Pushpak Nalas und DamajantiZurück WeiterNews

Elfter Gesang

Als entwichen anjetzt Nalas,
Bhaimi, von süßem Schlaf erquickt,
Erwacht' erschreckt die Reizvolle,
In der Einöde, wüst und leer;
Und ihren Gatten nicht schauend,
Von Gram ergriffen und von Schmerz,
Ließ sie den Ruf umherschallen:
König! — also mit lauter Stimm' —
O Gebieter! o Weltherrscher!
O Herr! warum verläßt du mich?
Ha, ich sterbe! der Tod naht schon!
Ich fürchte mich im öden Wald.
Bist du denn nicht, o Weltherrscher,
Kundig des Rechts, der Wahrheit Freund?
Wie! du sagtest: „So ist's wahrlich!“
Und nun fliehst du die Schlafende?
Kannst du, verlassend mich, fliehen,
Dein ergebenes, treues Weib,
Welches gar nichts zu Leid tat dir?
Ein Andrer hat zu Leid getan.
Kannst du die Worte wahr machen
An mir sämtlich, o Männerfürst,
Die du vormals zu mir sagtest,
In Gegenwart der Himmlischen? —

Kein unzeitiger Tod nahet
Den Sterblichen, o Männerhaupt,
Da ich, dein liebend Weib, lebe
Annoch, von dir verlassen hier. —

O nein, es ist ja Scherz dieses!
Du spielst, Zierde der Männer nur! —
Mir graut aber, o Machtvoller!
Zeige dich, o Gebieter schnell! —

Ich sehe, sehe dich, König!
Ja ich sehe dich, Nischadher!
Hinter den Sträuchern dich bergend,
Warum antwortest du mir nicht,
Wie ein Bösewicht, Weltherrscher?
Warum kömmst du nicht her zu mir,
Die dir nachfolgt und wehklaget,
Und sprichst tröstende Worte nicht? —

Mich beklage ich nicht selber,
Und auch sonsten beklag' ich nichts,
Wie wird es dir allein gehen?
Dich beklage ich, König, nur.
Wenn du, Hunger und Durst leidend,
Hingezogen von Müdigkeit,
Des Abends ruhst an Baumstämmen
Und mich nicht siehst, wie wird dir sein? —

Von herbem Gram gequält also,
Wie brennend in des Jammers Glut,
Hin und wieder umher irrt sie,
Weinend stets und von Schmerz erfüllt.
Sie erhebet sich bald hastig,
Sinket nieder ermattet bald,
Bald vergeht sie in Furcht dorten,
Bald weint und schreit sie jammernd auf.
Und von Kummer verzehrt also,
Seufzend in ihres Schmerzes Drang,
Sagte schluchzend hierauf Bhaimi,
Weinend, ihres Gemahls bedacht:

Durch dessen Fluch den Gramvollen
Dies Unglück traf, den Nischadher,
Unglück möge auch Den treffen,
Und Pein, größer als unsre Pein!
Und wer schuldvoll dem schuldlosen
Nalas dies Leid geschaffen hat,
In größ'res Leid soll der sinkend
Leben ein Leben freudenlos! —

Also klagte des Fürsts Gattin,
Des großgeistigen Nischadhers,
Ihren Gemahl im Wald suchend,
Wo der Tiger und Löwe haust;
Und wie sinnlos umherirrte
Bhîma's Tochter, die klagende,
„Weh! weh! König!“ so ausrufend
Läuft bald hier und bald dort sie hin.
Die da weinte gar sehr also,
Wie ein Meeradler schrie zugleich,
Und vielfältig sich abhärmte,
Und wehklagte ohn' Unterlaß,
Dieser nahte, der furchtsamen,
Eine Schlange ganz plötzlich nun.
Es faßte sie die schreckbare,
Großen Körpers, die Hunger plagt.
Von der Schlange gefaßt also,
Sehr von Schrecken erfüllet dann,
Nicht sich selber beklagt jene,
Wie sie Nalas den Gatten klagt:
O Gebieter! der schuldreinen,
In dem einsamen Walde mir,
Von der Schlange gefaßt also,
Warum nahst du in Eile nicht?
Wie wird dir sein, o Fürst Nalas,
Wenn du meiner gedenkest einst,
Von dem Fluche befreit wieder,
Zu Sinn, Verstand und Gut gekehrt?
Wenn Ermüdung fortan, Hunger
Und Entkräftung dich niederbeugt,
Wer wird Müdigkeit, Mann-Löwe,
Von dir scheuchen, o Trefflichster. —

Unvermutet jedoch hörte
Ein Jäger, wandelnd in dem Wald,
Der Damajanti Wehklagen,
Und kam eilig zu helfen her.
Jene sehend, die großäugig,
So gefaßt von der Schlange dort;
Tötet sogleich der Wildjäger,
Welcher schleunigst genaht war,
Mit spitzem Pfeil die Schlang' dorten,
Die sich zur Wehre setzet nicht
Damajanti, befreit also,
Und gereinigt mit klarer Flut,
Fragt der Jäger, erquickt habend
Sie mit Speis', und getröstet auch:

Der Gazelle von Aug gleichend,
Wes bist du? wie dem Forst genaht?
Wie auch traf dich, o Hochedle,
Dies große Mißgeschick allhier? —

Damajanti, gefragt also
Von dem Jäger im Walde dort,
Alles machte sie kund diesem,
Grade wie es ereignet sich. —

Die ein halbes Gewand deckte,
Mit voller Hüft' und Busen sie,
In jugendlichem Reiz prangend,
Deren Antlitz dem Vollmond gleich,
Mit gewölbten Augliedern,
Und mit lieblicher Stimme Klang,
Als diese sah der Wildmörder,
Fiel er in der Begier Gewalt.
Mit einschmeichelnder Red' also,
Der Jäger, welchen Sehnsucht plagt,
Tröstende Worte sprach dieser;
Es verstand ihn die Treffliche.
Als verstanden den Sündhaften
Damajanti, dem Gatten treu,
Von grimmem Zorn erfüllt jetzo,
Flammt sie gleichsam in Ärgers Glut.
Jener sündhafte Wicht aber
Wagte jetzo nicht ihr zu nahn,
Staunte an die Unnahbare,
Die auflodernder Flamme glich.
Damajanti voll Schmerz aber,
Des Gatten und des Reichs beraubt
Weil zur Rede nicht Zeit jetzo,
Fluchte jenem die Zornige:

Wie ich im Geiste nie denke
Eines andern als Naischadha's, (1)
So falle dieser Ruchlose
Atemlos, der vom Wilde lebt!

Als die Rede geredet aber,
Fiel der Jäger, den Wild ernährt,
Leblos zur Erde hin plötzlich,
Wie getroffen vom Blitz ein Baum.


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(1) Naischadhas ist ein Beiname des Nalas nach seinem Vaterlande Nischadha.