Pushpak Nalas und DamajantiZurück WeiterNews

Vorwort

Dieses Gedicht ist eine Episode des Mahâ-Bhârata, und zwar die größte, unter den Indern die berühmteste, und meiner Meinung nach die schönste jenes riesenhaften Epos. Ich habe sie zu einer Zeit, wo das Sanskrit in Europa noch zu den seltensten Studien gehörte, aus einer Handschrift in Paris kennen gelernt, und in der ersten Begeisterung über den herrlichen Fund im Urversmaße ins Deutsche übertragen. Doch zog ich vor, im Jahre 1819 meinen Aufenthalt in London dazu zu benutzen, zuerst den Urtext mit einer wörtlichen lateinischen Übersetzung an das Licht treten zu lassen. Dieses Buch, das zweite in Europa in alt- indischer Sprache gedruckte, wovon vor einigen Jahren eine neue Ausgabe erschienen ist (Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung), hat, wie ich glaube mir schmeicheln zu dürfen, das Seinige dazu beigetragen, dem Sanskritstudium bei uns leichteren Eingang zu verschaffen. Denn die Vortrefflichkeit jener alten Naturpoesie, und ihre in entzückender Einfalt unter den großartigsten und vollendetsten Formen sich bewegende Sprache, waren wohl dazu geeignet, jeden anzuziehen und zu fesseln, der die ersten grammatischen Schwierigkeiten eines Idioms überwunden hatte, welches den beiden klassischen, wie fast einer jeden der neueren Sprachen unseres Erdteils, aus der grausten Vorzeit schwesterlich die Hand reicht. Über den ästhetischen Wert der vorliegenden Dichtung urteilt A.W. von Schlegel in seiner Kritik meiner ersten Text-Ausgabe (Indische Bibliothek S. 98) wie folgt: „Hier will ich nur so viel sagen, daß nach meinem Gefühl dieses Gedicht an Pathos und Ethos, an hinreißender Gewalt der Leidenschaften wie an Hoheit und Zartheit der Gesinnungen, schwerlich übertroffen werden kann. Es ist ganz dazu gemacht, alt und jung anzusprechen, vornehm und gering, die Kenner der Kunst, und die, welche sich bloß ihrem natürlichen Sinne überlassen. Auch ist das Mährchen in Indien unendlich volksmäßig und verschiedentlich in neueren Formen und Mundarten behandelt worden. Dort ist die heldenmütige Treue und Ergebenheit der Damajanti eben so berühmt, als die der Penelope unter uns; und in Europa, dem Sammelplatz der Erzeugnisse aller Weltteile und Zeitalter, verdient sie es ebenfalls zu werden.“

Daß sie es werden wird, dafür bürgt wohl auch der Umstand, daß ein großes Dichtertalent jenen uralten Stoff zur Grundlage eines neuen Kunstwerkes gemacht hat, welches in origineller Weise Östliches mit Westlichem, Überliefertes mit Eigentümlichem paarend, den Ruhm der Damajanti im wohlklingendsten deutschen Reim verherrlicht. Die Rückertsche Arbeit aber, wovon bereits die zweite Auflage vorliegt, konnte einen Versuch nicht überflüssig machen, der darauf hinausgeht, das unübertreffliche antike Meisterwerk in der ihm am meisten entsprechenden Form, und, so weit es der Unterschied der Sprache zuläßt, in seinem uralten Colorit und majestätischen Rhythmus, ohne irgend eine Zutat und ohne wesentliche Auslassung (Im Ganzen sind etwa vierzig Verspaare, wovon einige mit Pflanzennamen angefüllt sind, in meiner Übersetzung weggefallen.), dem deutschen Leser vor Augen zu stellen. Eine Probe meiner Übersetzung, den neunten Gesang nebst den vier folgenden enthaltend, habe ich bereits im Jahre 1824 in meiner Ausgabe von Ardschuna's Reise zu Indra's Himmel abdrucken lassen, die auch Rückerts Beifall gefunden hat. Jetzt, wo dem genannten Buche eine neue Ausgabe bevorsteht, scheint es mir zweckmäßig, statt die bezeichnete Stelle wieder in dasselbe aufzunehmen, lieber das ganze Gedicht als selbstständiges Werk den Freunden indischer Dichtkunst zu übergeben. Möge es eine günstige Aufnahme finden.

Berlin den 1. August 1838.
Bopp.

(Anmerkung: Das alt-epische Versmaß der Inder gestattet große Freiheiten. Sowohl im ersten, wie im zweiten Hemistich sind nur die vier letzten Silben an ein bestimmtes Maß gebunden, und bilden im ersten einen Jambus, gefolgt von einem Trochaeus oder Spondeus, im zweiten zwei Jamben. Doch finden sich hinsichtlich der zweiten Hälfte des ersten Hemistichs im Original viele Ausnahmen. Ich habe mir aber deren in meiner Übersetzung keine gestattet, um das Ohr an einen bestimmten Rhythmus zu gewöhnen, der hauptsächlich durch die beiden in der sechsten und siebenten Silbe sich berührenden Längen getragen wird, was dem Bau des Distichons, neben der durch die Freiheit der ersten Hälfte jedes Hemistichs gegebenen Mannigfaltigkeit, einen besonderen Charakter von würde vollem Ernst einprägt. Im Urtexte, wie auch in meinen früheren Übersetzungen, sind die beiden Teile des Distichons ohne Absonderung zusammen geschrieben, und erhalten so das Ansehen eines einzigen Verses, den ich in vier viersilbige Füße zerlegt habe, wovon der zweite in der Regel ein Antispast oder erster Epitrit, der vierte ein Dijambus ist. Daß man aber ein Recht habe, diese Verse als Disticha aufzufassen, beweist der Umstand, daß bei gereimten Metren immer die Mitte auf das Ende reimt, die beiden Reimglieder aber demungeachtet in Eins geschrieben werden. Bei größeren Versmaßen hat man sich auch von jeher in gedruckten Texten genötigt gesehen, das was in den Handschriften als ein Vers erscheint, in zwei Hemistiche zu zerlegen. Zwei Disticha bilden eine Strophe, genannt Slôka; doch sieht man sich in den beiden großen epischen Gedichten, Râmâjana und Mahâ-Bhârata nicht selten genötigt, einen Slôka aus drei, oder bloß aus Einem Distichon bestehen zu lassen. Ich habe vorgezogen, in meiner Übersetzung, wie es auch häufig in Handschriften geschieht, die Slôka's nicht abzuteilen.)


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