daran erinnerst, dann bist du darin verstrickt und versunken, und das ist Leidenschaft.

Wieviel Arten der Leidenschaft gibt es? Unendlich viele! Wenn du eine Rose im Garten siehst, und danach greifst, das ist bereits Leidenschaft. Wenn du immer wieder an Diamanten denkst, das ist Leidenschaft. Und wenn du dann einen besitzt, aber nicht weiter daran denkst, dann hätte sich diese Leidenschaft in Gelassenheit aufgelöst. Aber gewöhnlich geht er dir nicht aus dem Sinn, und das ist Leidenschaft. Wünsche sind eine natürliche Sache, aber leidenschaftliche Begierde ist schädlich und ein großes Hindernis auf dem Pfad der Befreiung. Frauen mögen nach schönen Kleidern schauen, aber endlos daran zu denken, das ist Leidenschaft. Und wo immer die Leidenschaft regiert, dort gibt es viel Streit.

Wer den Pfad der Befreiung geht, wird auf viele angesammelte Leidenschaften treffen. Doch unser Pfad von „Dada Bhagwan“ (dem „göttlichen Vater“) lässt dich ohne Anhaftung auch inmitten der zahllosen Leidenschaften der Welt verweilen. Die Leidenschaft sollte man weder verehren noch zornvoll ablehnen. Wie begegnest du den giftigen Schlangen? So vorsichtig solltest du mit der Leidenschaft sein. Bleib stets achtsam und werde nie leichtsinnig! Solange du das reine Selbst nicht verwirklicht hast, werden dich die sinnlichen und sexuellen Leidenschaften nicht verlassen, weil das Ego regiert und du glaubst, der persönlich Handelnde zu sein.

Nur wer in der Leidenschaft ohne Anhaftung bleibt, weiß auch, was ein Befreiter ist. Wer jedoch von Zorn, Stolz, Täuschung und Begierde beherrscht wird, wie könnte er einen Befreiten verstehen? Auch wenn man es schaffen würde, alle Leidenschaften in diesem Leben zu unterdrücken, solange man keine Selbstverwirklichung erreicht, werden die Leidenschaften im nächsten Leben wiederkommen. Denn ohne Selbsterkenntnis kann es keine Befreiung von den Leidenschaften geben.

Die Hingabe an die Leidenschaft erzeugt immer mehr Leidenschaft. Die Begierde erzeugt Zorn, und der Zorn erzeugt Begierde. Begierde ist der Gegensatz von Zorn, und wo die Gegensätze herrschen, dort herrscht auch die Leidenschaft. Gott sagt, alles, was nicht unter der Herrschaft des Selbst (bzw. Selbstkontrolle) steht, ist Leidenschaft. Es ist das Ego, das behauptet: „Ich genieße den Sex!“ Wenn du wirklich der Genießer wärst, dann würde dich der Genuss auch völlig befriedigen. Aber so ist es nicht. Leidenschaft kann niemals deine Leidenschaft befriedigen. Leidenschaft ist zunächst nur eine Auswirkung der angesammelten Körperlichkeit (der vielen kleinen Teilchen, die eine Person angezogen hat). Deshalb kümmert sich auch jedes Sinnesorgan um seine eigenen Leidenschaften. Oder könnte das Ohr die Süße der Eiscreme schmecken? Solange es nur eine Auswirkung der Körperlichkeit ist, ist es noch keine Leidenschaft, aber wenn du dich darin verstrickst und damit persönlich identifizierst, dann ist es Leidenschaft. Die fünf Sinne haben daran keine Schuld, sie geben nur die Nachrichten weiter. Deshalb sagen wir: Wer die Leidenschaften nur unterdrückt, ist noch kein Erleuchteter. Ein Erleuchteter ist der alleserkennende Seher, dessen Erkenntnis eins mit dem Erkennenden geworden ist. Und das sagte auch Lord Mahavir.

Wie entsteht sexuelle Leidenschaft? Man schaut eine Frau wollüstig an und ist gefangen. Doch schaut man jede Frau wollüstig an? Nein, manche sind anziehend, andere neutral oder abstoßend. Da stimmt etwas nicht, denn wenn der Grund für die Wollust allein der Anblick einer Frau wäre, dann müsste das immer so sein. Und das ist es offensichtlich nicht. Praktisch ist es eine Wirkung der angesammelten Körperlichkeit (der kleinen Teilchen inklusive Karma), die sich gegenseitig anzieht oder abstößt. Solange es noch eine Winzigkeit von diesem leidenschaftlichen Körpergefühl in dir gibt, wird deine Sprache (und sonstiges Verhalten) nicht frei von Gewalt sein.

