Pushpak Nalas und DamajantiZurück WeiterNews

Dreizehnter Gesang

Als vernommen die Reizvolle,
Was der Führer verkündet ihr,
Mit dem Zuge zugleich ging sie,
Voll von Sehnsucht nach dem Gemahl.
Nach langer Zeit hierauf aber,
Im großen Walde, grauenvoll,
Vielbeglückend ein Teich bot sich,
Lotos-umduftet, ausgedehnt,
Ihren Blicken dar, anmutig,
Sein Strand Gras- und Gehölze-reich,
An Blumen reich, so wie Früchten,
Von Vögeln mancher Art besucht,
Mit frischer Flut das Herz fesselnd,
Wegen des Wassers Lieblichkeit.
Weil die Pferde bereits müde,
Dachte dem Teich zu nahn der Zug.
Mit Einwill'gung des Anführers,
Den schönsten aller Haine dann
Betritt der Zug, der zahlreiche,
Ruht am westlichen Strand des Teichs.
Aber um Mitternachtsstunde,
Der lautlosen und feuchten dann,
Kam, da müde der Zug schlummert,
Von Elefanten eine Schar,
Um zu trinken am Bergstrome,
Trübend ihn durch der Schläfe Saft,
Sah den schlafenden Zug dorten,
Des Zuges Elefanten auch.
Als sie jene gesehn aber,
Zahmen der wilde Elefant,
Stürzten heran sie mordgierig,
Austräufelnd ihrer Schläfe Saft.
Der Anstürmenden Drang aber,
Unwiderstehbar war er ganz,
Wie losgeriß'ner Berggipfel,
Stürzend von Bergeshöh' herab.
Als zerstöret den Weg Bäume,
Die der Rennenden Andrang brach,
Nah dem zerstörten Weg schlafend,
Am Lotos-Teich, den Kaufmannszug,
Plötzlich zertraten sie diesen,
Welcher Widerstand leistet nicht.
„O weh! weh!“ diesen Laut stöhnten
Die Kaufleute, die fliehenden,
Zu Gebüschen des Walds laufend,
In Menge, schlafestrunken noch.
Mit Rüssel der, mit Zahn dieser,
Mit Füßen ward zermalmet der;
Ihres Kamels beraubt viele,
Die dem Fußvolke beigemischt,
Eilig, von Furcht gescheucht, flohen,
Fördern einer des andern Tod.
Jammervolles Geschrei machend,
Stürzten zu Boden viele hin;
Bäum' erklimmen in Furcht andre,
Fielen auf ungebahntem Weg.

So auf vielerlei Art wurde,
Wie es des Schicksals Fügung war,
Vom Elefantenheer dorten
Zerstört der reiche Kaufmannszug.
Ein schreckliches Geschrei füllte
Die drei Welten mit Furcht anjetzt:
„Ein Feuer tobt, ein wehvolles!
O rettet, rettet euch gesamt!
Zertreten dies Gestein seht ihr!
Nehmt doch! was lauft von dannen ihr?
Gemeinschaftliches Gut ist es,
Eitle Rede sprech' ich nicht!“
Dies und jenes sich zurufend,
Flohen von Furcht gescheucht sie. —

Dieweil dorten nun solch Blutbad
Die Kaufleute erduldeten,
Erwacht die Fürstin vom Schlafe
Mit Schreck-erschüttertem Gemüt,
Sah ein Morden allda wüten,
Das die Welten mit Furcht erfüllt.
Was nie gesehn zuvor, sehend,
Die Frau mit Lotos-gleichem Aug,
Unverzüglich, die Trostlose,
Sprang sie auf, ganz von Furcht erschöpft.
Die entronnen dem Blutbade,
Der Menge, ein'ge unverletzt.
Diese sprachen gesamt jetzo:
Von welchem Tun ist dies die Frucht?
Verehrt haben wir nicht wahrhaft
Manibhadras, von hohem Ruhm,
Den Jakschafürsten nicht ferner,
Waisrawanas, den sel'gen Herrn. (1)
Nicht ehrt, wer nicht verehrt standhaft,
Nicht, wer verehrt zum erstenmal.
Oder der Vögel Frucht ist es,
Eine feindsel'ge Frucht fürwahr!
Sind Planeten uns nicht feindlich?
Was sonst wäre dies für Geschick?
Andre sprachen der Elenden,
Der Verwandten, des Guts beraubt:

