Pushpak Nalas und DamajantiZurück WeiterNews

Zwanzigster Gesang

An Flüssen, Wäldern, Bergshöhen,
An vielen Landesseen auch,
Eilt in kurzem vorbei jener,
Wie ein Vogel die Luft durchfliegt.
Als der Wagen dahingleitet,
Sah Rituparnas nun, der Fürst,
Auf die Erde sein Kleid fallen,
Der Bezwinger der Feindesstadt
Auf Eile sehr bedacht aber,
Weil gefallen sein Oberkleid:
„Holen will ich's“ so rief Nala'n
Der hochgesinnte König zu;
„Drum halte an, o Großgeist'ger!
Die Pferde, die so schnellen Laufs,
Daß Wârschnêjas mir aufhebe
Das gefallene Oberkleid.“
Erwidernd sprach zu ihm Nalas:
Weit von hier kann es liegen nur,
Eine Meile vorbei sind wir
Seitdem, zu holen ist's nicht mehr. —

Von Nalas angeredt also,
Naht Rituparnas nun, der Fürst,
Einem Wibhîtaka-Baume,
Der voll Früchte im Walde dort.
Diesen erblickend, sprach eilend
Der König so zu Wâhukas:
Meine Stärke auch sieh, Fuhrmann,
Die im Zählen vorzügliche;
Alle Alles ja nicht wissen,
Denn Allwissende gibt es nicht;
Nicht in einzigem Mann wohnet
Alle Wissenschaft ganz und gar.
Was auf dem Baume für Blätter
Und wieviel Früchte, sag' ich dir;
Die gefallnen zuerst aber,
Eines über ein Hundert sind's;
Eines darüber der Blätter,
Der Früchte eine drüber auch.
Und die Blätter von zwei Ästen
Des Baums, fünf Millionen sind's.
Nimm zusammen die zwei Äste,
Die Zwischenäste noch dazu,
Frucht' enthalten sie zwei tausend,
Hundert weniger fünfe dann.
Hierauf den Wagen anhaltend,
Sprach zum Könige Wâhukas:

Unbegreifliches, o König,
Sagst du, o Feindbezwinger, mir!
Machen werd' ich es anschaulich,
Durchzählend den Wibhîtaka.
Ist durchzählet der Baum, König!
Schwindet die Unbegreifbarkeit.
Vor deinen Augen, „Weltherrscher,
Zähl' ich itzt den Wibhîtaka;
Denn ich kann ja nicht einsehen,
Ist es so, oder ist es nicht.
Die Früchte werd' ich drum zählen,
Indem du zusiehst, Menschenherr!
Einen Augenblick nur halte
Wârschnêjas mir die Rosse an. —

Zu ihm sagte der Fürst aber:
Zeit ist hier zu verlieren nicht. —

Wâhukas sprach zu ihm wieder,
Der von Eifer ergriffene:
Nur einen Augenblick harre,
Oder eilst du, Erhabener,
Dies ist der rechte Weg, gehe,
Wârschnêjas ist dein Fuhrmann ja. —

Mit einschmeichelnder Red' aber
Sprach der König also hierauf:
Auf der Erde ist dir keiner
Gleich als Lenker des Viergespanns,
Durch dich hoff ich, o Roßkund'ger!
Widarbha zu erreichen nur;
Deiner Zuflucht genaht bin ich,
Störung wollest du machen nicht!
Gerne will ich dir tun alles,
Was du begehrest, Wâhukas,
Wenn, Widarbha erreicht heute,
Du die Sonne mir zeigen wirst. —

Wâhukas sprach hierauf wieder:
Erst zähl' ich den Wibhîtaka,
Nach Widarbha sodann fahr' ich;
Diesem Worte begegne du: —