Es ist bemerkenswert, dass sogar die Tiere nicht so häufig Lust auf Sex haben wie die Menschen. Wenn diese sexuelle Leidenschaft wirklich wesenhaft wäre, warum spürst du dann bei deiner Mutter nicht die gleichen Gefühle wie bei anderen Frauen? Das liegt daran, weil diese Leidenschaft nichts Wahres ist, sondern eine Illusion. Und deshalb können wir dir den Weg zeigen, diese Leidenschaft aufzulösen. Die Leidenschaften funktionieren wie automatische Kameras. Verstricke und verliere dich nicht in ihren Film! Betrachte sie als reines Selbst, und du wirst erkennen, dass es in Wahrheit gar keine Leidenschaften gibt. Viele Asketen des Zölibats waren in dieser Frage verwirrt und konnten es nicht verstehen. Alles, worin sich ein Mensch verstrickt, wird zur Leidenschaft und macht ihn nach allen anderen Seiten blind. Das nennt man die Verblendung aus Leidenschaft. Wer lieber sterben würde, als um die Befriedigung seiner Leidenschaft zu betteln, kann wahrlich diese Welt besiegen. Das wäre ein echtes Zeichen für ein würdevolles Menschenleben.

Ein unausgeglichener Körper (bzw. Geist, im ayurvedischen Sinne krank) ist wesentlich anfälliger für Leidenschaften als ein zufriedener und ausgeglichener. Aus der Leidenschaft selbst entstehen noch keine Krankheiten, aber sobald das Feuer der Begierde auflodert, lädt man die Krankheiten ein. Warum tadeln die Leute die Leidenschaft? Sie sollten die Begierde tadeln. Denn die Leidenschaft selbst ist unschuldig, und die ganze Schuld liegt bei der Begierde. Wenn die Leute darauf bestehen, dass ihr Essen so oder so gekocht und scharf gewürzt sein muss, dann ist das Begierde. Daraus entstehen Leidenschaften und Krankheiten. Und die Ursachen für diese Krankheiten sind Zorn, Stolz, Täuschung und Begierde.

Der Mensch erfreut sich an der erotischen Leidenschaft wegen der innerlich quälenden Unzufriedenheit, die er befriedigen will. Würdest du aufrichtig darüber nachdenken, könntest du diese Leidenschaft auflösen. Oder würdest du noch erotische Anziehung fühlen, wenn du dir den Körper ohne Haut vorstellst? Die Haut ist nur eine schöne Verpackung, nicht wahr? Und der weiche Bauch ist ein Behälter für stinkende Exkremente. Wenn man ihn öffnen würde, kämen jede Menge Gedärme heraus. Und würdest du die Hand auch so zärtlich berühren, wenn die Haut abgezogen und alles blutig und voller Eiter wäre? All das funktioniert, weil man nicht darüber nachdenkt. Dieses blinde Verlangen ist eine Art Wahnsinn und kann zur Sucht werden, wenn man nicht aufrichtig darüber nachdenken will. So führt die Leidenschaft zu geistiger Verwirrung und inneren Leiden.

Wenn du Tee trinkst, nachdem du Süßigkeiten gegessen hast, dann findest du ihn geschmacklos, nicht wahr? Täuscht dich da der Tee? Nein, obwohl der Tee gesüßt ist, schmeckst du die Süße nicht mehr, weil du zuvor etwas noch Süßeres gegessen hast. In gleicher Weise geben wir dir die Erkenntnis, die so unvergleichlich süß ist, dass alle weltlichen Sinnesfreuden, die vorher so süß waren, geschmacklos werden. Es heißt auch, dass der süße Pudding bitter schmeckt, wenn man Malaria hat, weil der Mund bitter wurde. Sollte man den Pudding beschuldigen? Nein! In gleicher Weise wirst du erfahren, dass durch unsere außerordentliche Erkenntnis das Feuer der Begierde abkühlt, und die Leidenschaften der Welt allmählich ihren Geschmack verlieren. Dieser Geschmacksverlust ist wie ein Thermometer, das das sinkende Fieber deiner Leidenschaften anzeigt.