Die sich heute dem Zug anschloß,
Ein Weib ganz närrisch anzusehn,
Mit Mienen, welche ganz scheußlich,
Eine Gestalt, die menschlich nicht;
Sie hat veranlaßt dies Schrecknis
Vorhin, das gar zu gräßliche;
Râkschasin ist die Furchtbare, (2)
Wo nicht Jakschin, Pisâtschin auch.
Ihr allein ist die Schuld gänzlich;
Es ist gar nicht zu fragen hier!
Wenn wir sähen die Sündhafte,
Die dem Zuge solch Leid gebracht,
Mit Staub würden und Erdschollen,
Mit Rohr, Stöcken und Fäusten auch,
Wir unverzüglich sie töten,
Die sich am Zug versündiget. —

Damajanti, gehört habend
Diese Rede, die drohende,
Beschämt, furchtsam und voll Schrecken,
Floh sie alsbald dem Walde zu.
Vor jener Sünde sich fürchtend,
Sprach sie klagend ihr Leiden aus:
Wird über mir denn stets walten
Des Schicksals schreckenvoller Zorn?
Will denn kein froh Geschick folgen?
Welcherlei Tuns war dies die Frucht?
Mir gedenket kein Leid irgend,
Das ich irgend wem angetan,
Durch Tat, Gedanken und Rede;
Welcherlei Tuns war dies die Frucht?
Aus früherer Geburt wahrlich
Büß' ich jetzo ein groß Vergehn;
In dies endlose, wehvolle
Leiden bin ich gesunken drum;
Den Gatten und das Reich missend,
Getrennt von den Meinigen,
Von dem Gatten getrennt also,
Von den Kindern geschieden auch,
Herrenlos in dem Wald wohnend,
Wo der Tiger in Menge haust. —

Aber Tages darauf klagten
Die Geretteten jenes Zugs,
Aus jener Gegend entweichend,
Ob jener Niederlage sehr;
Bruder, Vater und Sohn klagten,
Und Freunde sie, o Menschenherr!
Und es jammerte Waidarbhi:
Was für Sünde beging ich denn?
Der Zug, der in der einsamen
Waldgegend mir begegnet ist,
Ein Elefantenheer hat ihn
Zermalmt, ob meines Mißgeschicks!
Zu bestehen fürwahr hab' ich
Langsames Leid, das mir genaht.
„Vor seiner Stunde stirbt niemand“,
Also lautet der Alten Spruch;
Darum ward ich zermalmt heute
Nicht von dem Elefantenheer;
Denn ohne Schicksals Zulassung
Vollbringt der Mensch hienieden nichts.
Aber von Kindheit an hab' ich
Keine Sünde begangen doch,
Durch Tat, Gedanken und Rede,
Daß dieses Mißgeschick mich traf. —

Doch, bei der Gattenwahl, glaub' ich,
Wo die Hüter der Welt genaht,
Abgewiesen von mir wurden
Um den Nalas, die Himmlischen;
Wahrlich durch deren Macht traf mich
Die Trennung von dem Gatten mein. —

So und ähnliche Wehklagen
Sprach im Drange des Kummers dort
Damajanti, die schöngliedrig,
Die dem Gatten ergebene.
Mit den Priestern hierauf ging sie,
Den Wêda-lesenden gesamt,
Die entronnen dem Tod waren,
Sie, die ähnlich dem Neumondstreif.
Wandernd kam sie alsbald aber,
Die Holde, zu der großen Stadt,
Abends, des Tschêdi-Fürsts nämlich,
Des Subâhus, der Wahrheit schaut.
Gehüllt in Gewands Hälfte
Trat sie ein in die schöne Stadt,
Mager, blaß und erschöpft gänzlich,
Losen Haars, jedes Schmuckes bar,
Und wie besinnungslos gehend;
Es sahn die Stadtbewohner sie.
Der eintretenden, ihr dorten,
In des Königs von Tschêdi Stadt,
Folgten die Kinder nach jauchzend,
Aus den Dörfern, mit Ungestüm;
So von diesen umringt aber
Naht des Königs Palaste sie.
Es erblickte die Fürst-Mutter
Vom Schlosse sie im Volksgedräng',
Und zu der Amme sprach diese:
Geh', bring jene hierher zu mir!
Die Betrübte, die schutzdürftig,
Wird vom Volke gar sehr bedrängt;
Überstrahlen vielleicht wird sie
Mein Haus durch ihrer Schönheit Reiz,
Tollen Anzugs, die Hochedle,
Lakschmî'n ähnlich mit großem Aug. —

