Pushpak Nalas und DamajantiZurück WeiterNews

Erster Gesang

Es war ein Fürst, genannt Nalas,
Wirasena's gewalt'ger Sohn,
Mit Tugenden begabt reichlich,
Rossebändiger, Wohlgestalt,
Unter Kön'gen hervorragend
Wie Indras (1) vor der Götter Schar,
Allen, allen voranstehend,
Gleichend der Sonne selbst an Glanz,
Fromm und der Wêda's (2) wohl kundig,
Ein Held, König von Nischadha,
Ein Würfel-Freund, von Wort wahrhaft,
Groß als Führer der Heeresschar,
Ein vortrefflicher Pfeilsender,
Ein Herrscher gleich dem Manus (3) selbst,
Ersehnet von der Frau'n Schönsten,
Edelmütig, der Sinne Herr. —

In der Widarbher Reich aber
Herrschte Bhîmas der tapfere,
Jeglicher Tugend Zier tragend,
Kinder wünschend, doch kinderlos;
Auf Nachkommen bedacht war er,
Im Geiste stets davon erfüllt.
Zu diesem kam ein Hochweiser
Einstens, Damanas war sein Name,
Welchen Bhîmas der pflichtkund'ge,
Der nach Kindern sich sehnende
Durch Bewirtung erfreut gastlich,
Nebst der Fürstin, den strahlenden.
Es segnete darum gnädig
Damanas ihn und Gattin sein.
Tochter-Perle gebar diese
Ihm und trefflicher Knaben drei:
Damajanti, Damas, Dântas
Und Damanas den strahlenden. —

In der Freundinnen Kreis glänzte
Die Tochter wie ein Wetterstrahl;
Wunderschön von Gestalt war sie,
Der großäugigen Lakschmî (4) gleich.
Unter den Göttern und Jakscha's (5),
Unter Menschen auch ward vordem
Solch ein Liebreiz gesehn nirgends,
Noch gehöret von solchem je;
Herz-erschütternde Magd war sie,
Selber unter den Göttern schön. (6)

So fand Nalas der Mann-Löwe
Im Weltall seines Gleichen nicht,
Ein körperlicher Anangas (7)
Von Gestalt war er anzusehn.
In Bhaimi's Nähe ward Nalas
Mit Entzücken gerühmt oft,
In des Nischadhers Näh' aber
Erhob man Damajanti's Reiz.
So ward Liebe erzeugt beiden,
Die sich selber noch nie gesehn,
Wechselseitigen Ruhm hörten,
Und es wuchs ihre Leidenschaft.
Nalas kann in der Brust tragen
Nicht die Liebe mehr, die ihn quält.
In einem Walde einst saß er,
Nah dem Schlosse, in Einsamkeit;
Schwäne sah er daselbst wandeln, (8)
Deren Fittige silberweiß,
Vögel, die sich des Walds freuten;
Einen erhascht von diesen er.
Der Luftwanderer ließ aber
Nala'n vernehmen dieses Wort:
Töten mußt du mich nicht, König!
Liebes bin ich zu tun bereit.
In Damajanti's Näh' will ich
Kunde geben also von dir,
Daß nicht anderes Manns jene,
Als dein jemals gedenken wird.
Dieses sagte der Schwan, Nalas,
Der Erdeherr entließ ihn dann.
Die Vögel flogen auf schleunigst,
Gegen Widarbha wendend sich.
Angelanget allda ließen
In Damajanti's Gegenwart
Sich nieder jene Luftwand'rer,
Und Bhaimi (9) nahm dieselben wahr.
Die schönen Schwäne dort sehend,
Von Freundinnen umgeben sie,
Hascht entzückt nach den Luftwand'rern
Damajanti die eilende.
Da zerstreuten im Lustwalde
Allhinwärts jene Schwäne sich,
Die Mädchen liefen dann einzeln
Voll Begierde den Vögeln nach.
Der Schwan, welchem jedoch Bhaimi,
Ihn zu fangen, genaht war,
Ließ nun menschlichen Laut hören,
Kündend der Jungfrau dieses Wort:
Hör', im Nischadha-Reich wohnet
Nalas genannt ein Erdeherr,
Schön wie die Aswina's beide, (10)
Ihm sind Menschen vergleichbar nicht,
Ein körperlicher Anangas
Von Gestalt ist er anzusehn.
Wahrlich wenn du dereinst würdest
Dessen Gattin, Hochedle!
Die Frucht deiner Geburt wäre
Und deiner Schönheit dann erreicht.
Götter sah ich und Gandharwen, (11)
Menschen, Riesen und Schlangen auch, (12)
So vorzüglichen Reiz aber
Wie Nala's hab' ich nie gesehn.
Du bist wahrhaft der Frau'n Perle,
Doch Nalas ist der Männer Zier,
Wenn die Schönste vereint würde
Dem Schönsten, trefflich wäre dies!