Auch auf dem natürlichen Pfad der spirituellen Entwicklung verlieren die Leidenschaften ihren Geschmack, aber vor allem durch die persönliche Anstrengung des Egos, so dass sie wieder zurückkehren werden. Auf unserem außerordentlichen Pfad gibt es dieses Hindernis nicht, und inmitten des Ozeans der Leidenschaften bleiben wir vollkommen ohne Anhaftung. Diese Freiheit von Anhaftung gleicht den Wassertropfen, die von den Blättern der Lotusblüten perlen. Wir haben sogar die Anhaftung an diesen Körper aufgegeben, so dass uns nichts mehr verstricken kann. Jegliches Besitzgefühl hat sich aufgelöst. So lösen wir auch jedes Besitzgefühl all unserer großen Seelen (die Mahatmas) auf, damit sie wie reine Lotusblüten im See der Leidenschaften leben können. Denn es ist die körperliche Person, die nach den Dingen der Welt greift, und sobald du dich damit identifizierst, gibst du deine Ego-Unterschrift und sammelst Karma an. Wenn du es nicht persönlich bestätigen würdest, könntest du als erkennender Seher verweilen und wärst vollkommen frei.

Einige Leute fragten mich, warum ich immer den gleichen Mantel anziehe, und ich antwortete: „Das ist Leidenschaft ohne Leiden.“ Denn es gibt zwei wesentliche Arten der Leidenschaft, mit und ohne persönliche Anhaftung, das heißt, mit und ohne Leiden. Die Leidenschaft, bei der es kein Jota an Anhaftung, Verlangen oder Begierde gibt, ist ohne persönliches Leiden. Während eine Leidenschaft, in die man sich geistig verstrickt, der Person viel Leiden bringt. Der Mensch versinkt in dieser Leidenschaft, wird diesbezüglich immer blinder und verliert sich darin (bis zur krankhaften Sucht).

Nur das reine Selbst ist völlig frei von Leidenschaft. Dagegen ist die Welt voller Leidenschaften, und die Leute verehren die Leidenschaften entsprechend ihren Neigungen. Zum Beispiel verehrt ein Asket die Leidenschaft der Buße, ein Weltflüchtling die Leidenschaft des Verzichts, die Lehrer die Leidenschaft des Belehrens und ein Weltmensch die Leidenschaft der Welt. Und sie alle sind der Meinung: „Ich bemühe mich auf rechte Weise!“ Sie sollten mal einen Erleuchteten fragen, was rechte Bemühung bedeutet. Ach, sie glauben, dass sie mit freiem Willen handeln, obwohl sie in Wirklichkeit von ihrer Leidenschaft dazu gedrängt werden. Sie verehren die Leidenschaft und wollen sich selbst darin finden, obwohl das Selbst völlig frei von Leidenschaft ist. Mein Freund, das wird nicht zum Ziel führen! Was immer du mit dem Ego tust, dich darin verstrickst und identifizierst und die Normalität verlässt, das ist alles Leidenschaft. Die Leute erkennen diese Wahrheit nicht und verirren sich auf Abwegen. Wir beschuldigen sie damit nicht, aber wir sagen, wie es ist, und diese Worte fließen nur aus großem Mitgefühl. Warum sonst sollten wir als Erleuchtete so strenge Worte verwenden? Was sollen wir tun? Wegen dieses dunklen Zeitalters können die Leute den rechten Pfad nicht mehr finden. Nur deshalb sprechen wir so strenge Worte. Darüber hinaus ist der erleuchtete Geist ein Ozean an Mitgefühl.