Zurück weisend das Volk, ließ sie
Auf der Zinne des Schlosses dann
Damajanti heran treten,
Und es sprach die Erstaunte:
Auch ergriffen von Leid zeigst du
Wahrhaft vorzügliche Gestalt,
Im Gewölke dem Blitz gleichend;
Sage mir, wer und wes du bist?
Übermenschlich ist dein Ansehn,
Wenn gleich des Schmuckes du entbehrst;
Begabt mit Götterglanz, zagst du
Ohne Schützer vor Männern nicht? —

Als die Rede gehört Bhaimi,
Sprach sie Rede dagegen dann:
Menschlichen Stamms bin ich, wisse,
Treulich dem Gatten zugetan,
Künstlerin, von Geburt edel,
Dienerin, die nach Willen wohnt,
Von Früchten, Wurzeln mich nährend,
Verwaist, wohnend wo's Abend wird.
Ein Gatte, des Verdienst zahllos,
Ist in Liebe geneigt mir stets,
Dem Helden bin geneigt ich auch,
Wie sein Schatten ihm folgend stets.
Vom Schicksal war verhängt diesem
Ein hartes Los, o Strahlende!
Im Spiel nämlich besiegt mußte
Allein zur Wildnis gehen er.
Ihm in einzigen Kleids Hülle,
Wie besinnungslos und erschöpft,
Meinem Gatten ein Trost nämlich,
Bin in die Wildnis ich gefolgt
In der Wildnis jedoch einstmals,
Bei gewisser Gelegenheit
Verlor sein einzig Kleid dieser,
Der hungrig, wie besinnungslos.
Mit Einem Kleid dem Kleidlosen,
Dem Törichten, die Törichte,
Folgte ich nach, und Schlaf hat mich
Gar manche Nächte nicht erquickt.
Aber nach langer Zeit endlich
Hat er die Schlafende getäuscht;
Mir entziehend des Kleids Hälfte,
Der Schuldreinen, verließ er mich.
Ihn nun, meinen Gemahl such' ich,
Bei Tag und Nacht von Gram verzehrt.
Ihn wie ein Lotos-Kelch glänzend,
Der im Herzen geliebt mir,
Find' ich nirgends den Gott-gleichen,
Lieben Lebensgebieter mein. —

Zu ihr mit Augen voll Tränen,
Welche klagte also gar sehr,
Zu der Betrübten nun sagte
Die betrübtere Königin:
Wohne bei mir, o Hochedle,
Große Freude hab' ich an dir.
Meine Leute, o Glücksel'ge!
Werden dir suchen den Gemahl.
Vielleicht kommt er wohl auch selber,
Umherirrend so hier und dort;
Und hier wohnend, o Hochsel'ge,
Wirst den Gatten erlangen du. —

Der Königs-Mutter Wort hörend,
Sagte Bhaimi dagegen nun:
Mit Bedingungen nur wohn' ich
Bei dir, Helden-Erzeugerin!
Übriggeblieb'nes nicht ess' ich,
Und Fußwaschung verricht' ich nicht,
Mit andern Männern auch würd' ich
Keinerlei Weise reden je.
So mich einer begehrt aber,
Bestraft müßte mir solch ein Mann,
Getötet solch ein Tor werden;
Dieses Gelübd' hab' ich getan.
Zu suchen den Gemahl aber
Muß Brahmanen ich sehen doch.
Wenn du dieses mir zusicherst,
Werd' ich wohnen bei dir gewiß;
Anders aber als so kann ich
Nirgends zu wohnen denken je. —

Mit erfreutem Gemüt sagte
Die Königsmutter nun zu ihr:
Erfüllen will ich all dieses,
Sei gepriesen mir dein Gelübd! —

Die Königsmutter dort sagte
Diese Rede zu Bhîma's Sproß,
Sprach zur Tochter sodann schleunig,
Zu Sunanda, o Bhâratas:
Lerne die Künstlerin kennen,
Die mit himmlischem Reiz begabt;
Gleichen Alters mit dir soll sie
Freundin dir und Gespielin sein.
Mit ihr magst du dich denn freuen,
Ungetrübten Gemütes stets. —

Und Sunanda, erfreut höchlich,
Begab nach Hause sich sodann,
Nahm Damajanti mit aber,
Von der Freundinnen Schar umringt.


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(1) Der Jakschafürst, d.h. Kuwêras, der Gott des Reichtums, der nach seinem Vater Wisrawas hier Waisravanas genannt wird.
(2) Die Râkschasa's sind dämonische Riesen; die weibliche Form ist Râtschasi. Die Pisâtscha's sind bösartige fleischgierige Wesen; die weibliche Form ist Pisâtschi; über Jakschin s.