Vom Schwane angeredt also,
Sagte dagegen Bhaimi nun
Diese Rede zum Schwan dorten:
Sprich doch also zu Nalas auch.
Ja! so sagte der Ei-Sprößling
Zu der Tochter des Königs;
Gen Nischadha sodann kehrend,
Tat er alles dem Nalas kund.


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(1) Indras, Gott der Luft, ist der Fürst der unteren Götter, d. h. sämtlicher außer Brahma, Wischnus und Siwas; als Welthüter ist er Herr des Ostens
(2) Die Wêda's sind die ältesten Religionsschriften der Inder; es gibt deren vier, nämlich Rik (Rig-Wêda), Jadschus (Jadschur-Wêda), Sâma und Atharwa. Sie bewähren, besonders die drei ersten, ihr hohes Alter schon durch ihre vom klassischen Sanskrit durch viele veraltete Formen und Wörter abweichende Sprache.
(3) Manus ist der älteste Gesetzgeber der Inder und der aus der Sündflut gerettete König, von dem das folgende Menschengeschlecht abstammt. Auch heißt der Mensch nach ihm im Sanskrit mânava, manuga, d.h. Manns-Geborener, manusya und mânusa. Man lese die merkwürdige Episode des Mahâ-Bhârata, die ich nebst einigen anderen wichtigen Stücken dieses Epos unter dem Titel „Sündflut“ etc. herausgegeben habe.
(4) Lakschmî, die Gemahlin Wischnu's, ist die Göttin des Überflusses und Glückes.
(5) Die Jakscha's sind die Diener Kuwêra's, des Gottes des Reichtums; die weibliche Form ist Jakschi, die ich durch Jakschin gebe.
(6) Das erste Distichon bedeutet wörtlich: Ein geist-erschütterndes Mädchen, selbst der Götter, die Schöne.
(7) Anangas, aus anga, mit der Verneinungspartikel a, vor Vocalen an, heißt körperlos, und ist einer der gewöhnlichsten Namen des Liebesgottes Kâmas, dessen Körper durch den Blick des zornentflammten Siwas, als er diesen in seiner Buße stören wollte, in Asche gelegt wurde.
(8) Die Schwäne mit silber-weißen Fittigen sind im Urtexte Gänse mit goldähnlichen Fittigen; der sanskritische Ausdruck hansâ ist verwandt mit unserem Gans.
(9) Bhaimi ist ein Beiname der Damajanti und stammt von Bhîma, die Grundform des Namens ihres Vaters Bhîmas.
(10) Die Aswina's sind himmlische Ärzte von ausgezeichneter Schönheit, die Zwillingssöhne des Sonnengottes Sûrjas und der Aswinî, einer vergötterten Mondes - Konstellation.
(11) Die Gandharwen sind Genien der Musik, welche Indra's Himmel mit Gesang und Instrumentenspiel erfreuen.
(12) Die Schlangen stehen bei den Indern in großer Verehrung und haben nach der Mythologie eine eigene Stadt in der Unterwelt, Bhogavati genannt.