Die sinnliche oder sexuelle Leidenschaft sollte niemals eingeladen oder gesucht werden. Man sollte sich hier wie ein Vegetarier verhalten, der von der Polizei verhaftet wurde und nach zwei Hungertagen das angebotene Fleisch essen muss, weil es nichts anderes gibt. Dann ist es kein Vergehen, wofür man schuldig gemacht werden sollte. Wahrlich, der Leidenschaft sollte man nur nachgeben, wenn es keinen Ausweg mehr gibt. Nicht jede Leidenschaft lässt sich vermeiden. Oder möchte jemand freiwillig von der Polizei verhaftet werden? Eine Leidenschaft, die dich gezwungenermaßen trifft, ist noch keine leidvolle Leidenschaft. Aber wenn man sich daran erfreut und ständig darüber nachdenkt, dann ist es eine Leidenschaft, die dir zukünftiges Leiden schafft, auch wenn äußerlich noch gar nichts geschehen ist. Das ist göttliche Gerechtigkeit. Wenn der Körper eine Leidenschaft genießt, dann ist es eine Entladung, aber wenn sich dein Geist persönlich daran erfreut, dann werden neue Samen des Karmas angesammelt, die sich aufgrund der natürlichen Ordnung von Ursache und Wirkung zukünftig wieder in Leidenschaften manifestieren. So entstehen die endlosen Qualen der Leidenschaft in dieser Welt. Wenn du besonders reizende Kleider anziehst, um andere zu verführen, wirst du bei ihnen zur Ursache für karmische Samen, und diese Schuld musst du irgendwann zurückzahlen. Auch wenn du die Leidenschaft nur mit dem Intellekt in Gedanken hegst, wird es dir Unreinheit bringen. Worin immer du dich verstrickst und verlierst, das ist Leidenschaft.

Leidenschaften, die du gewöhnlich mit halbwachem Bewusstsein pflegst, sind schlimmer als unbewusstere Leidenschaften. Denn das halbwache Bewusstsein hat die Neigung zur Anhaftung und Abneigung und wird nicht loslassen, selbst wenn du davon frei sein willst. Dagegen haben die unbewussteren Leidenschaften nur wenig Anhaftung, und wenn du sie wirklich loslassen willst, werden sie gehen. Das liegt in deiner Macht.

Die Lebensspanne hängt von der Anzahl der Atemzüge ab und verkürzt sich entsprechend, wenn man schneller atmet. Zorn, Stolz, Anhaftung, Begierde, Aufregung und Täuschung beschleunigen den Atem, und das vor allem während der sexuellen Leidenschaft. Deswegen sagen wir den Menschen in der Welt: Wenn ihr nichts anderes tun könnt, dann seid wenigstens mit Geld und Samen sparsam! Um diese beiden scheint sich die ganze sinnliche Welt zu drehen. Auch der Alkohol ist unheilsam, weil er zur Leidenschaft verführt. Darüber hinaus gibt es zahllose weitere Leidenschaften, die man auch in Millionen Leben nicht erschöpfen kann. Wir haben unsere großen Seelen (die Mahatmas) unempfänglich dafür gemacht, auch wenn sie in dieser Welt der Leidenschaften leben.

Die Leute leben nicht wegen der sinnlichen und sexuellen Leidenschaften, sondern wegen ihres Egos, das sich damit ernähren und bestätigen will. Was auch immer das Ego an Leidenschaften angesammelt hat, das manifestiert sich in all den vielen Teilchen dieses Körpers. In unseren großen Seelen haben wir das Ego, das nach den Leidenschaften greift, vernichtet, und so existiert nur noch das aufgeladene Karma (der Körperlichkeit), das sich nun entlädt und entsprechende Früchte trägt. So werden sie zwar noch auf das bereits angesammelte Ego der Leidenschaft treffen, aber kein neues mehr ansammeln. Wenn das äußere Ego aufgelöst und alles Karma (der Körperlichkeit) entladen ist, wird auch der persönliche Körper verschwinden. Und wenn jedes kleine Teilchen dieses Körpers entladen ist, erreicht sogar der Körper die Befreiung.

Weltlich orientierte Menschen verwechseln gewöhnlich das Auf- und Entladen von Karma und glauben, dass sich ihr Karma entlädt, obwohl es sich in Wirklichkeit gerade auflädt. Sie haben kaum eine Ahnung, wo und wie ihr neues Karma entsteht. Das ist eine sehr subtile Sache, die schwer zu verstehen ist. Die ganze Welt kennt die Leidenschaften, doch sie kennen nur jene, die sie studiert haben, und selbst darin versinken sie noch. So gibt es für weltliche Menschen oft nur die fünf Leidenschaften (der fünf Sinne), während es in Wirklichkeit unendlich viele gibt. Denn jeder, der die Normalität nach oben oder unten verlässt, wird leidenschaftlich, und das heißt, er sucht das weltliche (illusionäre) Wissen und nicht die (wahre) Erkenntnis des Selbst.


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