Wider Willen dann sprach „zähle“
Der Machthaber von Kôsala,
„Eine Stelle des Asts zähle,
Schuldreiner! die bezeichnete;
Zähle solche, o Roßkund'ger,
Und empfinde Befriedigung.“
Es sprang vom Wagen flugs Nalas,
Und zählte den Wibhîtaka,
Und von Staunen erfüllt sprach er
Diese Worte zum Könige:
Wie du sagest, so ist's grade,
So viel fand ich der Früchte hier;
Die wunderbarste Kraft hab' ich
Gesehn, König! die du bewährt.
Zu erfahren die Kunst wünsch' ich,
Wodurch du dies vollbringest, Fürst!
Zu ihm sagte der Erdherrscher,
Der in Eile begriffen war:
Ich bin der Würfelkunst kundig
Und im Zählen erfahren sehr. —

Und Wâhukas hierauf sagte:
Nun diese Kunst verleihe mir!
Von mir kannst du die Roßkunde
Empfangen, Herr der Männer dann!
Rituparnas hierauf sagte,
Der Fürst, ob des Geschäftes Drang
Und aus Begier zur Roßkunde:
„Also sei es“, zu Wâhukas,
„Wie du sagtest, empfangen magst du
Die Würfelkunde nun von mir,
Und als Ersatz die Roßkunde
Mir dagegen erteilen so.“ —

Fürst Rituparnas sprach dieses
Und lehrt Nala'n die Kunst hierauf.
Als er der Würfelkunst kundig,
Verließ Kalis den Körper sein,
Des Karkôtakas Gift speiend,
Das herbe, aus dem Munde stets.
Und auch des Kalis Fluchsflamme,
Des gequälten, entwich anitzt,
Wodurch der Fürst gequält lange
Seiner Seele entrücket war.
Seine Gestalt auch nahm wieder,
Frei vom Gifte, nun Kalis an;
Fluchen wollt' ihm erzürnt Nalas,
Der Gebieter von Nischadha;
Zu ihm sagte voll Furcht aber
Kalis, zitternd in Demut so:
Den Zorn bändige, Mannherrscher,
Ruhm verleihe ich, großen dir;
Erzürnt hat mir geflucht vormals
Indrasêna's Erzeugerin,
Als verlassen von dir jene,
Seitdem mußt ich gequält sehr,
Fürst der Kön'ge, in dir wohnen,
Schmerzvoll, o Unbesiegter, du!
Das Gift des Schlangenfürsts hat mich
Täglich, nächtlich gebrannt stets.
Deinem Schutze genaht bin ich,
Höre itzo ein Wort von mir:

Wer auf der Erde dich preiset
Von den Menschen ohn' Unterlaß,
Den wird, zum Lohne, Furcht niemals
Schrecken, welche durch mich erzeugt,
Wenn du mir itzt, den Furcht quälet,
Dem flehenden nicht fluchen willst. —

So wie vernommen dies Nalas,
Hemmte der König seinen Zorn;
Dann trat von Furcht erfüllt Kalis
Ein in einen Wibhîtaka,
Kalis, der andern unsichtbar,
Als er sprach dort mit Naischadhas.
Der Fürst, von Not befreit demnach,
Der Heldbezwinger Naischadhas,
Als nun verschwunden war Kalis,
Als die Früchte des Baums gezählt,
Mit hoher Wonn' erfüllt stieg er,
Großen Glanzes begabet auch,
Auf den Wagen und fuhr weiter
Mit den Rossen, die schnellen Laufs.
Jener Wibhîtakas aber
War ob Kalis verrufen nun. —

Die edlen Rosse, auffliegend
Gleichwie Vögel, so für und für,
Treibet Nalas der Weltherrscher
Mit erfreutem Gemüte an,
Gegen Widarbha zu eilend,
Großen Ruhmes begabt der Fürst.
Wie nun entfernet war Nalas,
Ging auch Kalis sogleich nach Haus.
So war von Not befreit Nalas,
Der Gebieter der Erde nun,
Befreit von Kalis auch, aber
Seine Gestalt vermissend noch.


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